Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.09.2001, Az. 5 StR 92/01

5. Strafsenat | REWIS RS 2001, 1480

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

STRAFRECHT FAMILIE STRAFVERFAHREN ERMITTLUNGSVERFAHREN STAATSANWALTSCHAFT GESUNDHEIT VERDACHTSBERICHTERSTATTUNG CORONAVIRUS AMTSGERICHT WEIMAR

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

Nachschlagewerk: [X.]: [X.]: [X.] § 339Zögerliche Bearbeitung einer Rechtssache innerhalb einesobjektiv vertretbaren Zeitraums ist Rechtsbeugung, wennder [X.] mit seiner Verfahrensweise aus sachfremdenErwägungen gezielt zum Vorteil oder Nachteil einer Partei handelt.[X.], Urt. v. 4. September 2001 - 5 [X.]/01 LG [X.][X.]5 [X.]/01BUNDESGERICHTSHOFIM [X.] DES VOLKESURTEILvom 4. September 2001in der Strafsachegegenwegen Rechtsbeugung- 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 4. Sep-tember 2001, an der teilgenommen haben:Vorsitzende [X.]in [X.],[X.],[X.]in [X.],[X.] Dr. Raum,[X.] Dr. [X.] beisitzende [X.],[X.] Vertreter der [X.],Rechtsanwalt [X.],Rechtsanwalt [X.] Verteidiger,[X.] Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,- 3 -für Recht erkannt:Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwalt-schaft wird das Urteil des [X.] vom13. Oktober 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andereStrafkammer des [X.] zurückverwiesen.[X.] Von Rechts wegen [X.]G r ü n d eDas [X.] hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung (durchUnterlassen) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 100 DM verur-teilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er seinenFreispruch erstrebt, führt ebenso wie die Revision der Staatsanwaltschaft,die unter anderem auf eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheit-lich mit Rechtsbeugung begangener Freiheitsberaubung gerichtet ist, mit derjeweils erhobenen Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils; ei-nes [X.] auf die vom Angeklagten zusätzlich erhobenen [X.] bedarf es daher nicht.[X.] -Nach den Feststellungen des [X.] kam es während einer vondem Angeklagten als Einzelrichter geleiteten Hauptverhandlung vor [X.] [X.] am 19. Mai 1999 zu erheblichen Störungen durch Zu-hörer. Diese äußerten lautstark ihren Unmut über den Angeklagten und blie-ben, als er das Urteil verkünden wollte, demonstrativ sitzen. Ein Zuhörerstellte sich auch nach Abmahnung durch den Angeklagten nicht aufrecht hin,worauf der Angeklagte ihm die Verhängung von Ordnungshaft zunächst an-drohte und, als der Zuhörer seine provozierende Haltung beibehielt, dreiTage Ordnungshaft verhängte. Im Rahmen des anschließenden Tumultsversuchte ein anderer Zuhörer über die Barriere zwischen [X.] zu steigen und trat um sich, als er von der Saalwachtmei-sterin daran gehindert werden sollte. Auch gegen diesen Störer verhängteder Angeklagte nach vorheriger Androhung, auf die der Zuhörer nicht rea-gierte, drei Tage Ordnungshaft. Beide Störer wurden sofort in Haft genom-men.Ein Prozeßbevollmächtigter der inhaftierten Zuhörer legte bereits et-wa eine Stunde danach Beschwerde gegen die [X.]. Der Angeklagte erfuhr hiervon noch am Nachmittag desselben Tageswährend einer bis kurz nach 16 Uhr dauernden weiteren Hauptverhandlung,in der ihm die Beschwerdeschrift durch [X.] vorgelegt wurde. [X.] die Beschwerden an diesem Tag nicht mehr. Am Vormittag desfolgenden Tages begab sich der Angeklagte zunächst nicht ins Gericht,sondern er erkundigte sich in einem Fachgeschäft nach [X.] für seine Wohnung, zu denen ihm von der [X.] geraten worden war. Gegen Mittag erklärte er [X.] der tatrichterlichen Feststellungen einem Journalisten, der ihn [X.] privaten Telefonnummer nach dem Stand des [X.] hatte, fler müsse ja nicht gleich springen, wenn Anwälte etwas vonihm wollten. So etwas müsse sorgfältig und in Ruhe geprüft werdenfl. [X.] möge diese Äußerung aber nicht veröffentlichen, sie sei nicht zi-- 5 -tierfähig. Als der Angeklagte gegen 14.30 Uhr im Gericht eintraf, diktierte erder Protokollführerin die [X.], die sie in das Hauptver-handlungsprotokoll einfügte. Von der Möglichkeit, die Strafakten anschlie-ßend selbst wieder in Empfang zu nehmen, machte er keinen Gebrauch. Erordnete vielmehr an, daß die Akten nach der erfolgten Ergänzung des [X.] in sein Fach zu legen seien, und bereitete dann bis 22 oder 23 [X.] des folgenden Tages vor. Die Beschwerden bear-beitete er auch an diesem Tag nicht mehr. Am 21. Mai 1999 wurden [X.], der ab 9.45 Uhr [X.] geleitet hatte, beim [X.] in der [X.] von Kollegen Vorhaltungen gemacht, erverschleppe das Verfahren hinsichtlich der eingelegten Beschwerden. [X.] wies er mit der [X.] inhaltlich unzutreffenden [X.] Behauptung zurück,das Protokoll sei noch nicht fertiggestellt, weil er die Protokollführerin [X.] erreichen können. Kurz nach 16 Uhr brachte er dann die Akte mit demHauptverhandlungsprotokoll, den Beschwerdebegründungen und einem vonihm zuvor noch gefertigten Vermerk über die Gründe einer unterbliebenenRechtsmittelbelehrung persönlich zum [X.] [X.].Eine Stunde nach Eingang der Beschwerden beim [X.]hob der zuständige Senat die [X.] aus formellen Grün-den auf, weil die Vorgänge in der Hauptverhandlung, die zur Anordnung [X.] geführt hatten, entgegen § 182 [X.] im Protokoll nicht darge-stellt waren. Zur materiellen Rechtslage enthält der Beschluß den Hinweis,daß die Verhängung mehrtägiger Ordnungshaft angesichts der den [X.] zu entnehmenden massiven Störungen nahegelegen habe.Der Angeklagte hat bestritten, das Beschwerdeverfahren gezielt ver-zögert zu haben, um die beiden Störer [X.] zu lassen. Er sei [X.] gewesen, die in § 306 Abs. 2 StPO dem [X.] [X.] für die Vorlage einer Beschwerde an das [X.] 6 -gericht gelte auch für Beschwerden gegen [X.] undhabe von ihm voll ausgeschöpft werden dürfen. Wegen anderweitigerdienstlicher und privater Obliegenheiten und wegen einer von ihm für erfor-derlich erachteten Überprüfung der [X.] [X.] formeller Hinsicht habe er eine Bearbeitungszeit von zwei Tagen benötigt.Das [X.] ist demgegenüber davon überzeugt, daß der Ange-klagte in Kenntnis der Eilbedürftigkeit die Bearbeitung der Beschwerden ge-zielt verzögert hat, um die Durchsetzung der Haftanordnungen nicht zu ge-fährden. Dabei stützt es sich maßgeblich auf eine ins einzelne gehende Re-konstruktion des jeweiligen Tagesablaufs des Angeklagten am 19., 20. und21. Mai 1999 und kommt zu dem Ergebnis, daß es dem Angeklagten [X.] je-denfalls unter zumutbarer Zurückstellung privater Belange [X.] möglich gewe-sen wäre, die Beschwerden dem [X.] schneller zuzuleiten.Auch die Äußerungen des Angeklagten gegenüber dem Journalisten unddas [X.], in dem der Angeklagte nachweislich gelogen habe,ließen auf eine Verschleppungsabsicht und damit auf eine bewußt [X.] zum Nachteil der Inhaftierten schließen.Eine Rechtsbeugung sieht das [X.] in der zeitlichen [X.] der gegen die [X.] gerichteten Beschwerden.Insoweit stelle sich das Verhalten des Angeklagten als [X.] und damit als ele-mentarer Verstoß gegen die Rechtsweggarantie dar, die sowohl in Art. 19Abs. 4 GG als auch in Art. 5 Abs. 4 [X.] ihren Niederschlag gefunden habe.[X.] des [X.] Revision des Angeklagten hat Erfolg. Namentlich die Beweiswür-digung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.- 7 -Nach ständiger Rechtsprechung stellt nicht jede unrichtige Rechtsan-wendung eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB dar. Nur [X.] als elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege soll unterStrafe gestellt sein. Rechtsbeugung begeht daher nur der Amtsträger, dersich bewußt und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt.Selbst die (bloße) Unvertretbarkeit einer Entscheidung begründet eineRechtsbeugung nicht (st. Rspr.; vgl. nur [X.] NJW 1997, 1455 m.w.[X.]). Ei-nen elementaren Rechtsverstoß zeigt das [X.] auf der [X.] bisher erhobenen Beweise nicht auf, zumal da es bei der Beweiswürdi-gung ein zu enges Verständnis des dem [X.] bei der Erledigung seinerDienstgeschäfte [X.] zeitlichen Spielraums zugrundelegt.1. Im Ansatz zutreffend geht das [X.] [X.] das die verhängteOrdnungshaft vor dem Hintergrund wiederholter massiver Störungen [X.] mit Recht für inhaltlich vertretbar hält (vgl. dazu [X.] inKK StPO 4. Aufl. § 178 [X.] Rdn. 3 mit Beispielen aus der Rechtspre-chung) [X.] davon aus, daß Rechtsbeugung nicht nur in Form von [X.], sondern auch durch einen Verstoß gegen [X.] werden kann (st. Rspr.; vgl. nur [X.]St 32, 357; 38, 381, 383; 42,343; jeweils m.w.[X.]). Zu den wesentlichen Grundprinzipien des [X.] zählt das unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20GG und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende,schlagwortartig als Beschleunigungsgebot bezeichnete Verbot rechtsstaats-widriger Verfahrensverzögerung ([X.]St 24, 239 f.; 26, 1, 4). [X.] in Art. 6 Abs. 1 [X.], wird die Bedeutung des Verbots rechtsstaats-widriger Verfahrensverzögerung für Haftsachen in Art. 2 Abs. 2 Satz 2, [X.] sowie in Art. 5 Abs. 3, 4 [X.] besonders hervorgehoben. [X.] die Einzelregelungen dieser Normen auf die [X.] verglichen mit vorläufi-ger Festnahme und Untersuchungshaft eher seltene und in ihren zeitlichbegrenzten Auswirkungen auf den Betroffenen weniger schwerwiegende [X.]- 8 -Anordnung von Ordnungshaft nicht unmittelbar zugeschnitten sind, gilt [X.] den genannten Vorschriften zum Ausdruck kommende Prinzip, daß [X.] besonders zügig zu bearbeiten sind, für Maßnahmen nach § 178Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative [X.] in gleicher Weise. Rechtsbeugung durchVerstoß gegen das Beschleunigungsgebot ist daher auch im Bereich [X.] nicht grundsätzlich ausgeschlossen.2. Trotz der nachteiligen Auswirkungen, die eine zögerliche Sachbe-arbeitung insbesondere in Haftsachen für den Betroffenen mit sich [X.], darf jedoch der Tatbestand der Rechtsbeugung, soweit dessen [X.] durch einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in [X.] gezogen wird, auch in diesem Bereich richterlicher Tätigkeit nicht inunangemessener Weise ausgedehnt werden. Insbesondere ist bei der [X.] der Norm darauf Bedacht zu nehmen, daß die richterliche Unabhän-gigkeit gewahrt bleibt.a) Die Bearbeitung einer Rechtssache, wie sie der Angeklagte hier inForm der Fertigstellung und Korrektur des Protokolls, der nachgeholtenschriftlichen Begründung der [X.] sowie eines für [X.] gefertigten erläuternden Vermerks vorgenommen hat,fällt grundsätzlich in den Schutzbereich, der dem [X.] in Art. 97 GG undden einfachgesetzlichen Vorschriften der § 25 Abs. 1 DRiG, § 1 [X.] einge-räumt ist. Zwar handelt es sich bei den genannten Tätigkeiten nicht um [X.] richterlichen Wirkens, die Spruchtätigkeit, jedoch gebietet esdas Interesse an einer wirksamen Gewährleistung der richterlichen Unab-hängigkeit, auch die der Rechtsfindung nur mittelbar dienenden, sie vorbe-reitenden und ihr nachfolgenden Sach- und [X.] inden Schutzbereich einzubeziehen ([X.]Z 90, 41, 45). Dem entspricht es,daß nach ständiger Rechtsprechung des [X.]dienstgerichts des [X.] oder als unangemessen lang gewertete [X.] nur dann im Rahmen der Dienstaufsicht nach § 26- 9 -Abs. 2 DRiG beanstandet werden dürfen, wenn dies losgelöst von [X.] oder Fallgruppen geschieht und wenn die [X.] die Entscheidungsfreiheit des [X.]s im Einzelfall unberührt läßt([X.]Z 51, 280, 287; 90, 41, 46; 93, 238, 243 f.). Da eine Strafandrohung,zumal in Form eines Verbrechenstatbestandes, noch weit mehr als eineMaßnahme der Dienstaufsicht geeignet sein wird, den [X.] in seinemVerhalten zu beeinflussen, darf auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkteneine Überprüfung richterlicher Tätigkeit am wenig konkreten Maßstab [X.] nicht zu einer grundlegenden Beeinträchtigung dersachlichen Unabhängigkeit des [X.]s führen (vgl. [X.] NStZ 1988, 218f.).b) Bei der Entscheidung der Frage, ob in der verzögerten Bearbeitungeiner Rechtssache ein Rechtsbruch im Sinne des § 339 StGB liegen kann,ist daher davon auszugehen, daß es grundsätzlich dem [X.] überlassenbleibt, welchem der von ihm zu erledigenden vielfältigen Dienstgeschäfte erden Vorrang vor anderen einräumt, welche Mittel er im Einzelfall für die [X.] einer Rechtssache geeignet hält und welche Gründlichkeit er [X.] widmet. An bestimmte Dienstzeiten ist er dabei nicht ge-bunden (BVerwGE 78, 211, 213).Da die richterliche Unabhängigkeit weder [X.] ([X.], 211, 217; [X.]Z 67, 184, 187; [X.] [X.] 1975, 166, 170) noch abso-luter Selbstwert ist, vor dem alle anderen Bedingungen einer rechtsstaatli-chen Justizgewährung zurückzutreten hätten (Rudolph [X.] 1978, 146;[X.], [X.] 3. Aufl. § 1 Rdn. 43), schließt ein dem [X.] im Grundsatzzuzubilligender großzügiger Ermessensspielraum bei der Einteilung seinerDienstgeschäfte strafrechtlich relevante Verstöße gegen das Beschleuni-gungsgebot nicht in jedem Fall aus. Sie werden insbesondere dann in [X.] kommen, wenn der [X.] gegen zwingende Vorschriften verstößt, indenen der Gesetzgeber [X.] wie beispielsweise in § 115 StPO [X.] das allgemei-- 10 -ne Beschleunigungsgebot konkretisiert hat oder wenn der [X.] untätigbleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln [X.] etwa die Veran-lassung der Freilassung eines Inhaftierten nach Aufhebung des Haftbefehls[X.] zwingend gebieten. Beides trifft auf den vorliegend zu beurteilenden Falljedoch nicht zu.Nachdem der Angeklagte, einer zumindest vertretbaren Mindermei-nung folgend (vgl. dazu die Nachweise bei [X.], [X.]. § 181 [X.] Rdn. 1; [X.] aaO § 181 Rdn. 2), die gemäߧ 181 Abs. 2 [X.] eingelegten fristgebundenen Beschwerden gegen die[X.] als einfache Beschwerden gewertet hat, richtetesich aus seiner Sicht die Weiterleitung der Rechtsmittel nach § 306 Abs. 2StPO. Diese Vorschrift sieht für den Fall der Nichtabhilfe die Vorlage an [X.] flsofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagenfl vor. [X.] die Dreitagesfrist, die zudem nur eine Sollvorschrift darstellt (Klein-knecht/[X.], StPO 45. Aufl. § 306 Rdn. 11), hat der Angeklagtenicht verstoßen, weil er die Beschwerden am zweiten Tag nach ihrem Ein-gang an das Beschwerdegericht weitergeleitet hat. Auch wenn der Ange-klagte damit nicht flsofortfl gehandelt hat, stellt die Einhaltung der [X.] ein gewichtiges Indiz dafür dar, daß eine vom Gesetz noch als ange-messen erachtete Bearbeitungszeit nicht überschritten worden ist.Da richterliche Entscheidungen, gegen die eine Beschwerde möglichist, Sachverhalte unterschiedlicher Art betreffen und mehr oder minderschwere Eingriffe in die Rechtssphäre der Beschwerdeführer zum Gegen-stand haben, können besondere Umstände eine Weiterleitung der [X.] vor Ablauf der Frist im Ausnahmefall allerdings gleichwohl [X.]. Solche Besonderheiten hat das [X.] hier darin gesehen, daßdie angeordnete Ordnungshaft entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des§ 179 [X.] sofort vollstreckt worden ist, den Beschwerdeführern daher beieiner Weiterleitung der Rechtsmittelschriften unter voller Ausschöpfung der- 11 -Dreitagesfrist ein effektiver Rechtsschutz nicht mehr hätte gewährt [X.].Die drohende vollständige Vollstreckung einer angeordneten Frei-heitsentziehung kann aber für sich allein keine Pflicht zum sofortigen Tätig-werden begründen. Grundsätzlich bleibt auch in diesen Fällen dem [X.]ein Spielraum für die Einteilung seiner dienstlichen und [X.] weil er an festeDienstzeiten nicht gebunden ist (vgl. BVerwGE 78, 211, 213) [X.] auch seinerprivaten Angelegenheiten. Zwar hat der Erfolg der Beschwerde für einenBeschwerdeführer, der die Ordnungshaft bereits verbüßt hat, über die Fest-stellung der Rechtswidrigkeit hinaus kaum praktische Bedeutung, zumal danach herrschender Meinung eine Entschädigung aus der Staatskasse nachdem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen [X.] Betracht kommt ([X.], 303; [X.] aaO Rdn. 18). [X.] Einfluß auf die dem [X.] [X.] der Weise, daß sich diese umso mehr verkürzt, je weiter die angeordneteDauer der Ordnungshaft unter der zulässigen Höchstdauer von einer Wocheliegt, kommt dem Gesichtspunkt abnehmender Effizienz aber nicht zu. Der[X.], der lediglich einen Tag Ordnungshaft verhängt und die dagegengerichtete Beschwerde am folgenden Tag an das Beschwerdegericht wei-terleitet, gerät nicht allein dadurch in den Bereich der Rechtsbeugung, daßdie Haft zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen ist. Vielmehr wird sich in der-artigen Fällen effektiver Rechtsschutz durch eine Anordnung des Beschwer-degerichts nach § 307 Abs. 2 StPO anbieten, mit der eine aufschiebendeWirkung der Beschwerde hergestellt wird (vgl. [X.] aaO § 181 [X.]Rdn. 4; [X.] aaO Rdn. 11; [X.]/[X.] aaO § 181 [X.]Rdn. 1; [X.]/Wickern in Löwe/[X.], [X.]. § 181 [X.]Rdn. 13).Zwar wäre im vorliegenden Fall schon aufgrund des für Haftsachenallgemein geltenden Beschleunigungsgrundsatzes eine zügigere Bearbei-- 12 -tung der mit der Anordnung von Ordnungshaft in Zusammenhang [X.] wünschenswert und unter Berücksichtigung der sonstigen dienst-lichen Verpflichtungen und privaten Interessen des Angeklagten auch zu-mutbar gewesen. Gleichwohl hat der Angeklagte nach den oben angeführtenGrundsätzen mit der von ihm gewählten Verfahrensweise die äußeren Gren-zen des ihm für die Weiterleitung der Beschwerden [X.] Ermes-sens nicht in schwerwiegender Weise mißachtet. Dies gilt umso mehr, alssich sein Verhalten nicht auf bloße Untätigkeit beschränkte, sondern [X.] insoweit unwiderlegten Einlassung rechtliche Nachforschungen sowiedie Umsetzung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse im Protokoll und ineinem Vermerk einschloß.c) Bei zögerlicher Bearbeitung einer Rechtssache innerhalb einesobjektiv vertretbaren Zeitraumes kommt ein schwerwiegender Rechtsverstoßallerdings dann in Betracht, wenn der [X.] mit seiner Verfahrensweiseaus sachfremden Erwägungen gezielt zum Vorteil oder Nachteil einer Parteihandelt (vgl. [X.]St 42, 343, 345). Dies wäre hier gegeben, wenn der Ange-klagte, wie vom [X.] für erwiesen erachtet, sich bereits zu [X.] auf die Verkündung der [X.] folgenden Tages ent-schlossen hätte, unter mutwilliger Verzögerung die Beschwerden solangezurückzuhalten, bis der vollständige Vollzug der Ordnungshaft durch [X.] der Beschwerden beim [X.] nicht mehr gefährdet wer-den konnte. In einem solchen Fall wären zwar die äußeren Schranken desdem [X.] für die Bearbeitung von Rechtssachen in zeitlicher Hinsicht ein-geräumten Ermessens eingehalten, so daß eine Ermessensüberschreitungausgeschlossen wäre. Es läge jedoch ein Ermessensmißbrauch durch Über-schreitung der inneren Schranken des Ermessens vor.Soweit das [X.] bereits in dem objektiven Ablauf des Be-schwerdeverfahrens unter weitgehender Ausschöpfung der Dreitagesfristeinen schwerwiegenden Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sieht,- 13 -der den Schluß auf eine böswillige Vorgehensweise des [X.], geht es, wie oben dargestellt, von einem zu engen Verständnis derdem [X.] für die Bearbeitung von Rechtssachen in zeitlicher Hinsicht ein-geräumten Spielräume aus. Wenn das [X.] im einzelnen darlegt,daß der Angeklagte unter Zurückstellung anderer dienstlicher, insbesondereaber privater Belange die Beschwerden schneller als geschehen hätte [X.] und weiterleiten können, so mag dies belegen, daß der Angeklagteden hohen Anforderungen, die an das Pflicht- und Verantwortungsbewußt-sein eines [X.]s gerade angesichts der mit der richterlichen [X.] verbundenen Freiräume zu stellen sind (vgl. dazu [X.] aaO § 1 Rdn.3), nicht in ausreichendem Maße gerecht geworden ist. Der Nachweis einergezielten Verfahrensverzögerung kann damit aber nicht geführt werden.Auch ist der Inhalt des Telefonats des Angeklagten mit dem [X.] vom [X.] nicht erschöpfend gewürdigt worden. Da die Überheb-lichkeit, die aus der Äußerung des Angeklagten spricht, fler müsse ja nichtgleich springen, wenn Anwälte etwas von ihm [X.], im Umgang zwischen[X.]- und Anwaltschaft unangebracht ist, hatte der Angeklagte [X.] [X.], eine Veröffentlichung dieser von ihm mit Recht als flnicht zitierfähigfleingeschätzten Bemerkung zu verhindern. Dagegen erscheint es fernlie-gend, daß der Angeklagte, wie das [X.] meint, der Auffassung ge-wesen sein sollte, dem Journalisten mit seiner Äußerung einen gezieltenRechtsbruch offenbart zu haben und ihn wegen der Brisanz, die ein solchesflGeständnisfl zweifellos hätte, um Verschwiegenheit gebeten hat.Ähnliche Erwägungen gelten für das fl[X.]fl. Auch inso-weit läßt das [X.] unberücksichtigt, daß der Angeklagte angesichtsder berechtigten Vorhaltungen seiner Kollegen Veranlassung hatte, dieschleppende Bearbeitung der [X.] durch eine falsche [X.] der wahren Ursachen zu [X.] 14 -Da das [X.] das Motiv für eine rechtsbeugerische Verfahrens-verzögerung darin sieht, daß der Angeklagte das Risiko einer Aufhebungder [X.] durch das Beschwerdegericht und eine Entlas-sung der Störer aus der Haft vor deren vollständigem Vollzug nicht habeeingehen wollen, hätte es zudem der Darlegung bedurft, weshalb der Ange-klagte ein solches Risiko als naheliegend erachtet haben sollte. [X.] hierzu waren umso mehr geboten, als das [X.] zu Gunsten [X.] unterstellt hat, daß dieser die formellen Mängel der [X.] nicht erkannt hat und daß die von ihm getroffenen Ent-scheidungen vor dem Hintergrund der vorangegangenen massiven Störun-gen sachlich vertretbar erschienen.Die aufgezeigten Fehler führen zur Aufhebung des Urteils. Ein [X.] beantragter Freispruch durch den Senat kam [X.] nicht in Betracht, weil nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen ist, daßein neuer Tatrichter zu den subjektiven Vorstellungen des Angeklagtenrechtsfehlerfrei Feststellungen treffen kann, die zu einer Verurteilung nach §339 StGB führen.I[X.] der [X.] die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklag-ten eingelegten Revision beanstandet, das [X.] habe eine Verurtei-lung des Angeklagten wegen tateinheitlicher Freiheitsberaubung mit rechts-fehlerhafter Begründung abgelehnt, ist ihr [X.] im übrigen nach § 301 StPOauch zu Gunsten des Angeklagten wirkendes [X.] Rechtsmittel begründet.Auf der Grundlage der vom [X.] zu den subjektiven [X.] getroffenen Feststellungen kommt es entgegen der- 15 -Rechtsauffassung des Tatrichters nicht darauf an, daß der Angeklagte die[X.] für formal und sachlich rechtsfehlerfrei erachtete.Ebensowenig wie der Vorsatz der Rechtsbeugung durch die Vorstellung [X.], er handele im Ergebnis gerecht, in Frage gestellt wird, wenn [X.] Handeln in schwerwiegender Weise vom Gesetz entfernt und an eige-nen Maßstäben anstelle der vom Gesetzgeber statuierten ausrichtet (vgl.[X.]St 32, 357, 360), kann den [X.] eine solche Vorstellung bei [X.] Delikten entlasten. Die Anordnung freiheitsberaubenderMaßnahmen zu Lasten des Bürgers ist ebenso wie ihre Aufrechterhaltungnur im Rahmen eines ordnungsgemäßen justizförmigen Verfahrens zulässig,zu dem auch die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes unter Beach-tung des Beschleunigungsgebots gehört. Sollte der neue Tatrichter daherauf der Grundlage rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen erneut zu [X.] gelangen, daß der Angeklagte durch eine verzögerte Weiterleitungder Beschwerden an das [X.] die Freilassung der [X.] zu einem früheren Zeitpunkt gezielt verhindert hat, wird der Ange-klagte auch wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung zu verur-teilen sein.[X.] Häger TepperwienRaum Brause

Meta

5 StR 92/01

04.09.2001

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.09.2001, Az. 5 StR 92/01 (REWIS RS 2001, 1480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 1480

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.