Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.04.2013, Az. II ZB 7/09

2. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6395

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) SCHADENSERSATZ UNTERNEHMEN WIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSRECHT BANK- UND KAPITALMARKTRECHT AKTIEN BÖRSE

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Gegenstand

Aktionärsklage auf Schadensersatz wegen verspäteter Ad-hoc-Mitteilung über einen Wechsel im Amt des Vorstandsvorsitzenden der Aktiengesellschaft: Kundgabe der Absicht aus dem Amt zu scheiden gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden als Insiderinformation über einen bereits eingetretenen Umstand; Insiderinformation über einen künftigen Umstand; Befreiung von der Veröffentlichungspflicht


Leitsatz

1. Bei einem zeitlich gestreckten Vorgang wie der Herbeiführung eines Aufsichtsratsbeschlusses über den Wechsel im Amt des Vorstandsvorsitzenden kann jeder Zwischenschritt - auch bereits die Kundgabe der Absicht des amtierenden Vorstandsvorsitzenden gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden, vor Ablauf der Amtszeit aus dem Amt zu scheiden - eine Insiderinformation im Sinn von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG über einen bereits eingetretenen, nicht öffentlich bekannten Umstand sein.

2. Der Zwischenschritt kann eine Insiderinformation im Sinn von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG über einen künftigen Umstand - hier: Zustimmung des Aufsichtsrats oder Wechsel im Amt - sein, wenn nach den Regeln der allgemeinen Erfahrung eher mit dem Eintritt des künftigen Umstands als mit seinem Ausbleiben zu rechnen ist.

3. Die Emittentin macht sich nicht nach § 37b WpHG schadensersatzpflichtig, wenn sie sich bei Fehlen einer bewussten Entscheidung für eine Befreiung von der Veröffentlichungspflicht entschieden hätte und die weiteren Voraussetzungen von § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG tatsächlich vorliegen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Musterklägers wird der Beschluss des 20. Zivilsenats des [X.] vom 22. April 2009 mit Ausnahme der Feststellung zu 1), dass in der [X.] vom 17. Mai 2005 bis zur Beschlussfassung des Aufsichtsrats der [X.] am 28. Juli 2005 keine Insiderinformation des Inhalts entstanden ist, dass Prof. S.       gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden die einseitige Amtsniederlegung erklärt hat, aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Streitwert: 5.481.662,92 €

Gründe

I.

1

Der [X.] verlangt von der [X.] Schadensersatz wegen verspäteter Ad-hoc-Mitteilung über das vorzeitige Ausscheiden ihres Vorstandsvorsitzenden Prof. S     .

2

Nach der Hauptversammlung der [X.] vom 6. April 2005 trug sich Prof. S.     zunehmend mit dem Gedanken, vor Ablauf seiner bis 2008 reichenden Bestellung als Vorstandsvorsitzender auszuscheiden. Seine Ehefrau, die als Führungskraft sein Büro betreute, weihte er in diese Überlegungen ein. Am 17. Mai 2005 erörterte er seine Absicht mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden [X.]. Am 1. Juni 2005 wurden die Aufsichtsratsmitglieder [X.]und [X.]      über die Pläne informiert, spätestens am 15. Juni 2005 setzte Prof. [X.]das Vorstandsmitglied [X.]     , der sein Nachfolger als Vorstandsvorsitzender werden sollte, in Kenntnis. Am 6. Juli 2005 wurde die Chefsekretärin B.      informiert, ab dem 10. Juli 2005 arbeiteten der Kommunikationschef Sc.  , Frau [X.]und [X.]     an einer Pressemitteilung, einem externen Statement und einem Brief an die Mitarbeiter der [X.].

3

Am 13. Juli 2005 wurde zu einer Aufsichtsratssitzung auf den 28. Juli 2005 eingeladen. Die Einladung enthielt ebenso wie die Einberufung des [X.] des Aufsichtsrats auf den 27. Juli 2005 keinen Hinweis auf einen möglichen Wechsel in der Person des Vorstandsvorsitzenden. Am 18. Juli 2005 verständigten sich Prof. [X.] und der Aufsichtsratsvorsitzende [X.] darauf, in der Aufsichtsratssitzung vom 28. Juli 2005 das vorzeitige Ausscheiden von Prof. [X.]zum Ende des Jahres und die Bestimmung von [X.]     zum Nachfolger vorzuschlagen. Am 25. Juli 2005 erörterte Prof. [X.] mit dem Aufsichtsratsmitglied und Vorsitzenden des Konzern- und Gesamtbetriebsrats [X.].   den Wechsel. Ob [X.].    bereits am 11. Juli 2005 telefonisch über den beabsichtigten Wechsel informiert worden war, ist streitig. [X.].   besprach die Personalfrage mit den übrigen Arbeitnehmervertretern, führte Gespräche mit [X.]    und kündigte am 27. Juli 2005 Prof. [X.]an, dass die Arbeitnehmerbank für den Wechsel stimmen werde.

4

Am 27. Juli 2005 wurden die beiden weiteren Mitglieder des [X.] Dr. [X.]e.  und [X.].    informiert, bevor um 17.00 Uhr die Sitzung des [X.] begann. Der Präsidialausschuss beschloss, dem Aufsichtsrat am Folgetag vorzuschlagen, dem vorzeitigen Ausscheiden von Prof. [X.]zum Jahresende und der Bestellung von [X.]     zu seinem Nachfolger zuzustimmen. Prof. S.    informierte um 18.30 Uhr das Vorstandsmitglied Dr. C.    , das in der Öffentlichkeit als sein möglicher Nachfolger gegolten hatte, und um 19.00 Uhr die beiden weiteren Vorstandsmitglieder [X.]und U.     von dem beabsichtigten Wechsel. Um 19.30 Uhr fand ein Abendessen der Anteilseignervertreter unter den Aufsichtsratsmitgliedern statt, bei dem die Empfehlung des [X.] Gesprächsthema war.

5

Am 28. Juli 2005 beschloss der Aufsichtsrat der [X.] gegen 9.50 Uhr, dass Prof. S.     zum Jahresende aus dem Amt ausscheiden und [X.]     neuer Vorstandsvorsitzender werden sollte. Eine entsprechende Ad-hoc-Mitteilung sandte die [X.] den Geschäftsführungen der Börsen und der [X.] ([X.]) vorab um 10.02 Uhr, um 10.32 Uhr wurde die Ad-hoc-Mitteilung in der Meldungsdatenbank der [X.] veröffentlicht. Der an diesem Tag bereits nach der [X.] der Ergebnisse des zweiten Quartals 2005 angestiegene Kurswert der Aktien der [X.] stieg nach der Mitteilung über den Wechsel im Amt des Vorstandsvorsitzenden deutlich an.

6

Mehrere Anleger, die Aktien der [X.] vor diesem [X.]punkt verkauft hatten, haben wie der [X.] [X.]age gegen die [X.] erhoben, mit der sie Schadensersatz wegen der ihrer Ansicht nach verspäteten Ad-hoc-Mitteilung verlangen. Das [X.] hat auf die ihm durch Vorlagebeschluss des [X.] vorgelegten [X.] mit [X.] vom 15. Februar 2007 ([X.], 481) festgestellt, dass eine Insiderinformation im Sinne des § 37b Abs. 1 [X.] erst am 28. Juli 2005 um ca. 9.50 Uhr entstanden sei und dass die [X.] diese unverzüglich veröffentlicht habe. Der [X.] hat diesen [X.] mit Beschluss vom 25. Februar 2008 ([X.], [X.], 639) aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

7

Im [X.] vom 22. April 2009 ([X.], 962) hat das [X.] festgestellt, dass bis zur Beschlussfassung des Aufsichtsrats der [X.] am 28. Juli 2005 keine Insiderinformation des Inhalts entstanden ist, dass Prof. [X.]gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden die einseitige Amtsniederlegung erklärt hat und dass am 27. Juli 2005 nach 17.00 Uhr mit der Beschlussfassung des [X.] des Aufsichtsrats der [X.] eine Insiderinformation entstanden ist, dass der Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 28. Juli 2005 über den Vorschlag des [X.] beschließen wird, der vorzeitigen Aufhebung der Bestellung von Prof. [X.]zum Vorstandsvorsitzenden zum 31. Dezember 2005 zuzustimmen. Weiter hat es festgestellt, dass die [X.] von der Pflicht zur unverzüglichen [X.] dieser Information nicht bis zur Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat am 28. Juli 2005 gem. § 15 Abs. 3 [X.] befreit war, aber nicht nach § 37b [X.] auf Schadensersatz wegen Unterlassens einer unverzüglichen [X.] haftet, weil sie sich darauf berufen könne, dass der geltend gemachte Schaden gleichermaßen eingetreten wäre, wenn sie eine bewusste Entscheidung über den Aufschub getroffen sowie das mit den [X.] hinreichend vertraute Aufsichtsratsmitglied noch einmal belehrt und damit rechtmäßig gehandelt hätte.

8

Gegen den [X.] hat der [X.] Rechtsbeschwerde eingelegt, der zwölf weitere [X.]äger beigetreten sind.

9

Der [X.] hat dem [X.] mit Beschluss vom 22. November 2010 ([X.], 72) zwei Fragen zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6/[X.], Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/[X.] vorgelegt. Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 28. Juni 2012 - C-19/11 ([X.], 1282) entschieden:

1. Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über [X.] und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) und Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/[X.] der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6 betreffend die Begriffsbestimmung und die [X.] von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation sind dahin auszulegen, dass bei einem zeitlich gestreckten Vorgang, bei dem ein bestimmter Umstand verwirklicht oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt werden soll, nicht nur dieser Umstand oder dieses Ereignis präzise Informationen im Sinne der genannten Bestimmungen sein können, sondern auch die mit der Verwirklichung des Umstands oder Ereignisses verknüpften Zwischenschritte dieses Vorgangs.

2. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 ist dahin auszulegen, dass die Wendung „eine Reihe von Umständen …, … bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das … mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird“, auf künftige Umstände oder Ereignisse abzielt, bei denen eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte ergibt, dass tatsächlich erwartet werden kann, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten werden. Dagegen ist die Wendung nicht dahin auszulegen, dass das Ausmaß der Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf [X.] der betreffenden Finanzinstrumente berücksichtigt werden muss.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde des [X.]s, die gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] in der bis zum 1. November 2012 geltenden Fassung (im Folgenden nur: [X.]), die gem. § 27 [X.] in der ab diesem [X.]punkt geltenden Fassung (Art. 1, 10 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes vom 19. Oktober 2012, [X.] I S. 2182; im Folgenden: [X.] n.F.) auf das vorliegende Musterverfahren weiterhin anwendbar ist, kraft Gesetzes stets grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat, ist teilweise begründet. Auf die Rechtsbeschwerde des [X.]s ist der [X.] mit Ausnahme der Feststellung zu 1) aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen, damit es die nach dem Urteil des Gerichtshofs der [X.] weiter erforderlichen Tatsachenfeststellungen treffen kann.

1. Die Feststellung des [X.]s, dass in der [X.] vom 17. Mai 2005 bis zur Beschlussfassung des Aufsichtsrats der [X.] keine Insiderinformation des Inhalts entstanden ist, dass Prof. [X.]gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden die einseitige Amtsniederlegung erklärt hat, hält der Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren stand. Die Beweiswürdigung des [X.]s, das dazu Prof. [X.]und den Aufsichtsratsvorsitzenden [X.]als Zeugen vernommen hat, ist rechtsfehlerfrei. Die Beweiswürdigung durch das [X.] im Kapitalanlegermusterverfahren ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler zu überprüfen, § 576 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO i.V.m. § 546 ZPO. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und nur eingeschränkt darauf zu überprüfen, ob er sich mit dem Prozessstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 13. Dezember 2011 - [X.], [X.]Z 192, 90 Rn. 29; Urteil vom 19. Juli 2004 - [X.], [X.], 1726, 1729). Das gilt auch für die Musterrechtsbeschwerde. Dass einem Musterverfahren nach § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] (§ 20 Abs. 1 Satz 2 [X.] n.F.) grundsätzliche Bedeutung zukommt, auch wenn es auf die Feststellung von Tatsachen zielt, betrifft die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde, beseitigt aber nicht die grundsätzliche Bindung des [X.]s als Rechtsbeschwerdegericht an rechtsfehlerfrei getroffene tatsächliche Feststellungen des [X.]s (§ 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO i.V.m. § 559 Abs. 2 ZPO; vgl. KK-[X.]/Rimmelspacher, § 15 Rn. 205).

Das [X.] setzt sich mit den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinander und würdigt sie vollständig. Entgegen der Auffassung des Beigetretenen zu 1 ist die Beweiswürdigung nicht deshalb unvollständig, weil das [X.] die Glaubwürdigkeit der Zeugen nicht ausdrücklich erwähnt hat. Nach § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Mit der Frage der Glaubhaftigkeit der Aussagen der beiden Zeugen, die bei der Würdigung von Zeugenaussagen im Mittelpunkt steht, hat sich das [X.] ausführlich auseinandergesetzt. Das [X.] hat dabei entgegen der Auffassung des Beigetretenen zu 1 nicht Umständen eine ihnen nicht zukommende Indizwirkung zukommen lassen, weil eine Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat nach einer Amtsniederlegung entbehrlich und unverständlich gewesen sei, obwohl die Beteiligten an einem Beschluss des Aufsichtsrats wegen der Außenwirkung ein Interesse haben konnten. Es hat die Ankündigung der einseitigen Amtsniederlegung bei dem Gespräch mit dem Zeugen [X.]bereits im Mai vielmehr mit dem gesamten weiteren Geschehensablauf seit Mitte Mai 2005 für unvereinbar gehalten. Das [X.] ist auch auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen eingegangen, soweit sie der [X.] in Zweifel gezogen und aufgrund der übereinstimmenden Wortwahl in den Aussagen eine Abstimmung der Aussagen vermutet hat. Es hat die übereinstimmende Wortwahl nachvollziehbar damit erklärt, dass die Zeugen den Ablauf eines Gesprächs zwischen ihnen schilderten.

2. Dagegen hat die Rechtsbeschwerde Erfolg, soweit sie sich gegen die Feststellung im [X.] wendet, dass erst am 27. Juli 2005 eine Insiderinformation entstanden ist. Als [X.]punkt, zu dem eine Insiderinformation entstanden ist, kommt bereits das Gespräch des Zeugen [X.]Mitte Mai mit dem Zeugen [X.] in Betracht. Insoweit bedarf es aber noch tatrichterlicher Feststellungen, ob zu diesem [X.]punkt eine konkrete Information im Sinn von § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorlag (Kursspezifität), ob diese Information geeignet war, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsenkurs der Aktien der [X.] erheblich zu beeinflussen (Kursrelevanz) oder ob die Zustimmung des Aufsichtsrats hinreichend wahrscheinlich war.

a) Die Mitteilung des Zeugen S.     gegenüber dem Zeugen [X.]  über seine Absicht, vor Ablauf der Amtszeit im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat aus dem Amt auszuscheiden, kann eine Insiderinformation im Sinn von § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] über einen bereits eingetretenen, nicht öffentlich bekannten Umstand sein. Das gilt erst recht für die weiteren, vom [X.] aufgezählten Umstände bis zum [X.] vom 28. Juli 2005.

aa) Dass es sich um einen Zwischenschritt auf dem Weg zum Ausscheiden des Zeugen [X.]aus dem Vorstand der [X.] und der Bestimmung eines neuen Vorstandsvorsitzenden handelte, sperrt eine Einordnung als Insiderinformation nicht. Der [X.] hat auf die Vorlage des [X.]s klargestellt, dass bei einem zeitlich gestreckten Vorgang nicht nur der am Ende der Entwicklung stehende Umstand oder das Ereignis, sondern auch die mit der Verwirklichung des Umstands oder des Ereignisses verknüpften Zwischenschritte eine präzise Information im Sinn von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über [X.] und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) und Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/[X.] der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6 betreffend die Begriffsbestimmung und die [X.] von Insider-Information und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation sein können ([X.], [X.], 1282 Rn. 40). Dementsprechend kommt jedes einzelne Ereignis auf dem Weg zu einem beabsichtigten Ergebnis als Insiderinformation nach § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] in Betracht. Entgegen dem [X.] sperrt das im beabsichtigten Ergebnis bestehende künftige Ereignis nicht die Überprüfung der einzelnen Zwischenschritte auf ihre Eignung als Insiderinformation.

bb) Der [X.] erweist sich insoweit auch nicht aufgrund der Hilfserwägung des [X.]s als richtig, aus der Sicht eines verständigen Anlegers könnten bereits eingetretene Umstände nur kursrelevant sein, wenn das künftige Ereignis, auf das sie inhaltlich gerichtet sind, hinreichend wahrscheinlich eintrete. Da der bereits eingetretene Umstand selbständig im Hinblick auf seine Eignung als Insiderinformation zu betrachten ist, kommt es nicht ausschließlich darauf an, ob er auf ein künftiges Ereignis gerichtet ist und mit welcher Wahrscheinlichkeit dieses künftige Ereignis gegebenenfalls eintritt.

Eine Insiderinformation setzt voraus, dass die nicht öffentlich bekannten Umstände geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsenpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen (Kursrelevanz). Eine solche Eignung ist nach § 13 Abs. 1 Satz 2 [X.] gegeben, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Vor dem Hintergrund von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/6/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über [X.] und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) ist damit in richtlinienkonformer Auslegung eine Information gemeint, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde. Dabei ist zwischen der Information über ein bereits eingetretenes Ereignis oder einen vorliegenden Umstand und der Information über künftige Umstände und Ereignisse zu unterscheiden. Nur für die Information über künftige, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintretende Ereignisse hat der [X.] ausdrücklich entschieden, dass es für die Kursrelevanz auch auf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Ereignisses ankommt ([X.], [X.], 1282 Rn. 55).

cc) Der [X.] kann in der Sache insoweit nicht selbst entscheiden, weil das [X.] - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - weder Feststellungen getroffen hat, welche der bis zum [X.] eingetretenen Umstände im Sinn von § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] eine konkrete Information sind (Kursspezifität), noch ob sie geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsenkurs der Aktien der [X.] erheblich zu beeinflussen (Kursrelevanz).

(1) Die Tatsache, dass sich der Zeuge [X.]mit dem Gedanken trug, vor Ablauf seiner bis 2008 reichenden Bestellung als Vorstandsvorsitzender auszuscheiden, und seine Ehefrau in entsprechende Überlegungen einweihte, ist allerdings auch als bereits existierender Umstand noch keine konkrete Information im Sinn von § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Eine auf einen bereits existierenden Umstand oder ein bereits eingetretenes Ereignis bezogene Information ist konkret, wenn sie spezifisch genug ist, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung des bereits existierenden Umstands oder des bereits eingetretenen Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten zuzulassen (Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/[X.], [X.], [X.], 1282 Rn. 29). Zwar können auch Pläne, Vorhaben oder Absichten einer Person konkrete Informationen über diesen bereits existierenden Umstand sein (a.[X.] in [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 13 Rn. 21). Wenn bei einem zeitlich gestreckten Vorgang ein bestimmter Umstand verwirklicht oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt werden soll, können auch die mit der Verwirklichung des Umstands oder Ereignisses verknüpften Zwischenschritte dieses Vorgangs eine Insiderinformation sein ([X.], [X.], 1282 Rn. 38). Allein die Tatsache, dass sich der Zeuge [X.]mit Überlegungen befasste, vor Ablauf der Bestellung auszuscheiden, ohne einen dahin gehenden Entschluss gefasst zu haben, begründet aber noch keine so spezifische Information, dass sie einen Schluss auf eine mögliche Auswirkung auf die Kurse zuließe. Dem Merkmal der Kursspezifität kommt gerade bei Ereignissen, die als Teil eines gestreckten Geschehensablaufs angesehen werden können, eine Bedeutung zu (vgl. [X.], [X.], 1282 Rn. 39). Eine mögliche Auswirkung auf die Kurse stand mit dem Verbleib des Zeugen S.     als Vorstandsvorsitzenden in Zusammenhang. Auswirkungen auf die Kurse sind bei der Kenntnis von bloßen Überlegungen auch nicht daraus herzuleiten, dass den Erwägungen eine Schwächung der Leitungsposition entnommen werden könnte. Das ist auch nicht deshalb anders zu beurteilen, weil der Zeuge S.     die Überlegungen seiner Ehefrau, die ebenfalls bei der [X.] tätig war, mitgeteilt hat. Damit sind sie nicht über den engen persönlichen Bereich hinausgelangt und haben den Charakter als Überlegungen, denen kein präziser Informationsgehalt zukommt, nicht verloren.

(2) Ob das Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden [X.]   und die weiteren einzelnen Ereignisse, die das [X.] für die [X.] zwischen diesem Gespräch und dem [X.] ermittelt hat, konkrete Informationen und kursrelevant sind, kann der [X.] nicht selbst feststellen.

Maßgebend für die Kursspezifität ist, ob die Information über diese Umstände jeweils schon spezifisch bzw. präzise genug ist, um einen Schluss auf eine Auswirkung auf [X.] der Aktien der [X.] zuzulassen. Die Information über das Gespräch zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem Vorstandsvorsitzenden zu einem einvernehmlichen Wechsel im Vorstandsvorsitz ist konkret. Anhand der tatsächlichen Umstände ist für den 17. Mai 2005 aber noch zu ermitteln, ob sie einen Rückschluss auf die Kursentwicklung zulässt. Bisher ist nur für den 27. Juli 2005 festgestellt, dass die Information über den [X.] zum Wechsel im Vorstandsvorsitz auf einen Kursanstieg der Aktie der [X.] schließen ließ. Entsprechendes gilt gegebenenfalls für die weiteren Ereignisse bis zum [X.].

Maßgebend für die Kursrelevanz ist, ob ein verständiger Anleger als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung bereits die Information über den jeweiligen Umstand nutzen würde, hier also dass der Zeuge [X.]gegenüber dem Zeugen [X.] seine Absicht bekundet hat, vor Ablauf der Amtszeit im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat aus dem Amt auszuscheiden, und der Zeuge [X.]   dem nicht entgegengetreten ist, sondern mit dem Zeugen S.     zusammen auf einen [X.] hinarbeiten wollte; entsprechendes gilt für die weiteren Ereignisse und Umstände bis zum Beschluss des Aufsichtsrats. Das Kursbeeinflussungspotential einer Information ist in objektiv-nachträglicher Ex-[X.]-Prognose zu ermitteln ([X.], Urteil vom 13. Dezember 2011 - [X.], [X.]Z 192, 90 Rn. 41). Die Prüfung soll nach dem zur Auslegung heranzuziehenden ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/124/[X.] der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6 betreffend die Begriffsbestimmung und die [X.] von Insider-Information und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation (vgl. [X.], [X.], 1282 Rn. 55) anhand der ex [X.] vorliegenden Informationen erfolgen und sollte die möglichen Auswirkungen der Information in Betracht ziehen, insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamttätigkeit des Emittenten, der Verlässlichkeit der Informationsquelle und sonstiger Marktvariablen, die das entsprechende Finanzinstrument beeinflussen dürften.

Ein - zwischen den Parteien umstrittener - Kursanstieg nach der Ad-hoc-Mitteilung über den [X.] kann nur eingeschränkt als Indiz für die [X.] der Information über die vom Zeugen [X.]beabsichtigte einvernehmliche Beendigung der Vorstandstätigkeit und das Gespräch zwischen den Zeugen [X.] und [X.] herangezogen werden. Zwar kann der tatsächliche Kursverlauf Indizwirkung haben, wenn andere Umstände als das öffentliche Bekanntwerden der Insiderinformation für eine erhebliche Kursänderung praktisch ausgeschlossen werden können (vgl. [X.], Urteil vom 13. Dezember 2011 - [X.], [X.]Z 192, 90 Rn. 41). Bei der Information über den [X.], nach dem die Beendigung der Vorstandstätigkeit von Prof. [X.]zum Jahresende praktisch sicher war, handelt es sich aber um eine andere Information als die Information über ein Gespräch über die Absicht, aus dem [X.] zum Jahreswechsel auszuscheiden. Aus einem Kursanstieg als Reaktion auf den [X.] lässt sich daher nur entnehmen, dass eine Information über das Ausscheiden des Zeugen S.     aus dem [X.], wenn sie Ende Juli 2005 von Bedeutung für [X.] der Aktie der [X.] war, Anfang Mai kaum ohne jede Bedeutung für [X.] gewesen sein kann, wenn in der [X.] dazwischen nicht besondere Umstände eingetreten sind, die eine solche Veränderung erklären.

Bei der Beurteilung der Kursrelevanz kann nicht allein darauf abgestellt werden, wie wahrscheinlich die beabsichtigte einvernehmliche Beendigung der Bestellung war. Die Information über die Absicht des Zeugen [X.], im Einverständnis mit dem Aufsichtsrat vorzeitig aus dem Amt als Vorstandsvorsitzender auszuscheiden, muss sich für die Bewertung durch einen Anleger nicht im Hinweis auf ein künftiges Ereignis beschränken, sondern kann auch aus anderen Gründen von einem Anleger als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen benutzt werden. Schon die Absicht, die personelle Veränderung in der Leitung umzusetzen, kann bedeuten, dass die [X.] die vom Zeugen [X.]verfolgte Geschäftspolitik nicht oder nicht mit Nachdruck weiterverfolgt.

Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass der Umstand, dass an einer einvernehmlichen Aufhebung der Bestellung und Nachfolgeregelung gearbeitet wird, auch auf das künftige Ereignis des Wechsels im Amt des Vorstandsvorsitzenden hindeutet. Inwieweit die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des künftigen Ereignisses, auf das das bereits eingetretene Ereignis hindeuten kann, bei der Beurteilung der Kursrelevanz des bereits eingetretenen Ereignisses von Bedeutung ist, hat der [X.] nicht ausdrücklich ausgeführt. Im Zusammenhang mit der Kursrelevanz der Information über künftige Umstände hat er entschieden, dass dann, wenn es sich um eine Information über ein hinreichend wahrscheinliches künftiges Ereignis handelt, davon auszugehen sei, dass ein Anleger auch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des künftigen Ereignisses in Betracht zieht (vgl. [X.], [X.], 1282 Rn. 55). Da danach bei der Kursrelevanz generell davon auszugehen ist, dass ein Anleger den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines künftigen Ereignisses in Betracht zieht, muss dies auch gelten, wenn eine präzise Information über einen eingetretenen Umstand vorliegt, der auf ein künftiges Ereignis hinweist, und der Anleger insoweit den möglichen künftigen Verlauf abschätzen muss (Schall, [X.], 1286, 1288; [X.]öhn, [X.], 1885, 1891).

Der [X.] verkennt nicht, das dies frühzeitig zu einer veröffentlichungspflichtigen Insiderinformation führen kann, obwohl der unternehmensinterne Entscheidungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Das entspricht aber dem Zweck der Richtlinie, die Anleger einander gleichzustellen und u.a. vor der unrechtmäßigen Verwendung von Insiderinformationen zu schützen (vgl. [X.], [X.], 1282 Rn. 33). Der Emittent ist dadurch geschützt, dass er die [X.] auf das eigene Risiko, die Vertraulichkeit gewährleisten zu können, aufschieben darf (§ 15 Abs. 3 Satz 1 [X.]). Außerdem schuldet er keinen Schadensersatz, wenn das Unterlassen der [X.] nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht (§ 37b Abs. 2 [X.]). Ein solcher Fall kann gerade auch vorliegen, wenn die Kursspezifität oder die Kursrelevanz mit einfacher Fahrlässigkeit falsch eingeschätzt werden.

b) Weiter kann ab Mitte Mai 2005 eine Insiderinformation über einen künftigen Zwischenschritt bzw. das „Endereignis“ entstanden sein, dass der Aufsichtsrat dem Ausscheiden des Zeugen [X.]zum Jahresende zustimmen bzw. dass der Zeuge S.     zum Jahresende ausscheiden werde.

aa) Das [X.] hat - entsprechend dem Hinweis im Beschluss des [X.]s vom 25. Februar 2008 ([X.], [X.], 639 Rn. 25 f.) - seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass von dem künftigen Umstand des [X.]es, mit dem das Ausscheiden von Prof. [X.]zum Jahresende beschlossen wurde, erst mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Sinn des § 13 Abs. 1 Satz 3 [X.] (Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/[X.]) ausgegangen werden konnte, wenn aus der Sicht eines verständigen Anlegers die Entscheidung des Aufsichtsrats vorabgestimmt sei. Der [X.] hatte im Beschluss vom 25. Februar 2008 ausgeführt, dass offen bleiben könne, ob mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Sinn von § 13 Abs. 1 Satz 3 [X.] (Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/[X.]) eine hohe oder nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gefordert werde. Zu dem einvernehmlichen Ausscheiden sei ein Beschluss des [X.] erforderlich gewesen und nach der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats habe bereits auf den Widerspruch eines Mitglieds hin kein Beschluss zu dem in der Tagesordnung nicht angekündigten Ausscheiden von Prof. [X.]gefasst werden dürfen. Daher sei offen gewesen, ob der Aufsichtsrat sofort zu einer Entscheidung im Sinn des Vorschlags zum Ausscheiden von Prof. S.     und der Bestellung von [X.]    als Nachfolger kommen oder sie vertagen würde. Anders sei dies gegebenenfalls bei einer definitiven Vorabstimmung des [X.]es zu beurteilen. Eine solche Vorabstimmung hat das [X.] mit der Sitzung des [X.] am 27. Juli 2005 angenommen.

bb) An dieser an einer reinen Wahrscheinlichkeitsbeurteilung orientierten Auslegung, die mindestens eine überwiegende Wahrscheinlichkeit verlangt und zudem im Ergebnis bei Entscheidungen von mit mehreren Personen besetzten Gremien wie dem Aufsichtsrat hohe Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit stellt, hält der [X.] nach der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] nicht fest. Nach der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] ist der Begriff der hinreichenden Wahrscheinlichkeit in § 13 Abs. 1 Satz 3 [X.] dahin auszulegen, dass er auf künftige Umstände oder Ereignisse abzielt, bei denen eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte ergibt, dass tatsächlich erwartet werden kann, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten werden ([X.], [X.], 1282 Rn. 56). Damit wird nicht ausschließlich auf eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung abgestellt, sondern auf Regeln der allgemeinen Erfahrung ([X.], [X.], 1282 Rn. 44). Zwar muss danach eher mit dem Eintreten des künftigen Ereignisses als mit seinem Ausbleiben zu rechnen sein, aber die Wahrscheinlichkeit muss nicht zusätzlich hoch sein.

Damit sind auch hier weitere tatrichterliche Feststellungen erforderlich. Bei der Beurteilung nach den Regeln der allgemeinen Erfahrung sind alle tatsächlichen Umstände einzubeziehen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, ob es dem Aufsichtsratsvorsitzenden in der Vergangenheit regelmäßig gelang, bei sorgfältiger Vorbereitung und Leitung beabsichtigte Beschlüsse zu Personalfragen im Aufsichtsrat durchzusetzen, und Umstände vorlagen, die hier ex [X.] dagegen sprachen, dass dies auch diesmal gelingen würde. Auf die Frage, ob der Aufsichtsrat auf Antrag eines Mitglieds eine Entscheidung vertagen musste, kommt es dagegen nicht entscheidend an, weil § 13 Abs. 1 Satz 3 [X.] auf ein künftiges Ereignis abzielt und die vernünftige Erwartung, dass es eintreten wird, durch eine Vertagung der Entscheidung, wenn sich dahinter keine Gegnerschaft verbirgt, nicht erheblich beeinträchtigt wird.

cc) Soweit danach von einer hinreichend präzisen Information über einen [X.] als künftig eintretenden Umstand auszugehen sein sollte, hat der nach [X.] der Ad-hoc-Mitteilung über den [X.] tatsächlich eingetretene Kursanstieg für die Beurteilung der Kursrelevanz Indizwirkung, wenn andere Umstände als das öffentliche Bekanntwerden der Insiderinformation für eine erhebliche Kursänderung praktisch ausgeschlossen werden können (vgl. [X.], Urteil vom 13. Dezember 2011 - [X.], [X.]Z 192, 90 Rn. 41). Insoweit ist das [X.] daher zutreffend von einer Kursrelevanz für den von ihm angenommenen [X.]punkt für eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation, den Vorabend vor dem [X.], ausgegangen. Sofern dieser [X.]punkt nach weiteren tatrichterlichen Feststellungen zeitlich vorzuverlegen ist, ist allerdings zu berücksichtigen, dass Anleger nicht nur die möglichen Auswirkungen dieses künftigen Ereignisses auf den Emittenten in Betracht ziehen werden, für die der Kursanstieg Indizwirkung hat, sondern bei ihren Anlageentscheidungen auch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Ereignisses berücksichtigen werden (vgl. [X.], [X.], 1282 Rn. 55).

3. Die Feststellungen im [X.], dass die [X.] von der Pflicht zur unverzüglichen [X.] der Insiderinformation nicht bis zur Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat befreit war und dass die [X.] auch bei Erforderlichkeit einer bewussten Entscheidung über den Aufschub und trotz fehlender Belehrung eines Aufsichtsratsmitglieds nicht haftet, weil sie sich darauf berufen könne, dass der geltend gemachte Schaden gleichermaßen eingetreten wäre, wenn sie eine bewusste Entscheidung über den Aufschub getroffen und das Aufsichtsratsmitglied noch einmal belehrt hätte, beziehen sich auf den vom [X.] angenommenen [X.]punkt des Entstehens der Insiderinformation am 27. Juli 2005 nach 17.00 Uhr. Sie sind daher ebenfalls aufzuheben.

Insoweit weist der [X.] für das weitere Verfahren darauf hin, dass eine Feststellung, ob die Befreiung von der Pflicht zur unverzüglichen [X.] einer Insiderinformation nach § 15 Abs. 3 [X.] eine bewusste Entscheidung über den Aufschub der [X.] und eine nachträgliche Mitteilung an die [X.] ([X.]) voraussetzt, im Kapitalanlegermusterverfahren nicht getroffen werden muss, wenn die Emittentin sich darauf berufen kann, sie hätte sich für einen Aufschub entschieden, und die weiteren Voraussetzungen nach § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] tatsächlich vorliegen. Der Schädiger kann sich darauf berufen, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre.

a) Der Schutzzweck der verletzten Norm schließt im Fall des § 15 Abs. 1 und 3, § 37b Abs. 1 [X.] die Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten nicht aus. Ob der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens im Einzelfall erheblich ist, richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm ([X.], Urteil vom 24. Oktober 1985 - [X.], [X.]Z 96, 157, 171 ff.; Urteil vom 25. November 1992 - [X.], [X.]Z 120, 281, 285). Die Schadensersatzpflicht wegen Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen [X.] einer Insiderinformation dient in erster Linie dem Vermögensschutz der Anleger, selbst wenn sie zusätzlich einen generalpräventiven Charakter hat, und der Vermögensschutz der Anleger wird durch das Fehlen einer bewussten Entscheidung für einen befreienden Aufschub der [X.] nach § 15 Abs. 3 [X.] nicht berührt. Die Pflicht zur unverzüglichen [X.] schützt das Interesse an der Funktionsfähigkeit der Märkte und soll dem Insider-Handel entgegenwirken, und sie schützt auch das [X.] der Anleger hinsichtlich des Erzielens „richtiger“ Preise sowie ihre Entscheidungsfreiheit. Wenn es für die Befreiung nach § 15 Abs. 3 [X.] nur an einer bewussten Entscheidung über den Aufschub fehlt, die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] im Übrigen aber eingehalten sind, sind die Schutzzwecke der Pflicht zur unverzüglichen [X.], soweit sie den Anlegerinteressen dienen, nicht unmittelbar berührt. Eine bewusste Entscheidung des Emittenten soll die Sicherung der Vertraulichkeit gewährleisten helfen. Der Emittent muss nach § 15 Abs. 3 [X.] sicherstellen, dass nur Personen, die über ihre [X.] belehrt sind, im weiteren Ablauf von den Insiderinformationen erfahren und dass die [X.] unverzüglich nachgeholt wird, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Vertraulichkeit nicht mehr gewahrt ist, um Insider-Handel zu verhindern. Das kann er nur gewährleisten, wenn er den weiteren Gang der Information im Unternehmen und den Markt beobachtet. Wenn der Emittent diese Anforderungen tatsächlich erfüllt, wird das [X.] der Anleger hinsichtlich „richtiger“, nicht von Insiderhandel beeinflusster Preise und ihrer Entscheidungsfreiheit nicht beeinflusst.

Dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] - abgesehen von der bewussten Entscheidung - im Übrigen vorliegen müssen, betrifft hier insbesondere die Gewährleistung der Vertraulichkeit. Sie setzt neben der Kontrolle des Zugangs zu den Informationen (§ 7 [X.]) voraus, dass der Emittent die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um zu gewährleisten, dass jede Person, die Zugang zur Insiderinformation hat, die sich daraus ergebenden rechtlichen sowie regulatorischen Pflichten anerkennt und sich der Sanktionen bewusst ist, die bei einer missbräuchlichen Verwendung bzw. einer nicht ordnungsgemäßen Verbreitung derartiger Informationen verhängt werden. Der [X.] Gesetzgeber hat dieses Anerkennungs- und Aufklärungserfordernis nach Art. 3 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie 2003/124/[X.] in § 15b Abs. 1 Satz 3 [X.] aufgenommen (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 15 Rn. 163; unklar insoweit Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes [Anlegerschutzverbesserungsgesetz - [X.]], BT-Drucks. 15/3174 [X.]). Die mit § 15b Abs. 1 Satz 3 [X.] für die Gewährleistung der Vertraulichkeit geregelte Voraussetzung, dass die Personen, die Zugang zu den Insiderinformationen haben, deren [X.] aufgeschoben wurde, über die Rechtsfolgen von Verstößen aufgeklärt und über ihre Pflichten belehrt sind, kann nicht ihrerseits wieder dadurch ersetzt werden, dass es genügt, dass die Personen aufgeklärt und belehrt werden könnten. Das Aufklärungs- und [X.] soll der Kontrolle des Informationsflusses durch den Emittenten dienen und bei den Insidern das Bewusstsein für ihre Pflichten stärken. Diesem Zweck widerspricht es, es genügen zu lassen, dass die Insiderinformation tatsächlich vertraulich geblieben ist und der Emittent die von ihm verlangte Kontrolle dadurch ersetzt, dass er sich darauf beruft, dass er die formalen Voraussetzungen der Gewährleistung der Vertraulichkeit jederzeit hätte herbeiführen können.

b) Die Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten setzt aber voraus, dass der Schädiger bei rechtmäßigem Verhalten denselben Erfolg herbeigeführt hätte. Es genügt nicht, dass er ihn hätte herbeiführen können ([X.], Urteil vom 25. November 1992 - [X.], [X.]Z 120, 281, 287; Urteil vom3. Februar 2000 - [X.], [X.]Z 143, 362, 365). Dass die [X.], wenn sie das Vorliegen einer Insiderinformation erkannt hätte, eine Befreiungsentscheidung getroffen hätte, hat das [X.] bisher nicht festgestellt.

[X.]                       Caliebe                       Drescher

                    [X.]

Meta

II ZB 7/09

23.04.2013

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend EuGH, 28. Juni 2012, Az: C-19/11, Urteil

§ 13 Abs 1 S 1 WpHG, § 15 Abs 1 S 1 WpHG, § 15 Abs 3 S 1 WpHG, § 37b WpHG, Art 1 Abs 1 EGRL 6/2003, Art 1 Abs 1 EGRL 124/2003

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.04.2013, Az. II ZB 7/09 (REWIS RS 2013, 6395)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6395


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. II ZB 7/09

Bundesgerichtshof, II ZB 7/09, 22.10.2013.

Bundesgerichtshof, II ZB 7/09, 23.04.2013.

Bundesgerichtshof, II ZB 7/09, 22.11.2010.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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