Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 11.04.2024, Az. 1 BvR 2290/23

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2024, 1769

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde eines Journalisten gegen die gerichtliche Untersagung einer kritischen Äußerung über die Bundesregierung - ua zum Erfordernis der Berücksichtigung des Kontextes einer Äußerung - sowie zum Gebot einer Abwägung zwischen der Gefährdung der Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen durch eine Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch die Untersagung der Äußerung andererseits


Tenor

1. Der Beschluss des [X.] vom 14. November 2023 - 10 W 184/23 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

3. Das [X.] hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. [X.] wird auf 25.000 Euro (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen eine einstweilige Verfügung, durch die ihm eine kritische Äußerung gegenüber der Bundesregierung untersagt wurde.

2

1. Der Beschwerdeführer ist Journalist und Produzent des [[X.].] "(…)". Er unterhält auf der Kommunikationsplattform "[X.]" das Nutzerkonto "(…)", auf dem er am 25. August 2023 die den Gegenstand des Verfahrens bildende [X.] absetzte.

3

a) Zuvor hatte an demselben Tag das [X.] "(…)" einen Artikel mit der Überschrift "[X.] zahlt wieder Entwicklungshilfe für [X.]" veröffentlicht. Der weiterhin abrufbare Beitrag enthält nach der Überschrift eine Fotoaufnahme, die die Bundesministerin des [X.] (…) im Gespräch mit der [X.] (…) zeigt, und lautet im Text:

"Seit der Machtübernahme der [X.] in [X.] vor zwei Jahren hat die Bundesregierung 371 Millionen Euro für Entwicklungshilfe im Land bereitgestellt. Das [X.] ([X.]) hatte seinen Einsatz im Land nach dem Regimewechsel 2021 eigentlich auf Eis gelegt - inzwischen aber wieder hochgefahren. Darüber berichtet der Spiegel.

'Sämtliche Mittel dienen der Aufrechterhaltung der Grundversorgung sowie der Stärkung der Widerstandskraft der Bevölkerung und werden [X.] umgesetzt', heißt es von einer Sprecherin des [X.].

Befürchtungen, die [X.] könnten womöglich dennoch von den Millionen profitieren, weist das Ministerium zurück: 'Es fließen keine Mittel über die Ministerien und Behörden der [X.]. Die Maßnahmen werden vorrangig über internationale Organisationen ([X.], [X.]) und Nichtregierungsorganisationen umgesetzt.'

Überdies würden 'nur Maßnahmen umgesetzt, in denen Frauen mitarbeiten und mit denen Frauen und Mädchen erreicht werden können'. Die Mittel sind geringer als vor der Machtübernahme der [X.]. Allein 2019 etwa flossen 365,5 Millionen Euro nach [X.]."

4

Etwa eine Stunde nach der [X.] setzte der Beschwerdeführer eine zu diesem Artikel verlinkende [X.] ab, die mit einem Miniatur-Porträtbild seiner Person und mit seinem Namen versehen war. Ihr Text lautete:

"[X.] zahlte in den letzten zwei Jahren 370 [X.] (!!!) Entwicklungshilfe an die [X.] (!!!!!!). Wir leben im [X.], in einem absoluten, kompletten, totalen, historisch einzigartigen [X.]. Was ist das nur für eine Regierung?!"

5

Am Ende seiner [X.] fügte der Beschwerdeführer den [X.] zu dem auf "(…)" veröffentlichten Artikel ein, dessen Überschrift "[X.] zahlt wieder Entwicklungshilfe für [X.]" nebst dem beide Ministerinnen zeigenden Titelbild in der [X.] unterhalb des [X.]s angezeigt wurde.

6

b) Wenige Tage später, durch anwaltlichen Schriftsatz vom 31. August 2023, ließ die spätere Verfügungsklägerin - die Bundesrepublik [X.], vertreten durch das [X.], dieses vertreten durch die Bundesministerin (…) (im Folgenden: Verfügungsklägerin) - den Beschwerdeführer wegen seiner Äußerung "[X.] zahlte in den letzten zwei Jahren 370 [X.] (!!!) Entwicklungshilfe an die [X.] (!!!!!!)" abmahnen, da es sich hierbei um eine falsche Tatsachenbehauptung handele. Es sei kein Euro an die [X.] geflossen, sondern an Nichtregierungsorganisationen und die Vereinten Nationen.

7

2. Der nach fruchtlosem Fristablauf gleichlautend im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anhängig gemachte Unterlassungsantrag der Verfügungsklägerin wurde durch Beschluss des [X.] vom 4. Oktober 2023 - 27 O 410/23 - zurückgewiesen.

8

a) Juristische Personen des öffentlichen Rechts seien keine Grundrechtsträger, sie hätten auch keine persönliche Ehre. Sie genössen zwar, wie § 194 Abs. 3 [X.] zeige, im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben strafrechtlichen Ehrenschutz, der über §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. [X.] zivilrechtliche Unterlassungs- und Richtigstellungsansprüche begründen könne. Ein solcher Ehrenschutz stehe der Verfügungsklägerin jedenfalls dann zu, wenn die konkrete Äußerung geeignet sei, die Behörde schwerwiegend in ihrer Funktion zu beeinträchtigen. Allerdings dürfe dieser Ehrenschutz der Behörde nicht dazu dienen, sachliche Kritik an ihrer Amtstätigkeit abzublocken oder sich gegen öffentliche Kritik abzuschirmen. Dem sei bei der erforderlichen Güter- und Interessenabwägung Rechnung zu tragen, indem Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eine gesteigerte Bedeutung eingeräumt werde, wenn es um das Ansehen einer Behörde und nicht um den Schutz der persönlichen Ehre gehe.

9

b) Für die Ermittlung des [X.] sei darauf abzustellen, wie sie unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsleser verstanden werde, wobei eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen [X.] regelmäßig nicht zulässig sei, sondern auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen seien. Vor diesem Hintergrund handele es sich bei der angegriffenen Äußerung um eine zulässige Meinungsäußerung. Für die Beurteilung des Durchschnittslesers sei der Kontext zu berücksichtigen, nämlich die unterhalb der Äußerung abgebildete Überschrift des verlinkten Beitrags auf der Plattform "(…)". Hier werde dem Leser mitgeteilt, dass [X.] wieder "Entwicklungshilfe für [X.]" zahle. Die demgegenüber gewählte Aussage des Beschwerdeführers, [X.] zahle "Entwicklungshilfe an die [X.]", sei insoweit als eine nicht dem Beweis zugängliche und überspitzte Kritik zu verstehen, die Verfügungsklägerin unterstütze die [X.], indem sie über dritte Stellen Projekte in dem Land fördere und damit Leistungen, etwa solche der Daseinsvorsorge, erbringen lasse, die ohne ausländische Unterstützung von den [X.] erbracht werden müssten. Gleichermaßen könne die Äußerung als Befürchtung verstanden werden, die Gelder könnten über Umwege trotz möglicher Vorkehrungen in den Einflussbereich der [X.] gelangen. Die für die Meinung erforderliche Anknüpfungstatsache sei in der - unstreitig wahren - Tatsache zu sehen, dass die Verfügungsklägerin Mittel in dem angegebenen Umfang bereitstelle, die durch Dritte in [X.] verwendet würden.

3. Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin wurde die Entscheidung des [X.] durch den angegriffenen Beschluss des [X.] vom 14. November 2023 - 10 W 184/23 - abgeändert und dem Beschwerdeführer die beanstandete Äußerung untersagt.

a) Juristische Personen des öffentlichen Rechts könnten zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Angriffen in Anspruch nehmen, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt werde. Ein solcher Ehrenschutz könne jedenfalls dann geltend gemacht werden, wenn die konkrete Äußerung geeignet sei, die juristische Person schwerwiegend in ihrer Funktion zu beeinträchtigen. Daraus folge aber nicht, dass eine schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigung tatsächlich eingetreten sein müsse. Ein solches Verständnis hätte zur Konsequenz, dass sich juristische Personen des öffentlichen Rechts niemals mit rechtlichen Mitteln gegen ehrverletzende Äußerungen von [X.] wenden könnten. Denn es sei faktisch ausgeschlossen, dass durch eine ehrverletzende Äußerung eines [X.] tatsächlich eine Funktionsbeeinträchtigung bei einer Behörde eintrete. Vielmehr gehe es allein darum, ob die jeweilige Äußerung geeignet sei, das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der betroffenen Behörde und deren Funktionsfähigkeit zu gefährden.

b) So liege es hier. Durch die Äußerung des Beschwerdeführers bestünde die Gefahr, dass bei der Bevölkerung der Eindruck entstehe, die Verfügungsklägerin zahle Entwicklungshilfe an ein Terrorregime, das die Rechte der Bevölkerung mit Füßen trete. Dies könne Zweifel in das Vertrauen der Arbeit der Verfügungsklägerin und ihre Funktionsfähigkeit wecken. Die Äußerung des Beschwerdeführers sei eine unwahre Tatsachenbehauptung, die geeignet sei, das Vertrauen der Bevölkerung in die Tätigkeit der Verfügungsklägerin zu gefährden.

[X.]) Der Beschwerdeführer äußere, die Verfügungsklägerin habe in den letzten zwei Jahren 370 Millionen Euro Entwicklungshilfe an die "[X.]" gezahlt. Dies verstehe der Durchschnittsleser dahin, dass [X.] in dieser Höhe in den letzten zwei Jahren - seit der Machtübernahme durch die [X.] am 15. August 2021 - an die derzeitigen Machthaber in [X.] geleistet worden seien. Gestützt werde diese Sinndeutung durch die weiteren Äußerungen des Beschwerdeführers im [X.]. Der Zusammenhang zwischen den vorgenommenen Zahlungen und die daran anknüpfende Einordnung des Beschwerdeführers, dieses Verhalten zeige, dass "wir" in einem "[X.]" lebten, ergebe aus Sicht des Durchschnittslesers nur dann einen nachvollziehbaren Sinn, wenn die Zahlungen an die afghanischen Machthaber erfolgt seien. Denn eine Zahlung zur Unterstützung der afghanischen Bevölkerung durch [X.]e Institutionen wie die [X.] oder [X.] lasse einen Schluss auf ein schlechthin unverständliches, geisteskrankes Verhalten der Regierung gerade nicht zu.

bb) Die Überschrift des verlinkten Artikels ("[X.] zahlt wieder Entwicklungshilfe für [X.]") stehe dieser Sinndeutung nicht entgegen. Für den Leser der [X.] seien ohne weitere Recherche nur die Überschrift und ein Foto der Außenministerin und der Bundesentwicklungsministerin im Gespräch erkennbar. Danach sei der Inhalt des Artikels nur bei weitergehendem Interesse des Lesers wahrzunehmen, nicht aber für denjenigen, der entsprechend dem gewählten Medium lediglich die Beiträge selbst lese und gegebenenfalls kommentiere beziehungsweise an Dritte weiterleite. Auf die weitere Darlegung der Verfügungsklägerin, der Beschwerdeführer habe seine Äußerung vom 25. August 2023 noch durch eine weitere [X.] verstärkt ("um es noch mal deutlich zu machen: (…) und Co. zahlen 370 Millionen Euro Steuergeld an die [X.]"), komme es danach nicht an. Hingegen sei diesem nicht zu folgen, soweit er meine, es handele sich um eine Bewertung der "Zahlung von Entwicklungshilfe als Zahlung an das dortige Regime" und damit um eine zulässige Meinungsäußerung. Denn aus der Sicht des Durchschnittslesers ergebe sich gerade nicht, dass der Beschwerdeführer die Gefahr des mittelbaren Zugutekommens von Zahlungen für Entwicklungshilfe an die Machthaber in [X.] thematisiert habe.

c) [X.] sei aufgrund der bereits erfolgten Rechtsverletzung zu vermuten und nicht ausgeräumt. Auch bestehe ein Verfügungsanspruch, da die Eilbedürftigkeit im [X.] regelmäßig bereits daraus folge, dass mit einer jederzeitigen Wiederholung der beanstandeten Äußerung zu rechnen sei. Die Vermutung der Dringlichkeit sei auch nicht durch längeres Zuwarten seitens der Verfügungsklägerin selbst widerlegt worden.

4. Der Beschwerdeführer hat im Ausgangsverfahren nicht Widerspruch eingelegt, gegen den Beschluss vom 14. November 2023 jedoch am 12. Dezember 2023 Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der er eine Verletzung in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG rügt.

a) Zu Unrecht habe das [X.] die streitgegenständliche Äußerung als (unwahre) Tatsachenbehauptung gewürdigt. Der Beschwerdeführer weise mittels eines [X.]s und eines Vorschaubildes auf die [X.] des Artikels "[X.] zahlt wieder Entwicklungshilfe für [X.]" hin, dessen Nachricht er zugleich kommentiere. Er bewerte die Zahlung von Entwicklungshilfe an [X.] als Zahlung an das dortige Regime, was angesichts der Verhältnisse vor Ort und der totalitären Machthaber zulässig sei. Dass Entwicklungshilfe, auch wenn sie über nichtst[X.]tliche Organisationen abgewickelt werde, [X.] wirke, liege auf der Hand, jedenfalls handele es sich nicht um eine völlig fernliegende, sachlich nicht begründbare Konstruktion. Die Angabe des Ministeriums, Zahlungen erfolgten "nicht direkt" an die afghanischen Machthaber, lasse den Schluss zu, die Bundesregierung befürchte oder stelle sogar in Rechnung, dass derartige Mittel indirekt durchaus auch den dortigen Machthabern zufließen könnten.

b) Entgegen der Einschätzung des [X.] mache auch nicht die nicht beanstandete Äußerung "Wir leben in einem [X.], in einem absoluten, kompletten, totalen, historisch einzigartigen [X.]. Was ist das nur für eine Regierung?!" die angegriffene Äußerung zu einer Tatsachenbehauptung. Soweit das [X.] annehme, dass die Bewertung "Wir leben in einem [X.] […]" nur Sinn ergebe, wenn die Zahlungen an die afghanischen Machthaber erfolgt seien, habe es die Äußerung des Beschwerdeführers als Tatsachenbehauptung bewertet, weil dessen Bewertung nicht gerechtfertigt sei. Damit verkenne das [X.] bereits, dass Meinungsäußerungen grundsätzlich nicht begründet werden müssten. Hinzu komme, dass die Kritik des Beschwerdeführers auch nicht sinnwidrig oder unvertretbar sei. Die Hoffnung des Ministeriums, die Einschaltung internationaler Organisationen werde gewährleisten, dass die Mittelverwendung ohne Einflussnahme eines menschenverachtenden, totalitären Regimes durchführbar sei, sei auf entsetzliche Weise naiv.

c) Darüber hinaus werde der Sinngehalt einer Äußerung nicht allein vom Wortlaut bestimmt, sondern auch von deren für die Rezipienten erkennbaren Kontext. Die streitgegenständliche Äußerung sei aber Bestandteil einer [X.], mit der der Beschwerdeführer zugleich auf den per [X.] eingeblendeten Artikel hingewiesen habe. Gerade die Einbeziehung der Position der Bundesregierung und des [X.] sowie des zugrundeliegenden Sachverhalts machten deutlich, dass der Beschwerdeführer mit der streitigen Äußerung nicht behauptet habe, die Bundesregierung zahle unmittelbar Geld an die [X.], sondern dass er den dargestellten Sachverhalt und die Rechtfertigung der Bundesregierung bewerte und kritisiere. Soweit das [X.] meine, es entspreche dem gewählten Medium, dass die Nutzer lediglich die Beiträge selbst läsen, gegebenenfalls kommentierten und an Dritte weiterleiteten, verkenne es die Funktion des [X.]endienstes, Leser auf längere Beiträge in anderen Medien gerade aufmerksam zu machen und möglichst hohe Klickzahlen zu generieren.

d) Zu Unrecht habe das [X.] aber auch einen Unterlassungsanspruch des St[X.]tes bejaht. St[X.]tlicher Ehrenschutz könne das Ziel verfolgen, dass die betroffenen st[X.]tlichen Einrichtungen ihre Funktion erfüllen könnten. Trete dieser Schutzzweck in einen Konflikt mit der Meinungsfreiheit, sei deren Gewicht jedoch unter dem Aspekt der Machtkritik besonders hoch zu veranschlagen. Diese Voraussetzungen habe das [X.] verkannt, soweit es eine Minderung des der kritisierten Behörde entgegengebrachten Vertrauens mit einer Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit gleichgesetzt habe. Allein das Erfordernis einer schwerwiegenden Funktionsbeeinträchtigung erscheine grundsätzlich geeignet, dem hohen Gewicht der Meinungsfreiheit gerecht zu werden und zu gewährleisten, dass der Ehrschutz von Hoheitsträgern auf die Gewährleistung eines zur Funktionserfüllung erforderlichen Mindestmaßes öffentlicher Anerkennung beschränkt sei. Dieses Mindestmaß sei im vorliegenden Fall nicht erreicht. Im [X.] müsse sich die Regierung auch heftige und polemische Kritik gefallen lassen.

5. Der Verfügungsklägerin sowie der [X.] [X.] wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt, wovon die Verfügungsklägerin Gebrauch gemacht hat. Die Akten des [X.] waren beigezogen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.] zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Das [X.] hat die maßgeblichen Fragen im Bereich des [X.]s bereits entschieden (vgl. [X.] 85, 1; 99, 185; 114, 339). Dies gilt namentlich für die notwendige, unter interpretationsleitender Berücksichtigung der Grundrechte stattfindende Erfassung des Sinngehalts einer Äußerung (vgl. [X.] 82, 43 <52>; 85, 1 <13 f.>; 93, 266 <295 f.>; 114, 339 <348>; 152, 152 <185 f. Rn. 78>), für die Abgrenzung von Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen (vgl. [X.] 85, 1 <14 ff.>; 90, 241 <247>; 93, 266 <295>) sowie für das Gebot einer Abwägung zwischen der Gefährdung der Funktionsfähigkeit st[X.]tlicher Einrichtungen durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch die Untersagung der Äußerung andererseits (vgl. [X.] 93, 266 <291>; 124, 300 <332 ff.>). Danach ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.] offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG.

1. Die fristgerecht erhobene Verfassungsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig.

a) Insbesondere steht ihr nicht der Grundsatz der materiellen Subsidiarität entgegen. Zwar gebietet dieser regelmäßig die Erschöpfung des Rechtswegs auch in der Hauptsache, wenn im einstweiligen Rechtsschutz Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich - wie hier - ebenso auf die Hauptsache beziehen (vgl. [X.] 77, 381 <401>; 79, 275 <278 f.>; 86, 15 <22>; 104, 65 <70 f.>; stRspr). Auf den fachgerichtlichen Rechtsweg in der Hauptsache dürfen Beschwerdeführer aber dann nicht verwiesen werden, wenn die Durchführung des Hauptsacheverfahrens unzumutbar ist. Das ist hier der Fall. Denn das dem Beschwerdeführer in der Hauptsache verbleibende Aufhebungsverfahren (durch Antrag auf Fristsetzung zur Klageerhebung nach § 926 Abs. 1 ZPO beziehungsweise, bei obsiegender negativer Feststellungsklage, nach § 927 ZPO, jeweils in Verbindung mit § 936 ZPO) erscheint angesichts der nicht nur summarischen Prüfung des [X.] aussichtslos. Für die Entscheidung bedarf es zudem auch keiner weiteren Tatsachenfeststellungen, womit die tatsächliche beziehungsweise fachrechtliche Lage zur verfassungsrechtlichen Beurteilung ausreichend geklärt ist und auch im Übrigen die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 90 Abs. 2 Satz 2 [X.] vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden kann (vgl. [X.] 77, 381 <401 f.>; 79, 275 <278 f.>).

b) Ob der Beschwerdeführer, wie die Verfügungsklägerin annimmt, gehalten war, zur Erschöpfung des Rechtswegs nach § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.] beziehungsweise zur Wahrung des in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommenden Subsidiaritätsgrundsatzes gemäß § 936 ZPO in Verbindung mit § 924 ZPO Widerspruch einzulegen, obwohl die einstweilige Verfügung erstmals in der Beschwerdeinstanz erlassen wurde, kann offenbleiben. Denn selbst wenn dies für die mündliche Verhandlung über den Widerspruch nach § 936 ZPO in Verbindung mit § 924 Abs. 2 Satz 2 ZPO, wie die Verfügungsklägerin vorbringt, zur erneuten Zuständigkeit des [X.] führte, wäre für den Fall einer abändernden Entscheidung des [X.] nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer in einer für die Verfügungsklägerin dann gemäß § 936 ZPO in Verbindung mit § 925 Abs. 1, § 511 Abs. 1 ZPO eröffneten Berufungsinstanz mit einem für ihn günstigeren Ausgang vor dem [X.] hätte rechnen können. Von einem vornherein aussichtslosen Rechtsbehelf muss aber nicht Gebrauch gemacht werden (vgl. [X.] 70, 180 <186 f.>; 79, 275 <278 f.>).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.] offensichtlich begründet.

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.], wonach juristischen Personen des öffentlichen Rechts zivilrechtlicher Rechtsschutz gegen herabsetzende Äußerungen lediglich in eingeschränktem Umfang eröffnet ist, und wonach die rechtliche Beurteilung von Äußerungen maßgeblich von ihrem Sinngehalt und ihrer Einordnung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung abhängt.

[X.]) Dem St[X.]t kommt kein grundrechtlich fundierter Ehrenschutz zu. Während in Fällen, in denen sich die Meinungsfreiheit des Äußernden und das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen gegenüberstehen, die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung regelmäßig eine ordnungsgemäße Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch die Untersagung der Äußerung andererseits voraussetzt (vgl. [X.] 61, 1 <8 ff.>; 85, 1 <14 ff.>; 93, 266 <293 ff.>; 99, 185 <196 ff.>; 114, 339 <348>; 152, 152 <186 f. Rn. 80 f.>), hat der St[X.]t grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten. Die Zulässigkeit von Kritik am System ist Teil des Grundrechtest[X.]ts (vgl. [X.] 93, 266 <292 f.>; Beschlüsse der [X.] des [X.] vom 15. September 2008 - 1 BvR 1565/05 -, Rn. 13; vom 28. November 2009 - 1 BvR 917/09 -, Rn. 24).

Zwar dürfen grundsätzlich - wie sich ausweislich § 194 Abs. 3 Satz 2 [X.] etwa in der Schutznorm des § 185 [X.] niederschlägt - auch st[X.]tliche Einrichtungen vor verbalen Angriffen geschützt werden, da sie ohne ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz ihre Funktion nicht zu erfüllen vermögen (vgl. [X.] 93, 266 <291>; 124, 300 <332 ff.>). Ihr Schutz darf indessen nicht dazu führen, st[X.]tliche Einrichtungen gegen öffentliche Kritik - unter Umständen auch in scharfer Form - abzuschirmen, die von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit in besonderer Weise gewährleistet werden soll, und der zudem das Recht des St[X.]tes gegenübersteht, fehlerhafte Sachdarstellungen oder diskriminierende Werturteile klar und unmissverständlich zurückzuweisen (vgl. [X.] 148, 11 <30 Rn. 59>; 154, 320 <338 Rn. 52>; 162, 207 <232 Rn. 79>). Tritt der Zweck, die öffentliche Anerkennung zu gewährleisten, die erforderlich ist, damit st[X.]tliche Einrichtungen ihre Funktion erfüllen können, in einen Konflikt mit der Meinungsfreiheit, erlangt der Einfluss von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG daher gesteigerte Bedeutung (vgl. [X.] 28, 191 <202>; 93, 266 <291>). Das Gewicht des für die freiheitlich-demokratische Ordnung schlechthin konstituierenden Grundrechts der Meinungsfreiheit (vgl. [X.] 7, 198 <208>) ist dann besonders hoch zu veranschlagen, da es gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet (vgl. [X.] 93, 266 <292 f.>; [X.], Beschlüsse der [X.] des [X.] vom 28. November 2011 - 1 BvR 917/09 -, Rn. 24; vom 4. April 2024 - 1 BvR 820/24 -, Rn. 12).

bb) Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen ist, dass ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist (vgl. [X.] 93, 266 <295>; 114, 339 <348>; 124, 300 <345>; stRspr). Fachgerichtliche Entscheidungen, die den Sinn der angegriffenen Äußerung erkennbar verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung stützen, verstoßen gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit (vgl. [X.] 93, 266 <295 f.>; 124, 300 <345>). Da unter diesen Umständen schon auf der Deutungsebene Vorentscheidungen über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Äußerungen fallen, ergeben sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur Anforderungen an die Auslegung und Anwendung grundrechtsbeschränkender Gesetze, sondern auch an die Deutung umstrittener Äußerungen (vgl. [X.] 93, 266 <295>; 114, 339 <348>; 124, 300 <345>).

(1) Maßgeblich für die Deutung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (vgl. [X.] 82, 43 <52>; 93, 266 <295>; 114, 339 <348>; 124, 300 <345>). [X.] Deutungen sind auszuscheiden (vgl. [X.] 93, 266 <296>; 114, 339 <348>). Auszugehen ist stets vom Wortlaut der Äußerung. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren (vgl. [X.] 67, 213 <229 f.>; 93, 266 <295 f.>; 124, 300 <345>). Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen [X.] wird den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. [X.] 82, 43 <52>; 93, 266 <295>; [X.], Beschlüsse der [X.] des [X.] vom 9. November 2022 - 1 BvR 523/21 -, Rn. 15; vom 24. November 2023 - 1 BvR 1962/23 -, Rn. 4).

(2) Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind verkannt, wenn die Gerichte eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik im verfassungsrechtlichen Sinne einstufen mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder [X.] Charakter anzusehen sind (vgl. [X.] 85, 1 <13 f.>; 82, 272 <281>; 54, 208 <215>; 43, 130 <136 f.>). Während Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit geprägt werden und der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich sind (vgl. [X.] 90, 241 <247>; 94, 1 <8>), handelt es sich bei einer Meinung um eine Äußerung, die durch Elemente der Stellungnahme und des [X.] geprägt ist (vgl. [X.] 7, 198 <210>; 61, 1 <8>; 90, 241 <247>; 124, 300 <320>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. November 2022 - 1 BvR 523/21 -, Rn. 16). Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. [X.] 97, 391 <403>). Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an (vgl. [X.] 93, 266 <295>; [X.], Beschlüsse der [X.] des [X.] vom 4. August 2016 - 1 BvR 2619/13 -, juris, Rn.13; vom 16. März 2017 - 1 BvR 3085/15 -, Rn. 13). Eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ist nur zulässig, wenn dadurch ihr Sinn nicht verfälscht wird. Wo dies nicht möglich ist, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen werden, weil andernfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes drohte (vgl. [X.] 61, 1 <9>; 90, 241 <248>).

cc) Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts, zu dem auch die im Streitfall herangezogenen Vorschriften der § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB, §§ 185 ff. [X.] zählen, sind allerdings Aufgabe der Fachgerichte und können vom [X.] - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Norm die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. [X.] 18, 85 <92 f., 96>; 33, 125 <168>; 85, 1 <13>; 85, 248 <257 f.>; 86, 122 <129>; 102, 347 <362>; 107, 275 <280 f.>; 119, 1 <22>; 148, 267 <281>; stRspr). Da die fallübergreifende Wirkung der Verfassungsrechtsprechung gerade im Bereich der Kommunikationsgrundrechte wegen der Öffentlichkeitsbezogenheit der geschützten Handlungen erhebliche Bedeutung hat und schon einzelne Fehler bei der Auslegung des einfachen Rechts und der Deutung der Äußerung zu einer Fehlgewichtung des Grundrechts führen können, muss allerdings eine gegenüber anderen subjektiven Verfassungsrechten gesteigerte [X.] greifen, soll die Freiheit dieser Lebensäußerungen nicht in ihrer Substanz getroffen werden (vgl. [X.] 81, 278 <289 f.>). Auch dann ist es jedoch regelmäßig nicht Sache des [X.]s, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl. [X.] 129, 78 <102>; 152, 152 <185 f. Rn. 78>).

b) Hieran gemessen, verstößt die Entscheidung des [X.] gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, da sie den Sinn der angegriffenen Äußerung und deren Charakter einer Meinungsäußerung erkennbar verfehlt.

[X.]) Nach den Feststellungen des [X.] beinhaltete die [X.] des Beschwerdeführers über den von diesem formulierten [X.] hinaus die Überschrift des verlinkten Artikels sowie ein Foto, das die Bundesministerin des [X.] und die [X.] im Gespräch zeigt. Diesen für die Rezipienten erkennbaren Kontext zieht das [X.] für seine Sinndeutung nicht heran, sondern meint, dass die Überschrift des Artikels - auf das Foto geht es nicht ein - seiner Sinndeutung "nicht entgegen" stehe. Eine Begründung hierfür gibt es nicht, sondern führt im Folgenden lediglich aus, dass der Inhalt des Artikels zur Sinndeutung nicht heranzuziehen sei, da er für den Leser ohne weitere "Recherche" nicht erkennbar sei. Ob diese - für den Inhalt des Artikels - gezogene Kontextgrenze (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 40) angesichts der bloßen Notwendigkeit, ein in der [X.] enthaltenen [X.] anzuklicken, wie auch in Hinblick auf die implizite, nicht nachvollziehbar begründete Annahme des [X.], in [X.]en verlinkte - hier sogar als Vorschau dargestellte - Inhalte klicke der Nutzer "entsprechend dem gewählten Medium" nicht an, tragfähig ist, kann mangels Auseinandersetzung bereits mit der Titelzeile des Artikels offenbleiben. Aus der Sicht eines Durchschnittslesers war es bereits angesichts der wiedergegebenen Vorschau des verlinkten Artikels ein hervorstechendes Anliegen des Beschwerdeführers, zwischen seiner [X.] und einem hiermit verlinkten [X.] auf "(…)" einen inhaltlichen Bezug herzustellen. Wird für die Kontextbestimmung einer Äußerung eine hierin für den Rezipienten erkennbar in Bezug genommene, inhaltlich sogar unmittelbar wahrnehmbare Schlagzeile eines [X.]s ausgeblendet, verfehlt bereits dies die sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenen Anforderungen an die Deutung umstrittener Äußerungen.

bb) Auf der Grundlage dieser mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht in Einklang zu bringenden Kontextbestimmung verkürzt das [X.] das Grundrecht der Meinungsfreiheit ferner, wenn es die Äußerung des Beschwerdeführers als unwahre Tatsachenbehauptung einstuft.

(1) Indem das [X.] für seine Beurteilung die in der [X.] wiedergegebene Schlagzeile "[X.] zahlt wieder Entwicklungshilfe für [X.]" ausblendet, verharrt seine Sinndeutung auf einer isolierten Betrachtung des durch den Beschwerdeführer formulierten [X.]entextes. Auf dessen Grundlage gelangt es zu der Einschätzung, der an der Bundesregierung geübten Kritik eines "[X.]es" könne ein nachvollziehbarer Sinn "nur dann" entnommen werden, wenn eine Zahlung von Entwicklungshilfe an die derzeitigen Machthaber in [X.] behauptet werde, da der Durchschnittsleser eine Unterstützung [X.]er Institutionen nicht als "irres Vorgehen" ansehe. Die schon bei bloßer Betrachtung des [X.]entextes naheliegende Möglichkeit, der Beschwerdeführer habe die Gefahr eines mittelbaren Zugutekommens von Zahlungen an die Machthaber in [X.] thematisiert, schließt es mit dem zirkulär entgegengesetzten Standpunkt aus, für den Durchschnittsleser ergebe sich die Behauptung, die Regierung habe "Zahlungen an die [X.] geleistet". Auch zieht es nicht in Erwägung, ob diese Annahme einer Tatsachenbehauptung angesichts der wiedergegebenen Schlagzeile "[X.] zahlt wieder Entwicklungshilfe für [X.]" als fernliegend auszuscheiden und aus der Sicht eines Durchschnittslesers allein die zugespitzte Meinungsäußerung anzunehmen sei, mit einer Zahlung von "Entwicklungshilfe für [X.]" zahle [X.] faktisch "Entwicklungshilfe an die [X.]". Auf den im Instanzenzug zuvor auf dieser Linie liegenden, maßgeblich an die in der [X.] wiedergegebene Schlagzeile anknüpfenden Standpunkt des [X.] geht das [X.] nicht ein.

(2) Zugleich verliert es aus dem Blick, dass die durch den Beschwerdeführer geübte Kritik an der Bundesregierung als Äußerung, die durch Elemente der Stellungnahme, des [X.] und [X.] geprägt ist, auch dann als Meinungsäußerung geschützt wird, wenn sich in ihr Tatsachen und Meinungen vermengten (vgl. [X.] 61, 1 <9>; 90, 241 <248>; 93, 266 <295>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. November 2022 - 1 BvR 523/21 -, Rn. 16), und dass im Hinblick auf die durch das [X.] nicht in Erwägung gezogene Kritik des Beschwerdeführers an einer mittelbaren Finanzierung der "[X.]" weder die Verfügungsklägerin Zahlungen von Entwicklungshilfe "für [X.]" in Abrede stellt, noch die angegriffene Entscheidung in Zweifel zieht, dass die Gefahr ihres mittelbaren Zugutekommens an die Machthaber in [X.] besteht.

cc) Ob die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers demgegenüber - und ohne weitergehende Feststellungen zur Reichweite und Aktualität der angegriffenen Äußerung - unter der Prämisse eines in seiner Meinungsäußerung enthaltenen unwahren Tatsachenkerns hinter dem Ziel zurückzutreten hätte, dass st[X.]tliche Einrichtungen ihre Funktion erfüllen können, kann bei dieser Sachlage offenbleiben. Von vornherein zu verneinen wäre dies allerdings bei einer mit wahren Tatsachen verbundenen Meinungsäußerung des Beschwerdeführers. Es hätte dann dabei zu verbleiben, dass der St[X.]t grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten hat (vgl. [X.] 93, 266 <292 f.>; Beschlüsse der [X.] des [X.] vom 15. September 2008 - 1 BvR 1565/05 -, Rn. 13; vom 28. November 2011 - 1 BvR 917/09 -, Rn. 24).

3. Die angegriffene Entscheidung beruht auf diesen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das [X.] bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung kommt.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 2290/23

11.04.2024

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend KG Berlin, 14. November 2023, Az: 10 W 184/23, Beschluss

Art 5 Abs 1 S 1 GG, Art 5 Abs 2 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG, § 185 StGB, § 194 Abs 3 S 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 11.04.2024, Az. 1 BvR 2290/23 (REWIS RS 2024, 1769)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1769

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