Bundessozialgericht, Urteil vom 21.06.2018, Az. B 11 AL 8/17 R

11. Senat | REWIS RS 2018, 7359

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeldanspruch - Ermittlung des Bemessungszeitraums - Berücksichtigung von Zeiten des Elterngeldbezugs - freiwillig weiterversicherter Selbständiger - Aufnahme einer versicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung - keine fiktive Bemessung


Leitsatz

Bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes von zuvor selbstständig Tätigen und freiwillig Weiterversicherten kann eine während des Elterngeldbezugs aufgenommene versicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung nicht bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums außer Betracht bleiben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Februar 2017 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 17. März 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist [X.] in dem [X.]raum vom 1.5. bis 30.9.2015.

2

Die 1977 geborene Klägerin hat ein Hochschulstudium der Germanistik und des [X.] abgeschlossen. Seit 2009 arbeitete sie als selbständige Unternehmensberaterin und war währenddessen in den [X.]räumen vom [X.] bis [X.] sowie vom 18.7.2011 bis [X.] freiwillig weiterversichert in der Arbeitslosenversicherung. Diese Antragspflichtversicherung ruhte ab dem [X.], dem [X.]. Von diesem Tag bis einschließlich dem 8.11.2014 bezog sie Elterngeld und war weiterhin selbständig tätig. Währenddessen nahm die Klägerin eine vom 16.8.2014 bis 31.3.2015 befristete versicherungspflichtige Beschäftigung als Redakteurin bei der [X.] auf. Aus dieser Beschäftigung erzielte sie ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 14 516,62 Euro einschließlich einer beitragspflichtigen Einmalzahlung in Höhe von 544,10 Euro im November 2014. Bis Januar 2015 betrug die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 19,5 Stunden; im Februar und März 2015 war die Klägerin 31,2 Stunden tätig.

3

Nach Beendigung dieser Beschäftigung und weiterhin selbständiger Tätigkeit im April 2015 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum [X.] arbeitslos und beantragte [X.], das die Beklagte ab [X.] mit einem kalendertäglichen Leistungsbetrag in Höhe von 29,88 Euro bewilligte; hierbei legte sie den [X.]raum von Mai 2014 bis April 2015 als Bemessungsrahmen und den [X.]raum der befristeten Beschäftigung mit insgesamt 228 Tagen eines beitragspflichtigen Arbeitsentgelts als Bemessungszeitraum zugrunde (Bescheid vom 6.5.2015; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Die hiergegen gerichtete Klage, die auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von [X.] unter Berücksichtigung eines (höheren) fiktiven [X.] gerichtet war, hat das [X.] abgewiesen (Gerichtsbescheid vom [X.]). Während des sozialgerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte die Bewilligung von [X.] wegen jeweils ein- bis dreitägigen Beschäftigungen aufgehoben ([X.], [X.], 1.9.2015). Ab dem 1.10.2015 hat sie die Bewilligung von [X.] wegen einer Beschäftigungsaufnahme der Klägerin ganz aufgehoben (Bescheid vom 24.9.2015).

4

Auf die Berufung der Klägerin hat das L[X.] den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Beklagte "unter Abänderung des Bescheides vom 6. Mai 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2015 sowie der Bescheide vom 7. Juli 2015, 10. August 2015, 1. September 2015 und 24. September 2015 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines fiktiven [X.] nach der Qualifikationsgruppe 1 für die [X.] vom 1. Mai 2015 bis zum 30. September 2015 mit Ausnahme der [X.]räume 6. bis 8. Mai 2015, 10. Juli 2015, 5. August 2015, 4. September 2015 und 23. bis 26. September 2015 zu zahlen" (Urteil vom [X.]). Es greife eine fiktive Bemessung nach § 152 [X.]B III, weil der Bemessungszeitraum nicht mindestens 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten [X.] umfasse. Da derjenige [X.]raum der Teilzeitbeschäftigung, in dem gleichzeitig Elterngeld bezogen worden sei (16.8. bis 8.11.2014), bei der Bemessung außer Betracht bleiben müsse, sei nur der lediglich 143 Tage umfassende [X.]raum der Teilzeitbeschäftigung ohne zeitgleichen Elterngeldbezug vom 9.11.2014 bis 31.3.2015 vom Bemessungszeitraum umfasst. Es müsse eine analoge Anwendung des § 150 Abs 2 Satz 1 Nr 3 [X.]B III erfolgen. Der Gesetzgeber habe planwidrig die Gruppe der freiwillig [X.] übersehen, die erziehungsbedingt eine nicht repräsentative Beschäftigung aufnähmen und dadurch die mit der Antragspflichtversicherung "garantierte" fiktive Bemessung verlören. § 150 Abs 2 Satz 1 Nr 3 [X.]B III sei deshalb so auszulegen, dass [X.]en außer Betracht blieben, in denen zuvor Selbständige ein Arbeitsentgelt in einem - nicht notwendigerweise bereits vor dem Elterngeldbezug bestehenden - Beschäftigungsverhältnis erzielt hätten, das gemessen an der für die Beitragserhebung in der freiwilligen Weiterversicherung als Arbeitsentgelt unterstellten monatlichen Bezugsgröße betreuungs- oder erziehungsbedingt vermindert sei. Dies treffe auf die Klägerin zu.

5

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 150 Abs 2 Satz 1 Nr 3 [X.]B III: Die Voraussetzungen für dessen analoge Anwendung lägen nicht vor, denn weder sei der geregelte und der zu entscheidende Sachverhalt vergleichbar noch bedürfe die Klägerin desselben Schutzes wie eine ausschließlich - und bereits vor der Elternzeit - versicherungspflichtig beschäftigte Person. Aus der Antragspflichtversicherung ergebe sich keine Garantie einer fiktiven Bemessung. Sie erhalte lediglich die Anwartschaft auf [X.]. Diese Auslegung sei auch mit Art 14 GG, Art 6 Abs 1 und 4 GG und Art 3 Abs 1 GG vereinbar.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 8. Februar 2017 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 17. März 2016 zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält das Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 [X.]G). Das [X.] hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin höheres [X.] unter Berücksichtigung einer fiktiven Bemessung zu zahlen.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - neben den vorinstanzlichen Entscheidungen - der Bescheid vom 6.5.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.6.2015. Einbezogen in das Verfahren nach § 96 Abs 1 [X.]G sind weiter die Bescheide vom 7.7.2015, [X.] und 1.9.2015, mit denen die Bewilligung von [X.] für kürzere Zeiträume aufgehoben worden ist, sowie der den Bezug von [X.] beendende Aufhebungsbescheid vom 24.9.2015 (vgl zur Einbeziehung von Bescheiden B[X.] vom 9.12.2016 - [X.] [X.] 1/15 R - juris Rd[X.]2 ff mwN). Hiergegen wendet sich die Klägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 [X.]G) und begehrt höhere Leistungen, was auch ohne exakte Bezifferung von deren Höhe zulässig ist (vgl B[X.] vom 11.3.2014 - B 11 [X.] 10/13 R - [X.] 4-4300 § 133 [X.] Rd[X.]4).

Von Amts wegen zu beachtende [X.], die einer Sachentscheidung des Senats entgegenstehen, liegen nicht vor. Insbesondere war die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des [X.] gemäß § 143 [X.]G, § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]G statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes (Differenzbetrag unter Zugrundelegung einer fiktiven Bemessung) für den Zeitraum vom 1.5. bis [X.] einen Betrag in Höhe von 2491,06 Euro erreichte.

2. Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf [X.] dem Grunde nach, ohne deren Vorliegen auch eine Klage auf höhere Leistungen keinen Erfolg haben kann (stRspr vgl nur B[X.] vom 9.12.2004 - [X.] [X.] 24/04 R - B[X.]E 94, 109 = [X.] 4-4220 § 3 [X.], Rd[X.]2), hat das [X.] bindend festgestellt (§ 163 [X.]G), dass sich die Klägerin mit Wirkung zum [X.] persönlich arbeitslos gemeldet hat. Mit Ausnahme einzelner Tage einer Arbeitsaufnahme war sie nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] trotz der weiterhin ausgeübten selbständigen Tätigkeit auch arbeitslos. Die Anwartschaftszeit hat die Klägerin ebenfalls erfüllt, weil sie innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren beginnend mit dem [X.] aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf [X.] - dh im Zeitraum [X.] bis 30.4.2015 - mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 137 Abs 1 [X.] 2 [X.]B III iVm § 141 [X.]B III; § 137 Abs 1 [X.] [X.]B III iVm § 138 Abs 1 und 3 [X.]B III; § 142 Abs 1 [X.]B III iVm § 143 Abs 1 [X.]B III, jeweils in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung des [X.] vom 20.12.2011, [X.] 2854).

Für die Erfüllung der Anwartschaftszeit zunächst zu berücksichtigen ist das Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag der selbständig tätigen Klägerin bis 8.9.2013. Ab dem [X.] bis einschließlich 15.8.2014 ruhte die Antragspflichtversicherung wegen Erziehung des am [X.] geborenen Kindes; die Klägerin stand in diesem Zeitraum in einem Versicherungspflichtverhältnis aus sonstigen Gründen (§ 28a Abs 1 Satz 1 [X.] 2 [X.]B III, § 28a Abs 4 Satz 1 [X.]B III in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung des Beschäftigungschancengesetzes vom [X.], [X.] 1417; § 24 Abs 1 [X.]B III iVm § 26 Abs 2a [X.]B III idF des [X.]). Mit dem Beginn ihrer Teilzeitbeschäftigung ab 16.8.2014 bis zu deren Ende am 31.3.2015 stand sie wegen der Beschäftigung in einem Versicherungspflichtverhältnis. Im April 2015 war sie erneut bis zum Beginn des [X.]-Bezugs als selbständig Tätige antragspflichtversichert.

3. Es besteht kein Anspruch auf höheres [X.] unter Berücksichtigung eines fiktiven [X.]s, denn der Bemessung ist das im Gesamtzeitraum der Teilzeitbeschäftigung erzielte und abgerechnete Arbeitsentgelt im Umfang von 228 Tagen zugrunde zu legen (hierzu a). Eine fiktive Bemessung kommt nach § 152 Abs 1 Satz 1 [X.]B III nur in Betracht, wenn ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten [X.] nicht festgestellt werden kann. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, weil der Zeitraum des parallelen Bezugs von Elterngeld und der Teilzeitbeschäftigung vom 16.8. bis 8.11.2014 weder bei unmittelbarer Anwendung (hierzu b) noch bei analoger Anwendung des § 150 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B III (hierzu c) außer Betracht bleiben kann.

a) Die Bemessung des [X.] richtet sich nach § 149 Abs 1 [X.] [X.]B III, wonach das [X.] für Arbeitslose, die - wie die Klägerin - mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 3 bis 5 EStG haben, 67 % (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt) beträgt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat ([X.]). Gemäß § 150 Abs 1 Satz 1 [X.]B III umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltzeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten [X.] vor der Entstehung des Anspruchs (§ 150 Abs 1 Satz 2 [X.]B III, § 137 Abs 2 [X.]B III). Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 150 Abs 3 Satz 1 [X.] [X.]B III) oder wenn es mit Rücksicht auf das [X.] im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem [X.] im Bemessungszeitraum auszugehen, wenn die oder der Arbeitslose dies verlangt und die zur Bemessung erforderlichen Unterlagen vorlegt (§ 150 Abs 3 Satz 1 [X.], Satz 2 [X.]B III; § 150 [X.]B III, jeweils idF des [X.]).

Nach Maßgabe dieser Bestimmungen besteht vorliegend innerhalb des einjährigen [X.] vom 1.5.2014 bis 30.4.2015 ein Bemessungszeitraum vom 16.8.2014 bis 31.3.2015 in einem Umfang von 228 Tagen [X.] Beschäftigung an der Technischen Universität H

b) Der Zeitraum des zeitgleichen Bezugs von Elterngeld und der Teilzeitbeschäftigung vom 16.8. bis 8.11.2014 kann nicht in unmittelbarer Anwendung des § 150 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B III mit der Folge eines [X.] von nur 143 Tagen und einer fiktiven Bemessung nach § 152 Abs 1 Satz 1 [X.]B III idF des [X.] außer Betracht bleiben.

§ 150 Abs 2 [X.]B III betrifft Sonderfälle [X.] Beschäftigungen, die bei der Leistungsbemessung außer Betracht bleiben sollen. Nach der vom [X.] herangezogenen Regelung des § 150 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B III (vgl zu weiteren Anwendungsfällen unter d) bleiben bei der Ermittlung des [X.] Zeiten außer Betracht, in denen Arbeitslose Elterngeld oder Erziehungsgeld bezogen oder nur wegen der Berücksichtigung von Einkommen nicht bezogen haben oder ein Kind unter drei Jahren betreut und erzogen haben, wenn wegen der Betreuung und Erziehung des Kindes das Arbeitsentgelt oder die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit gemindert war. Insofern ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass diese Regelung nicht unmittelbar auf die Lage der Klägerin anwendbar ist, die vor dem Elterngeldbezug keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen ist. Denn Inhalt der Regelung ist eine Vergleichsbetrachtung zwischen dem Arbeitsentgelt bzw der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit der vor dem Elterngeldbezug ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung und einer parallel zum Elterngeldbezug ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung. Dies setzt eine vorangegangene versicherungspflichtige Beschäftigung voraus, an der es hier fehlt.

Zwar könnte der von § 150 Abs 2 Satz 1 [X.] und 2 [X.]B III abweichende Wortlaut des § 150 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B III dafür sprechen, dass es nicht auf eine vorangegangene versicherungspflichtige Beschäftigung ankommt. Systematisch bildet dieser Sonderfall aber die Ausnahme zu § 150 Abs 1 Satz 1 [X.]B III (vgl B[X.] vom [X.] - B 11 [X.] 7/08 R - [X.] 4-4300 § 130 [X.] Rd[X.] 23), der den Bemessungszeitraum unter Bezugnahme auf das "Beschäftigungsverhältnis" und die "versicherungspflichtige Beschäftigung" definiert. Hierunter fallen ua die gegen Arbeitsentgelt beschäftigten Personen (§ 25 Abs 1 Satz 1 [X.]B III). Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, das Arbeitsentgelt umfasst alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung (§ 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B IV, § 14 Abs 1 Satz 1 [X.]B IV). An die Begrifflichkeiten des "Arbeitsentgelts" und der "Arbeitszeit" knüpft der Gesetzgeber in § 150 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B III an, nicht jedoch an den sowohl die versicherungspflichtige Beschäftigung als auch die selbständige Tätigkeit einbeziehenden Begriff der "Erwerbstätigkeit" bzw denjenigen der "Arbeits- oder Tätigkeitszeit" (vgl § 138 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]B III; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B III, § 150 Rd[X.]0, Stand Juni 2018).

Diese Regelung erfasst demnach nicht die Lage der Klägerin als vor dem Elterngeldbezug ausschließlich selbständig Tätige und freiwillig in der Arbeitslosenversicherung [X.] anders als diejenige der zuvor versicherungspflichtig beschäftigten Eltern. Dies kann nicht in der Weise korrigiert werden, dass als "Vergleichsmaßstab" iS des § 150 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B III für eine erst während des [X.] aufgenommene versicherungspflichtige Beschäftigung eine vorangegangene selbständige Tätigkeit herangezogen wird. Für eine solche Vergleichsbetrachtung unter Einbeziehung der selbständigen Tätigkeit gibt es im Gesetz keinen Anhalt. Insbesondere sind gesetzgeberische Maßstäbe dafür, welches "Arbeitsentgelt" bzw welche "durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit" für die von § 150 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B III vorausgesetzte konkrete Vergleichsberechnung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse und der Arbeitssituation vor und während des [X.] zugrunde zu legen wären, nicht ersichtlich. Zwar hat das [X.] bezogen auf die von § 150 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B III als eine Alternative erfasste Minderung des Arbeitsentgelts mit seinem Rückgriff auf die monatliche Bezugsgröße des § 18 [X.]B IV, nach der sich die Beitragsbemessung bei Antragspflichtversicherten richtet (§ 345b Satz 1 [X.] 2 [X.]B III idF des Beschäftigungschancengesetzes vom [X.], [X.] 1417), einen Vergleichsmaßstab bezeichnet. Ein Rückgriff auf die Grundlagen der Beitragsbemessung bei Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit bietet jedoch keinen geeigneten Maßstab für die Bemessung, weil die Höhe der monatlichen Bezugsgröße nicht den aktuellen Wert des durch [X.] zu ersetzenden Entgelts für die Klägerin repräsentiert.

c) Der Zeitraum des Bezugs von Elterngeld mit zeitgleicher Teilzeitbeschäftigung kann auch nicht in analoger Anwendung des § 150 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B III außer Betracht bleiben, wovon das [X.] ausgegangen ist. Bezogen auf Fallgruppen der vorliegenden Art fehlt es an einer Regelungslücke, die im Wege einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung durch die Erweiterung der bezeichneten Regelung zu schließen wäre. Ob eine planwidrige Regelungslücke innerhalb des [X.] - im Sinne eines Fehlens rechtlicher Regelungsinhalte dort, wo sie für bestimmte Sachverhalte erwartet werden - anzunehmen ist, bestimmt sich ausgehend von der gesetzlichen Regelung selbst, den ihr zugrunde liegenden [X.], den verfolgten Zwecken und Wertungen, auch gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung einschließlich verfassungsrechtlicher Wertungen (vgl [X.], [X.] im Gesetz, 2. Aufl 1983, [X.] ff, 39, 65; vgl zB B[X.] vom 18.1.2011 - B 4 [X.]/10 R - B[X.]E 107, 217 = [X.] 4-4200 § 26 [X.], Rd[X.] 23 ff).

aa) Aus der Entstehungsgeschichte des [X.] ergibt sich, dass der Gesetzgeber durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt im Rahmen der ihm möglichen Typisierung das Bemessungsrecht auf die versicherungspflichtige Beschäftigung zurückgeführt und neu geordnet hat. Bis zum 1.1.2005 umfasste der Bemessungszeitraum auch Zeiten mit einer Versicherungspflicht ohne gleichzeitige versicherungspflichtige Beschäftigung. Der in den vormaligen Regelungen des [X.] verwandte Begriff des "Entgelts" war nicht allein auf das erzielte Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, sondern auf jegliches Entgelt bezogen, das der Bemessung für Zeiten der Versicherungspflicht zugeordnet war (vgl Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung, [X.], 177 f, zu Art 1 <§§ 130, 131>). Demgegenüber beschränkte der Gesetzgeber ab 1.1.2005 aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung die bemessungsrelevanten Zeiten ausnahmslos auf diejenigen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Die Vielfalt und Komplexität der bisherigen Regelungen, die mit hohem Personal-, Sach- und Zeitaufwand verbunden waren, sollten zurückgeführt werden. Daher sollten alle neben der versicherungspflichtigen Beschäftigung bestehenden übrigen Versicherungspflichtverhältnisse, denen zuvor besondere Entgelte zugeordnet waren, genauso außer Betracht bleiben wie "atypische" Beschäftigungssachverhalte (vgl Entwurf eines [X.] am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 15/1515 [X.], zu Art 1 [X.] <§§ 130 bis 134>; Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 17/6277 [X.], zu Art 1 <§ 150>). Diesem gesetzgeberischen Plan stünde es entgegen, einer selbständigen Tätigkeit anhand einer notwendig eigenständigen und verwaltungsaufwändigen Prüfung bestimmte, das jeweils tatsächliche Einkommen aus selbständiger Tätigkeit repräsentierende Arbeitsentgelt zuzuordnen.

Zwar hat der Gesetzgeber im zeitlichen Zusammenhang mit der Neuordnung des [X.] die freiwillige Weiterversicherung eingeführt (vgl BT-Drucks 15/1515 [X.] zu Art 1 [X.] 20) und damit selbständig Tätigen im Wege einer durch Eigenbeiträge finanzierten freiwilligen Weiterversicherung den Zugang zum System der Arbeitslosenversicherung erhalten, indem er zum 1.2.2006 ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag für selbständig Tätige (§ 28a [X.]B III) eingeführt hat. Hierbei erfolgt die Beitragsbemessung nach einem "fiktiven" Arbeitsentgelt, das sich nach der monatlichen Bezugsgröße des § 18 [X.]B IV richtet. Trotz des zeitlichen Zusammenhangs hat der Gesetzgeber das vom Beitragsrecht getrennt zu betrachtende Bemessungsrecht nicht verändert, sondern an der ausschließlichen Orientierung an der versicherungspflichtigen Beschäftigung festgehalten. Diese Parallelität der Gesetzgebung spricht gegen die Annahme, dass der Gesetzgeber die besondere Situation auf Antrag freiwillig [X.]r mit selbständiger Tätigkeit im Bereich des [X.] übersehen hat. Vielmehr ist die freiwillige Weiterversicherung bei selbständiger Tätigkeit in diesem System als ausschließlich anwartschaftserhaltend konzipiert.

bb) Zudem ginge eine analoge Anwendung über den Zweck der gesetzlichen Regelungen hinaus. Ausgehend von der Orientierung der Bemessung des [X.] an der versicherungspflichtigen Beschäftigung soll § 150 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B III - welcher im [X.] schon in dem bis zum 31.12.1997 geltenden Recht enthalten war (§ 112 Abs 2 Satz 2 [X.]), ab 1.1.1998 in § 131 Abs 2 [X.] [X.]B III aF und ab 1.1.2005 in § 130 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B III aF übernommen wurde - davor schützen, dass in diese Bemessung Entgeltabrechnungszeiträume [X.] Beschäftigungen einfließen, in denen das erzielte Arbeitsentgelt oder die durchschnittliche Arbeitszeit wegen der Kindererziehung atypisch niedrig waren und sich daher für die Höhe des [X.]s ungünstig auswirken (vgl B[X.] vom [X.] [X.] 23/07 R - B[X.]E 100, 295 = [X.] 4-4300 § 132 [X.], Rd[X.] 23; B[X.] vom 16.12.2009 - [X.] [X.] 39/08 R - juris Rd[X.]6; B[X.] vom 25.8.2011 - B 11 [X.] 19/10 R - [X.] 4-4300 § 132 [X.] Rd[X.] 22). § 150 Abs 2 [X.]B III verfolgt nur den Zweck, dass die dort genannten atypischen Beschäftigungsverhältnisse für versicherungspflichtig Beschäftigte bei der Leistungsbemessung außer Betracht bleiben (BT-Drucks 15/1515 [X.]; Behrend in [X.], [X.]B III nF, § 150 Rd[X.] 4, Stand Oktober 2015).

cc) Auch Verfassungsrecht gebietet keine analoge Anwendung. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor, weil für die unterschiedliche bemessungsrechtliche Behandlung der Gruppen der vor dem Elterngeldbezug selbständig Tätigen und der versicherungspflichtig Beschäftigten hinreichende sachliche Gründe vorliegen, die vor allem in den tatsächlichen Unterschiedlichkeiten einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit zu sehen sind.

Die anwendbaren Regelungen des [X.], insbesondere der nur vom Gesetzgeber zu korrigierende eingeschränkte Anwendungsbereich des § 150 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B III, begegnen auch im Übrigen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar sind eine Anwartschaft und ein Anspruch auf [X.] im Sinne eines Stammrechts grundsätzlich durch die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG geschützt (vgl nur [X.] vom 12.2.1986 - 1 BvL 39/83 - [X.] 4100 § 104 [X.]3 S 12; [X.] vom 10.2.1987 - 1 BvL 15/83 - [X.]E 74, 203, 213 = [X.] 4100 § 120 [X.]; B[X.] vom 21.7.2009 - [X.] [X.] 23/08 R - [X.] 4-4300 § 132 [X.] Rd[X.] 23 mwN). Die einen [X.]-Anspruch begründende Anwartschaft ist jedoch nicht statisch gestaltet, sondern angesichts des für die Bemessung des [X.] jeweils maßgebenden Referenzzeitraums (Bemessungszeitraum) eine fließende Rechtsposition. Im Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums unterliegt sie den in den §§ 137 ff [X.]B III formulierten Voraussetzungen und wird erst durch die Entstehung des Stammrechts fixiert und hierdurch konkretisiert (so genannte fließende Anwartschaft vgl B[X.] vom 21.9.1995 - 11 [X.] - [X.] 3-4100 § 249c [X.] S 35 f; vgl zuletzt B[X.] vom [X.] B 11 [X.] 23/16 R - juris Rd[X.]8, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). An einem Eingriff in eine derartige vermögenswerte Position fehlt es vorliegend, weil die Klägerin den konkret geltend gemachten [X.]-Anspruch von vornherein nach Maßgabe des geltenden [X.] erworben hat, das eine fiktive Bemessung ausschließlich bei Fehlen eines [X.] von weniger als 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt im relevanten Bemessungsrahmen vorsieht.

Anderes ergibt sich auch nicht aus Art 6 Abs 1 und 4 GG. Zwar werden nach Art 6 Abs 1 GG die Ehe und Familie dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung unterstellt. Angesichts der grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers können aus dem Schutz- und Fördergebot des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip jedoch keine konkreten Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen hergeleitet werden (zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers angesichts der durch die Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip weitgehend offen gelassener Kriterien vgl [X.] vom [X.] - 2 BvL 5/00 - [X.]E 110, 412; B[X.] vom [X.] [X.] 23/07 R - B[X.]E 100, 295 = [X.] 4-4300 § 132 [X.], Rd[X.]6 mwN). Der Schutzauftrag des Art 6 Abs 4 GG, jeder Mutter Schutz und Fürsorge der [X.] angedeihen zu lassen, ist im Fall der Klägerin dem Grunde nach durch den auch während der [X.] greifenden Versicherungsschutz in der Arbeitslosenversicherung (vgl § 26 Abs 2a [X.]B III) verwirklicht (vgl zum mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot [X.] vom 28.3.2006 - 1 BvL 10/01 - [X.]E 115, 259 = [X.] 4-4300 § 123 [X.]). Einen Anspruch auf eine bestimmte Bemessung vermittelt Art 6 Abs 4 GG nicht.

d) Eine andere von § 150 Abs 2 Satz 1 [X.]B III geregelte Fallgestaltung kam nicht in Betracht. Die von § 150 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B III vorausgesetzten [X.] hat die Klägerin nicht ausgeübt. Auch eine Anwendung der Härtefallregelung nach § 150 Abs 3 Satz 1 [X.] [X.]B III könnte zu keinem anderen Ergebnis führen, denn selbst binnen eines dann auf zwei Jahre erweiterten [X.] hat die Klägerin noch immer einen Anspruch auf Arbeitsentgelt im Umfang von mindestens 150 Tagen aus ihrer Teilzeitbeschäftigung erzielt, sodass die Voraussetzungen von § 152 [X.]B III nicht vorliegen.

4. Die Beklagte hat [X.] in zutreffender Höhe erbracht. Innerhalb des einjährigen [X.] beginnend ab dem 1.5.2014 war die Klägerin versicherungspflichtig an insgesamt 228 Tagen beschäftigt. Die auf diesen Zeitraum entfallenden Entgelte in Höhe von insgesamt 14 516,62 Euro waren bis zum 31.3.2015 einschließlich der Einmalzahlung in Höhe von 544,10 Euro im November 2014 abgerechnet (vgl B[X.] vom [X.] - B 11 [X.] 14/08 R - [X.] 4-4300 § 130 [X.]). Von dem Gesamtbetrag hat die Beklagte zutreffend ein durchschnittliches tägliches [X.] von 63,67 Euro sowie nach Maßgabe des erhöhten Leistungssatzes von 67 % aus einem Leistungsentgelt von 44,60 Euro einen Leistungsbetrag in Höhe von kalendertäglich 29,88 Euro ermittelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 11 AL 8/17 R

21.06.2018

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Hamburg, 17. März 2016, Az: S 14 AL 351/15, Gerichtsbescheid

§ 28a SGB 3, § 150 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 3, § 152 Abs 1 S 1 SGB 3, Art 3 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 GG, Art 6 Abs 4 GG, Art 14 Abs 1 S 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 21.06.2018, Az. B 11 AL 8/17 R (REWIS RS 2018, 7359)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7359

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1 BvL 10/01

2 BvL 5/00

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