Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 09.02.2017, Az. 1 BvR 967/15

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2017, 15871

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

ÖFFENTLICHES RECHT PROMINENTE BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) GRUNDRECHTE PRESSE PRESSEFREIHEIT RECHT AM EIGENEN BILD

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung der Pressefreiheit (Art 5 Abs 1 S 2 GG) durch Pflicht zur Unterlassung einer Bildberichterstattung - hier: Prozessberichterstattung unter Abbildung des prominenten Angeklagten auf dem Weg zu seiner Verteidigerin - Gegenstandswertfestsetzung


Tenor

1. Das Urteil des [X.] vom 3. April 2013 - 28 O 400/12 - und das Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2013 - 15 U 64/13 verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss des [X.] vom 24. März 2015 - [X.] - gegenstandslos.

3. Das [X.] hat der Beschwerdeführerin die ihr im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. [X.] wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen, die sie zur Unterlassung einer Bildberichterstattung verpflichten.

2

1. Kläger des Ausgangsverfahrens ist ein bekannter Wettermoderator, der von März bis Ende Juli 2010 wegen des Verdachts der Vergewaltigung in Untersuchungshaft saß. Der Strafprozess dauerte von September 2010 bis Mai 2011 und endete mit einem Freispruch. Beschwerdeführerin und Beklagte des Ausgangsverfahrens ist die Betreiberin der Internetseite … Die Beschwerdeführerin begleitete den Strafprozess mit einer umfangreichen Berichterstattung. Am 18. Mai 2011 berichtete sie unter der Überschrift "[X.] - Bringt ein Tampon … in den Knast?" ausführlich über das staatsanwaltschaftliche Plädoyer. Sie illustrierte die Wortberichterstattung mit einem Lichtbild des [X.], das ihn wenige Meter vom Eingang der Kanzlei seiner Verteidigerin auf dem Gehweg mit Kappe und Holzfällerhemd, ein Sakko in der Hand haltend, zeigt und die Bildunterschrift. "…-PROZESS - Wetter-Moderator wegen Vergewaltigung angeklagt - … am Mittwoch vor Beginn der Verhandlung" trägt. Der Kläger begehrte im Ausgangsverfahren die Unterlassung der Bildberichterstattung.

3

2. Das [X.] gab der Unterlassungsklage des [X.] statt und stützte die Verurteilung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen: Gerade bei unterhaltenden Inhalten bedürfe es in besonderem Maße einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen mit dem Ziel eines möglichst schonenden Ausgleichs zum Persönlichkeitsschutz des Betroffenen. Die streitgegenständlichen Abbildungen stellten kein Ereignis der Zeitgeschichte dar, da sie eine Selbstverständlichkeit abbildeten: den Besuch des [X.] bei seiner Verteidigung vor einer Verhandlung. Dass er dabei Holzfällerhemd und Kappe trage und sein Sakko in der Hand halte, sei aus sich heraus ebenfalls ohne Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung. Die Abbildungen ergänzten auch nicht die Wortberichterstattungen, die durchaus ein zeitgeschichtliches Ereignis zum Gegenstand hätten, nämlich das Plädoyer des Staatsanwaltes. Das Bild stehe nicht im Zusammenhang mit diesem Plädoyer. Dass der Kläger bei dieser Verhandlung persönlich anwesend gewesen sei, sei weder Gegenstand der Wortberichterstattung noch berichtenswerte Besonderheit. Das Bild sei auch nicht als kontextneutrales [X.] zulässig, da es sich um kein kontextneutrales [X.] handle und zudem durch dessen Verwendung gerade keine Belästigungen vermieden würden. Nach Abwägung der widerstreitenden Interessen unter besonderer Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des [X.] verletze die Bildberichterstattung diesen in seinen berechtigten Interessen im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG. Das Bildnis selbst sei ohne Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung. Die geschützten Interessen des [X.] überwögen, da er in seiner Privatsphäre betroffen sei. Er habe sich auf dem Weg zu seiner Strafverteidigerin befunden. Die Vorbereitung des Strafprozesses falle in den privaten Bereich des [X.]. Daran ändere nichts, dass er sich im öffentlichen Straßenraum befunden habe. Auch in diesem bestehe ein Anspruch auf Privatheit. Hierzu komme, dass das Bildnis heimlich angefertigt worden sei und der Kläger hierdurch Nachstellungen ausgesetzt sei, die das Mandatsverhältnis zu seiner Verteidigerin beeinträchtigen könnten.

4

3. Das [X.] wies die Berufung der Beschwerdeführerin zurück. Nach Darstellung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe führt das [X.] zusammengefasst aus, dass die Veröffentlichung des vom Kläger beanstandeten [X.]s als unzulässig einzuordnen sei. Dem [X.] komme kein zeitgeschichtlicher Informationswert zu. Erst aus dem Text unter dem Bild ergebe sich, dass der Kläger vor dem Beginn der in dem Beitrag im Übrigen thematisierten Verhandlung abgebildet sei. Auf dem Boden dieses sich erst aus dem Kontext erschließenden Informationswertes des [X.]s falle aber die bereits im Rahmen der Zuordnung des Bildnisses zu dem Bereich eines zeitgeschichtlichen Ereignisses (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) vorzunehmende Abwägung der kollidierenden Interessen zu Lasten der Beschwerdeführerin aus. Denn das veröffentlichte [X.] sei nur von äußerst schwachem Informationswert. Dem stehe ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre des [X.] gegenüber. Der Beitrag befasse sich mit einem zeitgeschichtlichem Ereignis, dem Strafverfahren gegen den Kläger, in das der Kläger als Angeklagter involviert sei. Zwischen dem mit dem illustrierten Beitrag wahrgenommenen Informationsinteresse der Beschwerdeführerin und dem damit verbundenen Eingriff in die Belange des Bildnis- und Persönlichkeitsschutzes des [X.] bestehe keine hinreichende Korrelation. Der Kläger sei in einer Situation der bloßen Vorbereitung auf dem Weg zur Hauptverhandlung an dem in Rede stehenden Tag festgehalten. Der Gang zu seiner Verteidigerin bilde eine vorgelagerte "Vorstufe". Diese Vorstufe sei jedenfalls noch dem äußeren Bereich der Privatsphäre zuzuordnen. Der Kläger sei erkennbar in einer Phase des "auf sich selbst [X.]" und insofern der Entspannung von den Anforderungen der Hauptverhandlung, die regelmäßig ein kontrolliertes Auftreten und Verhalten abverlange, abgebildet. Seine Kleidung signalisiere, dass sich der Kläger noch als "private" Person vor dem bevorstehenden "offiziellen Auftritt" befinde. Er durfte erwarten, keinen Bildnachstellungen ausgesetzt zu sein. Für das mit dem Beitrag verfolgte [X.] der Beschwerdeführerin habe das in Rede stehende [X.] nur eine geringe Funktion. Die Bildinformation sei banal und nur von geringem Informationswert. Im Ergebnis nichts anderes gelte unter Würdigung des Umstandes, dass [X.]veröffentlichungen auch [X.] für die begleitende Berichterstattung und die darin behandelte Thematik entfalten könnten. Der [X.] sei als gering einzuordnen. Denn das Aussehen des [X.] sei im Berichtszeitpunkt bereits weithin aus vielfältiger medialer Berichterstattung bekannt.

5

4. Der [X.] wies die Nichtzulassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zurück.

6

5. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Urteile des [X.]s und des [X.]s und rügt die Verletzung ihrer Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und des Willkürverbots aus Art. 3 Abs. 1 GG.

7

6. Der Kläger der Ausgangsverfahren und das [X.] des [X.] erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger machte von seinem [X.] Gebrauch. Die Akten der Ausgangsverfahren lagen dem [X.] vor.

8

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.] zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]).

9

1. Das [X.] hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt sowohl für die Reichweite des Privatsphärenschutzes (vgl. [X.] 120, 180) als auch für das Verhältnis zwischen der Meinungs- und Pressefreiheit einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht andererseits (vgl. [X.] 101, 361).

2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.] offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrer Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Es kann offen bleiben, ob die Veröffentlichungen der Beschwerdeführerin auf ihrer Internetseite neben der Pressefreiheit auch von der [X.] geschützt sind, da die freie Bestimmung von Inhalt und Form von beiden Grundrechten gewährleistet ist und die [X.] insoweit jedenfalls keinen weiteren Schutz gewährleistet.

a) Im Zentrum der grundrechtlichen Gewährleistung der Pressefreiheit steht das Recht, Art und Ausrichtung sowie Inhalt und Form des [X.] frei zu bestimmen. Dazu zählt auch die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird. [X.] nehmen an dem verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Bebilderung sie dienen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 14. Februar 2005 - 1 BvR 240/04 -, NJW 2005, S. 3271 <3272>). Der Schutz der Pressefreiheit umfasst dabei auch die Abbildung von Personen (vgl. [X.] 101, 361 <389>; 120, 180 <196>).

b) Die angegriffenen Entscheidungen, die die Verwendung des Lichtbildes zu Berichterstattungszwecken untersagen, greifen in dieses Recht auf freie Bestimmung ein.

c) Bei der Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Beeinträchtigung der Pressefreiheit rechtfertigen können, hier der Vorschriften der § 823 Abs. 1 und 2, § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog BGB, §§ 22 f. KUG, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, haben die Gerichte Bedeutung und Tragweite der Pressefreiheit nicht hinreichend beachtet.

aa) Die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts obliegt zunächst den Fachgerichten und wird vom [X.] nur daraufhin überprüft, ob der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung der zivilrechtlichen Normen und auf die Abwägung der kollidierenden Schutzgüter hinreichend beachtet ist oder ob die Entscheidungen der Zivilgerichte auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung des Grundrechts beruhen (vgl. [X.] 7, 198 <205 ff.>; 91, 125 <136>; 99, 185 <196>; 120, 180 <199 f.>; stRspr.).

bb) Die Vorschriften über die Veröffentlichung fotografischer Abbildungen von Personen in §§ 22 ff. KUG enthalten mit dem in § 22 Satz 1 KUG geregelten Einwilligungsvorbehalt für die Verbreitung von [X.], seiner Durchbrechung insbesondere für die in § 23 Abs. 1 Ziffer 1 KUG genannten Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte und der in § 23 Abs. 2 KUG geregelten Rückausnahme für den Fall einer Verletzung berechtigter Interessen des Abgebildeten ein abgestuftes Schutzkonzept, das sowohl dem Schutzbedürfnis der abgebildeten Person wie den von den Medien wahrgenommenen Informationsinteressen der Allgemeinheit Rechnung trägt (vgl. [X.] 35, 202 <224 f.>; 101, 361 <387>; 120, 180 <202>). Auch die Normalität des Alltagslebens oder in keiner Weise anstößige Handlungsweisen prominenter Personen dürfen der Öffentlichkeit vor Augen geführt werden, wenn dies der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interessen dienen kann (vgl. [X.] 101, 361 <390>; 120, 180 <204>).

cc) Das Gewicht der das Persönlichkeitsrecht beschränkenden Pressefreiheit wird davon beeinflusst, ob die Berichterstattung eine Angelegenheit betrifft, welche die Öffentlichkeit wesentlich berührt (vgl. [X.] 7, 198 <212>; 120, 180 <203>; stRspr). Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, etwa der Frage, ob private Angelegenheiten ausgebreitet werden, die lediglich die Neugier befriedigen (vgl. [X.] 34, 269 <283>; 101, 361 <391>). Die Anerkennung der Bedeutung der Presseberichterstattung für die öffentliche und individuelle Meinungsbildung bewirkt nicht automatisch, dass der besondere persönlichkeitsrechtliche Bildnisschutz des Abgebildeten stets zurückzutreten hat, also jedwede Bebilderung von Medienerzeugnissen verfassungsrechtlich gewährleistet ist ([X.] 120, 180 <205>). Die Abwägung hat aber das vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasste Recht der Presse zu berücksichtigen, nach ihren publizistischen Kriterien zu entscheiden, was öffentliches Interesse beansprucht (vgl. [X.] 101, 361 <392>; 120, 180 <205>). Soweit das Bild nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, ist sein Informationswert im Kontext der dazu gehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln ([X.] 120, 180 <206> m.w.N.). So können Bilder einen Wortbericht ergänzen und dabei der Erweiterung seines Aussagegehalts dienen, etwa der Unterstreichung der Authentizität des Geschilderten. Auch kann ein von Art. 5 Abs. 1 GG geschütztes Informationsanliegen darin liegen, durch Beigabe von Bildnissen der an dem berichteten Geschehen beteiligten Personen die Aufmerksamkeit des Lesers für den Wortbericht zu wecken ([X.] 120, 180 <206>).

dd) Für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes wird neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung, etwa durch Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrliche Nachstellung, auch bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird. Das Gewicht der mit der Abbildung verbundenen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts ist erhöht, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise der öffentlichen Erörterung entzogenen Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt. Gleiches gilt, wenn der Betroffene nach den Umständen, unter denen die Aufnahme gefertigt wurde, typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden, etwa weil er sich in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation, insbesondere einem besonders geschützten Raum, aufhält (vgl. [X.] 120, 180 <207>).

ee) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht. [X.] und [X.] nehmen in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Weise an, dass die Belange des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des [X.] überwiegen.

Die Gerichte berücksichtigen nicht ausreichend das Gewicht der Pressefreiheit aufgrund des großen öffentlichen Informationsinteresses. Der Prozess gegen den Kläger stellte ein zeitgeschichtliches Ereignis dar, das in der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt wurde. Hierbei war auch in die Abwägung einzustellen, dass der Kläger in der Öffentlichkeit bekannt war. Diesen Prominentenstatus haben die Gerichte bei der vorgenommenen Abwägung unzureichend berücksichtigt. Das Lichtbild zeigt den Kläger im öffentlichen Raum in einer alltäglichen Situation. Wie im Rahmen einer Alltagssituationen aufgreifenden Berichterstattung die Abbildung prominenter Personen im öffentlichen Raum zulässig sein kann, wenn es der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dient, muss dies auch für die hier in Frage stehende Prozessberichterstattung gelten. Im vorliegenden Fall kann sich der Kläger auch nicht auf den besonderen Schutz des Verteidigergesprächs berufen. Dieser wird durch das Bild nicht berührt. Weder vermittelt das Bild der Öffentlichkeit neue Informationen über sein Verteidigerteam noch über seine Verteidigungsstrategie. Auch bildet es ihn nicht in einer zurückgezogenen Situation bei der Beratung mit seiner Verteidigerin ab. Vielmehr zeigt es ihn im öffentlichen Verkehrsraum vor der Kanzlei seiner Verteidigerin, mit der er sich auf den Weg zur Hauptverhandlung begeben wird. Anders als die Gerichte darlegen, durfte der Kläger hier nicht die berechtigte Erwartung haben, nicht in den Medien abgebildet zu werden, etwa weil er sich in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation befunden habe. Der Kläger befand sich vielmehr in einem öffentlichen Bereich und konnte aufgrund der Gesamtumstände - des Strafverfahrens gegen ihn und der Tatsache, dass ein weiterer Prozesstag bevorstand - nicht ausschließen, dass er dort wahrgenommen wird.

3. Das angefochtene Urteil beruht auf dem Grundrechtsverstoß, denn es ist nicht auszuschließen, dass das [X.] zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre, wenn es Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in seiner Tragweite für die zu entscheidenden Fragen berücksichtigt hätte (vgl. [X.] 61, 1 <13>; 93, 266 <294>).

4. Wegen der festgestellten Verletzung der Pressefreiheit der Beschwerdeführerin kommt es auf die Rüge der Verletzung des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht an. Das Urteil ist aufzuheben. Die Sache ist an das [X.] zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 [X.]).

5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 [X.]. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. [X.] 79, 365 <366 ff.>).

Meta

1 BvR 967/15

09.02.2017

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Köln, 19. Dezember 2013, Az: 15 U 64/13, Urteil

Art 5 Abs 1 S 2 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 823 Abs 1 BGB, § 1004 BGB, §§ 22ff KunstUrhG, § 22 KunstUrhG, § 23 Abs 1 Nr 1 KunstUrhG, § 23 Abs 2 KunstUrhG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 09.02.2017, Az. 1 BvR 967/15 (REWIS RS 2017, 15871)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1376 REWIS RS 2017, 15871

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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