Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 14.01.2021, Az. 1 BvR 2853/19

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2021, 9551

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

EUGH GRUNDRECHTE VORLAGEPFLICHT DS-GVO

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Unterlassen einer EuGH-Vorlage zur Auslegung von Art 82 Abs 1 DSGVO (juris: EUV 2016/679) verletzt Garantie des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) - hier: unterbliebene EuGH-Vorlage zur Frage eines Schmerzensgeldanspruchs wegen datenschutzwidriger Verwendung einer E-Mailadresse zu Werbezwecken


Tenor

1. Das Urteil des [X.] vom 27. September 2019 - 28 C 7/19 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss des [X.] vom 11. November 2019 - 28 C 7/19 - gegenstandslos.

2. Das [X.] hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die teilweise Abweisung einer zivilrechtlichen Klage und betrifft die Vorlagepflicht an den [X.] nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V.

2

1. Der als Rechtsanwalt tätige Beschwerdeführer erhielt am 7. Dezember 2018 eine [X.] des Beklagten des Ausgangsverfahrens an seine berufliche Email-Adresse. Zwischen den Parteien blieb streitig, ob der Beschwerdeführer zuvor eine Bestellung bei dem Beklagten des Ausgangsverfahrens aufgegeben und dabei in die Übersendung von [X.]s eingewilligt hatte. Mit Schreiben vom gleichen Tag mahnte der Beschwerdeführer den Beklagten des Ausgangsverfahrens ab.

3

Mit Klage vom 7. Januar 2019 beantragte der Beschwerdeführer erstens, den Beklagten des Ausgangsverfahrens zu verurteilen, es zu unterlassen, zu Werbezwecken mit ihm per Email Kontakt aufzunehmen oder aufnehmen zu lassen, ohne dass seine ausdrückliche Einwilligung vorliege, zweitens Auskunft über die ihn betreffenden gespeicherten Daten zu erteilen, drittens festzustellen, dass die geltend gemachten Ansprüche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung stammten, sowie viertens die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes zu verurteilen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, das aber den Betrag von 500 Euro nicht unterschreiten solle. Das zu zahlende Schmerzensgeld begründete der Beschwerdeführer mit Verweis auf Art. 82 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung [[X.]] 2016/679 des [X.] und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/[X.], [X.] L 119 vom 4. Mai 2016; im Folgenden: [X.]), der für schuldhafte Verstöße gegen Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung ein angemessenes Schmerzensgeld vorsehe. Vorliegend sei seine Email-Adresse im Sinne des Art. 6 [X.] datenschutzwidrig, weil ohne Einwilligung verwendet worden.

4

2. Durch das angegriffene Urteil vom 27. September 2019 gab das Amtsgericht der Klage hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungs- und des Auskunftsanspruchs statt. Im Übrigen wies es die Klage ab. Ob die Rechtsprechung des [X.] zu nicht vom Unionsrecht beeinflussten Fällen, wonach eine Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung einen schwerwiegenden Eingriff erfordere, der nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden könne, auch für den hier geltend gemachten und auf Art. 82 [X.] gestützten Anspruch gelte, erscheine zwar mit Blick auf Satz 3 des [X.] der [X.] fraglich. Im Streitfall sei jedoch ein Schaden nicht ersichtlich. Es habe sich lediglich um eine einzige [X.] gehandelt, die nicht zur Unzeit versandt worden sei, die aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes deutlich gezeigt habe, dass es sich um Werbung handele, und die ein längeres Befassen mit ihr nicht notwendig gemacht habe.

5

3. Nach Zurückweisung einer Anhörungsrüge rügt der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

6

4. [X.] des Ausgangsverfahrens lagen vor. Das [X.] hat dem [X.] sowie dem Beklagten des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

7

Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Rechts des Beschwerdeführers auf [X.] gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]. Diese Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das [X.] bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde danach offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.].

8

1. Das Amtsgericht hat das Recht des Beschwerdeführers auf [X.] verletzt, indem es aufgrund der teilweisen Klageabweisung, der dadurch für den Beschwerdeführer nicht erreichten [X.] (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und der nicht zugelassenen Berufung letztinstanzlich tätig geworden ist und entgegen Art. 267 Abs. 3 A[X.]V von einem Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] abgesehen hat.

9

a) Der [X.] ist [X.] im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. [X.] 73, 339 <366>; 82, 159 <192>; 126, 286 <315>; 128, 157 <186 f.>; 129, 78 <105>; 135, 155 <230 f. Rn. 177>). Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 A[X.]V sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. [X.] 82, 159 <192 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105>). Es kann einen Entzug des gesetzlichen Richters darstellen, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des [X.] nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V nicht nachkommt (vgl. [X.] 73, 339 <366 f.>; 82, 159 <192 ff.>; 135, 155 <230 f. Rn.177>; stRspr).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.], Urteil vom 6. Oktober 1982, [X.], [X.], [X.]:C:1982:335, Rn. 21; Urteil vom 15. September 2005, [X.], [X.]:C:2005:552, Rn. 33; Urteil vom 6. Dezember 2005, [X.]/03, [X.]:[X.], Rn. 16; stRspr) muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war (acte [X.]) oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (acte clair) (vgl. auch [X.] 82, 159 <193>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105 f.>; 140, 317 <376 Rn. 125>; 147, 364 <378 f. Rn. 37>). Davon darf das innerstaatliche Gericht aber nur ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den [X.] die gleiche Gewissheit bestünde. Nur dann darf das Gericht von einer Vorlage absehen und die Frage in eigener Verantwortung lösen (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982, [X.], [X.], [X.]:C:1982:335, Rn. 16).

Diese Grundsätze gelten auch für die unionsrechtliche Zuständigkeitsvorschrift des Art. 267 Abs. 3 A[X.]V. Daher stellt nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. [X.] 126, 286 <315>; 147, 364 <380 Rn. 40>). Das [X.] überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 A[X.]V bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. [X.] 126, 286 <315 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>). Durch die zurückgenommene verfassungsrechtliche Prüfung behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen der [X.] Rechtsordnung entspricht. Das [X.] wacht allein über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums (vgl. [X.] 126, 286 <316>). Ein "oberstes Vorlagenkontrollgericht" ist es nicht (vgl. [X.] 126, 286 <316>; 135, 155 <231 f. Rn. 180>; 147, 364 <379 f. Rn. 39>; [X.]K 13, 506 <512>; 14, 230 <233>; 16, 328 <336>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 9. November 1987 - 2 BvR 808/82 -, NJW 1988, S. 1456 [1457]).

Die Vorlagepflicht nach Art. 267 A[X.]V zur Klärung der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften wird in verfassungswidriger Weise gehandhabt, wenn ein letztinstanzliches Gericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hat (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. [X.] 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 Rn. 181>; 147, 364 <380 Rn. 41>).

Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Gericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen von der Rechtsprechung des Gerichtshofs ohne Vorlagebereitschaft; vgl. [X.] 75, 223 <245>; 82, 159 <195>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 Rn. 182>; 147, 364 <381 Rn. 42>).

Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] noch nicht vor oder hat er die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (vgl. [X.] 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 f. Rn. 183>). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. [X.] 82, 159 <195 f.>; [X.]K 10, 19 <29>). Jedenfalls bei willkürlicher Annahme eines "acte clair" oder eines "acte [X.]" durch die Fachgerichte ist der Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten (vgl. [X.] 135, 155 <232 f. Rn. 183>; 147, 364 <381 Rn. 43>).

In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob sich das Gericht hinsichtlich des Unionsrechts ausreichend kundig gemacht hat. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (vgl. [X.] 82, 159 <196>; 128, 157 <189>). Auf dieser Grundlage muss das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts (vgl. [X.] 75, 223 <234>; 128, 157 <188>; 129, 78 <107>) die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig ("acte clair") oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt ("acte [X.]"; vgl. [X.] 129, 78 <107>). Hat es dies nicht getan, verkennt es regelmäßig die Bedingungen für die Vorlagepflicht. Zudem hat das Fachgericht Gründe anzugeben, die dem [X.] eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ermöglichen (vgl. [X.] 147, 364 <380 f. Rn. 41>; [X.]K 8, 401 <405>; 10, 19 <30 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Januar 2001 - 1 BvR 1036/99 -, Rn. 21; Beschluss der [X.] des [X.] vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 -; Beschluss der [X.] des [X.] vom 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 -, Rn. 19).

Bei den in der Rechtsprechung des [X.]s genannten Fallgruppen handelt es sich um eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielen für eine verfassungsrechtlich erhebliche Verletzung der Vorlagepflicht. Für die Frage nach einer Verletzung des Rechts auf [X.] gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch Nichtvorlage an den [X.] kommt es im Ausgangspunkt nicht in erster Linie auf die Vertretbarkeit der fachgerichtlichen Auslegung des für den Streitfall maßgeblichen materiellen Unionsrechts - hier der [X.] - an, sondern auf die Beachtung oder Verkennung der Voraussetzungen der Vorlagepflicht nach der Vorschrift des Art. 267 Abs. 3 A[X.]V, die [X.] im Streitfall bestimmt (vgl. [X.] 128, 157 <188>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 -, Rn. 20; Beschluss der [X.] des [X.] vom 30. August 2010 - 1 BvR 1631/08 -, Rn. 48).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Amtsgericht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, indem es von einem Vorabentscheidungsersuchen wegen der zu klärenden Frage, ob im vom Beschwerdeführer vorgetragenen Fall der datenschutzwidrigen Verwendung einer Email-Adresse und der Übersendung einer ungewollten Email an das geschäftliche Email-Konto des Beschwerdeführers nach Art. 82 Abs. 1 [X.] ein Schmerzensgeldanspruch des Beschwerdeführers in Betracht kommt.

aa) Das Amtsgericht hätte nicht ohne Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] entscheiden dürfen, dass sich kein Anspruch des Beschwerdeführers aus der ohne seine ausdrückliche Einwilligung erfolgten Übersendung der Email aus Art. 82 [X.] ergebe, weil ein Schaden nicht eingetreten sei.

Der im Ausgangsverfahren zu beurteilende Sachverhalt warf die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen Art. 82 Abs. 1 [X.] einen Geldentschädigungsanspruch gewährt und welches Verständnis dieser Vorschrift insbesondere im Hinblick auf Erwägungsgrund 146 Satz 3 zu geben ist, der eine weite Auslegung des Schadensbegriffs im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] verlangt, die den Zielen der [X.] in vollem Umfang entspricht. Nach Art. 82 Abs. 1 [X.] hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die [X.] ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen, also diejenige natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet (vgl. Art. 4 Nr. 7 [X.]).

Dieser Geldentschädigungsanspruch ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] weder erschöpfend geklärt noch kann er in seinen einzelnen, für die Beurteilung des im Ausgangsverfahrens vorgetragenen Sachverhalts notwendigen Voraussetzungen unmittelbar aus der [X.] bestimmt werden. Auch in der bislang vorliegenden Literatur, die sich im Hinblick auf Erwägungsgrund 146 wohl für ein weites Verständnis des Schadensbegriffes ausspricht, sind die Details und der genaue Umfang des Anspruchs noch unklar (vgl. [X.]/[X.], in: [X.], [X.], 2. Aufl., 2018, Art. 82 Rn. 12 f.; [X.], in: [X.] Datenschutzrecht, [X.]., 11/2020, Art. 82 Rn. 23 f.; Bergt, in: [X.]/[X.], [X.] BDSG, 3. Aufl., 2020, Art. 82 Rn. 17 f.; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.] gen. [X.], Datenschutzrecht, 1. Aufl., 2019, Art. 82 Rn. 11 f.; [X.], in: [X.]/[X.], [X.] BDSG, 2. Aufl., 2018, Art. 82 Rn. 10). Von einer richtigen Anwendung des Unionsrechts, die derart offenkundig ist, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bliebe (acte clair), konnte das Amtsgericht ebenfalls nicht ausgehen. Dies gilt umso mehr, als Art. 82 [X.] ausdrücklich immaterielle Schäden einbezieht.

bb) Die angegriffene Entscheidung zeigt, dass das Amtsgericht die Problematik der Auslegung des Art. 82 Abs. 1 [X.] durchaus gesehen hat. Es hat sodann aber verfassungsrechtlich relevant fehlerhaft eine eigene Auslegung des Unionsrechts vorgenommen, indem es sich für die Ablehnung des Anspruchs auf ein Merkmal fehlender Erheblichkeit gestützt hat, das so weder unmittelbar in der [X.] angelegt ist, noch von der Literatur befürwortet oder vom [X.] verwendet wird.

Gleiches gilt für den vom Beschwerdeführer mit angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts, mit dem es die erhobene [X.] des Beschwerdeführers zurückgewiesen hat. Auch hier rekurriert das Amtsgericht auf das Bestehen eines bislang ungeklärten Merkmals eines Bagatellverstoßes im Rahmen des Art. 82 Abs. 1 [X.].

cc) Die Antwort auf die Rechtsfrage, wie Art. 82 Abs. 1 [X.] vor dem Hintergrund von Erwägungsgrund 146 in Fällen der Übersendung einer Email ohne Zustimmung auszulegen ist, war für die Entscheidung über den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Zahlungsanspruch entscheidungserheblich.

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 [X.].

Meta

1 BvR 2853/19

14.01.2021

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend AG Goslar, 11. November 2019, Az: 28 C 7/19, Beschluss

Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, Art 267 Abs 3 AEUV, Art 82 Abs 1 EUV 2016/679, Erwägungsgrund 146 S 3 EUV 2016/679

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 14.01.2021, Az. 1 BvR 2853/19 (REWIS RS 2021, 9551)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9551

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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