Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.06.2012, Az. XII ZB 130/12

12. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5450

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Gegenstand

Betreuungsverfahren: Genehmigungsfähigkeit einer vom Betreuer angestrebten Zwangsmedikation des auf einer geschlossenen Station einer psychiatrischen Einrichtung untergebrachten Betreuten


Tenor

Der Beteiligten zu 2 wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 27. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 5 [X.]).

[X.]: 3.000 €

Gründe

A.

1

Die Beteiligte zu 2 begehrt als Betreuerin die Genehmigung einer Zwangsbehandlung der Betroffenen.

2

Das Amtsgericht hat für die Betroffene, bei der [X.] eine paranoide Schizophrenie festgestellt wurde, die Betreuung unter anderem mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung angeordnet. Zudem hat es die Unterbringung der Betroffenen durch die Betreuerin gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bis Januar 2014 unter Hinweis darauf genehmigt, dass wegen der drohenden Obdachlosigkeit eine Eigengefährdung drohe.

3

Den Antrag der Betreuerin, die Betroffene auch gegen ihren Willen medikamentös behandeln und dazu notfalls fixieren lassen zu dürfen, hat das Amtsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.] zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug und das Fehlen einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage abgelehnt. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde der Betreuerin hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde.

B.

4

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das [X.] hat die Genehmigung der Zwangsbehandlung der Betroffenen zu Recht abgelehnt.

I.

5

Das [X.] hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

6

Während die bisherige Rechtsprechung des [X.] im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] unter bestimmten Voraussetzungen eine Zwangsbehandlung zugelassen habe, müssten die Voraussetzungen für eine Zwangsmedikation nunmehr an den verfassungsrechtlichen Maßstäben der jüngsten Entscheidungen des [X.] gemessen werden. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] enthalte keine hinreichende Ermächtigung zur zwangsweisen Durchsetzung einer Behandlung gegenüber der Betroffenen. Die Norm ermächtige das Betreuungsgericht nach seinem Wortlaut nur dazu, die Unterbringung der Betroffenen zur Heilbehandlung zu genehmigen, also freiheitsentziehende Maßnahmen anzuordnen, in deren Rahmen dann eine Heilbehandlung durchgeführt werden könne. Der Wortlaut enthalte keinerlei Hinweis auf eine Zwangsbehandlung.

7

Zudem habe der Gesetzgeber ausdrücklich davon abgesehen, im Betreuungsrecht eine Ermächtigung zur Zwangsbehandlung wie auch ein generelles Verbot der Zwangsbehandlung zu regeln. Ein formelles Gesetz habe er also gerade nicht geschaffen.

8

Eine ausreichende gesetzliche Grundlage ergebe sich ebenso wenig aus § 1906 Abs. 4 [X.]. Auch insoweit fehlten jegliche Kriterien dafür, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Fixierung zum Zwecke der Zwangsbehandlung genehmigungsfähig sei. Entscheidend sei, dass der Zweck dieser Vorschrift die Regelung der gerichtlichen Genehmigungsbedürftigkeit bei Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sei.

9

Dass § 1906 [X.] nach diesem Verständnis nur einen beschränkten Anwendungsbereich habe, müsse angesichts der unmissverständlichen Vorgaben des [X.] hingenommen werden. Dabei sei nicht zu verkennen, dass es zumeist dem objektiven Wohl des Betroffenen entsprechen möge, eine Behandlung durchzuführen. Es bestehe die Gefahr, dass sich die derzeitige Situation, die eine Behandlung gegen den Willen der Betroffenen trotz Behandlungsbedürftigkeit nicht zulasse, für alle Beteiligten unbefriedigend sei. Dieser Nachteil müsse angesichts der Schwere der Grundrechtseingriffe und des Fehlens einer klaren und bestimmten Eingriffsnorm hingenommen werden.

Die Ansicht, die Vorgaben des [X.] würden für den Bereich des Betreuungsrechts nicht gelten, weil die §§ 1896 ff. [X.] ein geschlossenes Regelungssystem enthielten, dessen Schutzniveau den verfassungsrechtlichen Anforderungen sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht gerecht würden, könne nicht überzeugen.

Die Betreuerin begehre auch nicht nur die Anordnung einer Unterbringung an sich. Eine freiheitsentziehende Maßnahme sei zwischenzeitlich bereits durch den Beschluss des Amtsgerichts aufgrund des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erfolgt und habe zum Zeitpunkt der Beschwerde bereits vorgelegen. Der Antrag der Betreuerin auf Unterbringung zur Heilbehandlung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] verfolge vielmehr den Zweck, die von der Betroffenen verweigerte medikamentöse Behandlung zwangsweise gegen ihren Willen durchzusetzen. Eine solche Zwangsbehandlung sei aber - wie vorstehend ausgeführt - nicht möglich. Eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.], bei der die Heilbehandlung nicht durchgeführt werde oder werden könne, dürfe nicht genehmigt werden.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.

1. Der Rechtsbeschwerde bleibt nicht bereits deshalb der Erfolg versagt, weil die Betroffene wegen Selbstgefährdung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 [X.] untergebracht ist.

Zwar kommt nach der bisherigen [X.]srechtsprechung die betreuungsgerichtliche Genehmigung einer vom Betreuer veranlassten Zwangsbehandlung gegen den natürlichen Willen des im Rechtssinne einwilligungsunfähigen Betroffenen nur im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] in Betracht ([X.], 141, 149 ff. = [X.], 615, 617 f.).

Die Rechtsbeschwerde kann aber nicht allein deshalb zurückgewiesen werden, weil die Betroffene - nur - nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 [X.] untergebracht ist. Das Beschwerdegericht hat den Antrag der Betreuerin, die Betroffene auch gegen ihren Willen medikamentös behandeln und dazu notfalls auch fixieren lassen zu dürfen bzw. ihren Antrag auf Genehmigung der Unterbringung ersichtlich auch als einen Antrag auf Genehmigung der Unterbringung zur Heilbehandlung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ausgelegt.

Ausgehend von der Prämisse, dass nach der jüngsten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht mehr genehmigungsfähig ist, sind die weiteren Ausführungen des [X.] allerdings konsequent, wonach eine Unterbringung nicht in Betracht kommt, weil die Heilbehandlung nicht durchgeführt werden kann. Deshalb kommt es für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde maßgeblich darauf an, ob § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] auch unter Berücksichtigung der jüngsten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Genehmigung in die Einwilligung einer mit Zwangsbehandlung verbundenen Unterbringung noch zu rechtfertigen vermag.

2. Diese Frage ist zu verneinen; der [X.] hält an seiner Rechtsprechung insoweit nicht mehr fest.

a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s umfasst die Befugnis des Betreuers, in ärztliche Maßnahmen auch gegen den natürlichen Willen eines im Rechtssinne einwilligungsunfähigen Betroffenen einzuwilligen, im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] auch das Recht, erforderlichenfalls einen der ärztlichen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden ([X.]sbeschluss [X.], 141, 149 ff. = [X.], 615, 617 f.). Da eine medizinische Maßnahme nur dann als notwendig im Sinne von § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] angesehen werden könne, wenn sie rechtlich zulässig sei, könne der Betroffene auf dieser Rechtsgrundlage nur untergebracht werden, wenn er während der Unterbringung auch behandelt werden dürfe. [X.] man die zwangsweise Überwindung eines der Behandlung entgegenstehenden Willens des Betroffenen auch im Rahmen einer Unterbringungsmaßnahme als unzulässig an, würde der Anwendungsbereich des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] von vornherein auf die - eher seltenen - Fälle beschränkt, in denen der Betroffene zwar die Notwendigkeit der medizinischen Maßnahme bejahe oder jedenfalls trotz fehlender Behandlungseinsicht keinen der medizinischen Maßnahme entgegenstehenden natürlichen Willen manifestiere, er aber nicht die Notwendigkeit der Unterbringung einsehe. Die Vorschrift könne daher sinnvoll nur dahin ausgelegt werden, dass der Betroffene die notwendigen medizinischen Maßnahmen, in die der Betreuer zu seinem Wohl eingewilligt habe und derentwegen der Betroffene untergebracht werden dürfe, unabhängig von seinem möglicherweise entgegenstehenden natürlichen Willen während der Unterbringung zu dulden habe ([X.]sbeschluss [X.], 141, 152 = [X.], 615, 618). Allerdings müsse in der Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] die von dem Betroffenen zu duldende Behandlung so präzise wie möglich angegeben werden, weil sich nur aus diesen Angaben der [X.] sowie Inhalt, Gegenstand und Ausmaß der vom Betroffenen zu duldenden Behandlung hinreichend konkret und bestimmbar ergäben; dazu gehörten bei einer Behandlung durch Verabfolgung von Medikamenten in der Regel auch die möglichst genaue Angabe des Arzneimittels oder des Wirkstoffs und deren (Höchst-)Dosierung sowie [X.] ([X.]sbeschluss [X.], 141, 153 f. = [X.], 615, 618).

Aus dem Umstand, dass die Erzwingung medizinischer Maßnahmen gegen den Widerstand des Betroffenen nur im Rahmen einer vom Betreuungsgericht nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] genehmigten freiheitsentziehenden Unterbringung zulässig sei, dürfe freilich nicht gefolgert werden, dass eine freiheitsentziehende Unterbringung immer schon dann vom Betreuer veranlasst werden dürfe, wenn eine medizinische Maßnahme notwendig sei, aber nur gegen den Widerstand des Betroffenen durchgeführt werden könne. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] verlange nicht nur, dass die medizinische Maßnahme als solche notwendig sei. Die freiheitsentziehende Unterbringung müsse vielmehr auch ihrerseits erforderlich sein, damit die medizinische Maßnahme durchgeführt werden könne. Sie sei in diesem Sinne erforderlich, wenn zu erwarten sei, dass der Betroffene sich ohne die freiheitsentziehende Unterbringung der erforderlichen medizinischen Maßnahme räumlich, also etwa durch Fernbleiben oder "Weglaufen", entziehe. Umgekehrt begründe die Erforderlichkeit der medizinischen Maßnahme ebenso wie die Erforderlichkeit, den dieser Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden, für sich genommen noch keine Notwendigkeit, den Betroffenen freiheitsentziehend unterzubringen, also etwa auch dann, wenn der Betroffene sich der Maßnahme zwar physisch widersetze, sich ihr aber nicht räumlich entziehe ([X.]sbeschluss vom 23. Januar 2008 - [X.]/07 - FamRZ 2008, 866 Rn. 23).

Der [X.] hat ferner entschieden, dass die Genehmigung nur zulässig sei, wenn die Zwangsmedikation erforderlich und angemessen sei. Ob dies der Fall sei, bedürfe im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs einer besonders sorgfältigen Prüfung ([X.]sbeschluss vom 22. September 2010 - [X.]/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 8). Es liege auf der Hand, dass ein noch strengerer Prüfungsmaßstab anzulegen sei, wenn die Freiheitsentziehung mit einer Zwangsbehandlung des Betroffenen - deren Zulässigkeit vorausgesetzt - verbunden werden solle. Dies folge schon daraus, dass in diesem Falle nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer, sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen in die gebotene Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen seien. Bei der Prüfung, ob eine - insbesondere längerfristige - Behandlung eines untergebrachten Betroffenen unter Zwang dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch entspreche, seien an die Gewichtigkeit des ohne Behandlung drohenden Gesundheitsschadens, aber auch an die Heilungs- bzw. Besserungsprognose strengere Anforderungen zu stellen. Dies lege gerade bei der Behandlung psychischer Erkrankungen eine besonders kritische Prüfung des therapeutischen Nutzens einer nur unter Zwang durchgeführten Medikation nahe ([X.]sbeschluss [X.], 141, 146 f. = [X.], 615, 616).

Schließlich sei ein Vorratsbeschluss für den Fall, dass der Betroffene sich gegen die Verabreichung von Medikamenten durch Spritzen wehren werde, im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs unzulässig ([X.]sbeschluss vom 22. September 2010 - [X.]/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 11).

b) Das [X.] hat nunmehr in zwei grundlegenden Beschlüssen aus dem [X.] entschieden, dass die Zwangsbehandlung eines im Maßregelvollzug Untergebrachten nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig sei, das die Voraussetzung für die Zulässigkeit des Eingriffs bestimme ([X.] [X.], 1128 Rn. 72 und 2011, 1927 Rn. 38). Dies gelte nicht nur für die materiellen, sondern auch für die formellen Eingriffsvoraussetzungen. Die in verfahrensrechtlicher wie in materieller Hinsicht für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen bedürften gesetzlicher Regelungen ([X.] [X.], 1128 Rn. 72). Der Gesetzgeber sei gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich sei. Die notwendige Bestimmtheit fehle zwar nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig sei. Die Betroffenen müssten jedoch die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können, und die gesetzesausführende Verwaltung müsse für ihr Verhalten steuernde und begrenzende [X.] vorfinden. Zur notwendigen Erkennbarkeit des [X.] gehöre die Klarheit und, als deren Bestandteil, die Widerspruchsfreiheit der Norm. Die Anforderung an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit seien umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff sei, den eine Norm vorsehe. Dabei könne auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung sein ([X.] [X.], 1128 Rn. 73).

Dem [X.] einer Zwangsbehandlung stehe nicht entgegen, dass sie zum Zweck der Heilung vorgenommen werde ([X.] [X.], 1128 Rn. 40). Krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit eines Untergebrachten ändere ebenfalls nichts daran, dass eine gegen seinen natürlichen Willen erfolgende Behandlung, die seine körperliche Integrität berühre, einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG darstelle. Sie könne im Gegenteil dazu führen, dass der Eingriff von dem Betroffenen als besonders bedrohlich erlebt werde. Selbst die Einwilligung des Betreuers nehme daher der Maßnahme nicht den [X.] ([X.] [X.], 1128 Rn. 42), zumal der Eingriff für den Betroffenen nicht dadurch weniger belastend sei, dass gerade ein Betreuer ihr zugestimmt habe ([X.] [X.], 1128 Rn. 71).

Der Gesetzgeber sei (allerdings) berechtigt, unter engen Voraussetzungen Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen des Grundrechtsträgers ausnahmsweise zu ermöglichen, wenn dieser zur Einsicht in die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig sei ([X.] [X.], 1128 Rn. 49).

In materieller Hinsicht folge aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zunächst, dass Maßnahmen der Zwangsbehandlung nur eingesetzt werden dürften, wenn sie im Hinblick auf das Behandlungsziel, das ihren Einsatz rechtfertige, Erfolg versprächen ([X.] [X.], 1128 Rn. 57). Zwangsmaßnahmen dürften ferner nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn mildere Mittel keinen Erfolg versprächen. Zudem müsse der Zwangsbehandlung, soweit der Betroffene gesprächsfähig sei, der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von unzulässigem Druck unternommene Versuch vorausgegangen sein, seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen ([X.] [X.], 1128 Rn. 58).

Grundsätzlich sei eine Ankündigung erforderlich, die dem Betroffenen die Möglichkeit eröffne, vor Schaffung vollendeter Tatsachen eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, auch wenn die Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters vorliege ([X.] [X.], 1128 Rn. 63). Allerdings dürfe die Flexibilität der fachgerechten ärztlichen Reaktion auf individuelle Unterschiede nicht über Gebühr beeinträchtigt werden ([X.] [X.], 1128 Rn. 64), wobei die Anordnung und Überwachung einer medikamentösen Zwangsbehandlung durch einen Arzt unabdingbar seien. Es sei notwendig, die Zwangsbehandlung zu dokumentieren. Art. 2 Abs. 2 GG fordere darüber hinaus spezielle verfahrensmäßige Sicherungen gegen die besonderen situationsbedingten [X.], die sich ergäben, wenn über die Anordnung einer Zwangsbehandlung außerhalb akuter Notfälle allein die jeweilige Unterbringungseinrichtung entscheide ([X.] [X.], 1128 Rn. 68). Die weitreichenden Befugnisse der Unterbringungseinrichtung und die dadurch eingeschränkten Möglichkeiten der Unterstützung und Begleitung durch Außenstehende versetzten den Untergebrachten in eine Situation außerordentlicher Abhängigkeit, in der er besonderen Schutz dagegen bedürfe, dass seine grundrechtlich geschützten Belange etwa aufgrund von Eigeninteressen der Einrichtung oder ihrer Mitarbeiter bei nicht aufgabengerechter Personalausstattung oder aufgrund von [X.] unzureichend gewürdigt würden ([X.] [X.], 1128 Rn. 69). Es seien keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, derentwegen eine Betreuerlösung von [X.] wegen vorzugswürdiger wäre beispielsweise gegenüber einem Richtervorbehalt oder gegenüber der Beteiligung einer anderen neutralen Stelle. Die Ausgestaltung der Art und Weise, in der sichergestellt werde, dass vor Durchführung einer Zwangsbehandlung eine - sich nicht in bloßer Schreibtischroutine erschöpfende - Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfinde, sei Sache des jeweils zuständigen Gesetzgebers ([X.] [X.], 1128 Rn. 71).

c) Nach überwiegender Auffassung in der - nach Erlass der Entscheidung des [X.] vom 23. März 2011 ([X.], 1128) veröffentlichten - Rechtsprechung und Literatur fehlt es an einer den vorgenannten verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden Ermächtigungsgrundlage für eine betreuungsrechtliche Genehmigung der Zwangsbehandlung ([X.] Beschluss vom 10. Mai 2012 - 5 [X.]/12 - juris; [X.] Beschluss vom 16. Februar 2012 - 2 T 35/12 - juris; [X.] Beschluss vom 18. Mai 2011 - 8 VII 257/11 - juris und [X.], 739; [X.] BtPrax 2012, 85 und [X.], 1090; [X.] Beschluss vom 29. Februar 2012 - 49 XVII HOF 399/12 - juris; [X.] FPR 2012, 4, 8; [X.] 2011, 249, 250; [X.] R&P 2011, 160, 163; [X.] Beschluss vom 21. Mai 2012 - 83 [X.]/12 - juris; Olzen/[X.] BtPrax 2011, 233, 236 ff., 238).

d) Der [X.] teilt im Ergebnis diese Auffassung und gibt damit seine Rechtsprechung auf, wonach Zwangsbehandlungen im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] grundsätzlich genehmigungsfähig sind ([X.]sbeschlüsse [X.], 141 = [X.], 615; vom 23. Januar 2008 - [X.]/07 - FamRZ 2008, 866 und vom 22. September 2010 - [X.]/10 - FamRZ 2010, 1976).

Nach Auffassung des [X.]s sind die Vorgaben des [X.] zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug im Wesentlichen auf die Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zu übertragen. Die materiellen Vorschriften des Betreuungsrechts und die Verfahrensvorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 ([X.]l. I S. 2586 - FamFG) werden den Anforderungen, die das [X.] für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung aufgestellt hat, nicht gerecht.

aa) Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Olzen/[X.] BtPrax 2011, 233, 237 mwN; s. auch [X.] Beschluss vom 21. Mai 2012 - 83 [X.]/12 - juris Rn. 19) finden die Grundrechte auch bei der im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung stattfindenden Zwangsbehandlung unmittelbar Anwendung. Wie der [X.] bereits in seiner Entscheidung aus dem [X.] ([X.], 141, 148 = [X.], 615, 616 f.) ausgeführt hat, gilt im Verhältnis des Betreuers zum Betroffenen nichts anderes als in dem Verhältnis zwischen Vormund und Mündel. Hierzu hat das [X.] entschieden, dass der Vormund im Rahmen der Fürsorge eine öffentliche Funktion wahrnimmt und sich daher der Mündel auch gegenüber Handlungen des Vormunds auf seine Grundrechte berufen kann. Es verbiete sich, die Unterbringung volljähriger Geisteskranker durch den Vormund rechtlich so zu würdigen, als ob sich die Freiheitsentziehung im Rahmen privatrechtlicher Beziehung zwischen Staatsbürgern abspielte. Der Staat könne sich von der [X.] nicht dadurch befreien, dass er eine Privatperson zur Wahrung einer öffentlichen Aufgabe bestelle und ihm die Entscheidung über den Einsatz staatlicher Machtmittel überlasse (vgl. [X.]E 10, 302, 327).

Richtig ist allerdings, dass das Genehmigungserfordernis des § 1906 [X.] die sich aus §§ 1901, 1902 [X.] ergebende Rechtsmacht des Betreuers, nicht jedoch die Freiheit des Betroffenen einschränkt ([X.] JZ 2006, 661, 663 f.). § 1906 [X.] regelt also nicht den Eingriff in die Rechte des Betroffenen, sondern die Kontrolle des Betreuers wegen seiner dem Grunde nach bestehenden unbeschränkten Vertretungsmacht (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 83; vgl. zum Vormund [X.]E 10, 302, 310; zum Bevollmächtigten [X.] FamRZ 2009, 945, 947). Die sich hieran anschließende Frage, ob sich die Kontrolle des von staatlichen Gerichten bestellten Betreuers hinsichtlich der grundrechtsrelevanten Eingriffe an denselben Maßstäben messen lassen muss, die gelten, wenn der Staat die Maßnahmen, in die der Betreuer einwilligen will, selbst angeordnet hätte, ist nach Auffassung des [X.]s zu bejahen.

Das [X.] geht auch bei der Genehmigung einer - von dem Betreuer veranlassten - Unterbringung von "einem staatlichen Eingriff" aus ([X.] FamRZ 1998, 895, 896). Zudem hat es ausgeführt, dass selbst die Einwilligung des Betreuers der (Zwangs-)Maßnahme nicht den [X.] nehme (vgl. [X.] [X.], 1128 Rn. 42). Auch wenn sich seine Handlungsbefugnisse nach der Dogmatik des Betreuungsrechts unmittelbar aus §§ 1901, 1902 [X.] ergeben (vgl. [X.] JZ 2006, 661, 663 f.), muss die gebotene staatliche Kontrolle inhaltlich den Anforderungen genügen, die das [X.] für eine an den Staat adressierte Ermächtigungsgrundlage fordert. Dass die Betreuung im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist, die Betreuung die mit der Menschenwürde garantierte Selbstbestimmung des Einzelnen verwirklichen soll und der Betreuer die Rechte des Betroffenen auch gegenüber dem Staat wahrzunehmen hat ([X.] JZ 2006, 661, 663), ändert nichts daran, dass jener bei fehlender Einsichtsfähigkeit des Betroffenen neben der zivilrechtlichen Vertretung auch öffentliche Fürsorge ausübt.

bb) Die Vorschriften des Betreuungsrechts genügen den Anforderungen nicht, die das [X.] für die gesetzliche Regelung einer Zwangsbehandlung aufgestellt hat und die für die staatliche Kontrolle des darauf bezogenen Betreuerhandelns gleichermaßen gelten müssen. Ebenso wenig enthalten die §§ 1896 ff. [X.] ein geschlossenes Regelungssystem zur betreuungsrechtlichen Genehmigung einer Zwangsbehandlung, dessen Schutzniveau den nunmehr vom [X.] aufgestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (aA Olzen/[X.] BtPrax 2011, 233, 237 f.).

(1) Nach der Rechtsprechung des [X.] muss die Vorschrift so bestimmt gefasst sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist ([X.] [X.], 1128 Rn. 73). Dem aktuell oder potentiell betroffenen Untergebrachten sowie den zur Normanwendung in erster Linie berufenen Entscheidungsträgern, dem Betreuer, der Unterbringungseinrichtung und den behandelnden Ärzten, müssen die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung aus dem Gesetz erkennbar sein (vgl. [X.] [X.], 1128 Rn. 74).

Weder § 1906 [X.] noch die übrigen betreuungsrechtlichen materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften verhalten sich zur Frage der Zwangsbehandlung. Zwar hat das [X.] darauf hingewiesen, dass die notwendige Bestimmtheit nicht schon deshalb fehle, weil eine Norm auslegungsbedürftig sei. Demgemäß hat der [X.] in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] darauf abgestellt, dass die Norm im Wesentlichen sinnlos wäre, wenn die von ihr vorausgesetzte Heilbehandlung nicht durchsetzbar wäre. Das ändert indes nichts daran, dass für die aktuell bzw. potentiell betroffenen Untergebrachten die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung aus dem Gesetz selbst nicht erkennbar sind.

Hinzu kommt, dass § 1906 [X.] seinem Wortlaut nach unmittelbar nur die Kontrolle eines Eingriffs in die von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte Freiheit der Person gewährleistet, sich aber nicht zu dem in besonders intensiver Weise tangierten, von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG mit geschützten Recht auf Selbstbestimmung des Betroffenen hinsichtlich seiner körperlichen Integrität (vgl. [X.] [X.], 1128 Rn. 44) verhält.

(2) Der vom [X.] eingeforderten Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat der [X.] in seiner bisherigen Rechtsprechung zwar entsprochen (so zutreffend Olzen/[X.] BtPrax 2011, 233, 237). Danach waren nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer, sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen in die gebotene Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen ([X.], 141, 146 = [X.], 615, 616). Auch wenn sich Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in § 1906 [X.] selbst finden, weil die Unterbringung nur zulässig ist, "solange sie zum Wohl des Betroffenen erforderlich ist", kann das allerdings im Lichte der Rechtsprechung des [X.] nicht darüber hinweghelfen, dass das Gesetz selbst keine Ausführungen zur Zwangsbehandlung, namentlich zur Auswahl der konkret anzuwendenden Maßnahmen nach Art und Dauer - einschließlich der Auswahl und Dosierung einzusetzender Medikamente und begleitender Kontrollen - enthält. Ebenso fehlen Regelungen dazu, dass die Zwangsbehandlung nicht mit Belastungen verbunden sein darf, die außer Verhältnis zu dem erwartbaren Nutzen stehen und dass die Zwangsbehandlung nur das letzte Mittel darstellen darf, also eine weniger eingreifende Behandlung aussichtslos sein muss (vgl. [X.] [X.], 1128 Rn. 58). Soweit der [X.] hierzu bereits Leitsätze aufgestellt hat, handelt es sich um Richterrecht. Nach den Vorgaben des [X.] kann das indes nicht genügen. Danach sind die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm vorsieht. Für die näheren Anforderungen ist auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung (vgl. [X.] [X.], 1128 Rn. 73 - s. auch [X.] Beschluss vom 16. Februar 2012 - 2 T 35/12 - juris Rn. 13).

(3) Schließlich sind auch die in verfahrensrechtlicher Hinsicht für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen zur Zwangsbehandlung (vgl. dazu [X.] [X.], 1128 Rn. 72) gesetzlich nicht geregelt.

(a) Allerdings dürfte die Forderung des [X.], dass vor Durchführung der Zwangsbehandlung eine - sich nicht in bloßer Schreibtischroutine erschöpfende - Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfinden muss ([X.] [X.], 1128 Rn. 71), erfüllt sein.

Denn zum einen ist in den Fällen der betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung der Betreuer eingeschaltet; grundsätzlich ist nur er befugt, die Behandlung zu veranlassen. Hinzu kommt nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s für den Fall der bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Unterbringung bekannten Notwendigkeit einer Zwangsbehandlung, dass sich der genehmigende Beschluss nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] auch auf die Zwangsbehandlung zu erstrecken hat ([X.]sbeschluss [X.], 141, 153 = [X.], 615, 618).

Gleiches dürfte für den Fall gelten, dass sich die Erforderlichkeit einer Zwangsmedikation bei einem bereits nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] untergebrachten Betroffenen erst im Nachhinein herausstellt. Denn der [X.] hat bereits entschieden, dass ein Vorratsbeschluss für den Fall, dass der Betroffene sich gegen die Verabreichung von Medikamenten durch Spritzen wehren werde, im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs unzulässig ist ([X.]sbeschluss vom 22. September 2010 - [X.]/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 11).

(b) Demgegenüber vermögen die im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthaltenen Verfahrensvorschriften den von dem [X.] gestellten Anforderungen an die gesetzliche Regelung der Zwangsbehandlung nicht gerecht zu werden. Sie beziehen sich jeweils nur auf die Unterbringung, nicht aber auf eine Zwangsbehandlung. In § 321 FamFG ist beispielsweise geregelt, dass vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden hat. Demgegenüber genügt gemäß § 321 Abs. 2 FamFG für eine Maßnahme nach § 312 Nr. 2 FamFG (die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 [X.]) eine ärztliche Stellungnahme. Ob vor der Genehmigung einer Zwangsbehandlung ein Sachverständigengutachten einzuholen ist, oder ob insoweit auch eine ärztliche Stellungnahme ausreicht, ist gesetzlich nicht geregelt. Zwar dürfte ein Sachverständigengutachten notwendig sein, wenn die Genehmigung der Zwangsbehandlung mit der Unterbringung einhergeht. Welche Anforderungen aber bestehen, wenn eine gesonderte Genehmigung der Zwangsbehandlung erforderlich wird, kann dem Gesetz nicht entnommen werden.

(c) Ferner finden sich im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit weder Vorschriften, die - wie vom [X.] gefordert ([X.] [X.], 1128 Rn. 67, 79) - zur Dokumentation der Maßnahme verpflichten, noch enthält es Bestimmungen, wonach die Maßnahme nur auf Anordnung und unter der Leitung eines Arztes durchgeführt werden darf (vgl. dazu [X.] [X.], 1128 Rn. 79). Dass die behandelnde Klinik beide Aspekte regelmäßig aus eigenem Interesse beachten und der Arzt - berufsrechtlich - zur Dokumentation verpflichtet sein wird (so Olzen/[X.] BtPrax 2011, 233, 238), genügt nicht, um den vom [X.] herausgestellten verfahrensrechtlichen Anforderungen zu genügen.

(d) Ebenso fehlen konkrete Regelungen darüber, welche Behandlungsdauer eine gerichtliche Genehmigung umfassen kann und wie konkret die Genehmigung erfolgen muss. Nach der Rechtsprechung des [X.] bedürfen auch diese wesentlichen Fragen einer gesetzlichen Regelung.

e) Gemessen an den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Regelung vermag § 1906 Abs. 4 [X.] ebenso wenig die Genehmigung der Anordnung einer Zwangsbehandlung durch den Betreuer zu rechtfertigen. Wie § 1906 Abs. 1 [X.] regelt auch § 1906 Abs. 4 [X.] den Eingriff in die körperliche Bewegungsfreiheit und die Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung im Sinne der Aufenthaltsfreiheit (vgl. [X.]sbeschluss [X.], 297, 301 f. = FamRZ 2001, 149, 150). Die Regelungsmaterie geht also nicht über den in § 1906 Abs. 1 [X.] geregelten Bereich hinaus. Vielmehr hat der Gesetzgeber Absatz 4 ersichtlich als geringeren Eingriff angesehen, weil es für eine Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 [X.] gemäß § 321 Abs. 2 iVm § 312 Nr. 2 FamFG lediglich der Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses bedarf.

f) Nach alledem fehlt es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Deshalb darf ein Betreuer derzeit auch im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung keine Zwangsbehandlung veranlassen.

3. Entgegen dem Antrag der Betreuerin kommt eine Vorlage an das [X.] gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht in Betracht (aA [X.] Beschluss vom 10. Mai 2012 - 5 [X.]/12 - juris).

Voraussetzung hierfür ist, dass das vorlegende Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Das ist hier nicht der Fall.

Unter Beachtung der Vorgaben des [X.] enthalten die Vorschriften des Betreuungsrechts, insbesondere § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.], keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Eine Auslegung des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 [X.] in Gestalt der bisherigen [X.]srechtsprechung kommt nicht mehr in Betracht. Deshalb kann der [X.] in der Sache selbst entscheiden.

Ob der Staat im Rahmen seiner ihm nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG obliegenden Schutzpflicht (vgl. dazu [X.] NVwZ 2011, 991 Rn. 37) verpflichtet ist, zum Wohle der Betroffenen die betreuungsgerichtliche Genehmigung einer Zwangsbehandlung gesetzlich zu regeln, kann dahinstehen. Art. 100 Abs. 1 GG enthält nach seinem Wortlaut nicht die Verpflichtung des Gerichts, ein Unterlassen des Gesetzgebers als [X.]verstoß zur Prüfung zu stellen. Dass Art. 100 Abs. 1 GG entsprechend auszulegen wäre, hat das [X.] jedenfalls bislang nicht entschieden (offengelassen in [X.] Beschluss vom 9. Mai 2006 - 2 BvL 4/02 - juris Rn. 22; NJW 1994, 2750, 2751; NVwZ 1984, 365 und NJW 1964, 1411).

4. Der [X.] verkennt nicht, dass das Fehlen von [X.] zur Durchsetzung notwendiger medizinischer Maßnahmen dazu führen kann, dass ein Betroffener ohne eine solche Behandlung einen erheblichen Schaden nimmt. Der [X.] hat bereits hinsichtlich der Problematik einer ambulanten Zwangsbehandlung wiederholt darauf hingewiesen ([X.]sbeschlüsse [X.], 297, 310 = FamRZ 2001, 149, 152 und vom 23. Januar 2008 - [X.]/07 - FamRZ 2008, 866, 868).

Dose                          [X.]                          Schilling

              [X.]

Meta

XII ZB 130/12

20.06.2012

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Ingolstadt, 27. Februar 2012, Az: 13 T 220/12

§ 1906 Abs 1 Nr 2 BGB, § 1906 Abs 4 BGB, Art 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.06.2012, Az. XII ZB 130/12 (REWIS RS 2012, 5450)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5450

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