Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2010, Az. IV ZR 16/09

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5081

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am:

7. Juli 2010

[X.]

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja [X.] § 38 Abs. 1; § 85 Satz 1 Die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentliches Dienstes, die bei der [X.] und der Länder zusatzversi-chert sind, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar (Aufgabe des [X.] vom 14. Februar 2007 - [X.]/04 - [X.], 676, im [X.] an [X.], [X.] vom 7. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 - [X.], 1607). Dem Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft steht jedenfalls seit dem 1. Januar 2005 ein [X.] auf Hinterbliebenenrente nach § 38 Abs. 1 [X.]S sowie auf Sterbegeld ge-mäß § 85 Satz 1 [X.]S zu. [X.], Urteil vom 7. Juli 2010 - [X.] - [X.] [X.] - 2 -

- 3 -

[X.] hat durch [X.], die Richterinnen Dr. [X.], [X.], [X.] Karczewski und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2010 für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel des [X.] wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.]s [X.] vom [X.] aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts [X.] vom 4. Mai 2007 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Sterbegeld in Höhe von 600 • zu zahlen. Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand:

Der am 15. September 1945 geborene Kläger begehrt von der [X.] Zusatzversorgungsanstalt des [X.] und der Länder ([X.]) die Gewährung einer Hinterbliebenenrente sowie die Zahlung von Sterbe-geld. Er lebte seit Juli 2005 in eingetragener Lebenspartnerschaft mit ei-nem am 13. Januar 2006 verstorbenen Mann. Dieser war bei der [X.] - 4 -

[X.] und bezog von ihr zuletzt eine Betriebsrente von 232,50 •. Der Kläger erhält neben einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus eigener Versicherung von der gesetzlichen Rentenversicherung des bei der [X.] Versicherten eine so genannte "große Witwerrente".
Mit der Klage macht der Kläger die Zahlung von [X.] für die [X.] vom 1. Februar 2006 bis 30. April 2006 in Höhe von monatlich 232,50 • sowie für den [X.]raum ab 1. Mai 2006 von monatlich 127,88 • zuzüglich eines Sterbegeldes von 600 • geltend. Amts- und [X.] haben die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die zu-gelassene Revision des [X.]. 2 Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe weder ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 38 der Satzung der [X.] (im Folgenden: [X.]S) noch auf Zahlung von Sterbegeld gemäß § 85 [X.]S zu, weil er mit dem verstorbenen Versicherten nicht verheira-tet gewesen sei. Eingetragene Lebenspartner im Sinne des [X.] seien nicht als verheiratet im Sinne der Bestimmun-gen der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes anzusehen. Die [X.] verstießen auch nicht gegen Grundrechte oder hö-herrangiges europäisches Recht. 3 I[X.] Die Revision ist begründet. Dem Kläger steht grundsätzlich ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 38 Abs. 1 [X.]S zu (zu 1.). Ob ein derartiger Anspruch nach § 38 Abs. 2 [X.]S ausgeschlossen ist, be-4 - 5 -

darf weiterer tatrichterlicher Feststellung (zu 2.). Schließlich hat der Klä-ger einen Anspruch auf Zahlung von Sterbegeld in Höhe von 600 • nach § 85 Satz 1 [X.]S i.V. mit § 58 Abs. 1 Satz 1 a [X.]S a.F. (zu 3.).
1. Das [X.]verfassungsgericht hat mit nach den angefochtenen Entscheidungen ergangenem Beschluss vom 7. Juli 2009 ([X.], 1607) entschieden, dass die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetra-gener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen [X.] für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die bei der Be-klag[X.] sind, mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Wie es im Einzelnen ausgeführt hat (aaO [X.]. 97 ff.), lassen sich jedenfalls seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Überarbeitung des [X.] vom 15. Dezember 2004 ([X.] I S. 3396; im [X.]: Überarbeitungsgesetz) am 1. Januar 2005, mit dem das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaften noch näher an das Eherecht an-geglichen worden ist und das (unter anderem) die Einbeziehung der [X.] Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung der gesetz-lichen Rentenversicherung regelt, keine sachbezogenen und gemeinsa-men Gründe der Tarifvertragsparteien für eine Ungleichbehandlung im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung belegen. Auch ob-jektiv seien keine tragfähigen sachlichen Gründe für eine Ungleichbe-handlung gegeben. Unter Berücksichtigung der mit der [X.] verfolgten Ziele seien keine einfachrechtlichen oder tatsäch-lichen Unterschiede erkennbar, die es rechtfertigten, eingetragene [X.] in Bezug auf die Hinterbliebenenversorgung der [X.] schlechter zu behandeln als Ehegatten. 5 Zu den Rechtsfolgen des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat es ausgeführt (aaO [X.]. 124): 6 - 6 -

"Verstoßen Allgemeine Versicherungsbedingungen - wie hier die Satzung der [X.] - gegen Art. 3 Abs. 1 GG, so führt dies nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden-den Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Unwirksamkeit der betroffenen Klauseln (vgl. [X.]Z 174, 127, <175>). Hierdurch entstehende Regelungslücken können im Wege ergänzender Auslegung der Satzung geschlossen werden ([X.]Z 174, 127, <177>). Auch im vorliegenden Fall ist es zwar nicht durch den bewussten Ausschluss der Lebens-partner bei der Formulierung des § 38 [X.]S, wohl aber durch die Feststellung der Unwirksamkeit dieser Vertrags-gestaltung aus verfassungsrechtlichen Gründen zu einer ungewollten Regelungslücke bei der [X.] gekommen. Der Gleichheitsverstoß kann nicht durch bloße Nichtanwendung des § 38 [X.]S beseitigt wer-den, weil ansonsten entgegen der zugrunde liegenden Konzeption Hinterbliebenenrenten auch für Ehegatten [X.] wären. Der mit der Hinterbliebenenversorgung nach § 38 [X.]S verfolgte [X.] lässt sich mithin nur dadurch vervollständigen, dass die für Ehegatten gel-tende Regelung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 auch auf eingetragene Lebenspartner Anwendung findet. Dies entspricht auch dem hypothetischen Willen sowohl der [X.] wie auch der Tarifvertragsparteien, die die eingetragenen Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung einbezo-gen hätten, wäre ihnen der hier festgestellte [X.] bewusst gewesen. –"
Den Erwägungen des [X.]verfassungsgerichts hat sich der [X.] in seiner Entscheidung vom 7. Juli 2010 ([X.]/04 - unter 1, zur [X.] vorgesehen) angeschlossen. Hiermit im Einklang steht die Rechtsprechung des [X.]arbeitsgerichts, wonach eingetragene Lebenspartner in der betrieblichen Altersversorgung hinsichtlich der [X.] ab dem Jahre 2005 Ehegatten gleichzustellen sind (vgl. dazu Urteil vom 14. Januar 2009 - 3 [X.] - [X.], 698), sowie des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (vgl. Ur-teil vom 1. April 2008 - [X.]/06 - NJW 2008, 1649 Tenor zu 2.). 7 - 7 -

8 2. Ob der Kläger die der Höhe nach unstreitige [X.] verlangen kann, hängt indessen davon ab, ob der Anspruch wegen der kurzen Dauer der eingetragenen Lebenspartnerschaft zwischen dem Kläger und dem verstorbenen Versicherten von weniger als 12 Monaten nach § 38 Abs. 2 [X.]S ausgeschlossen ist. Von seinem Standpunkt aus folgerichtig hat das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getrof-fen. Diese werden, gegebenenfalls nach weiterem Vortrag der Parteien, nachzuholen sein.
3. Schließlich hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung von [X.] in Höhe von 600 • gemäß § 85 Satz 1 [X.]S i.V. mit § 58 Abs. 1 Satz 1 a [X.]S a.F. 9 a) Nach § 85 Satz 1 [X.]S wird ein Sterbegeld entsprechend dem Zusatzversorgungsrecht des bisherigen Gesamtversorgungssystems [X.], das allerdings der Höhe nach jährlich gestaffelt abgesenkt wird und nach § 85 Satz 2 [X.]S ab dem Jahre 2008 gänzlich entfällt (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] Teil VII - [X.] 179. [X.] [Stand Oktober 2002] [X.]. 35.1). Für einen - wie hier - Sterbefall im Jahre 2006 wird ein Sterbegeld in Höhe von 600 • erbracht, das auch der Kläger als eingetragener Lebenspartner verlangen kann. 10 Nach der Regelung des § 85 Satz 1 [X.]S i.V. mit § 58 Abs. 1 Satz 1 a [X.]S a.F. ist ein Sterbegeld zwar ausdrücklich nur für den überlebenden Ehegatten, nicht auch für den eingetragenen [X.] vorgesehen. Die Regelung führt aber zu einer Ungleichbehandlung, die entsprechend den Erwägungen des [X.]verfassungsgerichts in dem genannten Beschluss vom 7. Juli 2009 (aaO [X.]. 77 ff.) gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Dieser Verstoß hat - wie bei der [X.] - 8 -

te nach § 38 [X.]S - zur Folge, dass die genannte Regelung zum [X.] mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 auch auf eingetragene [X.] Anwendung findet.
Aus der Entscheidung des [X.]verfassungsgerichts (aaO) ergibt sich, dass Ehegatten und eingetragene Lebenspartner im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentli-chen Dienstes, die bei der Beklag[X.] sind, ab dem [X.] 2005 gleich zu behandeln sind. Das betrifft neben der Hinterbliebe-nenrente auch das - in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorge-sehene - Sterbegeld. Dafür, dass eine Gleichstellung auch insoweit mit dem Willen des Gesetzgebers im Einklang steht, spricht die im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung durch Art. 5 Abs. 35 Nr. 1 des Über-arbeitungsgesetzes mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 eingefügte [X.] des § 63 Abs. 1 a SGB VII, die die Anwendbarkeit der für [X.] geltenden Vorschriften über die [X.], zu denen auch ein Sterbegeld gehört (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII), auf eingetragene Lebenspartner erstreckt. 12 - 9 -

13 b) Da die Zahlung von Sterbegeld unabhängig davon ist, ob die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft bis zum Tod des Versicherten bereits ein Jahr bestanden hat, kann über diesen selbständigen Anspruch durch das Revisionsgericht selbst entschieden werden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Im Üb-rigen ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
[X.] Dr. [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 04.05.2007 - 2 C 265/06 - LG [X.], Entscheidung vom 24.10.2008 - 6 S 22/07 -

Meta

IV ZR 16/09

07.07.2010

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2010, Az. IV ZR 16/09 (REWIS RS 2010, 5081)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5081

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