Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 09.08.2023, Az. 2 BvR 558/22

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2023, 5592

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

STRAFRECHT BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) STRAFVERFAHREN BEWEISE BKA BVERFG

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Verfassungsbeschwerde gegen Verwertung von "EncroChat"-Daten in einem Strafverfahren erfolglos - Unzulässigkeit wegen Subsidiarität bzw mangels hinreichender Beschwerdebegründung


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Entscheidungsgründe

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen seine strafrechtliche Verurteilung durch das [X.] vom 23. Juli 2021 und den die hiergegen gerichtete Revision verwerfenden Beschluss des [X.] vom 8. Februar 2022.

2

1. Am 23. Juli 2021 verurteilte das [X.] den Beschwerdeführer wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren. Daneben traf es eine Einziehungsentscheidung.

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2. Seine Überzeugung von der Täterschaft des Beschwerdeführers stützte das [X.] auf aus seiner Sicht dem Beschwerdeführer zuzuordnende Chat-Verläufe, die über den Anbieter EncroChat geführt wurden.

4

a) Dieses Unternehmen bot seinen Nutzern [X.] mit einer besonderen Softwareausstattung an. Auf den Geräten war eine Software installiert, die ausschließlich zum Austausch von Textnachrichten und Bildern mit EncroChat-Geräten geeignet war. Später wurde auch eine Telefoniefunktion angeboten. Der Vertrieb fand ausschließlich über "Reseller" statt, die sich auf die E-Mail-Anfrage eines Kunden mit diesem anonym in Verbindung setzten. Die Verträge über die [X.] wurden anonym und bei Barzahlung an öffentlichen Orten geschlossen.

5

b) Nach bisherigen Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden wurden die Mobiltelefone des [X.] in großem Maße und vorwiegend europaweit zur Begehung schwerer Straftaten genutzt. Die Erhebung von EncroChat-Daten durch [X.] und [X.] Polizeieinheiten führte zu Hunderten Verhaftungen in ganz Europa.

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c) Die über den Anbieter EncroChat ausgetauschten Nachrichten wurden den [X.] Ermittlungsbehörden dadurch bekannt, dass die [X.]n Behörden in einem Verfahren der Staatsanwaltschaft [X.] mit richterlicher Genehmigung die über den in [X.] befindlichen Server des Unternehmens laufenden Daten in der [X.] von 1. April bis zum 30. Juni 2020 erfassten, da diese Kommunikation nach Kenntnis der Ermittlungsbehörden hauptsächlich von Personen mit Verbindung zur Organisierten Kriminalität, insbesondere im Bereich des Drogenschmuggels, genutzt wurde. Über die zu Mobiltelefonen auf [X.] Staatsgebiet anfallenden Daten informierten die [X.]n Behörden über [X.] das [X.]. Daraufhin leitete die Generalstaatsanwaltschaft [X.] - Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität - ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein und richtete unter dem 2. Juni 2020 eine [X.] Ermittlungsanordnung mit der Bitte um Genehmigung der Übergabe und Verwendung dieser Daten in Strafverfahren gegen die Täter an die [X.]n Behörden.

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d) Das Strafgericht [X.] erteilte die gewünschte Genehmigung mit Schreiben vom 13. Juni 2020 unter Bezugnahme auf das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der [X.]n Union vom 29. Mai 2000 und das Protokoll vom 16. Oktober 2001.

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e) Die Generalstaatsanwaltschaft [X.] gab das Verfahren gegen den Beschwerdeführer gemeinsam mit zahlreichen weiteren Verfahren gegen andere Beschuldigte nach deren Identifizierung an die lokalen Staatsanwaltschaften in [X.] ab.

9

f) Bereits vor dem [X.] widersprach der Beschwerdeführer der Verwertbarkeit der EncroChat-Daten unter Rüge einer Verletzung der Richtlinie 2014/41/[X.] des [X.]n Parlaments und des Rates sowie der Verletzung von Art. 101 GG.

3. Auch mit seiner Revision griff der Beschwerdeführer die Verwertbarkeit der EncroChat-Daten an.

4. Mit Zuschrift vom 30. Dezember 2021 beantragte der [X.], die Revision des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Die Verfahrensrüge, mit der der Beschwerdeführer ein Beweisverwertungsverbot geltend mache, sei unzulässig, weil er die notwendigen gerichtlichen Entscheidungen, insbesondere die Ermittlungsanordnungen, nicht vorgelegt habe.

5. Der [X.] verwarf mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 8. Februar 2022 die Revision des Beschwerdeführers ohne weitere eigene Begründung gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet. Nur ergänzend wies er darauf hin, dass die unzulässige Revision auch unbegründet wäre, weil der Strafsenat die gewonnenen EncroChat-Daten für verwertbar halte. Der Beschluss ist sowohl dem Beschwerdeführer als auch dessen Verteidiger am 24. Februar 2022 zugegangen.

Mit seiner am 24. März 2022 beim [X.] erhobenen Verfassungs-beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen das Urteil des [X.]s Rostock und die Revisionsentscheidung des [X.]. Er macht die Verletzung seines Grundrechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sowie der [X.] Grundrechte aus Art. 7 und 8 [X.] geltend.

Die Verletzung des Rechts auf [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG begründet der Beschwerdeführer damit, dass der [X.] zahlreiche Fragen zur Zulässigkeit und Verwertbarkeit der EncroChat-Daten dem Gerichtshof der [X.]n Union nicht vorgelegt habe, obwohl der Datenübermittlung europäisches Recht zu Grunde liege und sich aus dessen fehlerhafter Anwendung ein Beweisverwertungsverbot ergeben könnte.

Die Art. 7 und 8 [X.] seien verletzt, weil die [X.]n Behörden in großem Umfang EncroChat-Daten ausgespäht, gesammelt und hiernach an die [X.] Behörden weitergegeben hätten.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.] nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt (vgl. [X.] 90, 22 <24 ff.>; 96, 245 <248>). Denn die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] hat ein Beschwerdeführer den Sachverhalt, aus dem sich die Grundrechtsverletzung ergeben soll, substantiiert und schlüssig darzulegen (vgl. [X.] 81, 208 <214>; 113, 29 <44>; 130, 1 <21>). Ferner muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert aufzeigen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. [X.] 28, 17 <19>; 89, 155 <171>; 140, 229 <232 Rn. 9>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, erfordert die substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung die argumentative Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidungen (vgl. [X.] 140, 229 <232 Rn. 9>; [X.]K 14, 402 <417>). Dabei muss ein Beschwerdeführer detailliert darlegen, dass die Entscheidungen auf dem gerügten [X.] beruhen (vgl. [X.] 89, 48 <60>), und insofern alle die Entscheidungen tragenden Gründe substantiiert in Zweifel ziehen (vgl. [X.] 105, 252 <264>). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen Rechtsprechung des [X.]s vor, ist der behauptete [X.] in Auseinandersetzung mit den verfassungsgerichtlich entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. [X.] 130, 1 <21>; 140, 229 <232 Rn. 9>). Die allgemein gehaltene Behauptung eines Verfassungsverstoßes genügt dem nicht.

2. Diesen Anforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Art. 7 und 8 [X.] rügt, steht einer inhaltlichen Prüfung schon der Subsidiaritätsgrundsatz entgegen (a). In Hinblick auf die behauptete Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hat der Beschwerdeführer eine Grundrechtsverletzung nicht substantiiert dargetan (b).

a) Hinsichtlich der behaupteten Verletzung von Art. 7 und 8 [X.] hat der Beschwerdeführer den Subsidiaritätsgrundsatz nicht gewahrt.

aa) Nach dem Subsidiaritätsgrundsatz soll der gerügte [X.] nach Möglichkeit schon im fachgerichtlichen Verfahren beseitigt werden (vgl. [X.] 67, 157 <170>). Im Strafverfahren verlangt der Grundsatz der Subsidiarität von einem Beschwerdeführer, der seine Grundrechte durch Verstöße des Tatgerichts verletzt sieht, diese im Revisionsverfahren so zu rügen, dass das Revisionsgericht in eine sachliche Prüfung der Rüge eintritt (vgl. [X.], 231 <233 ff.>). Greift ein Angeklagter ein Urteil lediglich mit der Sachrüge an, genügt er dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität nur, wenn er substantiiert zur angeblichen Verletzung materiellen Rechts ausführt (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 12. Februar 2020 - 2 BvR 2215/19 -, Rn. 2).

bb) Vorliegend hat der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 7 und 8 [X.] nicht in zulässiger Weise mit der Revision gerügt. Er hat im Revisionsverfahren zu den Verfahrenstatsachen nicht ausreichend vorgetragen, um dem Revisionsgericht den Eintritt in die sachliche Prüfung der Beweisverwertung zu ermöglichen.

(1) Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, der verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. [X.] 63, 45 <70 f.>; [X.]K 7, 71 <78 f.>), muss der [X.] die den Mangel enthaltenden Tatsachen angeben, wenn er die Verletzung formellen Strafverfahrensrechts rügt. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu geschehen, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der [X.] prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. [X.] 112, 185 <208>; [X.], Beschluss vom 5. Juni 2007 - 5 [X.] -, NJW 2007, 3010 <3011>). Für den [X.] wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sind im Einzelnen zu bezeichnen und deren Inhalt zum Bestandteil der Revisionsschrift zu machen (stRspr; vgl. nur [X.], Urteil vom 27. September 2018 - 4 [X.]/18 -, juris, Rn. 15; Beschluss vom 13. Mai 2020 - 4 StR 533/19 -, NStZ 2021, 178 <179 Rn. 7>; [X.], in: [X.], 9. Aufl. 2023, § 244 Rn. 224). [X.] der Beschwerdeführer, das Gericht habe ein Beweismittel in rechtswidriger Weise verwertet, muss er zumindest den die Beweiserhebung anordnenden Beschluss mitteilen, um die im [X.]punkt der beanstandeten Beweisgewinnung bestehende Verdachts- und Beweislage prüfen zu können (vgl. [X.], Urteil vom 13. Januar 2011 - 3 StR 337/10 -, NStZ 2011, 471 <472>; Urteil vom 8. August 2018 - 2 [X.] -, NStZ 2019, 107 <107 f. Rn. 9>).

(2) Diesen Anforderungen wird der [X.] - soweit nachprüfbar - nicht gerecht. Es fehlt insoweit an der Vorlage der vom Beschwerdeführer in Bezug genommenen Aktenteile, insbesondere der richterlichen Ermittlungsanordnungen vom 30. Januar 2020, 12. Februar 2020, 4. März 2020, 20. März 2020, 31. März 2020, 29. April 2020, 28. Mai 2020, 10. Juni 2020 und 12. Juni 2020, der nicht näher bezeichneten Protokolle vom 1. April 2020 und 27. April 2020 sowie der zusammenfassenden Protokolle zu den Rechtshilfeersuchen vom 1. Juli 2020 und 6. Juli 2020.

b) In Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hat der Beschwerdeführer eine Grundrechtsverletzung nicht substantiiert dargetan. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, dass der [X.] eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.]n Union in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise unterlassen hat.

aa) [X.] kann [X.] dadurch entzogen werden, dass ein Gericht die Verpflichtung zur Vorlage an ein anderes Gericht außer [X.] lässt (vgl. [X.] 3, 359 <363>; 9, 213 <215 f.>). Die Nichteinleitung eines Vorlageverfahrens nach Art. 267 A[X.]V kann eine der einheitlichen Auslegung bedürftige Frage des Unionsrechts der Entscheidung des gesetzlichen Richters - des Gerichtshofs der [X.]n Union - vorenthalten und damit das Ergebnis der Entscheidung beeinflussen (vgl. [X.] 73, 339 <366 ff.>; 75, 223 <233 f.>; 82, 159 <195 ff.>; 135, 155 <230 Rn. 177>). Die Einheit der Unionsrechtsordnung ist bedroht, wenn gleiches Recht in den jeweiligen Mitgliedstaaten ungleich gesprochen wird. Deshalb gliedert Art. 267 A[X.]V den Gerichtshof der [X.]n Union funktional in die Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten ein, soweit ihm im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsanwendungsgleichheit die Auslegung und Anwendung des Unionsrechts aufgegeben ist (vgl. [X.] 73, 339 <368>).

Das [X.] überprüft allerdings nur, ob diese Zuständigkeitsregel in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt worden ist. Allein ein solcher Kontrollmaßstab entspricht der Aufgabe des [X.]s (vgl. [X.] 82, 159 <195>; 135, 155 <231 Rn. 179>). Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt zwar einen subjektiven Anspruch auf [X.] (vgl. [X.] 138, 64 <86 Rn. 67>). Durch diese grundrechtsgleiche Gewährleistung wird das [X.] jedoch nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden einem Gericht unterlaufenden, die Zuständigkeit des Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste, denn eine "Entziehung" des gesetzlichen Richters liegt nicht bei jeder fehlerhaften Anwendung von [X.] vor (vgl. [X.] 3, 359 <364 f.>; 7, 327 <329>; 135, 155 <231 Rn. 179>; 138, 64 <87 Rn. 71>). Vielmehr beurteilt das [X.] die Zuständigkeitsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG als Teil des rechtsstaatlichen Objektivitätsgebots, das auch die Beachtung der [X.] fordert, die ihrerseits den oberen Fachgerichten die Kontrolle über die Befolgung der Zuständigkeitsordnung überträgt und auf den Instanzenzug begrenzt. Das [X.] beanstandet deshalb die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind oder die Bedeutung und Tragweite der Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt wird (vgl. [X.] 9, 223 <230 f.>; 82, 286 <299>; 87, 282 <284 f.>; 131, 268 <312>; 138, 64 <87 Rn. 71>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 16. Dezember 2021 - 2 BvR 2076/21, 2 BvR 2113/21 -, Rn. 29). [X.] - aber nicht willkürliche - Entscheidungen über die Bestimmung des zuständigen Gerichts oder des zuständigen Richters beanstandet das [X.] nicht (vgl. [X.] 7, 327 <329>; 9, 223 <230 f.>; 131, 268 <312>). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht, oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt, kann nur angesichts der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden (vgl. [X.] 131, 268 <312>; [X.]K 5, 269 <280>; 12, 139 <144>; 15, 102 <105>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 16. Dezember 2021 - 2 BvR 2076/21, 2 BvR 2113/21 -, Rn. 30).

Diese Grundsätze greifen auch für die unionsrechtliche Zuständigkeitsvorschrift des Art. 267 Abs. 3 A[X.]V (vgl. [X.] 126, 268 <315>; 135, 155 <231 f. Rn. 180>). Das [X.] überprüft demnach nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 A[X.]V bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. [X.] 126, 286 <315 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>; 135, 155 <232 Rn. 180>).

bb) Eine solche Konstellation vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen. Es ist anhand des Beschwerdevortrags nicht erkennbar, dass der [X.] in unvertretbarer Weise von einer Vorlage an den Gerichtshof der [X.]n Union abgesehen hat.

Soweit der Beschwerdeführer meint, der [X.] habe seine Vorlagepflicht verletzt, weil die Verwertung der EncroChat-Daten von der Auslegung [X.] Rechts abhänge, verkennt er die Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 A[X.]V.

(1) Nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V hat der [X.] Fragen der Auslegung [X.] Rechts dem Gerichtshof der [X.]n Union vorzulegen, wenn er die Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juli 1992, [X.], [X.]/91, [X.], Rn. 23; [X.], in: [X.]/[X.], [X.]V/A[X.]V, 6. Aufl. 2022, Art. 267 Rn. 22; Ehricke, in: [X.], [X.]V/A[X.]V, 3. Aufl. 2018, Art. 267 Rn. 35 f.). Dem Beurteilungsspielraum sind jedoch Grenzen gezogen, die sich aus der Natur des Vorlageverfahrens ergeben (vgl. Ehricke, in: [X.], [X.]V/A[X.]V, 3. Aufl. 2018, Art. 267 Rn. 36). Unzulässig ist daher die Vorlage hypothetischer Fragen, die im Ausgangsverfahren keine Rolle spielen und mit denen lediglich ein Rechtsgutachten des Gerichtshofs der [X.]n Union erreicht werden soll (vgl. [X.], Urteil vom 16. Dezember 1981, [X.]/[X.], [X.], S. 3062, Rn. 18; Urteil vom 4. Juli 2006, [X.] u.a., [X.]/04, [X.], Rn. 42; [X.], in: [X.]/[X.], [X.]V/A[X.]V, 6. Aufl. 2022, Art. 267 Rn. 24).

(2) Die Vorlage an den Gerichtshof der [X.]n Union war offensichtlich nicht entscheidungserheblich. Die Beantwortung von europarechtlichen Fragen zur Rechtmäßigkeit der Erhebung, Übermittlung und Verwertung von EncroChat-Daten konnte keinen Einfluss auf die Revisionsentscheidung nehmen, weil der [X.] über die Rechtmäßigkeit der Beweisverwertung vorliegend nicht zu entscheiden hatte. Denn der Beschwerdeführer hat die Beweisverwertung durch das [X.] mit der Revision nicht in zulässiger Weise gerügt.

3. Über die mit der Verwertbarkeit der EncroChat-Daten verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen ist damit in der Sache nicht entschieden. Diese können vorliegend dahinstehen.

IV.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 558/22

09.08.2023

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 8. Februar 2022, Az: 6 StR 639/21, Beschluss

Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 267 Abs 3 AEUV, Art 7 EUGrdRCh, Art 8 EUGrdRCh, § 344 Abs 2 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 09.08.2023, Az. 2 BvR 558/22 (REWIS RS 2023, 5592)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5592


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 6 StR 639/21

Bundesgerichtshof, 6 StR 639/21, 08.02.2022.


Az. 2 BvR 558/22

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 558/22, 09.08.2023.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Zitiert

2 StR 131/18

3 StR 337/10

4 StR 533/19

4 StR 135/18

2 BvR 2215/19

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