Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.06.2016, Az. 2 StR 335/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 10692

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Gegenstand

Anfrage bei den anderen Strafsenaten: Erfüllung des Tatbestands der Erpressung bei Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln


Tenor

Die Revisionshauptverhandlung wird unterbrochen.

Der [X.] beabsichtigt zu entscheiden:

Die Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln richtet sich nicht gegen das Vermögen des Genötigten und erfüllt daher nicht den Tatbestand der Erpressung.

Der [X.] fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob sie dem zustimmen oder an etwa entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.

Gründe

1

[X.]as [X.] hat den Angeklagten [X.]           wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. [X.]ie Angeklagte S.          hat es wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen tätlicher Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen den Angeklagten B.        hat es wegen Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachrüge.

A.

2

[X.]ie drogensüchtigen Angeklagten [X.]           und S.            hatten nach den Feststellungen des [X.]s am 10. Juni 2014 den Rest ihres Heroinvorrats konsumiert und befürchteten Entzugserscheinungen. Nachdem [X.]        vergeblich versucht hatte, Heroin zu kaufen, erfuhr er, dass der Nebenkläger damit Handel treibt. Er beschloss, den Nebenkläger mit Gewalt zur Herausgabe von Heroin zu zwingen und weihte die Angeklagte S.           in seinen Plan ein; diese erklärte sich damit einverstanden. Ferner gewann der Angeklagte [X.]             den Angeklagten B.        dafür, bei dem Überfall mitzuwirken. [X.]ie Angeklagten traten die Wohnungstür des [X.] ein. [X.]          fragte den Nebenkläger sogleich nach "[X.]ope", worauf dieser erwiderte, dass er keines besitze. [X.]eshalb packte [X.]          den Nebenkläger am Kragen und versetzte ihm Schläge mit der Aufforderung: "gib uns das Zeug raus". Auch die Angeklagte S.          schlug den Nebenkläger und verlangte die Herausgabe von Heroin. [X.]er Angeklagte B.          forderte ebenfalls: "gib den Stoff raus". [X.]ie Angeklagte S.             hielt dem Nebenkläger auch einen spitzen Gegenstand, eine Schere oder ein Messer, vor das Gesicht und bedrohte ihn damit, was die anderen Angeklagten billigten. Bei dem Versuch des [X.] zu fliehen, wurde er von dem Angeklagten B.          festgehalten. Nach weiteren Schlägen gab er drei Plomben Heroin mit der Bemerkung heraus: "hier, könnt ihr haben, mehr habe ich nicht". Nach Hilferufen des [X.] flohen die Angeklagten unter Mitnahme des Heroins (Fall [X.].2. der Urteilsgründe).

B.

3

[X.]er Senat hält die Revisionen der Angeklagten für begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Beteiligung an einer besonders schweren räuberischen Erpressung richten. [X.]er Tatbestand der Erpressung setzt voraus, dass der Täter dem Vermögen eines Anderen einen Nachteil zufügt. [X.]er Begriff des Vermögens entspricht hier demjenigen des [X.]. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist dem Vermögen im Sinne der §§ 253, 263 StGB auch der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln zuzurechnen, weil der strafrechtliche Vermögensbegriff wirtschaftlich betrachtet werden soll. [X.]aran will der Senat nicht festhalten. Er beabsichtigt zu entscheiden, dass die Nötigung zur Übertragung von unerlaubtem Besitz an Betäubungsmitteln nicht das strafrechtlich geschützte Vermögen betrifft. Er fragt deshalb wegen [X.]ivergenz und grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage bei den anderen Strafsenaten an, ob diese ihm folgen oder an der bisherigen Rechtsprechung festhalten.

I.

4

1. [X.]as [X.] hatte zuerst nur zivilrechtlich anerkannte Vermögensgegenstände dem vom Strafrecht geschützten Vermögen zugeordnet. [X.]eshalb wurden Ansprüche auf Zahlung von Geldbeträgen, die aus [X.]irnenlohn herrührten (RG, Urteil vom 27. April 1889 – [X.]. 694/89, [X.], 186, 188 ff.; Urteil vom 20. Juni 1895 – [X.]. 1877/95, [X.], 300 f.), der Kaufpreis für gestohlene Banknoten (RG, Urteil vom 6. November 1890 – [X.]. 2222/90, [X.], 161 ff.) oder für unbrauchbare Mittel zur [X.]urchführung eines strafbaren Schwangerschaftsabbruchs (RG, Urteil vom 3. Juli 1903 – [X.]. 937/03, [X.], 334, 343 ff.), das Entgelt für den Verkauf einer hehlerisch erlangten Sache (RG, Urteil vom 18. [X.]ezember 1903 – [X.]. 5722/03) oder der Lohn für Parteiverrat (RG, Urteil vom 3. Mai 1904 – [X.]. 1851/04, [X.], 161 f.) ebenso vom Begriff des strafrechtlich geschützten Vermögens ausgeklammert wie das Entgelt für den vorgetäuschten Verkauf von Falschgeld (RG, Urteil vom 24. Mai 1907 – 5 [X.] 1062/06, [X.] [1907], S. 418).

5

Von diesem Ansatz wichen die [X.] Strafsenate des [X.]s in einem Fall ab, in dem es erneut um die Täuschung von Frauen über die Tauglichkeit eines an sie verkauften Mittels zur Herbeiführung eines Schwangerschaftsabbruchs ging (RG, Beschluss vom 14. [X.]ezember 1910 – [X.] 1214/10, [X.], 230 ff. mit [X.]. [X.] [X.]JZ 1911, [X.]. 553 ff.).

6

[X.]ie [X.] Strafsenate führten aus, der Begriff des rechtlich geschützten Vermögens sei irreführend. Er erwecke die Vorstellung, als gebe es Vermögen, das rechtlich nicht geschützt sei. Jedoch sei die Auffassung unzutreffend, dass demjenigen, der eine Sache oder Forderung widerrechtlich erworben habe, diese nicht durch [X.] entzogen werden könne. Einen Rechtssatz, der einen Straftäter mit Bezug auf sein Vermögen [X.], habe das [X.] nicht vertreten. Vermögen sei wirtschaftliche Macht, also alles, was für die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Person einen Wert habe. [X.]a jeder Wert in Geld ausgedrückt werden könne, gehe es letztlich um die Summe der geldwerten Güter einer Person.

7

2. Nach dem Krieg übernahm der [X.] diesen Ansatz ([X.], Urteil vom 11. Oktober 1949 – [X.] 160/49, [X.] 2, 193, 201 f.).

8

3. Auch der [X.] folgte bald darauf der Entscheidung der [X.] Strafsenate des [X.]s.

9

a) In seiner ersten Entscheidung zu dieser Frage führte er aus, auch die Forderung aus einem unsittlichen oder gesetzwidrigen Geschäft könne unter Umständen dem wirtschaftlichen Vermögen zugerechnet werden ([X.], Urteil vom 25. November 1951 – 4 StR 574/51, [X.]St 2, 364, 365 ff.). [X.]ie strafrechtliche Rechtsprechung habe sich im Streben nach befriedigenden Ergebnissen von der [X.]n Betrachtungsweise abgewendet und dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff zunehmend Geltung verschafft. Auch eine nichtige Forderung könne wirtschaftlichen Wert haben. [X.]abei sei in erster Linie an geschäftliche, verwandtschaftliche, freundschaftliche, sonstige gesellschaftliche oder andere Bindungen zu denken, die den Schuldner veranlassen könnten, die wegen Nichtigkeit nicht einklagbare Forderung dennoch zu begleichen, etwa auch, um Nachteile zu vermeiden, die sich aus der Verweigerung der Zahlung ergeben könnten. [X.]ie Einklagbarkeit sei bei wirtschaftlicher Betrachtung kein entscheidendes Merkmal für einen Vermögensgegenstand. [X.]er Einwand, dass der widerrechtliche Erwerber einer Sache oder Forderung keines strafrechtlichen Schutzes würdig sei, greife nicht durch. Es komme in erster Linie darauf an, den vom Gesetzgeber mit dem Strafrecht verfolgten Zweck der Rechtssicherheit zu erreichen. Nicht allein dem Geschädigten werde die strafrechtliche Sühne als Genugtuung geschuldet, sondern auch der Allgemeinheit. [X.]as Ergebnis, zu dem die [X.] Betrachtung des Vermögens führe, begegne rechtspolitischen Bedenken, insbesondere wenn die Straflosigkeit eines derartigen Verhaltens einen Anreiz für Verbrecher bilde, sich Opfer in Kreisen schwacher Personen zu suchen. [X.]ie Gegenansicht lasse die beim Täter zutage getretene Gefährlichkeit außer Betracht. In zahlreichen Fällen trete der Verstoß gegen das Gesetz oder die guten Sitten hinter der Verwerflichkeit des Handelnden, der sich einen solchen Sachverhalt wirtschaftlich zu Nutze mache, zurück.

Mit demselben rechtlichen Ansatz bewertete der [X.] die Nötigung zur Herausgabe eines rechtswidrig erlangten Besitzes als [X.] ([X.], Urteil vom 16. August 1995 – 2 StR 303/95, [X.]R StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 1; Urteil vom 25. Februar 1997 – 1 StR 804/96, [X.], 297 f.; Urteil vom 4. September 2001 – 1 [X.], [X.], 33). Im Fall einer Täuschung bei einem Betäubungsmittelgeschäft ging er von Betrug wegen Lieferung von Schokolade statt Haschisch und bei der anschließenden Nötigung zur Unterlassung der [X.]urchsetzung eines Rückgabeanspruchs von (räuberischer) Erpressung aus ([X.] aaO [X.], 33; s.a. Beschluss vom 25. März 2003 – 1 StR 9/03, [X.], 185).

b) Einschränkungen wurden später beim subjektiven Tatbestand gemacht. In einem Fall, in dem der Käufer von Rauschgift durch Täuschung zu einer Geldzahlung veranlasst wurde, ohne das Rauschgift zu erhalten, billigte der [X.] dem Verkäufer einen Schadensersatzanspruch zu und führte aus, dieser Anspruch könne der Absicht rechtswidriger Bereicherung entgegenstehen ([X.], Beschluss vom 12. März 2002 – 3 StR 4/02, [X.], 151, 152 f. mit [X.]. Kindhäuser/[X.] = [X.] 2003, 163 f. mit [X.]. [X.]). Mit Hinweis auf [X.], die auch einem [X.]ieb gegen verbotene Eigenmacht zustünden, beanstandete er eine Verurteilung wegen (schwerer räuberischer) Erpressung, weil die Absicht rechtswidriger Bereicherung nicht belegt sei ([X.], Beschluss vom 18. Oktober 2007 – 4 [X.], [X.], 37 mit [X.]. [X.]ehne-Niemann).

c) [X.] zum Nachteil von Prostituierten wich die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des [X.] aber von diesem so genannten wirtschaftlichen Vermögensbegriff ab ([X.], Urteil vom 9. Oktober 1953 – 2 [X.], [X.]St 4, 373; Beschluss vom 28. April 1987 – 5 StR 566/86; [X.], 407; für die Rechtslage nach Inkrafttreten des [X.] [X.], Urteil vom 2. Februar 2016 – 1 [X.], [X.], 283 ff.). Zwar könne auch die Möglichkeit, die eigene Arbeitskraft zur Erbringung von [X.]ienstleistungen einzusetzen, zum Vermögen gehören. [X.]as gelte aber nicht für Leistungen, die verbotenen oder unsittlichen Zwecken dienen. [X.]as Strafrecht setze sich in Widerspruch zur übrigen Rechtsordnung, wenn es im Rahmen eines [X.]s auch solchen Ansprüchen Schutz gewährte, die aus verbotenen oder unsittlichen Rechtsgeschäften hergeleitet werden.

d) [X.]agegen hat der [X.] die (qualifizierte) Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln als (schwere räuberische) Erpressung angesehen ([X.], Beschluss vom 26. Juli 1995 – 3 [X.], [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Sichverschaffen 2). [X.]ie Beteiligten eines Betäubungsmittelgeschäfts seien nicht aus dem Schutzbereich des [X.]s auszuklammern. Ein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen kenne die Rechtsordnung nicht. Auch könne ein vermögensstrafrechtlich relevanter Schaden des Betäubungsmittelerwerbers und daran anknüpfend ein Ersatzanspruch gegen den Betrüger oder Erpresser nicht deswegen verneint werden, weil das [X.], das zu strafbaren Zwecken eingesetzt werde oder aus [X.] herrühre, der Einziehung oder dem Verfall unterliege. Einziehung und Verfall knüpften an das Vorliegen einer Straftat an. Für die Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen der [X.]e könnten diese Maßnahmen keine tauglichen Kriterien liefern.

In einem Fall, in dem [X.]rogenhändler vom Abnehmer über dessen Zahlungsfähigkeit getäuscht wurden und nach der Übergabe der Betäubungsmittel mit Nötigungsmitteln die Herausgabe von Wertgegenständen als Surrogat für die Erfüllung der Kaufpreisforderung erzwungen hatten, hat der 3. Strafsenat die Frage, ob auch der unerlaubte Besitz an Betäubungsmitteln als Vermögensbestandteil zu bewerten sei, offen gelassen. Selbst wenn der Verlust des (unerlaubten) Besitzes von Betäubungsmitteln als Vermögenschaden zu bewerten wäre, habe den [X.] nämlich kein Anspruch auf dessen Ersatz zugestanden ([X.], Urteil vom 7. August 2003 – 3 [X.], [X.]St 48, 322, 326 ff. mit [X.]. [X.] NStZ 2005, 476 ff.). [X.]ie Entscheidung für den umgekehrten Fall, dass der betrogene Käufer dem [X.] den betrügerisch erlangten Kaufpreis abpresst ([X.], Beschluss vom 12. März 2002 – 3 StR 4/02 mit [X.]. [X.] JuS 2003, 122 ff.), stehe dem nicht entgegen.

[X.]er Senat hat in einer Entscheidung darauf hingewiesen, die Annahme, der Verlust des illegalen Besitzes von Betäubungsmitteln sei ein vom Recht anerkannter Vermögensschaden, sei jedenfalls nicht unbestritten (Senat, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 2 StR 150/13, [X.], 480).

[X.].

[X.]er unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln ist kein Bestandteil des nach §§ 253, 263 StGB geschützten Vermögens.

1. Es gibt kein strafrechtlich schutzwürdiges Vermögen außerhalb des Rechts [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Raum/[X.]/[X.]/Trüg [Hrsg.], [X.]ogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2016, [X.], 54) oder sogar im Widerspruch dazu. Auch der Besitz ist nur dann ein Bestandteil des geschützten Vermögens, wenn er auf einem Recht zum Besitz beruht (vgl. [X.] in Festschrift für [X.]. [X.], 1961, [X.], 408, 417, 426). [X.]er strafbare Besitz von Betäubungsmitteln ist deshalb kein durch Strafrecht zu schützendes Rechtsgut. Vielmehr ist der Verlust dieses unerlaubten Besitzes gerade der rechtlich erwünschte Zustand (vgl. [X.] JuS 2003, 122, 124).

[X.]ie gleichzeitige Strafdrohung gegen denjenigen, der unerlaubt Betäubungsmittel besitzt (§ 29 Abs. 1 Nr. 3, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) und gegen denjenigen, der dem Besitzer diesen unerlaubten Besitz durch Täuschung (§ 263 StGB) oder Nötigung (§§ 253, 255 StGB) entzieht, stellt einen offenkundigen Widerspruch dar. Zugleich fehlt es an einer Legitimation des Staates zur Bestrafung der auf die Entziehung eines seinerseits strafbaren Besitzes gerichteten Handlung unter dem speziellen Gesichtspunkt eines [X.]s (vgl. [X.] in Festschrift für [X.], 2011, [X.], 198 ff.).

[X.]as Strafrecht wird als "ultima ratio" des [X.] nur eingesetzt, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Februar 2008 – 2 BvR 392/07, [X.]E 120, 224, 239 f.). [X.]er unerlaubte Besitz an Betäubungsmitteln ist, gemessen an dieser Anforderung, kein strafrechtlich schutzbedürftiges Rechtsgut, seine Entziehung ist nicht unerträglich, deren Verhinderung durch Strafrecht nicht geboten. [X.]as Strafrecht darf nicht dazu dienen, strafbare Positionen zu schützen und insoweit eine "faktische Anerkennung des [X.]" vorzunehmen (vgl. [X.] JuS 1966, 472, 476); denn dies verstieße seinerseits gegen Wertentscheidungen der Verfassung (vgl. [X.] in Festschrift für [X.], 1999, S. 831, 838 ff.).

[X.]ie Formel, dass es ein strafrechtlich nicht geschütztes Vermögen nicht gebe (krit. bereits [X.] [X.]JZ 1911, [X.]. 553, 561 f.), ist tautologisch und mit Blick auf den strafbaren Besitz von Betäubungsmitteln jedenfalls unzutreffend.

2. [X.]ie Argumente, die bisher für die Anwendung der [X.]e auf die Entziehung unerlaubten Betäubungsmittelbesitzes angeführt werden, sind nicht tragfähig.

a) Nicht die "Gefährlichkeit des [X.]" oder seine "kriminelle Gesinnung", sondern die Tatbestandsmäßigkeit seiner Handlung bestimmt im geltenden Tatstrafrecht die Strafbarkeit. [X.]as von einem [X.]trafrecht geprägte Vorstellungsbild des [X.]s ist überholt.

b) [X.]ie Strafbarkeit nach anderen Straftatbeständen als den [X.]en (§§ 29 ff. BtMG, §§ 240, 261 StGB u.a.) bleibt bei der Ausklammerung des unerlaubten Besitzes aus dem strafrechtlich geschützten Vermögen unberührt und verhindert, dass ein strafrechtsfreier Raum entsteht [X.], StGB, 63. Aufl., § 263 Rn. 109).

Aufgabe der spezifischen [X.]e ist es zudem nicht, zur Vermeidung einer sonst zu befürchtenden [X.] den Rechtsfrieden zu bewahren (vgl. [X.] aaO, [X.]). Erst recht ist es nicht geboten, den Anwendungsbereich der [X.]e anhand von kriminalpolitischen Billigkeitserwägungen der Rechtsprechung auszudehnen (vgl. [X.] aaO S. 841 ff.).

[X.]ie Annahme, den [X.]en komme die Aufgabe zu, über den Schutz des Rechtsguts "Vermögen" hinaus die allgemeine Rechtsordnung zu schützen (krit. bereits [X.] 1967, 105, 107 f.), geht ferner daran vorbei, dass die [X.] heute eine Vielzahl von [X.] zur Schließung von [X.]n vorsieht. Für eine weite Auslegung der §§ 253, 263 StGB besteht daher kein Bedarf. Sie steht in Widerspruch zum Gebot der engen Auslegung des fragmentarischen Strafrechts nach dem ultima-ratio-Prinzip.

c) [X.]as Argument, aus der Möglichkeit von Einziehung oder Verfall sei kein Grund zu der Annahme abzuleiten, dass der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln nicht durch die §§ 253, 263 StGB geschützt werden müsse, geht ebenfalls fehl.

Strafbar ist unter anderem, wer Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG). Auch Geld, das zur Bezahlung von Betäubungsmitteln verwendet wird, ist Tatmittel des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, solange der Austausch von Leistung und Gegenleistung nicht zur Ruhe gekommen ist (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96, [X.]St 43, 158, 162); anschließend ist es Objekt der Geldwäsche (§ 261 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder [X.]. [X.]). Betäubungsmittel und [X.]rogengeld unterliegen deshalb der Konfiskation durch Einziehung (§ 33 Abs. 2 BtMG, § 74, § 261 Abs. 7 StGB) oder Verfall (§ 73 StGB). Auf die [X.]e kommt es insoweit nicht an [X.], StGB § 263 Rn. 108).

[X.]as Strafrecht trachtet danach, den Betäubungsmitteln und dem bei [X.] eingesetzten Geld die Verkehrsfähigkeit abzuerkennen, indem nahezu jeder Umgang damit bei Strafe verboten wird (§§ 29 ff. BtMG, § 261 Abs. 1 und 2 StGB). [X.]as Argument, der Straftäter dürfe "nicht friedlos gestellt" werden, wird dadurch ebenfalls entwertet.

d) [X.]ie [X.] der §§ 858 ff. [X.], die bisweilen als Grund für die Forderung nach einem flankierenden strafrechtlichen Schutz des Besitzes angeführt werden, dienen nicht dem Schutz des Vermögensbestands (vgl. [X.], StGB, 4. Aufl., § 263 Rn. 239) und besagen nichts über die Legitimität des Besitzes. Sie ändern deshalb nichts an der strafrechtlichen Bewertung des Vermögens (vgl. [X.], Vermögensbegriff und Vermögensschaden im Strafrecht, 1969, [X.] ff.; [X.] aaO [X.]). Ein Anspruch auf Einräumung des – strafbaren – Besitzes an Betäubungsmitteln kann daraus nicht hergeleitet werden (vgl. [X.]ehne-Niemann [X.], 37 f.; [X.] aaO [X.]; [X.] aaO S. 837 ff.).

3. [X.]rogen haben zwar auf dem Schwarzmarkt gerade wegen ihrer Illegalität hohen Wert, auf dem legalen Markt hingegen – solange keine Ausnahmegenehmigung vorliegt – gar keinen Wert. Auch mit Hinweis darauf wird in der Literatur angenommen, dass der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln nicht zum strafrechtlich geschützten Vermögen zählt (vgl. [X.] in [X.], StGB, 2013, § 253 Rn. 23; [X.] in [X.], 30. Edition, § 253 Rn. 9.1). [X.]as ist zur Vermeidung einer faktischen Anerkennung des illegalen Markts und seiner in den Handelsstufen progressiven Wertsetzungen geboten. Schließlich erkennt die Rechtsordnung demjenigen, der unerlaubten [X.]rogenbesitz durch ein [X.] verliert, nicht nur keinen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch zu, sondern auch keinen solchen nach dem Wertgefüge des illegalen Markts.

4. [X.]ie Anwendung der [X.]e auf die Entziehung des [X.]rogenbesitzes ist schließlich nicht deshalb geboten, weil in angrenzenden Fällen, in denen dem Opfer die Betäubungsmittel weggenommen werden, ein Eigentumsdelikt vorläge.

a) [X.]ivergenzen zwischen dem Schutz von Eigentum und Vermögen werden auch an anderer Stelle hingenommen und zwingen nicht dazu, die Auslegung des Merkmals "Vermögen" auf illegal erworbene Rechtspositionen zu erstrecken (vgl. [X.], 335, 336).

b) [X.]er Schutz des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gegen Wegnahme durch Eigentumsdelikte erscheint zudem seinerseits nicht zwingend (abl. etwa [X.] NStZ 1991, 520 ff.; MünchKomm/[X.], StGB, 2. Aufl., § 242 Rn. 17 f.; [X.] in Festschrift für [X.], 2010, [X.] ff.; s.a. [X.], StGB § 242 Rn. 5a; dafür aber [X.], Beschluss vom 20. September 2005 – 3 [X.], [X.], 36 f. mit [X.]. [X.]; [X.] NStZ 1992, 220 ff.; [X.] NStZ 1992, 221 ff.).

Werden Betäubungsmittel entgegen einem strafrechtlichen Verbot hergestellt, entsteht [X.] (§§ 950, 953 [X.]) jedenfalls kein vollwertiges Eigentum. [X.]ie Eigentumsposition des Herstellers besteht praktisch nur aus Pflichten zur Ablieferung an die Behörden oder Vernichtung der [X.]rogen, während seine Rechte gemäß §§ 903, 985 ff. [X.] durch die Verbote nach § 29 BtMG ausgeschlossen werden. [X.]as "Recht" auf Eigentumsaufgabe oder Vernichtung ([X.] aaO; [X.] [X.], 678, 680) wird durch das [X.] (§ 16 BtMG) zur Pflicht (vgl. MünchKomm/[X.], StGB § 242 Rn. 18). Nach allem kann das Strafrecht auch mit der Strafdrohung der §§ 242, 249 StGB gegen Wegnahme des – unerlaubten – Besitzes von Betäubungsmitteln keinen sinnvollen Rechtsgüterschutz darbieten (vgl. [X.] in Festschrift für [X.], 2015, [X.], 520). [X.]ies spricht vielmehr für eine teleologische Reduktion der Eigentumsdelikte.

[X.]er Hersteller kann das kraft Gesetzes formal erworbene Eigentum an [X.]rogen ohne behördliche Ausnahmegenehmigung nicht durch Rechtsgeschäft wirksam übertragen (§ 134 [X.], §§ 29 ff. BtMG). Er gibt es bei der Veräußerung der [X.]rogen im illegalen Betäubungsmittelhandel preis und glaubt danach regelmäßig als Laie selbst an dessen Verlust (vgl. dazu [X.] [X.], 37, 39). [X.]arin liegt zwar keine [X.]ereliktion (§ 959 [X.]). Jedoch erlangt der Erwerber nur einen Gewahrsam ohne eigenes Eigentum; sein Verwertungsinteresse an einem Eigenkonsum ist nicht derart schutzwürdig, dass deshalb das Strafrecht als "ultima ratio" des Staates zu seiner Gewahrsamssicherung angewendet werden müsste. Beim formalen Eigentümer verbleibt eine Rechtsposition ohne Substanz; dieser kann insbesondere die Herausgabe (§ 985 [X.]) nicht verlangen, weil ihr das Erwerbsverbot des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG entgegensteht; auch zum Schutz des Eigentümers ist der Einsatz der staatlichen "ultima ratio" daher nicht geboten.

Ausländisches Sachenrecht, das gegebenenfalls für die dingliche Rechtslage an einem ausländischen Herstellungsort bestimmend ist (Art. 43 Abs. 1 EG[X.]), wird im Inland nur in den Grenzen der [X.] öffentlichen Ordnung anerkannt (Art. 6 Satz 1, 43 Abs. 2 EG[X.]). [X.]araus können keine weiter gehenden Eigentümerrechte im Inland hergleitet werden.

5. Rechtsvergleichend ist darauf hinzuweisen, dass auch das [X.] [X.] die Zuordnung des unerlaubten Betäubungsmittelbesitzes zum Vermögen als Rechtsgut im Sinne des [X.] verneint hat ([X.], Urteil vom 17. Mai 1991, [X.], [X.], 148). Mangels Verkehrsfähigkeit bestehe darüber hinaus kein fremdes Eigentum im Sinne des [X.]iebstahlstatbestands ([X.], Urteil vom 5. Juni 1996, [X.], [X.], 183 f.; bestätigt durch Urteil vom 3. April 1998, [X.], [X.], 104). [X.]ies führe nicht zu einer [X.], weil jedenfalls eine Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelrecht verbleibe und ausreichend sei. [X.]er Täter, der einem anderen den unerlaubten Besitz an Betäubungsmitteln entziehe, greife nicht in eine schutzwürdige Rechtsposition im Sinne des [X.]iebstahlstatbestands ein, sondern schaffe "den von der Rechtsordnung gewünschten Zustand" ([X.] aaO, [X.] [X.], 184).

[X.]                    Ri[X.] Prof. [X.]r. [X.]

                               ist an der Unterschrifts-

                               leistung gehindert.

                                       [X.]

                        [X.]

Meta

2 StR 335/15

01.06.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

nachgehend BGH, 15. November 2016, Az: 3 ARs 16/16, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.06.2016, Az. 2 StR 335/15 (REWIS RS 2016, 10692)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10692


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 StR 335/15

Bundesgerichtshof, 2 StR 335/15, 16.08.2017.

Bundesgerichtshof, 2 StR 335/15, 01.06.2016.


Az. 1 ARs 16/16

Bundesgerichtshof, 1 ARs 16/16, 21.02.2017.


Az. 5 ARs 47/16

Bundesgerichtshof, 5 ARs 47/16, 07.02.2017.


Az. 3 ARs 16/16

Bundesgerichtshof, 3 ARs 16/16, 15.11.2016.


Az. 4 ARs 17/16

Bundesgerichtshof, 4 ARs 17/16, 10.11.2016.


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