Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.08.2013, Az. 8 AZR 563/12

8. Senat | REWIS RS 2013, 3279

STRAFRECHT LANDGERICHT MÜNCHEN I ARBEITSRECHT ALLGEMEINES GLEICHBEHANDLUNGSGESETZ DISKRIMINIERUNG BETRUG BEWERBUNG RECHTSMISSBRAUCH

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Gegenstand

Entschädigungsanspruch - schwerbehinderter Bewerber - Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 7. Dezember 2011 - 2 Sa 851/11 - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch, den der [X.]läger aufgrund einer angeblichen Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung im Bewerbungsverfahren geltend macht.

2

Der [X.]läger ist mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 schwerbehindert. Er ist Industriekaufmann mit mehrjähriger Erfahrung im kaufmännischen Bereich. In der Vergangenheit war er in verschiedenen mittelständischen Unternehmen und auch selbstständig tätig.

3

Das [X.] (im Folgenden: Präsidium), der interne Dienstleister der [X.], veröffentlichte im Mai 2010 eine Stellenanzeige. In dieser heißt es ua.:

„Im [X.] ([X.])

sind mehrere auf ein Jahr befristete Stellen (Elternzeitvertretung) zum nächstmöglichen [X.]punkt zu besetzen.

[X.]ennziffer 016/2010

Mitarbeiter/in im [X.] der Vergabestelle

Die Eingruppierung erfolgt in der [X.] 6 [X.]

Ihre Aufgaben:

● Erstellen von Bestellungen in [X.]

● Prüfung eingehender Wareneingangsmeldungen und Rechnungen

Voraussetzungen:

● [X.]enntnisse in [X.] bzw. Einarbeitungswille in [X.] (unter Anleitung erfahrener [X.]olleginnen und [X.]ollegen)

● Ausdauer und Belastbarkeit beim Bearbeiten gleichförmiger Vorgänge

● Teamfähigkeit

[X.]ennziffer 017/2010

Mitarbeiter/in im Bereich öffentlich-rechtliche Forderungen

Die Eingruppierung erfolgt in der [X.] 6    [X.]

Ihre Aufgaben:

● Prüfung und Durchsetzung öffentlich - rechtlicher Ansprüche als [X.]ostenbescheiderteiler/-in von öffentlich-rechtlichen Forderungen nach dem [X.] m. einschlägigen [X.]ostenregelungen für polizeiliche Amtshandlungen.

Voraussetzungen:

● gute Auffassungsgabe

● Verantwortungsbereitschaft

● Belastbarkeit und Einsatzbereitschaft

● Teamfähigkeit

● gute Ausdrucksfähigkeit sowohl schriftlich als auch mündlich

Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt. Teilzeitbeschäftigung ist grundsätzlich möglich.“

4

Der [X.]läger bewarb sich mit Schreiben vom 27. Mai 2010 auf diese Stelle. Der Bewerbung fügte er seinen Lebenslauf, diverse Zeugnisse und die [X.]opie seines Schwerbehindertenausweises bei, wobei er in dem Anschreiben selbst unter „Anlagen“ „[X.]opie Schwerbehindertenausweis“ aufführte. Unter dem 31. Mai 2010 bestätigte das Präsidium den Eingang der Bewerbung.

5

Das Präsidium lud zunächst einige Bewerber mit Schreiben vom 5. Juli 2010 zu Vorstellungsgesprächen am 12. Juli 2010 ein. Weitere Vorstellungsgespräche waren für den 19. Juli 2010 geplant, vornehmlich mit schwerbehinderten Bewerbern. Aufgrund einer im Einvernehmen mit der Schwerbehindertenvertretung, dem Personalrat und der Frauenbeauftragten getroffenen Entscheidung der Personalabteilung wurden dann allerdings nicht alle behinderten Bewerber für denselben Tag zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Daher erfolgte nur eine Einladung einiger behinderter Bewerber zum Termin vom 19. Juli 2010. Einladungsschreiben für diesen Tag, die an weitere behinderte Bewerber, ua. den [X.]läger, gerichtet gewesen waren, wurden aus dem Postlauf genommen.

6

Sodann erhielt der [X.]läger - wie auch die anderen nicht eingeladenen behinderten Bewerber - ein Schreiben vom 26. Juli 2010, das mit „Im Auftrag“ von der damaligen Auszubildenden [X.] unterzeichnet war und in dem es ua. heißt:

„Sehr geehrter Herr M,

unter Bezugnahme auf Ihre Bewerbung vom 27. Mai 2010 teile ich Ihnen mit, dass ich [X.] bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle nicht für Sie entschieden habe.

Ich bedauere, Ihnen keine günstigere Nachricht geben zu können.

Für das von Ihnen gezeigte Interesse an einer Beschäftigung bei meiner Behörde bedanke ich [X.] nochmals und wünsche Ihnen für Ihren weiteren beruflichen und privaten Lebensweg alles Gute.“

7

Eine Weisung zur Versendung dieses Schreibens hatte die Auszubildende [X.] von keinem zuständigen Mitarbeiter der Personalabteilung erhalten.

8

Mit beim Präsidium am 10. August 2010 eingegangenem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 6. August 2010 verlangte der [X.]läger eine Entschädigung iHv. 5.816,37 Euro, weil ihn das beklagte Land trotz Befähigung für die ausgeschriebene Stelle nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe.

9

Das Stellenbesetzungsverfahren war zu jenem [X.]punkt noch nicht abgeschlossen.

Daraufhin informierte das Präsidium den [X.]läger mit Schreiben vom 18. August 2010 darüber, dass es sich bei dem [X.] vom 26. Juli 2010 um ein Missverständnis und ein Büroversehen gehandelt habe und das Auswahlverfahren fortgesetzt werde. Man habe den [X.]läger in den engeren [X.] für die Stelle als Mitarbeiter/in im [X.] der Vergabestelle aufgenommen und lade ihn daher zu einem Vorstellungsgespräch am 25. August 2010 um 10:30 Uhr in die Dienststelle nach W ein.

Mit Anwaltsschreiben vom 23. August 2010 ließ der [X.]läger dem Präsidium mitteilen:

„Sehr geehrte Frau B,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 18.08.2010.

Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir Ihre Einlassung, das Auswahlverfahren würde fortgesetzt, nicht akzeptieren können und werden. Es wird von unserer Seite angezweifelt, dass das Auswahlverfahren fortgesetzt wird.

Das Auswahlverfahren kann nicht fortgesetzt werden, sobald es abgeschlossen ist.

Aufgrund Ihrer Mitteilung zum Abschluss des Bewerbungsverfahrens hat mein Mandant, aus gesundheitlichen Gründen terminliche Dispositionen getroffen, die nun nicht mehr verschoben werden können.

Am Vorstellungsgespräch kann daher nicht teilgenommen werden.

Bitte teilen Sie uns genau mit, wie das Bewerbungsverfahren fortgesetzt werden konnte, nachdem es abgeschlossen war.“

Mit Schreiben vom 2. September 2010 wandte sich das Präsidium nochmals an die Prozessbevollmächtigte des [X.]lägers und lud ihn erneut zu einem Vorstellungsgespräch nach W ein, [X.] für den 8. September 2010, 9:00 Uhr. Auf dieses Schreiben, das dem [X.]läger erst am 6. September 2010 zuging, reagierte er nicht.

Der [X.]läger ist wegen einer Nierenerkrankung Dialysepatient. Am 25. August 2010 in der [X.] von 2:05 Uhr bis 4:35 Uhr und am 8. September 2010 in der [X.] ab 21:30 Uhr ließ er eine Dialysebehandlung in V in einer [X.]linik durchführen.

Das Präsidium erstellte am 16. September 2010 einen Auswahlvermerk und hörte den Personalrat mit Schreiben vom 24. September 2010 zur Stellenbesetzung an. Eine der ausgeschriebenen Stellen wurde mit einem schwerbehinderten Bewerber besetzt, der zunächst ebenfalls ein Ablehnungsschreiben erhalten und dann an einem Vorstellungsgespräch am 25. August 2010 teilgenommen hatte, ohne einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen. Zu den beiden zusätzlich anberaumten Vorstellungsgesprächen am 25. August 2010 und am 8. September 2010 waren ausschließlich schwerbehinderte Bewerber eingeladen worden.

Mit seiner am 9. September 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen [X.]lage hat der [X.]läger seinen Entschädigungsanspruch gerichtlich geltend gemacht.

Der [X.]läger meint, er sei wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden. Dass die Beklagte ihrer Verpflichtung nach § 82 Satz 2 SGB IX zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nicht nachgekommen sei, stelle ein Indiz für seine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung dar. Dies könne auch nicht durch eine nachgeholte Einladung geheilt werden. Im Übrigen sei ihm aufgrund der Dialysebehandlungen eine Teilnahme an den kurzfristig anberaumten weiteren Vorstellungsterminen nicht möglich oder zumutbar gewesen.

Der [X.]läger hat zuletzt beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung iHv. 5.816,37 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. August 2010 zu zahlen.

Das beklagte Land hat [X.]lageabweisung beantragt.

Es meint, der Geschehensablauf rechtfertige keinen Entschädigungsanspruch des [X.]lägers. Das [X.] sei versehentlich an den [X.]läger verschickt worden. Dadurch, dass er auf das Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 6. August 2010 hin in das noch laufende Bewerbungsverfahren wieder einbezogen worden sei, sei der Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX geheilt. Der [X.]läger habe diese Chance aufgrund eigener Entscheidung nicht genutzt.

Das Arbeitsgericht hat dem [X.]läger eine Entschädigung iHv. anderthalb Bruttomonatsgehältern (2.908,18 Euro) zugesprochen. Auf die Berufung des beklagten [X.] hat das [X.]arbeitsgericht die [X.]lage insgesamt abgewiesen. Mit seiner durch das [X.] zugelassenen Revision verfolgt der [X.]läger sein [X.]lagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

A. Das [X.] hat seine klageabweisende Entscheidung im [X.]esentlichen wie folgt begründet: Dem Kläger stehe kein Entschädigungsanspruch wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu, da die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 [X.] iVm. § 81 Abs. 2 [X.] fehlten. Der Kläger habe keine Tatsachen vorgebracht, die eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem beklagten Land vermuten ließen. Zwar sei die Verletzung der Pflicht zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch (§ 82 Satz 2 [X.]) grundsätzlich eine derartige Tatsache, da dem behinderten Bewerber die Chance genommen werde, den Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von seiner Eignung zu überzeugen. Allerdings könne der öffentliche Arbeitgeber einen Verstoß gegen § 82 Satz 2 [X.] rückgängig machen, wenn er nach einem Hinweis des abgelehnten Bewerbers auf diesen Verstoß diesem in einem noch offenen Bewerbungsverfahren die Gelegenheit zu einem Vorstellungsgespräch gebe. Damit genüge er den Anforderungen des § 82 [X.] in der weitestgehenden Form des Schadensersatzrechts, der Naturalrestitution. Das beklagte Land habe den mit Übersendung des [X.] eingetretenen Verstoß gegen § 82 [X.] geheilt, indem es den Kläger während des noch laufenden Stellenbesetzungsverfahrens zweimal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe. Damit liege kein Verfahrensfehler vor, aus dem die Vermutungswirkung nach § 22 [X.] folge.

Der Kläger sei auch nicht nur pro forma zur Vermeidung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 [X.] von dem beklagten Land zu den weiteren Vorstellungsgesprächen eingeladen worden. Das Stellenbesetzungsverfahren sei zum Zeitpunkt der Vorstellungsgespräche am 25. August 2010 und 8. September 2010 noch nicht abgeschlossen gewesen. Zudem sei eine der ausgeschriebenen Stellen letztlich mit einem behinderten Stellenbewerber besetzt worden, der zunächst auch ebenso wie der Kläger ein [X.] erhalten hatte. Dieser Umstand zeige, dass das beklagte Land Schwerbehinderte nicht grundsätzlich aus dem engeren [X.] habe ausschließen wollen.

Der Kläger könne sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass ihm die Teilnahme an den vorgeschlagenen Gesprächsterminen aufgrund anderweitiger Dispositionen nicht möglich gewesen sei. Die beiden Dialysebehandlungen des [X.] hätten ausweislich der vorgelegten Protokolle in den Nachtstunden stattgefunden, sodass davon auszugehen sei, dass er die Gesprächstermine um 10:30 Uhr bzw. um 9:00 Uhr in [X.] hätte wahrnehmen können, wenn er dies tatsächlich gewollt hätte. Der Kläger habe letztlich kein wirkliches Interesse an der [X.]eiterverfolgung seiner Bewerbung gehabt.

B. Die Entscheidung des [X.]s hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung hätte es die Klage nicht abweisen dürfen.

I. Ob die zulässige Klage begründet ist, konnte der Senat aufgrund der vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden, sodass die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das [X.] zurückzuverweisen war.

1. Der persönliche Anwendungsbereich des [X.] ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber „Beschäftigter“ im Sinne jenes Gesetzes. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 [X.] gelten als Beschäftigte auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis.

Für den Bewerberbegriff kommt es nicht darauf an, ob der Bewerber für die ausgeschriebene Tätigkeit objektiv geeignet ist ([X.] 13. Oktober 2011 - 8 [X.] - Rn. 18, [X.] § 15 Nr. 9 = EzA [X.] § 15 Nr. 16). Die objektive Eignung eines Bewerbers ist vielmehr für die Frage bedeutsam, ob eine „vergleichbare Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorliegt ([X.] 7. April 2011 - 8 [X.] - Rn. 29, [X.] § 15 Nr. 6 = EzA [X.] § 15 Nr. 13).

Auch auf die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung kommt es im [X.] nicht an. Ihr Fehlen könnte allenfalls den Einwand treuwidrigen Verhaltens des Bewerbers begründen (vgl. [X.] 16. Februar 2012 - 8 [X.] - Rn. 24, [X.] § 22 Nr. 4 = EzA [X.] § 15 Nr. 17). Das Vorbringen des beklagten [X.] zur fehlenden Ernsthaftigkeit der Bewerbung des [X.] ist jedoch nicht geeignet, diesen Einwand zu begründen. Nach Erhalt des [X.] hatte der Kläger zunächst seine Rechte wahrgenommen. Dass er den späteren Einladungen nicht nachgekommen war und sich nicht selbst um einen weiteren Vorstellungstermin bemüht hatte, lässt für sich allein nicht den Rückschluss zu, er habe seine Bewerbung nicht ernsthaft betrieben.

2. Das beklagte Land ist als „Arbeitgeber“ passiv legitimiert. Arbeitgeber ist auch derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet (vgl. [X.] 21. Juni 2012 - 8 [X.] - Rn. 18, [X.] § 15 Nr. 12 = EzA [X.] § 15 Nr. 20).

3. Der Kläger hat seinen Entschädigungsanspruch innerhalb der Fristen der § 15 Abs. 4 [X.], § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht. Der Anspruch ist somit nicht verfallen.

a) Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 [X.] muss ein Anspruch nach Abs. 1 oder Abs. 2 des § 15 [X.] innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist grundsätzlich mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 [X.]), nicht jedoch vor dem Zeitpunkt, in dem der Bewerber von seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt (vgl. [X.] 15. März 2012 - 8 [X.] - Rn. 61, [X.] § 15 Nr. 11 = EzA [X.] § 15 Nr. 18). Die Ablehnung der Bewerbung wurde dem Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 2010 mitgeteilt, womit er zugleich Kenntnis von einem Indiz - dem Unterbleiben einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch - hatte, aus dem er die Vermutung seiner Benachteiligung herleitet. Mit Anwaltsschreiben vom 6. August 2010 hat der Kläger dann gegenüber dem Präsidium einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht und damit die [X.] des § 15 Abs. 4 Satz 1 [X.] eingehalten.

b) Der Kläger hat zudem die Frist zur Klageerhebung gemäß § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt. Seine am 9. September 2010 beim Arbeitsgericht [X.] eingegangene und dem beklagten Land am 20. September 2010 zugestellte Klage wurde innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs erhoben.

4. Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 [X.] setzt materiell einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 [X.] voraus. § 15 Abs. 2 [X.] enthält zwar nur eine Rechtsfolgenregelung, jedoch ist für die Voraussetzungen des Anspruchs auf § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] zurückzugreifen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang der gesetzlichen Regelung (vgl. [X.] 16. Februar 2012 - 8 [X.] - Rn. 30, [X.] § 22 Nr. 4 = EzA [X.] § 15 Nr. 17).

5. Zutreffend geht das [X.] davon aus, dass zunächst ein Verstoß des beklagten [X.] gegen § 82 Satz 2 [X.] vorgelegen hatte, weil es den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte. Ob diesem deshalb ein Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 iVm. § 7 [X.] zusteht, wird das Berufungsgericht unter Zugrundelegung der rechtlichen Beurteilung des Streitfalls durch den Senat (§ 563 Abs. 2 ZPO) erneut zu entscheiden haben.

a) Der Kläger ist von dem beklagten Land unmittelbar benachteiligt worden. Eine solche Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 [X.] genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Zum einen erfuhr der Kläger eine weniger günstige Behandlung als der später eingestellte Bewerber. Zum anderen war auch die Behandlung des [X.] im Vergleich mit den vor dem [X.] zu Vorstellungsgesprächen eingeladenen weiteren (letztlich gleichfalls erfolglosen) Bewerbern weniger günstig. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung, liegt nämlich bereits dann vor, wenn der Bewerber nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgenommen und vorzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wird. Hier liegt die Benachteiligung in der Versagung einer Chance ([X.] 23. August 2012 - 8 [X.] - Rn. 22, [X.] § 3 Nr. 9 = EzA [X.] § 7 Nr. 2).

b) Anspruchsvoraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 [X.] ist nicht, dass der Arbeitgeber selbst oder eine für ihn tätig werdende Person schuldhaft gehandelt hat. Der Entschädigungsanspruch setzt nämlich kein Verschulden oder gar eine Benachteiligungsabsicht voraus (vgl. [X.] 17. August 2010 - 9 [X.] - Rn. 31, [X.] § 15 Nr. 4 = EzA [X.] § 81 Nr. 21). Es bedarf daher im [X.] auch keiner Zurechnung eines schuldhaften Fehlverhaltens der Auszubildenden oder ggf. anderer Mitarbeiter nach § 278 [X.] noch einer Zurechnung nach § 831 [X.]. Vielmehr geht es ausschließlich um eine Zurechnung der objektiven [X.] oder Pflichtverletzungen der für den Arbeitgeber handelnden Personen im vorvertraglichen Vertrauensverhältnis (vgl. [X.] 16. September 2008 - 9 [X.] 791/07 - Rn. 33, [X.]E 127, 367 = [X.] § 81 Nr. 15 = EzA [X.] § 81 Rn. 17). Bedient sich der Arbeitgeber bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses eigener Mitarbeiter oder Dritter (zB der [X.]), so trifft ihn die volle Verantwortlichkeit für deren Verhalten (vgl. [X.] 18. März 2010 - 8 [X.] 1044/08 - Rn. 35, [X.] § 15 Nr. 3 = EzA [X.] § 15 Nr. 7).

Jeder Arbeitgeber hat die Erledigung seiner Personalangelegenheiten so zu organisieren, dass die gesetzlichen Pflichten zur Förderung schwerbehinderter Bewerber erfüllt werden ([X.] 16. September 2008 - 9 [X.] 791/07 - Rn. 35, [X.]E 127, 367). Das Bewerbungsverfahren hat er fair und diskriminierungsfrei auszugestalten. Die für ihn handelnden Personen, auch Auszubildende, sind ihrerseits gehalten, insbesondere die Pflicht des § 82 Satz 2 [X.] zu erfüllen. Der Verstoß gegen diese Pflicht ist dem beklagten Land mithin als objektive Pflichtverletzung zuzurechnen.

Auf fehlerhafte Geschehensabläufe kann sich der Arbeitgeber zu seiner Entlastung daher ebenso wenig berufen wie auf unverschuldete Personalengpässe. Auch durchgeführte Schulungen oder „mustergültige“ Handreichungen kann er nicht ins Feld führen. Darauf käme es nämlich nur bei einem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch an (vgl. [X.] 18. März 2010 - 8 [X.] 1044/08 - Rn. 36, [X.] § 15 Nr. 3 = EzA [X.] § 15 Nr. 7).

Es genügt mithin, dass das [X.] an den Kläger, selbst wenn es sich um ein bloßes „Büroversehen“ gehandelt haben sollte, aus der Verantwortungssphäre des beklagten [X.] gestammt hat. Dass eine Auszubildende dieses Schreiben ohne entsprechende [X.]eisung unterschrieben und versandt und somit ggf. ihre Befugnisse im Innenverhältnis überschritten hatte, ist ohne rechtliche Bedeutung. So hat der [X.] des [X.] auch die Tatsache, dass eine Urlaubsvertretung die [X.] versehentlich nicht eingeschaltet hatte, für unerheblich gehalten ([X.] 12. September 2006 - 9 [X.] 807/05 - Rn. 22, [X.]E 119, 262 = [X.] § 81 Nr. 13 = EzA [X.] § 81 Nr. 14).

c) Der Kläger befand sich auch mit den zu den Vorstellungsgesprächen vom 12. Juli 2010 und vom 19. Juli 2010 eingeladenen Bewerbern in einer vergleichbaren Situation (§ 3 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

aa) Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt zunächst voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen (vgl. [X.] 16. Februar 2012 - 8 [X.] - Rn. 35, [X.] § 22 Nr. 4 = EzA [X.] § 15 Nr. 17).

bb) An der objektiven Eignung des [X.] für die von dem beklagten Land im Mai 2010 ausgeschriebene Stelle bestehen keine Zweifel. Die Eignung des [X.] wird von dem beklagten Land auch nicht in Abrede gestellt.

d) Ob das beklagte Land den Kläger allerdings unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 [X.] „wegen“ seiner Behinderung weniger günstig behandelt hat, kann der Senat aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entscheiden.

Entgegen der Meinung des [X.]s wird ein möglicher Kausalzusammenhang zwischen der ihn benachteiligenden Behandlung - Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch und Ablehnung - und dem Merkmal der Behinderung allein durch die nachträglichen Einladungen zu Vorstellungsgesprächen nicht beseitigt. Auch waren diese für sich allein betrachtet nicht geeignet, die Vermutung der Benachteiligung wegen Schwerbehinderung iSd. § 22 [X.] zu widerlegen.

aa) Der Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Behandlung und dem Merkmal der Behinderung ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Behinderung anknüpft oder durch diese motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund - die Behinderung - das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat ([X.]., [X.] 21. Juni 2012 - 8 [X.] 364/11 - Rn. 32, [X.] § 22 Nr. 5 = EzA [X.] § 22 Nr. 6).

bb) Hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen Nachteil und verpöntem Merkmal ist in § 22 [X.] eine Beweislastregelung getroffen, die sich zugleich auf die Darlegungslast auswirkt. Ein erfolgloser Bewerber genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines unzulässigen Merkmals vermuten lassen. Dies ist dann der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen - aus objektiver Sicht und mit überwiegender [X.]ahrscheinlichkeit - darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung zumindest auch wegen jenes Merkmals erfolgt ist. Denn durch die Verwendung der Begriffe „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen einem der in § 1 [X.] genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber gleichwohl die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist ([X.] 23. August 2012 - 8 [X.] - Rn. 32, [X.] § 3 Nr. 9 = EzA [X.] § 7 Nr. 2).

Besteht eine derartige Vermutung für die Benachteiligung wegen eines in § 1 [X.] genannten Grundes, trägt nach § 22 [X.] die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

cc) Die [X.]ürdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen (Hilfs)Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden [X.]ahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen dem verpönten Merkmal und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt ([X.]., vgl. [X.] 21. Juni 2012 - 8 [X.] 364/11 - Rn. 34, [X.] § 22 Nr. 5 = EzA [X.] § 22 Nr. 6).

dd) Das [X.] hat rechtsfehlerhaft angenommen, es lägen deshalb keine Tatsachen oder Indizien vor, die eine Benachteiligung des [X.] wegen seiner Behinderung vermuten lassen, weil das beklagte Land den Verstoß gegen § 82 Satz 2 [X.] noch im laufenden Stellenbesetzungsverfahren geheilt habe.

Zunächst geht das [X.] zu Recht davon aus, dass eine unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch die Vermutungswirkung grundsätzlich herbeiführt. Unterlässt es nämlich der öffentliche Arbeitgeber entgegen § 82 Satz 2 [X.], einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, so ist dies nach ständiger Rechtsprechung eine geeignete Hilfstatsache („Indiz“) nach § 22 [X.], die mit überwiegender [X.]ahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Benachteiligung wegen der Behinderung spricht ([X.]., vgl. [X.] 24. Januar 2013 - 8 [X.] 188/12 - Rn. 39; 16. Februar 2012 - 8 [X.] - Rn. 46, [X.] § 22 Nr. 4 = EzA [X.] § 15 Nr. 17). Für die Annahme, dass dem Kläger die fachliche Eignung offensichtlich fehlt, sodass nach § 82 Satz 3 [X.] eine Einladung entbehrlich gewesen wäre, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

[X.]eitere Indizien für eine Benachteiligung „wegen“ seiner Behinderung hat der Kläger nicht dargetan, insbesondere keine sonstigen objektiven Verfahrensverstöße. Sie ergeben sich auch nicht aus den Feststellungen des Berufungsgerichts oder dem in Bezug genommenen Vorbringen der Parteien. Zwar enthielt das [X.] vom 26. Juli 2010 keine Begründung für die dem Kläger ungünstige Entscheidung; diese wurde auch nicht unverzüglich nachgeholt. Jedoch war das beklagte Land nicht verpflichtet, die Beteiligten unverzüglich iSd. § 81 Abs. 1 Satz 9 [X.] über die Gründe für die Auswahlentscheidung zu unterrichten, da das Präsidium die [X.] nach § 71 Abs. 1 [X.] erfüllt (vgl. [X.] 21. Februar 2013 - 8 [X.] 180/12 - Rn. 40 ff.).

Allein die unstreitige Tatsache, dass nach der ersten Ablehnung zwei Einladungen zu Vorstellungsgesprächen durch das Präsidium ausgesprochen worden sind, lässt - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - die Vermutungswirkung nicht rückwirkend entfallen. Der Verfahrensfehler kann nicht nachträglich „geheilt“, der Verstoß gegen § 82 Satz 2 [X.] nicht „rückgängig“ und quasi „ungeschehen“ gemacht werden. Anders formuliert: Durch den „actus contrarius“ einer nachträglichen Einladung wird die ursprüngliche Nichteinladung - und schriftliche Absage - nicht zu einem rechtlich unbeachtlichen „nullum“. Der Rechtsprechung des Senats zufolge vermag weder eine später vorgenommene Einstellung noch eine tatsächliche Beschäftigung eine einmal erfolgte ungünstigere Behandlung „aufzuheben“ und damit einen Entschädigungsanspruch zu beseitigen (vgl. [X.] 18. März 2010 - 8 [X.] 1044/08 - Rn. 33, [X.] § 15 Nr. 3 = EzA [X.] § 15 Nr. 7).

Der vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang verwendete Begriff „Naturalrestitution“ kann in die Irre führen. Dieser Begriff stammt aus dem Schadensersatzrecht und passt daher nicht zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 [X.]. Darüber hinaus gehört er auf die Rechtsfolgenseite: [X.]enn ein Schadensersatzanspruch gegeben ist, dann gelten die allgemeinen Regeln der §§ 249 ff. [X.], in erster Linie und vorrangig § 249 Abs. 1 [X.] mit dem Prinzip der Naturalrestitution, wonach der Schädiger „den Zustand herzustellen (hat), der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre“. Vorliegend geht es jedoch nicht um die Rechtsfolgenseite, sondern um die Frage, ob ein Entschädigungsanspruch dem Grunde nach zu bejahen ist.

Ebenso missverständlich ist es, in diesem Zusammenhang von einer „Heilung“ zu sprechen, welcher dem Berufungsgericht zufolge offenbar eine umfassende und „starke“ [X.]irkung ex tunc zukommen soll. [X.]eder das [X.] noch das [X.] sehen eine „Heilung“ oder gar die vom Berufungsgericht damit verbundene rückwirkende Unbeachtlichkeit eines Verstoßes gegen § 82 Satz 2 [X.] ausdrücklich vor.

Eine analoge Anwendung der Heilungsvorschriften des Sozialrechts verbietet sich. Deren abschließender Charakter lässt eine Analogie von vornherein ausscheiden.

Die enumerativen Heilungsfälle des § 41 SGB X beziehen sich auf verfahrens- oder formfehlerhafte Verwaltungsakte und sind bereits aus diesem Grund nicht übertragbar auf „Realakte“ wie die Nichteinladung und Ablehnung eines Bewerbers. Zudem handelt es sich nach herrschender Meinung um eine abschließende Aufzählung von - vorliegend thematisch nicht einschlägigen - Heilungsmöglichkeiten, was eine entsprechende Anwendung auf sonstige Verfahrensmängel von vornherein ausschließt (Schütze in v. [X.]ulffen SGB X 7. Aufl. § 41 Rn. 5 mwN).

Außerdem hat der Gesetzgeber im [X.] vereinzelt und gezielt „Heilungsvorschriften“ oder Mechanismen zur „Nachbesserung“ vorgesehen, nicht jedoch bei § 82 Satz 2 [X.]. Daher ist nicht von einer „ungeplanten Regelungslücke“ auszugehen. So bestimmt etwa § 95 Abs. 2 Satz 1 [X.], dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören hat. Falls diese Beteiligung unterblieben ist, ist die Durchführung oder Vollziehung der Entscheidung auszusetzen und die Beteiligung innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; erst danach ist endgültig zu entscheiden (§ 95 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Eine solche, gewissermaßen „maßgeschneiderte“ Nachbesserungsmöglichkeit enthält § 82 [X.] jedoch nicht. Daher ist davon auszugehen, dass diese Verfahrensvorschrift absoluten Charakter besitzt und keine wie auch immer geartete „Heilung“ zulässt.

Im Übrigen eröffnet die nachträgliche Einladung einem zunächst abgelehnten Bewerber de facto keineswegs dieselbe „Chance“ einer Einstellung wie eine ursprüngliche Einladung, sondern wenn überhaupt nur eine erheblich verminderte Chance - ein deutliches „Minus“, wenn nicht gar einen „Malus“. Dies liegt für einen abgelehnten Bewerber, der nach erfolgter Ablehnung einen Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung geltend macht, auf der Hand. Es ist weder zu erwarten, dass er selbst unbefangen in ein „nachgeholtes“ Vorstellungsgespräch geht, noch kann davon ausgegangen werden, dass der potentielle Arbeitgeber das - im vorliegenden Fall sogar anwaltliche - „Sich-zur-[X.]ehr-Setzen“ auszublenden vermag. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll der persönliche Kontakt schließlich die Einstellungschancen eines schwerbehinderten Bewerbers verbessern. Über die schriftlichen Bewerbungsunterlagen hinaus soll sich der Arbeitgeber ein Bild von der Persönlichkeit des Bewerbers, seinem Auftreten, seiner Leistungsfähigkeit und seiner Eignung machen. [X.]eiter stellt das Vorstellungsgespräch auch ein geeignetes Mittel dar, um eventuelle Vorbehalte oder gar Vorurteile auszuräumen. Dieser durch § 82 Satz 2 [X.] intendierte „[X.]“ gegenüber nicht schwerbehinderten Bewerbern entfällt jedoch ab dem Moment, ab dem ein Bewerber einen Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch wegen unterbliebener Einladung zu einem Vorstellungsgespräch geltend gemacht hat. Die nachträgliche Einladung ist kein funktional angemessener Ersatz für die unterbliebene Einladung, dh. sie kann die angestrebten Funktionen nicht mehr erfüllen. Ein nachträglich geführtes Vorstellungsgespräch besitzt nicht dieselbe tatsächliche oder rechtliche Qualität wie ein von vornherein anberaumtes Gespräch.

Eine nachträgliche und rückwirkende „Heilung“ wäre zudem mit der Struktur des [X.] und insbesondere den hier geltenden strikten Fristenregelungen nicht vereinbar. Ist der Entschädigungsanspruch einmal entstanden, sehen § 15 Abs. 4 [X.] und § 61b Abs. 1 ArbGG kurze Ausschlussfristen für dessen Geltendmachung vor. Diese Fristen dienen der Rechtssicherheit, dem Rechtsfrieden und der Rechtsklarheit. Insbesondere soll es dem Arbeitgeber angesichts der Regelung des § 22 [X.] nicht zugemutet werden, Dokumentationen über Einstellungsverfahren bis zum Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren aufbewahren zu müssen. Umgekehrt muss sich aber auch der benachteiligte Bewerber darauf verlassen dürfen, dass seinem einmal entstandenen Anspruch nicht während laufender Frist nachträglich der Boden entzogen wird. So hat er seine Ansprüche geltend gemacht, Rechtsrat gesucht, Kosten ausgelöst, sich auf eine eventuelle gerichtliche Geltendmachung eingestellt oder bereits Klage erhoben.

Hinzu kommt eine nicht unerhebliche Missbrauchs- und Umgehungsgefahr. Ein Arbeitgeber könnte sich bewusst eine „Hintertür“ offenlassen, dh. zunächst von der Einladung schwerbehinderter Bewerber absehen, um dann nur bei entsprechender Rüge des nicht Eingeladenen doch noch eine Einladung auszusprechen. So hätte es ein Arbeitgeber in der Hand, durch gezielte nachträgliche Einladungen und ggf. rein „formale“ Vorstellungsgespräche Ansprüche aus dem [X.] ins Leere laufen zu lassen.

II. Ob die durch das Indiz der Nichteinladung ausgelöste Vermutung der Benachteiligung des [X.] wegen seiner Schwerbehinderung durch das beklagte Land iSd. § 22 [X.] widerlegt oder „entkräftet“ worden ist, wird das [X.] noch zu prüfen haben. Insoweit war dem Senat eine abschließende Entscheidung gemäß § 563 Abs. 3 ZPO verwehrt, da es sich insoweit um eine Tatsachenbewertung handelt, welche nicht vom Revisionsgericht, sondern von den Tatsacheninstanzen vorzunehmen ist.

1. Dem Berufungsgericht ist nicht nur - wie oben dargelegt - ein Beurteilungsspielraum einzuräumen, soweit es um die Frage geht, ob die von dem Bewerber vorgetragenen Hilfstatsachen den Schluss darauf zulassen, er sei wegen eines in § 1 [X.] genannten Merkmals abgelehnt worden. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gilt ebenso für die Frage, ob die von dem Arbeitgeber seinerseits vorgebrachten Tatsachen den Schluss darauf zulassen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat (§ 22 [X.]). Auch hier beschränkt sich die revisionsrechtliche Kontrolle darauf, ob die [X.]ürdigung des Tatsachengerichts möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt.

2. Dabei wird das Berufungsgericht Folgendes zu beachten haben: [X.]enn die festgestellten Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber nach § 22 [X.] die Beweislast dafür, dass eine solche Benachteiligung nicht vorgelegen hat. Er muss das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung nicht (zumindest auch) auf der Behinderung beruht hat. Damit muss er Tatsachen und Umstände vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben, und in seinem Motivbündel weder die Behinderung als negatives noch die fehlende Behinderung als positives Kriterium enthalten war ([X.] 24. Januar 2013 - 8 [X.] 188/12 - Rn. 41).

Dabei kommen auch Umstände, Geschehnisse und Verhaltensweisen in Betracht, die zeitlich nach der Benachteiligung liegen. Mit der Benachteiligung, die spätestens zum Zeitpunkt des [X.]s vorliegt, tritt insoweit keine zeitliche Zäsur oder „[X.]“ ein. Vielmehr können sich aus dem weiteren Verlauf des Verfahrens sowohl Indizien, die für eine Benachteiligung sprechen, ergeben, als auch solche, die den Arbeitgeber entlasten. Es ist mithin möglich und zulässig, aus späteren Verhaltensweisen des Arbeitgebers bzw. der für ihn handelnden Personen Rückschlüsse darauf zu ziehen, dass in dem zur Benachteiligung führenden „Motivbündel“ kein diskriminierendes Element enthalten gewesen war.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Volz    

        

    Kandler    

                 

Meta

8 AZR 563/12

22.08.2013

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Wiesbaden, 2. März 2011, Az: 7 Ca 1746/10, Urteil

§ 15 Abs 2 AGG, § 22 AGG, § 82 S 2 SGB 9, § 7 Abs 1 AGG, § 1 AGG, § 81 Abs 1 S 9 SGB 9

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.08.2013, Az. 8 AZR 563/12 (REWIS RS 2013, 3279)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3279

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Referenzen
Wird zitiert von

8 AZR 384/14

7 Sa 90/17

3 Sa 239/17

6 Sa 147/18

5 Sa 1139/15

5 Sa 1346/13

3 Ca 2832/21

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