Bundesgerichtshof, Teilurteil vom 07.07.2010, Az. IV ZR 267/04

4. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5085

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LEBENSPARTNERSCHAFT (EINGETRAGENE) ERBRECHT BERUFS- UND STANDESRECHT

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Gegenstand

Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: Verfassungswidrigkeit der Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung


Leitsatz

Die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentliches Dienstes, die bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zusatzversichert sind, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar (Aufgabe des Senatsurteils vom 14. Februar 2007, IV ZR 267/04, VersR 2007, 676, im Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2009, 1 BvR 1164/07, VersR 2009, 1607). Dem Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft steht jedenfalls seit dem 1. Januar 2005 ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 38 Abs. 1 VBLS zu .

Tenor

Auf die Rechtsmittel des [X.] werden die Urteile des 12. Zivilsenats des [X.] vom 21. Oktober 2004 sowie der 6. Zivilkammer des [X.] vom 26. März 2004 teilweise aufgehoben und im Umfang der Aufhebung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei Fortbestehen der Lebenspartnerschaft des [X.] mit [X.] diesem bei Ableben des [X.] eine satzungsgemäße Hinterbliebenenrente wie eine Witwen-/Witwerrente zu gewähren.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der am 26. Juni 1954 geborene Kläger ist seit 1977 im öffentlichen Dienst beschäftigt und bei der [X.] zusatzversichert. Er lebt seit 2001 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und erstrebt von der [X.] wie ein verheirateter Arbeitnehmer behandelt zu werden.

2

Die Beklagte hat anlässlich der Umstellung ihrer Zusatzversorgung von einer beamtenähnlichen Gesamtversorgung auf ein beitragsorientiertes Betriebsrentensystem die [X.] berechnet, die der Kläger bis zum 31. Dezember 2001 erworben hat. Soweit es hierzu auf das fiktive Nettoarbeitsentgelt des [X.] ankommt, hat die Beklagte für die Lohnsteuer nicht die für Verheiratete geltende [X.]/0, sondern die Steuerklasse I/0 zugrunde gelegt. Außerdem hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass sie seinem Lebenspartner nicht die in § 38 der Satzung der [X.] und der Länder ([X.]) für den Ehegatten eines verstorbenen Versicherten oder Betriebsrentenberechtigten vorgesehene Hinterbliebenenrente zahlen werde.

3

Im Hinblick darauf beantragt der Kläger festzustellen, dass die Beklagte bei der Berechnung der Startgutschrift des [X.] die [X.]/0 zugrunde legen und seinem Lebenspartner bei [X.] Lebenspartnerschaft eine Hinterbliebenenrente nach § 38 [X.] zahlen müsse. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Senat hat die Revision des [X.] mit Urteil vom 14. Februar 2007 zurückgewiesen ([X.], 676). Auf die Verfassungsbeschwerde des [X.] hat das [X.] den Teil des Verfahrens, der die Zugrundelegung der [X.]/0 bei der Berechnung der Startgutschrift betrifft, abgetrennt und führt dieses als eigenständiges Verfahren weiter (1 BvR 280/09). Mit Beschluss vom 7. Juli 2009 im Verfahren 1 BvR 1164/07 hat das [X.] ferner festgestellt, dass das Urteil des Senats sowie die Urteile des Land- und Oberlandesgerichts den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen, soweit sie die Klage auf Feststellung einer Verpflichtung der [X.] zur Zahlung einer Rente, die der Hinterbliebenenrente nach § 38 [X.] entspricht, für unbegründet erachtet haben ([X.], 1607). In diesem Umfang hat das [X.] das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

4

Der Verwaltungsrat der [X.] hat am 4. Dezember 2009 folgende Regelung für recht erkannt:

"Bis zu einer Einigung der Tarifvertragsparteien über die Hinterbliebenenversorgung für eingetragene Lebenspartner wird die [X.] ermächtigt, hinterbliebene eingetragene Lebenspartner wie Witwen und Witwer zu behandeln und entsprechende Leistungen ab dem 1. Januar 2005 zu zahlen."

5

Die Beklagte hat daraufhin erklärt, gemäß diesem Beschluss zu verfahren.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision ist, soweit es den Anspruch des [X.] auf Feststellung betrifft, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei Fortbestehen der Lebenspartnerschaft des [X.] mit [X.] diesem bei Ableben des [X.] eine Hinterbliebenenrente zu zahlen, begründet. Über diesen abtrennbaren Teil der vom Kläger verfolgten Ansprüche kann durch Teilurteil gemäß § 301 ZPO entschieden werden.

7

1. Das [X.] hat in seinem für den Senat bindenden Beschluss vom 7. Juli 2009 entschieden, dass die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die bei der [X.] zusatzversichert sind, mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist und sich jedenfalls für die [X.] ab 2005 keine sachbezogenen und gemeinsamen Gründe der Tarifvertragsparteien für die Ungleichbehandlung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mehr ergeben ([X.] aaO [X.]. 98). Zu den Rechtsfolgen dieses Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat es ausgeführt (aaO [X.]. 124):

"Verstoßen Allgemeine Versicherungsbedingungen - wie hier die Satzung der [X.] - gegen Art. 3 Abs. 1 GG, so führt dies nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Unwirksamkeit der betroffenen Klauseln (vgl. [X.], 127 <175>). Hierdurch entstehende Regelungslücken können im Wege ergänzender Auslegung der Satzung geschlossen werden (vgl. [X.], 127 <177>). Auch im vorliegenden Fall ist es zwar nicht durch den bewussten Ausschluss der Lebenspartner bei der Formulierung des § 38 [X.]S, wohl aber durch die Feststellung der Unwirksamkeit dieser Vertragsgestaltung aus verfassungsrechtlichen Gründen zu einer ungewollten Regelungslücke bei der Hinterbliebenenversorgung gekommen. Der [X.] kann nicht durch bloße Nichtanwendung des § 38 [X.]S beseitigt werden, weil ansonsten entgegen der zugrunde liegenden Konzeption Hinterbliebenenrenten auch für Ehegatten ausgeschlossen wären. Der mit der Hinterbliebenenversorgung nach § 38 [X.]S verfolgte [X.] lässt sich mithin nur dadurch vervollständigen, dass die für Ehegatten geltende Regelung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 auch auf eingetragene Lebenspartner Anwendung findet. Dies entspricht auch dem hypothetischen Willen sowohl der [X.] wie auch der Tarifvertragsparteien, die die eingetragenen Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung einbezogen hätten, wäre ihnen der hier festgestellte [X.] bewusst gewesen. …"

8

Hieraus folgt, dass die Regelung über die Hinterbliebenenrente in § 38 [X.]S auch zugunsten des [X.] Anwendung findet und ihm ein entsprechender Feststellungsanspruch zusteht.

9

2. Dem Feststellungsinteresse des [X.] nach § 256 Abs. 1 ZPO stehen auch nicht der Beschluss des Verwaltungsrats der Beklagten vom 4. Dezember 2009 und die dazu von der Beklagten abgegebenen Erklärungen entgegen. Zwar muss das Feststellungsinteresse einer Feststellungsklage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen ([X.]Z 18, 98, 106; [X.], Urteil vom 4. Mai 2006 - [X.] - NJW 2006, 2780 [X.]. 24; [X.]/[X.], ZPO 28. Aufl. § 256 Rdn. 7c). Die Aufgabe des Bestreitens eines Anspruchs lässt ein einmal gegebenes Feststellungsinteresse aber nur dann entfallen, wenn der Gläubiger endgültig gesichert ist, wozu eine einseitige Erklärung desjenigen, der den Anspruch bisher bestritten hat, in der Regel nicht genügt ([X.], Urteile vom 4. Mai 2006 aaO; vom 5. Juli 1993 - [X.] - NJW 1993, 2609 unter 2 a; vom 1. Februar 1988 - [X.]/87 - NJW-RR 1988, 749 unter 1; [X.]/[X.] aaO). Eine nicht bindende Erklärung bewirkt nicht den Wegfall des Feststellungsinteresses. Vielmehr bedarf es zur endgültigen Sicherung des Gläubigers in der Regel eines Anerkenntnisses des Schuldners (vgl. HK-ZPO/[X.], ZPO 3. Aufl. § 256 Rdn. 12). Ein derartiges Anerkenntnis hat die Beklagte nicht abgegeben.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten, welches vom Ausgang des abgetrennten Verfahrens 1 BvR 280/09 des [X.]s abhängig ist.

[X.]                                     Dr. [X.]

                 [X.]

Meta

IV ZR 267/04

07.07.2010

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Teilurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BVerfG, 22. Februar 2010, Az: 1 BvR 1164/07, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren

§ 38 Abs 1 VBLSa, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Teilurteil vom 07.07.2010, Az. IV ZR 267/04 (REWIS RS 2010, 5085)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5085


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 280/09

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 280/09, 29.08.2011.


Az. IV ZR 267/04

Bundesgerichtshof, IV ZR 267/04, 07.07.2010.


Az. 1 BvR 1164/07

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 1164/07, 22.02.2010.

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 1164/07, 07.07.2009.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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