Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.07.2010, Az. IV ZR 16/09

4. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5101

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LEBENSPARTNERSCHAFT (EINGETRAGENE) ERBRECHT BERUFS- UND STANDESRECHT

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Gegenstand

Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: Verfassungswidrigkeit der Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung


Leitsatz

Die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentliches Dienstes, die bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zusatzversichert sind, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar (Aufgabe des Senatsurteils vom 14. Februar 2007, IV ZR 267/04, VersR 2007, 676, im Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2009, 1 BvR 1164/07, VersR 2009, 1607). Dem Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft steht jedenfalls seit dem 1. Januar 2005 ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 38 Abs. 1 VBLS sowie auf Sterbegeld gemäß § 85 Satz 1 VBLS zu .

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 24. Oktober 2008 aufgehoben und das Urteil des [X.] vom 4. Mai 2007 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Sterbegeld in Höhe von 600 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der am 15. September 1945 geborene Kläger begehrt von der beklagten Zusatzversorgungsanstalt des [X.] und der Länder ([X.]) die Gewährung einer Hinterbliebenenrente sowie die Zahlung von Sterbegeld. Er lebte seit Juli 2005 in eingetragener Lebenspartnerschaft mit einem am 13. Januar 2006 verstorbenen Mann. Dieser war bei der [X.] zusatzversichert und bezog von ihr zuletzt eine Betriebsrente von 232,50 [X.]. Der Kläger erhält neben einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus eigener Versicherung von der gesetzlichen Rentenversicherung des bei der [X.] Versicherten eine so genannte "große Witwerrente".

2

Mit der Klage macht der Kläger die Zahlung von Hinterbliebenenrente für die [X.] vom 1. Februar 2006 bis 30. April 2006 in Höhe von monatlich 232,50 [X.] sowie für den [X.]raum ab 1. Mai 2006 von monatlich 127,88 [X.] zuzüglich eines Sterbegeldes von 600 [X.] geltend. Amts- und [X.] haben die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des [X.].

Entscheidungsgründe

3

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe weder ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 38 der Satzung der [X.] (im Folgenden: [X.]) noch auf Zahlung von Sterbegeld gemäß § 85 [X.] zu, weil er mit dem verstorbenen Versicherten nicht verheiratet gewesen sei. Eingetragene Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes seien nicht als verheiratet im Sinne der Bestimmungen der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes anzusehen. Die Satzungsbestimmungen verstießen auch nicht gegen Grundrechte oder höherrangiges [X.] Recht.

4

II. Die Revision ist begründet. Dem Kläger steht grundsätzlich ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 38 Abs. 1 [X.] zu (zu 1.). Ob ein derartiger Anspruch nach § 38 Abs. 2 [X.] ausgeschlossen ist, bedarf weiterer tatrichterlicher Feststellung (zu 2.). Schließlich hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung von Sterbegeld in Höhe von 600 € nach § 85 Satz 1 [X.] i.V. mit § 58 Abs. 1 Satz 1 a [X.] a.F. (zu 3.).

5

1. Das [X.] hat mit nach den angefochtenen Entscheidungen ergangenem Beschluss vom 7. Juli 2009 ([X.], 1607) entschieden, dass die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die bei der [X.] zusatzversichert sind, mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Wie es im Einzelnen ausgeführt hat (aaO [X.]. 97 ff.), lassen sich jedenfalls seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 ([X.] I S. 3396; im Folgenden: Überarbeitungsgesetz) am 1. Januar 2005, mit dem das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaften noch näher an das Eherecht angeglichen worden ist und das (unter anderem) die Einbeziehung der eingetragenen Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen Rentenversicherung regelt, keine sachbezogenen und gemeinsamen Gründe der Tarifvertragsparteien für eine Ungleichbehandlung im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung belegen. Auch objektiv seien keine tragfähigen sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung gegeben. Unter Berücksichtigung der mit der Hinterbliebenenversorgung verfolgten Ziele seien keine einfachrechtlichen oder tatsächlichen Unterschiede erkennbar, die es rechtfertigten, eingetragene Lebenspartner in Bezug auf die Hinterbliebenenversorgung der [X.] schlechter zu behandeln als Ehegatten.

6

Zu den Rechtsfolgen des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat es ausgeführt (aaO [X.]. 124):

"Verstoßen Allgemeine Versicherungsbedingungen - wie hier die Satzung der [X.] - gegen Art. 3 Abs. 1 GG, so führt dies nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Unwirksamkeit der betroffenen Klauseln (vgl. [X.], 127, <175>). Hierdurch entstehende Regelungslücken können im Wege ergänzender Auslegung der Satzung geschlossen werden ([X.], 127, <177>). Auch im vorliegenden Fall ist es zwar nicht durch den bewussten Ausschluss der Lebenspartner bei der Formulierung des § 38 [X.], wohl aber durch die Feststellung der Unwirksamkeit dieser Vertragsgestaltung aus verfassungsrechtlichen Gründen zu einer ungewollten Regelungslücke bei der Hinterbliebenenversorgung gekommen. Der [X.] kann nicht durch bloße Nichtanwendung des § 38 [X.] beseitigt werden, weil ansonsten entgegen der zugrunde liegenden Konzeption Hinterbliebenenrenten auch für Ehegatten ausgeschlossen wären. Der mit der Hinterbliebenenversorgung nach § 38 [X.] verfolgte [X.] lässt sich mithin nur dadurch vervollständigen, dass die für Ehegatten geltende Regelung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 auch auf eingetragene Lebenspartner Anwendung findet. Dies entspricht auch dem hypothetischen Willen sowohl der [X.] wie auch der Tarifvertragsparteien, die die eingetragenen Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung einbezogen hätten, wäre ihnen der hier festgestellte [X.] bewusst gewesen. …"

7

Den Erwägungen des [X.]s hat sich der Senat in seiner Entscheidung vom 7. Juli 2010 ([X.]/04 - unter 1, zur [X.] vorgesehen) angeschlossen. Hiermit im Einklang steht die Rechtsprechung des [X.], wonach eingetragene Lebenspartner in der betrieblichen Altersversorgung hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung ab dem Jahre 2005 Ehegatten gleichzustellen sind (vgl. dazu Urteil vom 14. Januar 2009 - 3 [X.] - [X.], 698), sowie des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (vgl. Urteil vom 1. April 2008 - [X.]/06 - NJW 2008, 1649 Tenor zu 2.).

8

2. Ob der Kläger die der Höhe nach unstreitige Hinterbliebenenrente verlangen kann, hängt indessen davon ab, ob der Anspruch wegen der kurzen Dauer der eingetragenen Lebenspartnerschaft zwischen dem Kläger und dem verstorbenen Versicherten von weniger als 12 Monaten nach § 38 Abs. 2 [X.] ausgeschlossen ist. Von seinem Standpunkt aus folgerichtig hat das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen. Diese werden, gegebenenfalls nach weiterem Vortrag der Parteien, nachzuholen sein.

9

3. Schließlich hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung von Sterbegeld in Höhe von 600 € gemäß § 85 Satz 1 [X.] i.V. mit § 58 Abs. 1 Satz 1 a [X.] a.F.

a) Nach § 85 Satz 1 [X.] wird ein Sterbegeld entsprechend dem Zusatzversorgungsrecht des bisherigen [X.] gezahlt, das allerdings der Höhe nach jährlich gestaffelt abgesenkt wird und nach § 85 Satz 2 [X.] ab dem Jahre 2008 gänzlich entfällt (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] Teil VII - [X.] 179. [X.] [Stand Oktober 2002] [X.]. 35.1). Für einen - wie hier - Sterbefall im Jahre 2006 wird ein Sterbegeld in Höhe von 600 € erbracht, das auch der Kläger als eingetragener Lebenspartner verlangen kann.

Nach der Regelung des § 85 Satz 1 [X.] i.V. mit § 58 Abs. 1 Satz 1 a [X.] a.F. ist ein Sterbegeld zwar ausdrücklich nur für den überlebenden Ehegatten, nicht auch für den eingetragenen Lebenspartner vorgesehen. Die Regelung führt aber zu einer Ungleichbehandlung, die entsprechend den Erwägungen des [X.]s in dem genannten Beschluss vom 7. Juli 2009 (aaO [X.]. 77 ff.) gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Dieser Verstoß hat - wie bei der Hinterbliebenenrente nach § 38 [X.] - zur Folge, dass die genannte Regelung zum Sterbegeld mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 auch auf eingetragene Lebenspartner Anwendung findet.

Aus der Entscheidung des [X.]s (aaO) ergibt sich, dass Ehegatten und eingetragene Lebenspartner im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die bei der [X.] zusatzversichert sind, ab dem Jahre 2005 gleich zu behandeln sind. Das betrifft neben der Hinterbliebenenrente auch das - in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorgesehene - Sterbegeld. Dafür, dass eine Gleichstellung auch insoweit mit dem Willen des Gesetzgebers im Einklang steht, spricht die im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung durch Art. 5 Abs. 35 Nr. 1 des Überarbeitungsgesetzes mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 eingefügte Regelung des § 63 Abs. 1 a SGB VII, die die Anwendbarkeit der für Ehegatten geltenden Vorschriften über die [X.], zu denen auch ein Sterbegeld gehört (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII), auf eingetragene Lebenspartner erstreckt.

b) Da die Zahlung von Sterbegeld unabhängig davon ist, ob die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft bis zum Tod des Versicherten bereits ein Jahr bestanden hat, kann über diesen selbständigen Anspruch durch das Revisionsgericht selbst entschieden werden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Im Übrigen ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[X.]                                          Dr. [X.]

                   Dr. Karczewski                                               [X.]

Meta

IV ZR 16/09

07.07.2010

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Karlsruhe, 24. Oktober 2008, Az: 6 S 22/07, Urteil

§ 38 Abs 1 VBLSa, § 85 S 1 VBLSa, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.07.2010, Az. IV ZR 16/09 (REWIS RS 2010, 5101)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5101

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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13 Sa 802/12 (Landesarbeitsgericht Köln)


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