Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.11.2011, Az. VI ZR 26/11

6. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1245

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Gegenstand

Persönlichkeitsschutz in der Presse: Identifizierende Wort- und Bildberichterstattung über einen Politiker in einem Artikel über dessen prominente Lebensgefährtin


Leitsatz

Zur Zulässigkeit einer identifizierenden Wort- und Bildberichterstattung über einen Politiker in einem Presseartikel betreffend dessen prominente Lebensgefährtin.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 13. Januar 2011 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Mitglied des [X.] und der Freund der Schlagersängerin, Moderatorin und Schauspielerin [X.]. Am 3. Dezember 2009 veröffentlichte die Beklagte in der Ausgabe Nr. 50 der von ihr verlegten Zeitschrift "[X.]" einen auf der Titelseite mit den Worten "[X.]S TRAUMJAHR" und der Unterzeile "Neue Liebe macht ihr Glück perfekt" angekündigten und mit "Die [X.] Story" betitelten Beitrag über [X.]. Darin wird u.a. berichtet, dass der Kläger "[X.] neuer Freund" sei und aus H.     in [X.] stamme. Des Weiteren werden sein Alter, seine Größe und sein Sternzeichen genannt und mitgeteilt, er sei gelernter Krankenpfleger. Weiter heißt es dort: "Sein großes Hobby ist die Musik, seine Leidenschaft die Politik. Für die Partei "[X.]" sitzt [X.] seit 2007 im [X.]." Der Beitrag ist mit einem Porträtfoto des [X.] bebildert, unter dem es heißt: "Der Neue [X.] Freund S.[X.] ist Politiker in Magdeburg."

2

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung einer erneuten Veröffentlichung des Bildes mit dieser Unterzeile und - im Zusammenhang mit einer privaten Beziehung zu Frau [X.] - einer identifizierenden Berichterstattung unter Nennung seines Namens und/oder seines Alters. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg und führte zur Klageabweisung. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung identifizierender Berichterstattung im Zusammenhang mit einer privaten Beziehung zu Frau [X.] nicht zu. Die Abwägung der betroffenen [X.] ergebe, dass die Wortberichterstattung rechtmäßig sei. Frau [X.] sei aufgrund ihrer Fernsehauftritte als Moderatorin verschiedener Fernsehsendungen einem breiten Publikum bekannt. An dem Umstand, wer ihr neuer Lebensgefährte sei, bestehe ein öffentliches Informationsinteresse. Sie trete gegenüber der Öffentlichkeit als "Single" auf und habe in den Jahren 2008 und 2009 in [X.] u.a. Fragen danach beantwortet, "woran es liege, dass sie keinen Partner habe" und "wie ihr [X.]" sein müsse. Sie geriere sich als Spezialistin in Sachen "Partnerberatung" und nehme auf die öffentliche Meinungsbildung einen nicht unerheblichen Einfluss. Deshalb bestehe an der Frage, ob sich Frau [X.] entgegen ihrer öffentlichen Darstellung mit einem Partner liiert habe und wie sie die von ihr repräsentierten Werte lebe, ein öffentliches Interesse. Aufgrund dieses, aus der Person von Frau [X.] abgeleiteten, öffentlichen Interesses müsse auch der Kläger einen Bericht darüber hinnehmen, dass er mit Frau [X.] liiert sei. Ein gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit sei nicht Voraussetzung für eine identifizierende Berichterstattung. Für deren Zulässigkeit spreche vorliegend, dass der Kläger keine der Öffentlichkeit bislang unbekannte Person sei. Zwar sei er als Landtagsabgeordneter bei Weitem nicht so bekannt wie Frau [X.]. In seiner Funktion als [X.] trete er jedoch öffentlich auf. Seine Website zeige ein Porträtfoto und enthalte Angaben über persönliche Daten wie Geburtsdatum, Geburtsort, Ausbildung, beruflichen Werdegang sowie politische und gesellschaftliche Funktionen und Ehrenämter. Der Kläger habe gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung des Bildes mit der erwähnten Unterzeile. Bei dem Foto handele es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Es sei eine kontextneutrale Abbildung, deren Verbreitung die berechtigten Interessen des [X.] nicht verletze. Dieser habe kein berechtigtes Interesse, anonym zu bleiben und überhaupt nicht abgebildet zu werden. Er trete als Landtagsabgeordneter in der Öffentlichkeit auf und habe auf seiner Website selbst ein Porträtfoto veröffentlicht. Die Bildveröffentlichung sei deshalb nicht zu beanstanden.

II.

4

Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

5

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Berufung auch insoweit zulässig, als das [X.] die Beklagte zur Unterlassung der erneuten Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses verurteilt hat.

6

a) Allerdings genügt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] eine Berufungsbegründung den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. - nunmehr § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO - nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht (vgl. Senatsurteil vom 13. November 2001 - [X.], [X.], 999, 1000 [X.]; [X.], Beschlüsse vom 25. November 1999 - [X.], [X.]Z 143, 169, 171 und vom 10. Januar 1996 - [X.], NJW-RR 1996, 572; [X.], Urteile vom 13. November 1997 - [X.], [X.], 1081, 1082; vom 18. Juni 1998 - [X.], [X.], 3126 und vom 18. Juli 2001 - [X.], [X.], 1304, 1305). Diese Anforderungen sind durch die Neufassung in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO nicht verringert worden. Vielmehr dient diese Vorschrift dem Zweck, eine Klarstellung und Konzentration des Streitstoffs für die Berufungsinstanz zu erreichen. Deshalb muss der Berufungsführer mit der Berufungsbegründung klarstellen, in welchen Punkten und mit welcher Begründung er das Berufungsurteil angreift. Im Falle der uneingeschränkten Anfechtung muss die Berufungsbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen; bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen muss sie sich grundsätzlich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt wird ([X.], Urteile vom 28. Mai 2003 - [X.], [X.], 1064, 1065; vom 27. November 2003 - [X.], [X.], 442 f. und vom 26. Januar 2006 - I ZR 121/03, [X.], 859 Rn. 22; vgl. auch Musielak/Ball, ZPO, 8. Aufl., § 520 Rn. 38; [X.]/[X.], ZPO, 29. Aufl., § 520 Rn. 27). Auch wenn sich der Rechtsmittelführer nicht mit allen für ihn nachteilig beurteilten Punkten in seiner Berufungsbegründung auseinandersetzen muss, genügt es nicht, um das angefochtene Urteil insgesamt in Frage zu stellen, wenn er sich nur mit einem Berufungsgrund befasst, der nicht den ganzen Streitstoff betrifft (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2006 - [X.], [X.], 414 Rn. 7).

7

b) Entgegen der Auffassung der Revision hat die Beklagte mit ihrer Berufungsbegründung nicht nur ihre Verurteilung zur Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung angegriffen, sondern sich auch dagegen gewandt, dass das [X.] ihr die erneute Veröffentlichung des Bildnisses untersagt hat. Allerdings kann im Einzelfall die Zulässigkeit einer Bildberichterstattung anders zu beurteilen sein als die einer Wortberichterstattung, denn der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen eine Presseberichterstattung reicht hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildern einerseits und der Wortberichterstattung andererseits unterschiedlich weit (Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - [X.]/08, [X.]Z 187, 200 Rn. 8 ff.; [X.], NJW 2011, 740 Rn. 52). Angesichts dessen, dass das [X.] bei der Begründung des Unterlassungsanspruchs nicht zwischen Wort- und Bildberichterstattung differenziert, sondern hinsichtlich beider Klageanträge eine einheitliche Abwägung vorgenommen hat, bezog sich der gegen diese Entscheidung gerichtete Berufungsangriff der [X.] ersichtlich sowohl auf das Verbot der Wortberichterstattung als auch auf das der Bildberichterstattung. Die Beklagte hat in ihrer Berufungsbegründung nämlich die Auffassung des [X.]s beanstandet, "eine identifizierende Berichterstattung im Zusammenhang mit der privaten Beziehung zu Frau [X.], also die Nennung seines Namens und seines Alters sowie die Veröffentlichung seines Porträtfotos, verletze den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht." Dieser Berufungsangriff ist umfassend und deshalb geeignet, das erstinstanzliche Urteil insgesamt in Frage zu stellen.

8

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung identifizierender Wortberichterstattung im Zusammenhang mit einer privaten Beziehung zu Frau [X.] zusteht.

9

a) Allerdings wird das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht des [X.] durch die Veröffentlichung der angegriffenen Textpassage in dem Artikel der [X.] vom 3. Dezember 2009 beeinträchtigt.

aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] und des erkennenden Senats umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen (vgl. [X.]E 34, 238, 245; 35, 202, 220; [X.], [X.], 562; Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 - [X.], [X.]Z 131, 332, 337; vom 9. Dezember 2003 - [X.], [X.], 522 und vom 26. Oktober 2010 - [X.]/08, aaO Rn. 10, 13, jeweils [X.]). Dabei ist der Schutz der Privatsphäre sowohl thematisch als auch räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres [X.] typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern ([X.]E 80, 367), bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten ([X.]E 27, 344), im Bereich der Sexualität ([X.]E 47, 46; 49, 286), bei sozial abweichendem Verhalten ([X.]E 44, 353) oder bei Krankheiten ([X.]E 32, 373) der Fall ist. Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung anderer, wären die Auseinandersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation unter Nahestehenden, die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe beeinträchtigt oder unmöglich, obwohl es sich um grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen handelt (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - [X.] unter II 1 a) bb) (1), [X.]; vgl. auch [X.]E 101, 361, 382).

bb) Nach diesen Grundsätzen beeinträchtigt die beanstandete Wortberichterstattung den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, denn in dem von der [X.] veröffentlichten Artikel werden Informationen über seine privaten Angelegenheiten, nämlich insbesondere über seine Beziehung zu Frau [X.] wiedergegeben, deren Bekanntwerden er - aus welchen Gründen auch immer - nicht wünscht, sondern vielmehr geheim halten möchte.

b) Diese Beeinträchtigung hat der Kläger aber hinzunehmen.

aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der [X.] interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 2003 - [X.], aaO S. 523; vom 11. März 2008 - [X.], [X.], 695 Rn. 13 und - [X.], [X.], 793 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - [X.], [X.], 555 Rn. 17; vom 22. September 2009 - [X.], [X.], 1545 Rn. 16; vom 20. April 2010 - [X.], [X.], 2728 Rn. 12; [X.]E 114, 339, 348 [X.]; 120, 180, 200 f.; [X.], [X.], 365 Rn. 17; [X.], 480 Rn. 61). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 21. Juni 2005 - [X.], [X.], 1403, 1404; vom 17. November 2009 - [X.], [X.], 220 Rn. 20 ff. [X.]; vom 15. Dezember 2009 - [X.], [X.]Z 183, 353 Rn. 11 - Onlinearchiv I; vom 9. Februar 2010 - [X.], [X.], 673 Rn. 14 - Onlinearchiv II und vom 20. April 2010 - [X.], aaO).

bb) Im Streitfall sind das Interesse des [X.] am Schutz seiner Persönlichkeit einerseits und die durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 [X.] geschützten Äußerungsinteressen der [X.] andererseits abzuwägen. Denn der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf die Äußerung von Tatsachen, soweit sie [X.] zur Meinungsbildung dienen können (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 2006 - [X.], [X.], 249 Rn. 15; vom 11. März 2008 - [X.], [X.], 695 Rn. 12; vom 22. April 2008 - [X.], [X.]Z 176, 175 Rn. 16; vom 2. Dezember 2008 - [X.], [X.], 365 Rn. 14; vom 3. Februar 2009 - [X.], [X.], 555 Rn. 11 jeweils [X.]; [X.]E 61, 1, 8; 71, 162, 179; 99, 185, 197). Dies ist bei der streitgegenständlichen Äußerung, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, der Fall.

cc) In der Rechtsprechung des [X.] sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. [X.], [X.], 365 Rn. 17; [X.], 480 Rn. 61 f., jeweils [X.]). Danach müssen wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine [X.] Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. [X.]E 97, 391, 404 f.; [X.], [X.], 365 Rn. 17; [X.], 145 Rn. 25).

dd) Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des [X.] am Schutz seiner Persönlichkeit hinter dem von der [X.] verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten.

(1) Der Kläger ist nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine in der Öffentlichkeit unbekannte Person. Er ist Landtagsabgeordneter und tritt in dieser Funktion öffentlich auf. Auf seiner mit einem Porträtfoto bebilderten Website finden sich Angaben zu Geburtsdatum, Geburtsort, Ausbildung und beruflicher Weiterbildung sowie politischen und gesellschaftlichen Funktionen und Ehrenämtern. Im Hinblick darauf besteht nicht von vornherein ein schützenswertes Interesse an der Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung über Herkunft, Alter, Sternzeichen und Beruf. Die darüber hinaus beanstandeten Informationen wie seine Körpergröße und die Aussage, dass sein großes Hobby die Musik und seine Leidenschaft die Politik sei, enthalten keine unwahren Tatsachenbehauptungen oder ehrenrührige Meinungsäußerungen. Insoweit handelt es sich weitgehend um Angaben, die noch der Sozialsphäre zuzurechnen sind. In diesem Bereich ist dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Einzelnen von vornherein ein tendenziell größeres Gewicht zuzuerkennen (Soehring, Pressrecht, 4. Aufl. § 19 Rn. 39).

Auch soweit einzelne Angaben in dem Artikel die Privatsphäre des [X.] betreffen, hat dieser die beanstandete Berichterstattung hinzunehmen. Das Berufungsgericht hat im Hinblick darauf, dass der Kläger Politiker ist und in dem Artikel wahrheitsgemäß darüber berichtet wird, dass er der Lebensgefährte der einem breiten Fernsehpublikum bekannten Schlagersängerin, Moderatorin und Schauspielerin [X.] sei, ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit mit Recht bejaht. Die nach der Rechtsprechung des [X.] bedeutsame Funktion der Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit" kann es bei Personen des öffentlichen Lebens, insbesondere bei Politikern, rechtfertigen, der Öffentlichkeit im Einzelfall ein Recht auf Informationen auch über Aspekte ihres Privatlebens zuzubilligen (vgl. [X.], 2647, 2649 f.; [X.] NJW 2006, 2835 Rn. 15 [X.]). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass in einer parlamentarischen Demokratie bei Politikern im Einzelfall durchaus Umstände der privaten Lebensführung vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit umfasst sein können. So verhält es sich im Streitfall.

(2) Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (Senatsurteile vom 10. März 2009 - [X.], [X.]Z 180, 114 Rn. 12; vom 9. Februar 2010 - [X.], aaO Rn. 34 [X.]; [X.]E 34, 269, 283; 101, 361, 391; [X.], [X.], 849 Rn. 28; [X.]E 120, 180, 205). Andererseits gehört es zum [X.] der Pressefreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht (vgl. Senatsurteile vom 10. März 2009 - [X.], aaO Rn. 11; vom 1. Juli 2008 - [X.], [X.], 1411 Rn. 14 und vom 7. Juni 2011 - [X.], [X.], 1065 Rn. 17; [X.]E 87, 181, 201; 95, 220, 234; 97, 228, 257; 101, 361, 392; 120, 180, 197 = NJW 2008, 1793, 1794 Rn. 42; [X.], NJW 2000, 1859, 1860). Dabei können auch unterhaltende Beiträge, etwa über prominente Personen, am Schutz der Pressefreiheit teilnehmen (vgl. etwa Senatsurteile vom 10. März 2009 - [X.], aaO und vom 14. Oktober 2008 - [X.], aaO Rn. 14; [X.]E 35, 202, 222 f.; 59, 231, 258; 101, 361, 389 f.; 120, 180, 197; [X.], NJW 2000, 1859, 1860 f.). Zu dieser Freiheit gehört es auch, dass über den [X.]n Kontext einer Person berichtet wird. Der Persönlichkeitsschutz greift erst dann, wenn die beanstandeten Äußerungen für sich genommen oder im Zusammenhang mit der Bildberichterstattung einen eigenständigen Verletzungseffekt aufweisen, der ihr Verbot rechtfertigen könnte, etwa wenn sie in den besonders geschützten [X.]bereich der Privatsphäre des Betroffenen eingreifen oder Themen betreffen, die von vornherein überhaupt nicht in die Öffentlichkeit gehören (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 - [X.], aaO Rn. 19, [X.]).

(3) Diese Grenze wird mit der vom Kläger angegriffenen Berichterstattung nicht überschritten. Mit Recht führt das Berufungsgericht aus, dass die den Kläger betreffenden Äußerungen keinen eigenständigen Verletzungsgehalt aufweisen und die Intensität der Beeinträchtigung gering ist. Sie ist in keiner Weise herabsetzend oder gar ehrverletzend.

3. Entgegen der Auffassung der Revision hat der Kläger gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses.

a) Für die Zulässigkeit einer Bildberichterstattung gelten nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats folgende Grundsätze:

aa) Die Zulässigkeit von [X.] ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - [X.], [X.]Z 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 28. Oktober 2008 - [X.], [X.], 268 Rn. 8 ff. [insoweit in [X.]Z 178, 213 nicht abgedruckt]; vom 10. März 2009 - [X.], [X.]Z 180, 114 Rn. 9 ff.; zuletzt Senatsurteile vom 9. Februar 2010 - [X.], [X.], 673 Rn. 32 ff.; vom 13. April 2010 - [X.], [X.], 1090 Rn. 11 ff.; vom 26. Oktober 2010 - [X.]/08, [X.], 127 Rn. 13 ff. vom 7. Juni 2011 - [X.], [X.], 1065 Rn. 14 ff. und vom 18. Oktober 2011 - [X.], [X.]), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. [X.]E 120, 180, 201 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des [X.] im Einklang steht (vgl. [X.], 2647 und 2006, 591). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

bb) Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 [X.] einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 [X.] andererseits (vgl. etwa Senatsurteile vom 10. März 2009 - [X.], aaO Rn. 10 und vom 9. Februar 2010 - [X.], aaO Rn. 33; [X.]E 120, 180, 201 ff., 213) . Dabei ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher die Pressefreiheit und zugleich den Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre ausreichend berücksichtigt (Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - [X.], aaO Rn. 14 f.; vom 9. Februar 2010 - [X.], [X.], 673 Rn. 33 [X.]; [X.]E 101, 361, 391). Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen; er umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - [X.], aaO Rn. 14; vom 9. Februar 2010 - [X.], aaO; vom 13. April 2010 - [X.], [X.], 1090 Rn. 12, jeweils [X.]).

cc) Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (Senatsurteile vom 10. März 2009 - [X.], aaO Rn. 12; vom 9. Februar 2010 - [X.], aaO Rn. 34 [X.]; [X.]E 34, 269, 283; 101, 361, 391; [X.], [X.], 849 Rn. 28; [X.]E 120, 180, 205).

Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist dabei im Gesamtkontext, in den das [X.] gestellt ist, und unter Berücksichtigung der zugehörigen Wortberichterstattung zu ermitteln. Daneben sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Bildberichterstattung und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 - [X.], aaO Rn. 24; vom 9. Februar 2010 - [X.], aaO Rn. 35; [X.]E 120, 180, 205, 206 f.).

dd) Der erkennende Senat hat dementsprechend hinsichtlich der Zulässigkeit einer Bildberichterstattung bereits mehrfach berücksichtigt, ob bei der Presseberichterstattung die Abbildung eines anlässlich eines zeitgeschichtlichen Ereignisses gefertigten Fotos nur zum Anlass zu Ausführungen über eine Person genommen wird oder die Berichterstattung nur dazu dient, einen Anlass für die Abbildung prominenter Personen zu schaffen, ohne dass die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung erkennen lässt; in solchen Fällen ist es nicht angezeigt, dem Veröffentlichungsinteresse den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz einzuräumen (vgl. Senatsurteile vom 9. März 2004 - [X.], [X.]Z 158, 218, 223 f.; vom 28. September 2004 - [X.], [X.], 83, 84; vom 6. März 2007 - [X.], [X.]Z 171, 275 Rn. 28 und - [X.], [X.], 697 Rn. 20 ff.; vom 1. Juli 2008 - [X.], [X.], 1506, 1508 Rn. 23; vom 14. Oktober 2008 - [X.], [X.], 513 Rn. 14 und - [X.], [X.], 78 Rn. 16; vom 17. Februar 2009 - [X.], [X.], 841 Rn. 14; ebenso [X.]E 120, 180, 206 f.).

b) Nach diesen Grundsätzen war die vom Kläger angegriffene Bildberichterstattung als solche über ein zeitgeschichtliches Ereignis zulässig.

aa) Das erforderliche Informationsinteresse ist hier zu bejahen. Der Artikel behandelt, soweit für diesen Rechtsstreit von Interesse, die private Beziehung des [X.] zu Frau [X.], die seinerzeit seine Lebensgefährtin war. Die Berichterstattung ist, wie oben dargelegt, vom öffentlichen Informationsinteresse gedeckt, ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, ob sie auch Darstellungen enthält, die man je nach der Einstellung zu weitgehend unterhaltenden Medienprodukten als belanglos oder spekulativ bewerten kann. Es ist nicht zulässig, Medienprodukte, die das Zeitgeschehen darstellen, ausschließlich an derartigen weitgehend subjektiven Wertungen zu messen. Entscheidend ist, dass der Artikel sowohl hinsichtlich der Wortberichterstattung als auch hinsichtlich des veröffentlichten Fotos einen noch ausreichenden Bezug zu der Beziehung des [X.] zu Frau [X.] hat und dieses Thema unter den Umständen des Falles von öffentlichem Interesse und demgemäß als zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zu beurteilen ist. Davon ist hier auszugehen, denn der Begriff der Zeitgeschichte wird nicht gegenstandsbezogen, etwa allein auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung, verstanden, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her bestimmt ([X.]E 101, 361, 392; [X.], NJW 2001, 1921, 1922 f.).

bb) Das veröffentlichte Foto hat nach der Art seiner Gewinnung und Darstellung auch keinen eigenständigen Verletzungsgehalt. Es handelt sich, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, um ein kontextneutrales Porträtfoto, dessen Veröffentlichung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des [X.] (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2002 - [X.]/01, [X.]Z 151, 26, 32 f.) und des [X.] (vgl. [X.] NJW 2001, 1921, 1924 f.; NJW 2006, 2835 Rn. 13) unbedenklich ist und die berechtigten Interessen des [X.] (§ 23 Abs. 2 KUG) nicht verletzt. Auf die Frage, ob die Zulässigkeit der Veröffentlichung des Bildnisses nach den Grundsätzen der früheren Rechtsprechung zu §§ 22, 23 KUG möglicherweise abweichend zu beurteilen wäre, kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht an.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Galke                                                  Zoll                                              [X.]

                           Pauge                                              von [X.]

Meta

VI ZR 26/11

22.11.2011

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 13. Januar 2011, Az: 10 U 110/10, Urteil

§ 823 Abs 1 BGB, § 22 KunstUrhG, § 23 KunstUrhG, Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 5 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.11.2011, Az. VI ZR 26/11 (REWIS RS 2011, 1245)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1245

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