Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 30.10.2023, Az. 1 BvR 687/22

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2023, 9310

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Überwiegend stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Art 3 Abs 1 GG iVm Art 19 Abs 4 GG) durch PKH-Versagung aufgrund überspannter Anforderungen an Erfolgsaussichten der Feststellungsklage - fehlende fachgerichtliche Prüfung der polizeilichen Gefahrenprognose im Falle polizeilicher Standardmaßnahmen bzgl einer bekannten Umweltaktivistin


Tenor

1. [X.]er Beschluss des [X.] vom 2. November 2021 - 8 [X.] 1302/21 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes und wird aufgehoben. [X.]er Beschluss des [X.] vom 8. März 2022 - 8 [X.] 1302/21 - wird damit gegenstandslos.

2. [X.]ie Sache wird zur erneuten Entscheidung an den [X.] Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

4. [X.]as [X.] hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe

1

[X.]ie Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung von Prozesskostenhilfe für einen rechtshängigen [X.] über einen Antrag auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Standardmaßnahmen (Identitätsfeststellung, [X.]urchsuchung von Sachen).

2

1. [X.]er vorliegende Fall trug sich vor dem Hintergrund der Proteste gegen die Rodung des [X.] in [X.] zu. [X.]er [X.] liegt zirka 80 Kilometer nördlich vom [X.] (…). [X.]ie Klägerin und Antragstellerin des Ausgangsverfahrens sowie Beschwerdeführerin im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist eine bekannte Umweltaktivistin, die seit vielen Jahren Proteste durchführt, insbesondere Kletteraktionen. Aufgrund einer chronischen Erkrankung ist sie mittlerweile schwerbehindert und auf einen Rollstuhl angewiesen, klettert jedoch weiter.

3

2. Am 3. [X.]ezember 2020 befand sich die Beschwerdeführerin in dem [X.] (…) der [X.] auf der Reise von ihrem Wohnort (…) nach (…), wobei sie zwei Fahrscheine mit sich führte; den einen für die Hinfahrt am 3. [X.]ezember 2020 von (…) nach (…), den anderen für eine entsprechende Rückfahrt am 9. [X.]ezember 2020. Während eines Halts am [X.] in (…) wurde sie als einzige Person im [X.] von Beamten der [X.] angesprochen. [X.]iese stellten die Personalien der Beschwerdeführerin fest, führten eine [X.]urchsuchung durch und stellten einige Kletterutensilien sicher, die sich im Rucksack der Beschwerdeführerin befanden. [X.]urch die Polizeimaßnahmen verlängerte sich der Halt des [X.] im Bahnhof außerplanmäßig um zirka 40 Minuten, bevor auch die Beschwerdeführerin mit dem [X.] weiterfahren konnte. Ausweislich der beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens wurde der Einsatz durch das Lagezentrum des [X.] (…) ausgelöst, das die [X.] im Auftrag des [X.] Mittelhessen fernmündlich über die Anwesenheit einer polizeibekannten Aktivistin - der Beschwerdeführerin - im [X.] (…) mit der Bitte informierte, sie einer Personenkontrolle zu unterziehen und dabei insbesondere auf mitgeführte Kletterausrüstung zu achten.

4

3. a) Gegen einen Teil der Polizeimaßnahmen erhob die Beschwerdeführerin Fortsetzungsfeststellungsklage zum [X.] gegen das Land [X.], vertreten durch das [X.]. [X.]ie durchgeführte Identitätsfeststellung sowie die [X.]urchsuchung ihrer Sachen und Person seien rechtswidrig gewesen. Mit der Klageerhebung beantragte die Beschwerdeführerin zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts, der die Klageschrift verfasst hatte.

5

b) Nachdem die [X.], vertreten durch die [X.]direktion [X.], notwendig beigeladen worden war, lehnte das Verwaltungsgericht mit angegriffenem Beschluss den Prozesskostenhilfeantrag ab, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. [X.]ie Fortsetzungsfeststellungsklage dürfte bereits unzulässig sein, weil das notwendige [X.] fehle.

6

4. [X.]ie daraufhin erhobene Beschwerde wies der [X.]hof mit angegriffenem Beschluss ebenfalls wegen mangelnder Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung zurück. Zwar liege entgegen der Rechtsauffassung des [X.] das erforderliche [X.] vor. [X.]as Verwaltungsgericht habe das [X.] jedoch im Ergebnis zu Recht abgelehnt, da es an der hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung fehle. [X.]ie Klage dürfte unbegründet sein, weil die durchgeführten Polizeimaßnahmen rechtmäßig gewesen seien.

7

Eine [X.]urchsuchung der Person der Beschwerdeführerin habe ausweislich des Protokolls der [X.] nicht stattgefunden. Hinsichtlich der Identitätsfeststellung nach § 18 HSOG reiche ein bloßer Gefahrenverdacht aus, wobei aufgrund der relativ geringen Eingriffsintensität an die Verdachtsmomente keine allzu hohen Anforderungen zu stellen seien. [X.]ieser habe schon deshalb vorgelegen, weil aufgrund der polizeilichen Erkenntnisse zu befürchten gewesen sei, dass sich die Beschwerdeführerin den Baumbesetzungen im [X.] anschließe, die seinerzeit in vollem Gange gewesen seien. [X.]aneben sei nicht auszuschließen gewesen, dass sie an [X.] von Autobahnbrücken teilnehmen werde, die im Zusammenhang mit der Rodung des Forstes seinerzeit gehäuft aufgetreten seien. Ihr Rucksack habe gemäß § 37 Abs. 1 HSOG durchsucht werden dürfen, da aufgrund der polizeilichen Erkenntnisse erneut zu befürchten gewesen sei, dass die Beschwerdeführerin im Rucksack Kletterutensilien mit sich führe, die im Zusammenhang mit der Rodung des [X.] zur möglichen Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder gar Straftaten geeignet gewesen seien. [X.]ie Kletterutensilien seien sodann auch sichergestellt worden. Welche polizeilichen Erkenntnisse der Gefahrenprognose zugrunde lagen und woher sie rührten, führte der [X.]hof jeweils nicht aus.

8

5. Gegen den vorgenannten Beschluss des [X.]hofs erhob die Beschwerdeführerin erfolglos Anhörungsrüge.

9

6. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG sowie ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG durch die angegriffenen Entscheidungen.

Ihr Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit sei verletzt, weil die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe der Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht vorgreifen dürfe. [X.]er [X.]hof habe zwar die in der Ablehnung eines [X.]s liegende Grundrechtverletzung durch das Verwaltungsgericht wieder gut gemacht, aber die Verletzung ihres Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit zugleich dadurch perpetuiert, dass er, indem er die Rechtmäßigkeit der Polizeimaßnahmen auf der Grundlage unzureichender Informationen festgestellt habe, in der Sache entschieden habe. [X.]abei seien die der Gefahrprognose zugrundeliegenden Tatsachen bis zuletzt weder vom Gericht noch den anderen Verfahrensbeteiligten ausgeführt worden. Jedenfalls das hätte im Rahmen des Hauptsacheverfahrens überprüft werden müssen, um die Rechtmäßigkeit der Polizeimaßnahmen beurteilen zu können.

7. [X.]er [X.] des Landes [X.], das Land [X.], vertreten durch das [X.] sowie die [X.], vertreten durch die [X.]direktion [X.], haben allesamt von der eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme abgesehen. [X.]ie Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem [X.] vor.

[X.]ie Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b, § 93b Satz 1, § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.] im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur [X.]urchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). [X.]ie Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung durch die Kammer liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]).

1. [X.]as [X.] hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]). [X.]as gilt sowohl für den verfassungsrechtlichen Schutz des Grundrechts auf Rechtsschutzgleichheit (vgl. [X.] 9, 124 <130 f.>; 81, 347 <356 ff.>; 92, 122 <124>; stRspr) als auch für die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gefahrenlage bei Eingriffen in das von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. [X.] 44, 353 <381 f.>; 69, 315 <353 f.>; 115, 320 <364 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 24. Juli 2015 - 1 BvR 2501/13 -, Rn. 14 f.).

2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] vom 26. Mai 2021 richtet, ist sie nicht zulässig. Ihre Begründung zeigt entgegen den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] folgenden Anforderungen nicht auf, dass insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis fortbesteht (vgl. zu diesem Erfordernis [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 26. Juni 2023 - 1 BvR 491/23 -, Rn. 13 m.w.N.). [X.]er [X.]hof hat zwar die fachrechtliche Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Es hat aber die vom Verwaltungsgericht für die fehlende Erfolgsaussicht allein angeführte Begründung eines fehlenden [X.]s als rechtlich unzutreffend bewertet und die fehlende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage stattdessen auf einen gänzlich anderen Grund, nämlich die Rechtmäßigkeit der von der Beschwerdeführerin beanstandeten polizeilichen Maßnahmen, gestützt.

3. [X.]ie Annahme der gegen den Beschluss des [X.]hofs vom 2. November 2021 gerichteten Verfassungsbeschwerde ist zur [X.]urchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). [X.]ie Verfassungsbeschwerde ist insoweit teilweise zulässig (a) und hat soweit zulässig auch in der Sache Erfolg (b).

a) [X.]ie Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit die Beschwerdeführerin die Verletzung ihres Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG) durch die angegriffene Beschwerdeentscheidung des [X.]hofs vom 2. November 2021 rügt. In Bezug auf die Rüge der Verletzung ihres rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) fehlt es indes an einem Vortrag, der den aus § 23 Abs. 1 Satz 2 und § 92 [X.] folgenden Begründungsanforderungen (vgl. [X.] 78, 320 <329>; 89, 155 <171>; 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>; 115, 166 <179 f.>; 130, 1 <21>) genügt.

b) [X.]ie Verfassungsbeschwerde hat, soweit sie zulässig ist, auch in der Sache Erfolg. [X.]er [X.]hof hat in dem vorstehend genannten Beschluss die aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anforderungen an die im Prozesskostenhilfeverfahren zu prüfenden Erfolgsaussichten der Klage überspannt.

aa) [X.]as Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von [X.] und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. [X.]ies ergibt sich für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. [X.] 78, 104 <117 f.>; 81, 347 <357>; 117, 163 <187>). Es ist dabei verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (vgl. nur [X.] 81, 347 <357>). [X.]ie Prüfung der Erfolgsaussichten darf jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. [X.] 81, 347 <357>). [X.]as Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der [X.] erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. [X.]ies bedeutet zugleich, dass Prozesskostenhilfe nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber lediglich eine entfernte ist ([X.] 81, 347 <357 f.>; stRspr).

[X.]ie Auslegung und Anwendung des auch im [X.] anzuwendenden § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten. [X.]as [X.] kann daher nur eingreifen, wenn die Entscheidung der Fachgerichte Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruhen ([X.] 81, 347 <357 f.>; [X.]K 2, 279 <281>). [X.]ie Fachgerichte überschreiten den Entscheidungsspielraum bei der Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der "hinreichenden Erfolgsaussicht" erst dann, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, der den Zugang zum Recht unverhältnismäßig erschwert, indem sie die Anforderungen an die Erfolgsaussicht überspannen. [X.]ies ist etwa dann der Fall, wenn sie schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatsachenfragen im Prozesskostenhilfeverfahren entscheiden, denn diese müssen auch von Unbemittelten der Klärung in einem Verfahren, in dem sie anwaltlich vertreten sind, zugeführt werden können (vgl. [X.] 81, 347 <357 ff.>; stRspr). Kommt zudem eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussichten seines [X.] zu verweigern (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 28. Oktober 2019 - 2 BvR 1813/18 -, Rn. 27 m.w.N.; stRspr).

bb) [X.]er Beschluss vom 2. November 2021 genügt diesen aus der Rechtsschutzgleichheit folgenden Anforderungen nicht. [X.]enn ungeachtet der mit dem [X.] und der Gefahrenannahme verbundenen tatsächlichen und grundrechtlichen Fragen hat der [X.]hof schon im Rahmen der summarischen Prüfung des [X.] die Erfolgsaussicht der Klage von vornherein verneint. Insbesondere hat der [X.]hof die Versagung der Prozesskostenhilfe - durch den Verzicht auf eine dem Klageverfahren vorbehaltene Beweiserhebung - auf einer unzureichenden tatsächlichen Grundlage getroffen, zumal die Beschwerdeführerin in dem [X.] (…) dem [X.] nähergelegene Haltestellen bereits passiert und den Beamten der [X.] ihre Fahrausweise von (…) nach (…) und zurück gezeigt hatte. Welche polizeilichen Erkenntnisse dennoch die Annahme einer Gefahr beziehungsweise auch nur eines Gefahrenverdachts in der konkreten Situation durch das Verhalten der Beschwerdeführerin haben begründen sollen, bleibt unklar - etwa sichtbare Kletterutensilien oder ein Tweet der Beschwerdeführerin, der die Teilnahme an einer nicht mehr von Art. 8 Abs. 1 GG gedeckten Protestaktion ankündigte. [X.]ie augenscheinliche Annahme des [X.]hofs, dass die Eigenschaft als polizeibekannte Aktivistin für eine jederzeitige [X.]urchsuchung an Verkehrsknotenpunkten im [X.] ausreiche, wäre jedenfalls einer vertieften Erörterung im Hauptsacheverfahren vorbehalten gewesen. Stützt sich die Polizei für die Vornahme von [X.] auf gespeicherte [X.]aten aus ihren [X.]atenbeständen, dürfen die Gerichte die Rechtmäßigkeit dieser Speicherung und Verwendung nicht ohne Weiteres unterstellen. Sind - wie hier - Vorkenntnisse die Grundlage für ein gezieltes Herausgreifen einer Person, kann von dieser Rechtmäßigkeitsprüfung grundsätzlich nicht abgesehen werden.

[X.]er Beschluss des [X.]hofs vom 2. November 2021 - 8 [X.] 1302/21 - beruht auf der Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG und ist aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 [X.]). [X.]ie Sache ist an den [X.]hof zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die weiterhin bei dem Verwaltungsgericht anhängige Klage zurückzuverweisen (vgl. [X.] 104, 337 <356>).

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

[X.]ie Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 [X.].

Meta

1 BvR 687/22

30.10.2023

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 8. März 2022, Az: 8 D 1302/21, Beschluss

Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 18 SOG HE, § 37 Abs 1 SOG HE

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 30.10.2023, Az. 1 BvR 687/22 (REWIS RS 2023, 9310)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9310

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