Bundessozialgericht, Urteil vom 25.08.2011, Az. B 11 AL 34/10 R

11. Senat | REWIS RS 2011, 3729

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Tenor

Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des [X.] vom 2. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt höheres Arbeitslosengeld ([X.]).

2

Die Klägerin arbeitete seit 1994 als Angestellte im Bereich Marketing. Ab 12.3.2000 bis einschließlich 25.11.2005 befand sie sich im Zusammenhang mit der Geburt zweier Kinder (am [X.] und am [X.]) in Mutterschutz mit anschließendem Erziehungsurlaub und bezog zeitweise Mutterschaftsgeld bzw Erziehungsgeld.

3

Mit Wirkung zum 26.11.2005 meldete sich die Klägerin arbeitslos. Die Beklagte bewilligte [X.] ab 26.11.2005 in Höhe von 21,69 Euro täglich auf der Grundlage eines fiktiven Bemessungsentgelts von 64,40 Euro entsprechend der Qualifikationsgruppe 3 (Bescheid vom 9.12.2005). Der Widerspruch, mit dem die Klägerin sinngemäß geltend machte, die Elternzeit sei bei der Bemessung außer Betracht zu lassen, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom [X.]).

4

Das Sozialgericht ([X.]) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das [X.] (L[X.]) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Beschluss vom [X.]). In den Entscheidungsgründen hat das L[X.] ua ausgeführt: Da bei der Klägerin innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten [X.] gemäß § 130 Abs 3 [X.] ([X.]B III) keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt feststellbar seien, müsse eine fiktive Bemessung nach § 132 [X.]B III erfolgen. Eine Verlängerung des [X.] in Anwendung des § 130 Abs 2 [X.]B III wegen [X.] bzw Erziehungszeiten sei nicht möglich. Eine erweiternde Auslegung widerspreche auch dem Sinn und Zweck des Bemessungsrechts, wegen des Lohnersatzcharakters [X.] eine zeitliche Nähe zum aktuell erzielbaren Arbeitsentgelt sicherzustellen. Die Beklagte habe daher zu Recht ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde gelegt. Die Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 3 sei nicht zu beanstanden. Gegen die gesetzlichen Regelungen bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

5

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, bei der Bemessung [X.] sei das vor der Kindererziehung erzielte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. § 130 Abs 2 [X.]B III sei verfassungskonform im Sinne einer Erweiterung des [X.] um Erziehungszeiten auszulegen. Zu folgen sei insoweit der Argumentation des [X.] Berlin (Urteil vom [X.] AL 961/06). Die Gesetzesauslegung des L[X.] verletze Art 3, Art 6 Abs 4 und Art 14 Grundgesetz (GG) sowie das Rechtsstaatsprinzip.

6

Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des [X.]s und das Urteil des [X.] aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 9.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] zu verurteilen, der Klägerin ab 26.11.2005 [X.] nach einem höheren Bemessungsentgelt zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf [X.] für die [X.] ab 26.11.2005 hat.

1. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf [X.] dem Grunde nach (§§ 117 Abs 1 [X.], 118 [X.]), ohne deren Vorliegen eine Klage auf höhere Leistungen keinen Erfolg haben kann, sind gegeben.

Den bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 163 S[X.]) ist zu entnehmen, dass sich die Klägerin mit Wirkung zum 26.11.2005 arbeitslos gemeldet hat (§§ 118 Abs 1 [X.] und [X.], 122 Abs 1 [X.]) und dass sie ab diesem [X.]punkt arbeitslos iS der §§ 118 Abs 1 [X.], 119 bis 121 [X.] gewesen ist.

Die Klägerin hat auch, wovon das [X.] im Ergebnis zutreffend ausgegangen ist, die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 118 Abs 1 [X.] [X.]). Maßgebend sind insoweit die §§ 123, 124 [X.] in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung (aF), die nach der durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 ([X.] 2848) eingefügten Übergangsregelung in § 434j Abs 3 [X.] weiter anzuwenden ist, wenn der Anspruch auf [X.] bis zum [X.] entstanden ist. Danach hat die Anwartschaftszeit - soweit hier von Bedeutung - erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123 Satz 1 [X.] [X.] aF). Nach § 124 Abs 1 [X.] aF beträgt die Rahmenfrist drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf [X.].

Da sich die Klägerin zum 26.11.2005 arbeitslos gemeldet hat und sie seit diesem Tag arbeitslos gewesen ist, beginnt die reguläre Rahmenfrist von drei Jahren am 25.11.2005 und reicht bis zum [X.] zurück. Unabhängig davon, ob im vorliegenden Fall von einer verlängerten Rahmenfrist auszugehen ist (vgl dazu Urteile des [X.]s vom 19.1.2005 - [X.]/11 [X.] 35/04 R - [X.] 4-4300 § 147 [X.], Rd[X.]9 und vom [X.] - [X.] [X.] 23/07 R - [X.], 295 = [X.] 4-4300 § 132 [X.], Rd[X.]3 ff), hat die Klägerin innerhalb der regulären Rahmenfrist in der [X.] bis 25.11.2005, dem [X.] des dritten Lebensjahrs ihres zweiten Kindes, während der Erziehung des Kindes in einem Versicherungsverhältnis aus sonstigen Gründen gestanden (§ 24 Abs 1 [X.] iVm § 26 [X.]a [X.], eingeführt mit Wirkung ab 1.1.2003 durch das [X.] vom 10.12.2001, [X.] 3443). Die Klägerin hat somit durch die ab 1.1.2003 vorliegenden [X.]en der Kindererziehung die Anwartschaftszeit gemäß § 123 Satz 1 [X.] [X.] aF erfüllt (vgl auch Urteil des [X.]s vom [X.], aaO, Rd[X.]6).

Ohne die [X.]en der Versicherungspflicht gemäß § 26 [X.]a [X.] hätte die Klägerin die Anwartschaftszeit allerdings nicht erfüllt. Soweit vor dem 1.1.2003 liegende [X.]en der Kindererziehung gemäß § 124 Abs 3 Satz 1 [X.] [X.] in der bis 31.12.2002 geltenden Fassung - anwendbar über § 434d [X.] [X.] - nicht in die Rahmenfrist einzurechnen sind, erstreckt sich die Rahmenfrist für die Klägerin, deren erstes Kind am [X.] geboren ist, allenfalls zurück bis März 2000 mit der Folge, dass die davor liegenden Beschäftigungszeiten unberücksichtigt bleiben müssen und die Klägerin somit die für die Erfüllung der Anwartschaftszeit erforderlichen zwölf Monate der Versicherungspflicht nicht durch Beschäftigungszeiten und auch nicht durch den zeitweisen Bezug von Mutterschaftsgeld (vgl § 427a [X.] iVm § 107 Satz 1 [X.] 5 Buchst b des Arbeitsförderungsgesetzes in der bis 31.12.1997 geltenden Fassung) erreicht (vgl [X.]surteil vom 29.8.2008 - [X.] [X.] 23/07 R - [X.], 295 = [X.] 4-4300 § 132 [X.], Rd[X.]3, 16).

2. Zur Höhe des Anspruchs hat das [X.] zu Recht entschieden, dass der Klägerin [X.] ab 1.12.2005 nach einem Bemessungsentgelt von 64,40 Euro zusteht.

a) Die Bemessung des der Klägerin zustehenden [X.] richtet sich nach § 129 [X.] in der seit [X.] geltenden Fassung durch das Gesetz vom 16.2.2001 ([X.] 266) sowie nach §§ 130 bis 132 [X.], die durch das [X.] ([X.] 2848) mit Wirkung ab 1.1.2005 neu gefasst worden sind. Eine Übergangsregelung im Hinblick auf die Leistungsbemessung hat der Gesetzgeber nur getroffen, soweit es um die Neufestsetzung des [X.] bei vor dem 1.1.2005 entstandenen Ansprüchen auf [X.] geht (§ 434j Abs 5 [X.]). Für den am 26.11.2005 entstandenen Anspruch der Klägerin auf [X.] spielt diese Übergangsregelung keine Rolle.

Nach § 129 [X.] [X.] beträgt das [X.] für Arbeitslose, die - wie die Klägerin - mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben, 67 % (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Nach § 130 Abs 1 Satz 1 [X.] in der seit dem 1.1.2005 geltenden Fassung umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Nach näherer Maßgabe von § 130 [X.] [X.] bleiben bei der Ermittlung des [X.] bestimmte [X.]en außer Betracht.

Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten [X.] vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs 1 Satz 2 [X.]). Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn (ua) der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 130 Abs 3 [X.] [X.]). Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten [X.] (ebenfalls) nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen (§ 132 Abs 1 [X.] in der seit 1.1.2005 geltenden Fassung).

b) In Anwendung der genannten Bestimmungen ist das [X.] zu Recht von einem zugrunde zu legenden zweijährigen Bemessungsrahmen vom 26.11.2003 bis 25.11.2005 ausgegangen. Das Ende des [X.] bildet der letzte Tag des letzten [X.] vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 [X.]). Für die Klägerin maßgebend ist der 25.11.2005 (Erziehungszeit gemäß § 26 [X.]a [X.]). Hieraus ergibt sich ein regulärer Bemessungsrahmen vom 26.11.2004 bis 25.11.2005 bzw ein gemäß § 130 Abs 3 Satz 1 [X.] [X.] erweiterter Bemessungsrahmen vom 26.11.2003 bis [X.] Auch unter Zugrundelegung des erweiterten [X.] liegen die Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigung der Klägerin bis zum 11.3.2000 außerhalb des [X.]. Wie sich aus §§ 130 Abs 3, 132 Abs 1 [X.] ergibt, sieht das Gesetz eine Erweiterung des [X.] über zwei Jahre hinaus nicht vor.

Eine Veränderung des [X.] kann, wie das [X.] zu Recht ausgeführt hat, nicht deswegen angenommen werden, weil nach § 130 [X.] Satz 1 [X.] [X.] bei der Ermittlung "des [X.]" [X.]en der Betreuung und Erziehung eines Kindes außer Betracht bleiben, wenn wegen der Betreuung und Erziehung des Kindes das Arbeitsentgelt oder die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit gemindert war. Diese Regelung soll - wie der [X.] bereits entschieden hat (ua Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 23/07 R - [X.], 295 = [X.] 4-4300 § 132 [X.], Rd[X.]3 ff) - nur davor schützen, dass in die Ermittlung des [X.] [X.] Beschäftigungen einfließen, die nach § 131 Abs 1 iVm § 130 Abs 1 [X.] eigentlich zu berücksichtigen wären, in denen aber das erzielte Arbeitsentgelt wegen der Kindererziehung atypisch niedrig und daher nicht repräsentativ war (vgl [X.] vom 16.12.2009 - [X.] [X.] 39/08 R - [X.] Rd[X.]6; Behrend in [X.], [X.], § 130 Rd[X.] 60 f und 67 ff). Dagegen trifft § 130 [X.] [X.] [X.] keine Sonderregelung zu den Voraussetzungen, von denen es nach § 130 Abs 1 und Abs 3 iVm § 132 Abs 1 [X.] abhängt, inwieweit das vor dem Beginn der Kindererziehung erzielte Arbeitsentgelt als Bemessungsentgelt herangezogen werden kann (vgl Urteil vom [X.], aaO, Rd[X.]3). Insoweit ist den Ausführungen der Revision, die insbesondere auf eine Entscheidung des [X.] (Urteil vom [X.] [X.] 961/06) verweisen, nicht zu folgen.

c) Da innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten [X.] nicht mindestens 150 Kalendertage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festgestellt werden können, ist das [X.] zu Recht davon ausgegangen, dass als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen ist (§ 132 Abs 1 [X.]). Das von der Beklagten angesetzte Bemessungsentgelt von 64,40 Euro täglich ist zutreffend berechnet. Die Klägerin war - was von ihr nicht beanstandet wird - aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung der Qualifikationsgruppe 3 zuzuordnen; der Betrag von 64,40 Euro ergibt sich aus der Bezugsgröße für 2005 von 28.980 Euro geteilt durch 450 (§ 132 [X.] Satz 2 [X.] [X.]; vgl auch Verordnung vom 29.11.2004, [X.] 3098). Auch die weiteren Berechnungen der Beklagten zur Höhe des täglichen Leistungssatzes von 21,69 Euro entsprechen den Bestimmungen des § 133 [X.] in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung, wonach zur Ermittlung des [X.] iS des § 129 [X.] eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von [X.] des [X.], die [X.]teuer nach der [X.]teuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der [X.]teuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war, und der Solidaritätszuschlag vom Bemessungsentgelt abzuziehen sind. Insoweit erhebt auch die Revision keine Einwände.

3. Es verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, dass das Arbeitsentgelt, das die Klägerin länger als drei Jahre vor dem Eintritt des Versicherungsfalls erzielt hat, nicht als Bemessungsentgelt zugrunde gelegt werden kann. Der [X.] hält nach erneuter Prüfung an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (ua Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 23/07 R - [X.], 295 = [X.] 4-4300 § 132 [X.]; vgl auch Urteil des 7. [X.]s vom 21.7.2008 - [X.] [X.] 23/08 R - [X.] 4-4300 § 132 [X.]). Er weist ergänzend darauf hin, dass das [X.] die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des [X.]s vom [X.] (aaO) nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom [X.] - 1 BvR 2909/08) und darüber hinaus zur streitgegenständlichen Problematik Vorlagen des [X.] und des [X.] als unzulässig angesehen hat (Beschlüsse vom [X.] - 1 BvL 11/07 - und vom 14.3.2011 - 1 BvL 13/07).

Der [X.] sieht weiterhin keine Verpflichtung des Gesetzgebers aus Art 6 Abs 1 [X.], bei Eltern bzw Müttern, die sich nach längeren freiwilligen Unterbrechungen ihres Berufslebens dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stellen, den [X.] durch das [X.] nicht nach dem aktuell voraussichtlich erzielbaren Lohn zu bemessen, sondern anhand des vor der Kindererziehung erzielten Arbeitsentgelts. Denn aus Art 6 Abs 1 [X.] folgt nicht, der Staat müsse jegliche die Familie betreffende Belastung ausgleichen oder die Familie ohne Rücksicht auf sonstige öffentliche Belange fördern (vgl auch Beschluss des [X.] vom [X.] - 1 BvL 11/07 - Rd[X.] 45 mwN). Aus Art 6 Abs 4 [X.] kann die Klägerin nach der Überzeugung des [X.]s ebenfalls nicht die Verfassungswidrigkeit des geltenden [X.]-Bemessungsrechts ableiten, weil aus Art 6 Abs 4 [X.] für Sachverhalte, die nicht allein Mütter betreffen, keine besonderen Rechte hergeleitet werden können (vgl auch Beschluss des [X.] vom [X.] - 1 BvR 2909/08 - [X.] Rd[X.] 6, mit Hinweisen auf [X.]E 87, 1, 42 und [X.]E 94, 241, 259 = [X.] 3-2200 § 1255a [X.] 5; vgl ferner Beschluss vom [X.] - 1 BvR 2712/09 - [X.] Rd[X.] 9, zur Berechnung der Höhe des [X.]). Der Gesetzgeber ist aufgrund von Art 6 Abs 4 [X.] auch nicht gehalten, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen (vgl hierzu ua Beschluss des [X.] vom 14.3.2011 - 1 BvL 13/07 - [X.] Rd[X.] 64 mwN). Der [X.] hält auch weiter daran fest, dass sich die Auffassung der Klägerin nicht auf Art 3 Abs 1 [X.] stützen lässt, weil es nicht als sachwidrig angesehen werden kann, bei allen Versicherten, die keinen ausreichend zeitnahen Bemessungszeitraum von wenigstens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorzuweisen haben, die Indizwirkung des zuletzt erzielten [X.] als nicht mehr gewährleistet anzusehen und deshalb den voraussichtlich aktuell erzielbaren Lohn als Bemessungsgrundlage heranzuziehen.

Im vorliegenden Fall ist insbesondere zu beachten, dass - wie bereits unter 1. dargestellt - die Klägerin ohne die mit Wirkung ab 1.1.2003 eingeführte Versicherungspflicht für Erziehende gemäß § 26 [X.]a [X.] bereits dem Grunde nach mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit keinen Anspruch auf [X.] gehabt hätte und dass für den Personenkreis der Erziehenden der Versicherungsschutz nicht mit eigenen finanziellen Aufwendungen verbunden ist (vgl § 347 [X.] 9 [X.] in der bis 31.12.2007 geltenden Fassung; BT-Drucks 16/7263 S 5 ff). Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern es verfassungsrechtlich geboten sein könnte, den von der Klägerin vor der Kindererziehung erzielten Lohn zur Bemessungsgrundlage zu machen. Denn unabhängig davon, dass das [X.] nicht in voller Äquivalenz zu geleisteten Beiträgen festgesetzt werden und dem Arbeitslosen nicht die volle Aufrechterhaltung eines früheren Lebensstandards ermöglichen muss (vgl [X.]E 90, 226 = [X.] 3-4100 § 111 [X.] 6, [X.] Rd[X.] 55 mwN), können Anwartschaften auf Sozialleistungen Eigentumsschutz nur genießen, wenn sie (auch) auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen (vgl ua [X.]E 53, 257, 290 f = [X.] 7610 § 1587 [X.]; [X.], Beschluss vom 7.11.2007 - 1 BvR 1840/07, [X.] 2008, 530; vgl auch Urteil des [X.]s vom 21.3.2007 - [X.] [X.] 43/06 R, [X.] Rd[X.]5). Es kann deshalb nicht als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen werden, wenn der Gesetzgeber für die Personen, die durch die Einführung der Versicherungspflicht gemäß § 26 [X.]a [X.] die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf [X.] auch ohne Erwerbstätigkeit und ohne eigene Beiträge erfüllen, eine fiktive Bemessung wie für sonstige Versicherte vorsieht (vgl hierzu Urteil des [X.]s vom [X.] - [X.] [X.] 23/07 R - [X.], 295 = [X.] 4-4300 § 132 [X.], Rd[X.] 46).

4. Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen ist der [X.] weiterhin davon überzeugt, dass die streitgegenständlichen Bemessungsvorschriften und ihre Anwendung im vorliegenden Fall nicht gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßen. Es besteht deshalb kein Anlass, eine diesbezügliche Frage dem [X.] ([X.]) nach Art 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] ([X.]) vorzulegen.

Der [X.] hält daran fest, dass das im vorliegenden Fall einschlägige [X.] Recht insbesondere nicht gegen die Richtlinie 79/7/EWG des Rats vom 19.12.1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit ([X.]) und auch nicht gegen sonstige [X.] Richtlinien zur Verwirklichung der Gleichbehandlung (vgl [X.] NZA-Beilage 2008, 94 ff) verstößt. Dies gilt auch dann, wenn unterstellt wird, dass die Regelungen zur fiktiven Bemessung des [X.], die wegen ihrer Geltung für alle Versicherten jedenfalls keine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts beinhalten, in der Praxis vorwiegend bei Frauen zur Anwendung kommen. Denn nach der Rechtsprechung des [X.] ist der Anschein einer Diskriminierung widerlegt, wenn die in Rede stehenden Regelungen durch Faktoren sachlich gerechtfertigt sind, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, und wenn die gewählten Mittel einem legitimen Ziel der Sozialpolitik des betreffenden Mitgliedstaats dienen und zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sind (vgl ua [X.]E I 1995, 4741 = [X.] 3-6083 Art 4 [X.]2 mwN; [X.]E I 1995, 4625 = [X.] 3-6083 Art 4 [X.]1; [X.]E I 1996, 179 = [X.] 3-6083 Art 4 [X.]3; [X.] NJW 2008, 499, 501 mwN). Von einer solchen sachlichen Rechtfertigung bzw der Geeignetheit und Erforderlichkeit der gewählten Mittel im Sinne der Rechtsprechung des [X.] ist auszugehen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin unter den gegebenen Umständen einen Anspruch auf [X.] dem Grunde nach nur durch die sie begünstigende Einführung einer Versicherungspflicht für Erziehende erworben hat; dann kann es nicht als sachwidrig angesehen werden, sie bei der Bemessung unter Heranziehung eines fiktiven Arbeitsentgelts genau so zu behandeln wie andere Versicherte ohne hinreichend zeitnah erzieltes Arbeitsentgelt.

5. Der [X.] hält schließlich ebenfalls an seiner Rechtsprechung fest, wonach auch die nähere Ausgestaltung der fiktiven Bemessung durch § 132 [X.] [X.] nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil vom [X.], [X.] [X.] 23/07 R ([X.], 295 = [X.] 4-4300 § 132 [X.], Rd[X.] 49 ff), Bezug genommen. Die Abkehr von der individuellen Ermittlung des tariflich erzielbaren Arbeitsentgelts begegnet weder als solche durchgreifenden Bedenken noch führt sie im Fall der Klägerin - auch unter Berücksichtigung der Differenz zwischen dem zuletzt bezogenen Arbeitsentgelt und dem fiktiven Bemessungsentgelt - zu einem sachlich unvertretbaren Ergebnis.

6. [X.] beruht auf § 193 S[X.].

Meta

B 11 AL 34/10 R

25.08.2011

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Aachen, 24. Juli 2006, Az: S 21 AL 26/06, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 25.08.2011, Az. B 11 AL 34/10 R (REWIS RS 2011, 3729)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3729

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1 BvL 11/07

1 BvL 13/07

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