Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 19.05.2023, Az. 2 BvR 78/22

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2023, 3264

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) STAATSRECHT UND STAATSORGANISATIONSRECHT HAFT PERSÖNLICHKEITSRECHT VERFASSUNGSBESCHWERDE AMTSHAFTUNG STAATSVERSCHULDUNG

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts iVm Art 20 Abs 3 GG durch Versagung einer Geldentschädigung nach rechtswidriger, mit Entkleidung verbundener Durchsuchung eines Strafgefangenen - Zur Maßgeblichkeit der EMRK (RIS: MRK) im fachgerichtlichen Verfahren - Gegenstandswertfestsetzung


Tenor

1. Das Endurteil des [X.] vom 14. Dezember 2021 - 24 O 242/21 (2) - verletzt den Beschwerdeführer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.

2. Das Urteil wird aufgehoben und die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

3. Der [X.] hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. [X.] wird auf 15.000 (in Worten: fünfzehntausend) [X.] festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Geltendmachung einer Geldentschädigung nach gerichtlicher Feststellung der Rechtswidrigkeit einer mit vollständiger Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchung eines Strafgefangenen.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer verbüßt seit 2009 eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt (…).

3

2. Mit Verfügung vom 25. Februar 2019 genehmigte die Justizvollzugsanstalt gemäß Art. 91 BayStVollzG für den Monat März 2019 die körperliche Durchsuchung mit vollständiger Entkleidung an jedem sechsten Strafgefangenen und an jedem achten Sicherungsverwahrten nach einer Besuchsvorführung. Davon solle abgesehen werden, soweit die Gefahr des Missbrauchs des Besuchsrechts besonders fernliegend sei. Dies sei insbesondere der Fall, wenn der Besuch mit einer Amts- oder vergleichbaren Person (Polizei, Notar, Rechtsanwalt, Rechtspfleger, Gutachter, Therapeut) oder mit außenstehenden Dritten unter Verwendung einer Trennvorrichtung oder als Einzelbesuch stattgefunden habe.

4

3. Am 27. März 2019 erhielt der Beschwerdeführer Familienbesuch in der Cafeteria der Justizvollzugsanstalt. Nach dem Besuch wurde ihm mitgeteilt, dass er sich einer körperlichen Durchsuchung unterziehen müsse. Nachdem er sich vollständig entkleidet hatte, inspizierten die Bediensteten der Justizvollzugsanstalt zunächst die Achselhöhlen, den Mund und die Fußsohlen. Anschließend kam es zu einer Nachschau im [X.] des Beschwerdeführers. Die Durchsuchung wurde schriftlich auf einem Formblatt dokumentiert, welches zwei männliche Vollzugsbedienstete unterzeichneten. Ein weiterer männlicher Bediensteter war zu Ausbildungszwecken während der Durchsuchung anwesend.

5

4. Gegen die Durchsuchung stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, den das [X.] und das [X.] Oberste Landesgericht zurückwiesen.

6

5. Der hiergegen erhobenen Verfassungsbeschwerde gab die [X.] des Zweiten Senats mit Beschluss vom 23. September 2020 - 2 BvR 1810/19 - statt, weil die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 [X.] verletzten.

7

6. Daraufhin stellte das [X.] mit Beschluss vom 25. November 2020 fest, dass die mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung des Beschwerdeführers am 27. März 2019 rechtswidrig gewesen sei und diesen in seinen Rechten verletzt habe. Eine Durchsuchung mit vollständiger Entkleidung, die mit einer Inspizierung normalerweise verdeckter Körperöffnungen verbunden ist, greife schwerwiegend in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 [X.] ein (unter Bezugnahme auf [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 5. November 2016 - 2 BvR 6/16 -, Rn. 29). Vorliegend habe die Durchsuchung den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht entsprochen (unter Bezugnahme auf [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 23. September 2020 - 2 BvR 1810/19 -, Rn. 27 ff.). Zwar lasse die zugrundeliegende Anordnung durch das Formblatt erkennen, dass Ausnahmen im Einzelfall möglich seien. Allerdings genüge das bloße Ankreuzen des vorgesehenen Feldes nicht den Anforderungen an die gebotene sorgfältige Ermessensausübung. Die Justizvollzugsanstalt habe ferner eingeräumt, dass die für die Entscheidung über die Durchsuchung zuständigen Bediensteten nicht über die erforderliche Ausbildung verfügten, um die Missbrauchsgefahr im Einzelfall sachgerecht prüfen zu können; der Einsatz entsprechend geschulten Personals sei personell nicht zu leisten. Insofern führte das [X.] aus, der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht sei "ganz massiv" und könne nicht durch personelle Erwägungen kompensiert werden.

8

7. Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchsetzung einer angemessenen Entschädigung in Höhe von 1.000,00 Euro, die ihm das [X.] mit Beschluss vom 24. März 2021 für die Durchsetzung einer angemessenen Entschädigung in Höhe von 500,00 Euro bewilligte. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab.

9

8. Mit Klageschrift vom 31. März 2021 nahm der Beschwerdeführer den [X.] entsprechend der bewilligten Prozesskostenhilfe auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Höhe von 500,00 Euro in Anspruch. Unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des [X.] vom 5. November 2016 - 2 BvR 6/16 - und vom 23. September 2020 - 2 BvR 1810/19 - trug er vor, die Durchsuchung habe nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprochen und sei daher rechtswidrig gewesen. Da es sich um eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts gehandelt habe, die nicht auf andere Weise ausgeglichen werden könne, stehe ihm ein Schmerzensgeldanspruch gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 [X.] zu. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass gegen ihn keinerlei Verdachtsmomente bestanden hätten. Ferner sei die Durchsuchung als solche in rechtswidriger Art und Weise durchgeführt worden. Er habe sich bereits zu Beginn der Prozedur vollständig ausziehen und damit über einen längeren Zeitraum nackt vor den Beamten stehen müssen, als für die Inspizierung normalerweise verborgener Körperstellen erforderlich gewesen wäre. Schließlich verwies der Beschwerdeführer auf die Entscheidung des [X.] in der Sache [X.] vom 22. Oktober 2020 - Nr. 6780/18 und 30776/18 -, in der dieser für einen vergleichbaren Fall eine Geldentschädigung in Höhe von 1.000,00 Euro pro Durchsuchung zugesprochen habe.

9. In der Klageerwiderung vom 2. Juli 2021 vertrat der beklagte [X.] zunächst die Auffassung, die Anordnung der Durchsuchung und deren Durchführung hätten den damals nach der Rechtsprechung des [X.] maßgeblichen Anforderungen entsprochen. Die Praxis in der Justizvollzugsanstalt, insbesondere das Formblatt, sei stetig an die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze angepasst worden. Bei [X.] könne, zumal wenn diese in der Cafeteria der Justizvollzugsanstalt stattfänden, die Gefahr eines Missbrauchs nicht ausgeschlossen werden. Dies gelte auch für "unverdächtige" Gefangene, die von Mitgefangenen zum Schmuggeln von Gegenständen ausgenutzt werden könnten. Schließlich habe es dem Beschwerdeführer offen gestanden, eine restriktivere [X.] zu wählen (Einsatz von Trennvorrichtungen), in welchem Fall die Beamten von einer Durchsuchung abgesehen hätten.

Selbst wenn man von einer Rechtsverletzung ausgehe, entfalle der [X.] nach Maßgabe der im [X.] geltenden [X.]. Demnach treffe den Beamten in der Regel kein Verschulden, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen habe, denn von einem Beamten könne keine bessere Rechtseinsicht verlangt werden. Da das [X.] und das [X.] Oberste Landesgericht - letzteres besetzt mit drei rechtskundigen Richtern - die Durchsuchung gebilligt hätten, liege eine schuldhafte Amtspflichtverletzung nicht vor. Der zeitlich nachfolgende Beschluss des [X.] vom 23. September 2020 - 2 BvR 1810/19 - könne ein Verschulden der [X.] nicht begründen. Vielmehr habe sich die Justizvollzugsanstalt durch den Beschluss des [X.] vom 27. März 2019, mit dem die Verfassungsbeschwerde in einem vergleichbaren Verfahren nicht zur Entscheidung angenommen wurde (Beschluss der [X.] des Zweiten Senats - 2 BvR 2294/18 -), bestätigt sehen dürfen. Dort habe das [X.] bereits die abstrakte Gefahr etwa des Einbringens unerlaubter Gegenstände oder von Betäubungsmitteln für die grundrechtskonforme Durchführung der Durchsuchung genügen lassen.

Die vom Beschwerdeführer angeführte Rechtsprechung des [X.] ([X.], Urteil vom 22. Oktober 2020 - Nr. 6780/18 und 30776/18 -) sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In rechtlicher Hinsicht sei es dort um eine verschuldensunabhängige Entschädigung nach Art. 41 der [X.] ([X.]) gegangen, und auch in tatsächlicher Hinsicht gebe es wesentliche Unterschiede. Das hier eingesetzte Formblatt, das die Vorgaben des [X.] entsprechend habe umsetzen sollen, habe damals noch nicht existiert. Der Entscheidung des Gerichtshofs hätten ferner insgesamt elf körperliche Durchsuchungen zugrunde gelegen, die im Zusammenhang mit dem Besuch von Amts- und nicht Privatpersonen gestanden hätten. Schließlich sei dem Beschwerdeführer im hiesigen Verfahren auch eine restriktivere [X.] angeboten worden.

Weiterhin erhob der beklagte [X.] den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens. Die Durchsuchung sei nur deshalb für rechtswidrig erklärt worden, weil eine Einzelfallprüfung nicht stattgefunden habe. Bei Durchführung einer solchen Einzelfallprüfung hätte man die Durchsuchung ebenfalls durchgeführt, da die hierfür ausreichende abstrakte Missbrauchsgefahr vorgelegen habe. Selbst wenn jedoch die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Amtshaftungsanspruch erfüllt seien, sei eine Entschädigung nicht zu gewähren. Durch die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit habe der Beschwerdeführer bereits Genugtuung erlangt. Der Präventionsgedanke trete in den Hintergrund, weil die Justizvollzugsanstalt die beanstandete Durchsuchungspraxis mittlerweile aufgegeben habe. Schließlich sei auch ein etwaiges Verschulden der handelnden Beamten allenfalls minimal.

10. Mit Schriftsatz vom 26. August 2021 vertiefte der Beschwerdeführer sein bisheriges Vorbringen und betonte erneut, dass eine Überprüfung der Missbrauchsgefahr nicht stattgefunden habe. Gegen ihn hätten keinerlei Verdachtsmomente bestanden. Er habe seit seiner Inhaftierung zirka 400 Besuche, größtenteils von Privatpersonen, erhalten und sämtliche Besuche seien ordnungsgemäß durchgeführt worden. Sowohl er selbst als auch die für den Besuch zugelassenen Familienangehörigen seien in keiner Weise vorbelastet. Zudem werde die Cafeteria durch Bedienstete der Justizvollzugsanstalt optisch überwacht. Ferner habe die Justizvollzugsanstalt angesichts der schematischen Handhabung des Formblatts schon vor der Entscheidung des [X.] in dieser Sache (Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 23. September 2020 - 2 BvR 1810/19 -) erkennen müssen, dass ihre Praxis den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht werde. Schließlich sei die Rechtsprechung des [X.] insofern übertragbar, als dieser festgestellt habe, dass bei schweren Verletzungen von Art. 3 [X.] der Ausspruch der Rechtswidrigkeit nicht für die Wiedergutmachung genüge.

11. Mit Schriftsatz vom 26. November 2021 nahm auch der beklagte [X.] erneut Stellung und wiederholte und vertiefte sein bisheriges Vorbringen. Der [X.] entfalle bereits nach Maßgabe der [X.]. Ein Verzicht auf das Verschuldenserfordernis aufgrund des Urteils des [X.] in der Sache [X.] vom 22. Oktober 2020 - Nr. 6780/18 und 30776/18 - sei mit [X.] Recht nicht vereinbar. Zudem sei die Höhe der geltend gemachten Entschädigung überzogen. Die vom [X.] in der vorgenannten Entscheidung zugesprochene Entschädigung habe für den vorliegenden Fall keine Aussagekraft. Nach [X.] Recht sei allenfalls ein Betrag in einer Größenordnung von 20,00 Euro bis 50,00 Euro angemessen, wenn man auf die für rechtswidrige Freiheitsentziehungen zugesprochenen Beträge abstelle.

12. Mit angegriffenem Urteil vom 14. Dezember 2021, dem Beschwerdeführer am selben Tag zugegangen, wies das [X.] die Klage ab. Bei der Frage der Rechtswidrigkeit sei man zwar an die gerichtliche Feststellung durch die zuständige Strafvollstreckungskammer gebunden. Dies gelte jedoch nicht für die Frage, ob eine schuldhafte Amtspflichtverletzung vorliege. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beschwerdeführer habe ein Verschulden der handelnden Amtsträger nicht nachgewiesen. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründe einen [X.]. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden könne und er daran bis zur gerichtlichen Klärung der Rechtslage festhalte, könne aus der späteren Missbilligung dieser Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden (unter Bezugnahme auf [X.], Urteil vom 23. Juli 2020 - [X.]/19 -, juris, Rn. 16). Dies sei hier der Fall gewesen. Auslegung und Anwendung des der Durchsuchung zugrundeliegenden Art. 91 Abs. 3 BayStVollzG hätten auf einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung insbesondere der bis zu diesem Zeitpunkt ergangenen Rechtsprechung des [X.] beruht. Dementsprechend hätten auch die vom Beschwerdeführer angerufenen Gerichte zunächst die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung bestätigt. Der mit drei rechtskundigen Richtern besetzte Senat am [X.]n Obersten Landesgericht habe zwar die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers bereits als unzulässig verworfen, dabei aber ergänzend ausgeführt, dass die Justizvollzugsanstalt bei der Anordnung der Durchsuchung sämtliche entscheidungserheblichen Umstände berücksichtigt und zutreffend gewichtet habe. Dass der [X.] in einer vergleichbaren Konstellation eine Geldentschädigung nach Art. 41 [X.] zugebilligt habe, stehe dem nicht entgegen. Bei der Entscheidung über den Entschädigungsanspruch hätten die [X.] Gerichte allein das nationale Recht, hier § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 [X.], zugrunde zu legen. Erst wenn das innerstaatliche Recht lediglich eine unvollkommene Entschädigung für die Folgen einer Konventionsverletzung gewähre, komme eine Entschädigung nach Art. 41 [X.] in Betracht, für deren Ausspruch allein der [X.] zuständig sei (unter Bezugnahme auf [X.]Z 198, 1 <11 f. Rn. 30>).

Auch aus der Art und Weise der Durchführung der Durchsuchung ergebe sich kein Entschädigungsanspruch. Selbst wenn die vollständige Entkleidung über die gesamte Dauer der Durchsuchung nicht erforderlich gewesen wäre, hätte der Beschwerdeführer durch die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit durch die Strafvollstreckungskammer bereits hinreichende Genugtuung erfahren. Nach der Rechtsprechung des [X.] hänge es von den Umständen des Einzelfalls ab, was unter einer angemessenen und ausreichenden Wiedergutmachung zu verstehen sei; maßgeblich sei insbesondere die Art der festgestellten Konventionsverletzung. Ausnahmsweise, wenn nämlich die festgestellte Verletzung wenig gravierend sei oder nur Verfahrensfragen betreffe, könne die Feststellung der Verletzung selbst eine ausreichende Genugtuung bieten (unter Bezugnahme auf [X.], [X.], Urteil vom 22. Oktober 2020, Nr. 6780/18 und 30776/18, § 78). Ein solcher Ausnahmefall sei hier gegeben. Soweit eine Entkleidung während der Nachschau im Mund und unter den Fußsohlen nicht erforderlich gewesen sein sollte, betreffe dies einen sehr kurzen Zeitabschnitt. Den Beamten könne zudem allenfalls ein [X.] gemacht werden, zumal es gute Gründe für die gewählte Vorgehensweise gegeben habe.

II.

1. Mit am 14. Januar 2022 fristgerecht eingegangener Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 3, Art. 19 Abs. 4 [X.] sowie Art. 3 [X.] und Art. 3 in Verbindung mit Art. 13 [X.].

Die angegriffene Entscheidung verstoße gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 [X.]. Es sei unhaltbar, dass das [X.] das fehlende Verschulden mit gerichtlichen Entscheidungen begründe, die nach Durchführung der Durchsuchung ergangen seien. Jedenfalls hätte dann auch die nachfolgende Entscheidung des [X.] (Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 23. September 2020 - 2 BvR 1810/19 -) berücksichtigt werden müssen. In der Sache ergebe sich der [X.] aus der Feststellung des [X.], dass das verwendete Formblatt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 [X.] genügt habe. Dies habe die Justizvollzugsanstalt bereits auf Grundlage der Entscheidung des [X.] vom 5. November 2016 (Beschluss der [X.] des Zweiten Senats - 2 BvR 6/16 -) erkennen können und müssen. Ein Organisationsverschulden liege damit vor. Auch bezüglich der Durchführung der Durchsuchung habe das [X.] den Begriff des "Eingriffes in das Persönlichkeitsrecht" verkannt. Es habe irrtümlich angenommen, die Eingriffsintensität sei derart geringfügig gewesen, dass der Beschwerdeführer bereits durch den Beschluss des [X.]s vom 25. November 2020 hinreichende Genugtuung erfahren habe. Dies sei mit der Rechtsprechung des [X.] nicht zu vereinbaren, wonach eine Durchsuchung mit Entkleidung, zumal vor mehreren Beamten, einen schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstelle. Insofern habe das [X.] auch die Rechtsprechung des [X.] nicht beachtet.

Im vorliegenden Fall sei wegen der schwerwiegenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Entschädigung zu gewähren gewesen. Zwar bestehe nach der Rechtsprechung des [X.] keine unbedingte Verpflichtung zur Geldentschädigung in Fällen einer Grundrechtsverletzung (unter Bezugnahme auf [X.]K 7, 120 <123>). Aufgrund der jüngeren Rechtsprechung des [X.] (unter Bezugnahme auf [X.], Urteil vom 22. Oktober 2020, Nr. 6780/18 und 30776/18) müsse hier jedoch etwas anderes gelten. Es sei dort in einer vergleichbaren Konstellation festgestellt worden, dass anlasslose Durchsuchungen mit vollständiger Entkleidung eine erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 [X.] darstellten, für deren Wiedergutmachung eine Geldentschädigung geschuldet sei. Gemäß Art. 13 [X.] müsse zudem eine innerstaatliche Möglichkeit zur Durchsetzung dieses Anspruchs zur Verfügung stehen, die sowohl praktisch als auch rechtlich wirksam sei. Das [X.] sei mit dieser Vorgabe nicht vereinbar. Die entsprechende Rechtsprechung des [X.] zu Art. 3 (i.V.m. Art. 13) [X.] müsse auf das [X.] Recht, in diesem Fall auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 [X.] beziehungsweise Art. 19 Abs. 4 [X.] übertragen werden. Selbst wenn ein Verschulden des beklagten [X.]s zu verneinen sei, könne dies deshalb nicht zum Ausschluss des Entschädigungsanspruchs führen.

2. Das [X.] Staatsministerium der Justiz hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

3. [X.] hat dem [X.] vorgelegen.

III.

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]G zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung im Sinne des § 93c Abs. 1 [X.]G liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze hat das [X.] bereits geklärt. Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und in einem die Zuständigkeit der Kammer begründenden Sinn offensichtlich begründet.

1. Das angegriffene Urteil des [X.]s vom 14. Dezember 2021 verletzt den Beschwerdeführer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 [X.].

a) Durchsuchungen, die mit einer Entkleidung verbunden sind, stellen einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 [X.] dar (vgl. [X.]K 2, 102 <105>; 17, 9 <14>). Dies gilt in besonderem Maße für Durchsuchungen, die mit einer Inspizierung von normalerweise verdeckten Körperöffnungen verbunden sind (vgl. [X.]K 17, 9 <14>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 5. November 2016 - 2 BvR 6/16 -, Rn. 29; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 23. September 2020 - 2 BvR 1810/19 -, Rn. 21). Wegen des besonderen Gewichts von Eingriffen, die den [X.] und das Schamgefühl des Inhaftierten berühren, hat der Betroffene Anspruch auf besondere Rücksichtnahme (vgl. [X.]K 17, 9 <16>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 5. November 2016 - 2 BvR 6/16 -, Rn. 29; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 23. September 2020 - 2 BvR 1810/19 -, Rn. 21).

b) Die Versagung eines Entschädigungsanspruchs berührt den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.]E 34, 269 <281 f., 285 f.>; [X.]K 6, 144 <146 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 2. April 2017 - 1 BvR 2194/15 -, Rn. 9). Das [X.] hat bereits entschieden, dass der Schutzauftrag des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den Anspruch auf Ausgleich des immateriellen Schadens verwirklicht wird, wobei die Gerichte die Fundierung in der Menschenwürde zu beachten haben (vgl. [X.]K 3, 49 <52>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 14. Februar 2017 - 1 BvR 2639/15 -, Rn. 15). Der hiernach gebotene Ausgleich muss nicht zwingend in der Zubilligung eines Zahlungsanspruchs bestehen (vgl. [X.]K 3, 49 <52>; 7, 120 <123 f.>; 16, 389 <394>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 14. Februar 2017 - 1 BvR 2639/15 -, Rn. 15). Daher begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass eine Geldentschädigung wegen der Verletzung immaterieller Persönlichkeitsbestandteile nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. [X.]Z 39, 124 <133>; 161, 33 <36 f.>; stRspr) nur unter der Voraussetzung einer hinreichenden Schwere und des Fehlens einer anderweitigen Genugtuungsmöglichkeit beansprucht werden kann (vgl. [X.]E 34, 269 <286 ff.>; [X.]K 6, 144 <147>; 16, 389 <394 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 14. Februar 2017 - 1 BvR 2639/15 -, Rn. 15).

c) Das hier einschlägige Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 [X.] ist unter Heranziehung der Rechtsprechung des [X.] auszulegen.

aa) Die [X.] und ihre Zusatzprotokolle - soweit sie für die [X.] in [X.] getreten sind - stehen innerhalb der [X.] Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes (vgl. [X.]E 74, 358 <370>; 82, 106 <120>; 111, 307 <316 f.>; 128, 326 <367>; 148, 296 <351 Rn. 127>; stRspr). Gleichwohl besitzen die Gewährleistungen der Konvention verfassungsrechtliche Bedeutung, indem sie die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes beeinflussen. Der Konventionstext und die Rechtsprechung des [X.] dienen auf [X.] des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes, sofern dies nicht zu einer - von der Konvention selbst nicht gewollten (vgl. Art. 53 [X.]) - Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (vgl. [X.]E 74, 358 <370>; 83, 119 <128>; 111, 307 <317>; 120, 180 <200 f.>; 128, 326 <367 f.>; 148, 296 <351 Rn. 128>; stRspr). Auf [X.] des einfachen Rechts trifft die Fachgerichte die Verpflichtung, die Gewährleistungen der Konvention zu berücksichtigen und in den betroffenen Teilbereich der nationalen Rechtsordnung einzupassen (vgl. [X.]E 74, 358 <370>; 111, 307 <323, 326 f.>). Die Pflicht zur Berücksichtigung der Gewährleistungen der [X.] und der Entscheidungen des [X.] erfordert zumindest, dass die entsprechenden Texte und [X.] zur Kenntnis genommen werden und in den Willensbildungsprozess des zu einer Entscheidung berufenen Gerichts einfließen. Gegebenenfalls muss das Gericht nachvollziehbar begründen, warum es der völkerrechtlichen Rechtsauffassung nicht folgt (vgl. [X.]E 111, 307 <324, 329>; 148, 296 <389 f. Rn. 190>).

bb) Die Möglichkeiten einer konventionsfreundlichen Auslegung enden dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint (vgl. [X.]E 111, 307 <323, 329>; 128, 326 <371>; 148, 296 <355 Rn. 133>), etwa wenn die Beachtung der Entscheidung des [X.] gegen eindeutig entgegenstehendes Gesetzesrecht verstößt. Auch auf [X.] des Bundesrechts genießt die Konvention nicht automatisch Vorrang vor anderem Bundesrecht (vgl. [X.]E 111, 307 <329>; 148, 296 <354 Rn. 132>). Im Übrigen ist auch im Rahmen der konventionsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes - ebenso wie bei der Berücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] auf [X.] des einfachen Rechts - die Rechtsprechung des Gerichtshofs möglichst schonend in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte nationale Rechtssystem einzupassen (vgl. [X.]E 111, 307 <327>; 128, 326 <371>; 148, 296 <355 f. Rn. 135>), weshalb sich eine unreflektierte Adaption völkerrechtlicher Begriffe verbietet.

d) Der [X.] hat in der Vergangenheit mehrfach über Entschädigungsansprüche nach körperlichen Durchsuchungen von Strafgefangenen entschieden. In dem auch vom Beschwerdeführer angeführten Urteil in der Rechtssache [X.] vom 22. Oktober 2020 - Nr. 6780/18 und 30776/18 - stellte der Gerichtshof eine Verletzung von Art. 3 [X.] sowie Art. 13 in Verbindung mit Art. 3 [X.] fest (vgl. [X.], [X.], Urteil vom 22. Oktober 2020, Nr. 6780/18 und 30776/18, §§ 70 ff.) und sprach dem dortigen Beschwerdeführer nach Art. 41 [X.] eine Geldentschädigung in Höhe von insgesamt 12.000,00 Euro zu. Zwar hänge es von den Gesamtumständen des Falls ab, was für eine angemessene und ausreichende Wiedergutmachung einer Konventionsverletzung erforderlich sei. Eine Verletzung von Art. 3 [X.], der eines der Kernrechte der Konvention enthalte, rufe bei der betroffenen Person jedoch einen immateriellen Schaden hervor, der in der Regel durch Zusprechung einer Entschädigung in Geld wiedergutzumachen sei. Nur in Ausnahmefällen sei davon auszugehen, dass die Feststellung der Verletzung selbst eine ausreichende Genugtuung gewähre. Dies betreffe insbesondere Fälle, in denen die festgestellte Verletzung als weniger gravierend erachtet werde oder nur Verfahrensfehler betreffe. Ein solcher Ausnahmefall liege in der Rechtssache [X.] nicht vor. Die [X.] Gerichte hätten selbst anerkannt, dass die Durchsuchungen rechtswidrig und der damit verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers schwerwiegend gewesen seien (vgl. [X.], [X.], Urteil vom 22. Oktober 2020, Nr. 6780/18 und 30776/18, §§ 76 ff.). Dem Opfer einer Konventionsverletzung müsse auch ein Mechanismus zur Verfügung stehen, um Amtspersonen oder Organe des Staates für den Verstoß haftbar zu machen. Vorliegend sei das Amtshaftungsverfahren aussichtslos gewesen, obwohl die Maßnahmen gegen den dortigen Beschwerdeführer als rechtswidrig eingestuft worden waren und - zumindest ein mögliches - Verschulden seitens der Behörden vorgelegen habe. Es habe sich auch nicht um einen minder schweren Verstoß gehandelt. Die Tatsache, dass sich die [X.] Stellen einer Konventionsverletzung nicht bewusst gewesen seien oder dass der dortige Beschwerdeführer einer solchen Behandlung nicht noch einmal unterzogen werde, seien keine maßgeblichen Gründe dafür, ihm keine Entschädigung zuzusprechen. Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass dem dortigen Beschwerdeführer kein wirksamer Rechtsbehelf zur Rüge der Konventionsverletzung zur Verfügung gestanden habe, so dass auch Art. 13 in Verbindung mit Art. 3 [X.] verletzt sei (vgl. [X.], [X.], Urteil vom 22. Oktober 2020, Nr. 6780/18 und 30776/18, §§ 90 ff.).

e) Gemessen hieran verletzt das angegriffene Urteil den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 [X.]. Die vom Beschwerdeführer erduldete körperliche Durchsuchung mit vollständiger Entkleidung am 27. März 2019 stellt einen schwerwiegenden Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 23. September 2020 - 2 BvR 1810/19 -, Rn. 21). Indem das [X.] einen Entschädigungsanspruch unter Verweis auf ein fehlendes Verschulden der handelnden Amtsträger verneint hat, ohne eine konventionsfreundliche Auslegung der § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 [X.] oder die Anwendung weiterer staatshaftungsrechtlicher Institute zu prüfen, verkennt es den Einfluss der [X.] und der Rechtsprechung des [X.] auf die Anwendung des einfachen Rechts. Das [X.] hat die Entscheidung des [X.] in der Rechtssache [X.] zwar zur Kenntnis genommen und ist in dem angegriffenen Urteil darauf eingegangen. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Urteil und den Vorgaben, die sich aus der [X.] und der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben, bleibt jedoch hinter den verfassungsrechtlichen Anforderungen zurück.

aa) Das [X.] ist im angegriffenen Urteil in vertretbarer Weise, wenn auch ohne nähere Begründung, davon ausgegangen, dass die Entscheidung des [X.] in der Rechtssache [X.] eine vergleichbare Konstellation betraf. Vor diesem Hintergrund hätte es jedoch die Frage klären müssen, inwieweit dessen Vorgaben auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen werden können.

[X.] hat lediglich festgestellt, dass die Zubilligung einer Entschädigung durch den [X.] für die nationalen Gerichte nicht maßgeblich sei, da diese bei der Entscheidung über eine Entschädigung allein das nationale Recht zugrunde zu legen hätten. Diese Sichtweise verkennt, dass die Fachgerichte die Verpflichtung trifft, die Gewährleistungen der Konvention zu beachten und in die nationale Rechtsordnung einzupassen. Ihre Aufgabe besteht gerade darin, der [X.] und der Rechtsprechung des [X.] durch eine konventionsfreundliche Auslegung des nationalen Rechts auf eine Weise Rechnung zu tragen, die [X.] und entsprechende Entschädigungsansprüche gegen die [X.] vermeidet.

Infolgedessen lässt die Entscheidung auch die konkreten Vorgaben außer acht, die der [X.] in dem Urteil in der Rechtssache [X.] aufgestellt hat. Bei Verletzungen von Art. 3 [X.] ist danach in der Regel eine Entschädigung in Geld zu gewähren. Die bloße Feststellung der Verletzung genügt nur in Ausnahmefällen zur Genugtuung, insbesondere bei weniger gravierenden Verstößen oder bloßen Verfahrensfehlern (vgl. [X.], [X.], Urteil vom 22. Oktober 2020, Nr. 6780/18 und 30776/18, § 77 f.). Ferner muss im nationalen Recht eine praktisch und rechtlich wirksame Möglichkeit zur Wiedergutmachung der Konventionsverletzung bestehen. Insofern hat der Gerichtshof betont, dass die Entschädigung potenziell leerlaufe, wenn sie daran gekoppelt werde, dass der Anspruchsteller ein Verschulden seitens der handelnden Stellen beweisen kann ("prove fault"; vgl. [X.], [X.], Urteil vom 22. Oktober 2020, Nr. 6780/18 und 30776/18, §§ 93, 96). Bereits zuvor hatte er in mehreren Entscheidungen darauf hingewiesen, dass eine verschuldensabhängige Staatshaftung ("[X.]") in Konstellationen, in denen regelmäßig ein Entschädigungsanspruch bestehe, den Anforderungen der Konvention nicht gerecht werde (vgl. in Bezug auf menschenunwürdige Haftbedingungen [X.], [X.], Urteil vom 8. Januar 2013, Nr. 56027/10, § 67; [X.], Urteil vom 10. Januar 2012, Nr. 42525/07 und 60800/08, § 113, jeweils m.w.N.).

bb) Zwar findet die konventionsfreundliche Auslegung ihre Grenze dort, wo die Beachtung der Entscheidung des Gerichtshofs gegen eindeutig entgegenstehendes Gesetzesrecht verstößt. Das [X.] hat jedoch nicht geprüft, ob und inwieweit den entsprechenden Vorgaben unter Berücksichtigung der anerkannten Auslegungsgrundsätze, zu denen auch die teleologische Reduktion zählt (vgl. [X.]E 35, 263 <279 f.>; 88, 145 <167>; 97, 186 <196>), Rechnung getragen werden könnte. Es hat ferner unterlassen, die Anwendung weiterer staatshaftungsrechtlicher Institute jenseits des in § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 [X.] verankerten, verschuldensabhängigen Amtshaftungsanspruchs in Erwägung zu ziehen. So wird im Schrifttum etwa vermehrt die Anwendung des in richterlicher Rechtsfortbildung aus §§ 74, 75 des [X.] abgeleiteten und mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannten allgemeinen Aufopferungsanspruchs auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen befürwortet (vgl. Ossenbühl/[X.], Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, [X.]; [X.], in: [X.]/[X.], Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2022, § 45 Rn. 101; Papier/[X.], in: [X.]/Herzog/Scholz, [X.], Art. 14 Rn. 778 ). Der [X.] hat diese Frage bislang offengelassen (vgl. [X.]Z 50, 14 <18>); seit einer jüngeren Entscheidung können über den Aufopferungsanspruch jedoch auch immaterielle Schäden geltend gemacht werden (vgl. [X.]Z 215, 335 <337 ff. Rn. 5 ff.>).

2. Da die angegriffene Entscheidung schon wegen des Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 [X.] keinen Bestand hat, kann offenbleiben, ob das Urteil weitere Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers verletzt (vgl. [X.]E 128, 226 <268>).

IV.

Das Endurteil des [X.]s Regensburg vom 14. Dezember 2021 - 24 O 242/21 (2) - wird aufgehoben; die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 [X.]G).

V.

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 [X.]G.

Die Festsetzung des [X.] für die anwaltliche Tätigkeit stützt sich auf § 37 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 1 RVG in Verbindung mit den Grundsätzen über die Festsetzung des [X.] im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. [X.]E 79, 365 <366 ff.>).

Meta

2 BvR 78/22

19.05.2023

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Regensburg, 14. Dezember 2021, Az: 24 O 242/21 (2), Urteil

Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 34 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 74 ALR PR, § 75 ALR PR, § 839 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 19.05.2023, Az. 2 BvR 78/22 (REWIS RS 2023, 3264)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3264

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 BvR 1810/19 (Bundesverfassungsgericht)

Stattgebender Kammerbeschluss: Zur Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Strafgefangenen und Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei einer …


2 BvR 2815/11 (Bundesverfassungsgericht)

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Strafgefangenen durch körperliche Durchsuchung gem § 64 Abs …


2 BvR 1719/21 (Bundesverfassungsgericht)

Stattgebender Kammerbeschluss: 96-stündige Fesselung eines Sicherungsverwahrten während Ausführung zu OP-Termin verletzt allgemeines Persönlichkeitsrecht - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz …


2 BvR 2294/18 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Verfassungsrechtliche Anforderungen an Allgemeinanordnungen über die Durchführung körperlicher Durchsuchungen von Strafgefangenen gem Art 91 …


2 BvR 6/16 (Bundesverfassungsgericht)

Stattgebender Kammerbeschluss: Zur Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Strafgefangenen bei einer mit einer Entkleidung verbundenen …


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.