Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.02.2022, Az. VII ZR 717/21

7. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 2430

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Gegenstand

Deliktische Haftung des Kfz-Herstellers im Rahmen des sog. Abgasskandals: Erneute Erhebung der Verjährungseinrede in der Berufungsinstanz nach Fallenlassen der Einrede in der ersten Instanz; Restschadensersatzanspruch des Geschädigten nach Fahrzeugerwerb von einem Dritten


Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 15. Juni 2021 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die beklagte [X.] wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Er erwarb im März 2015 von einem Autohändler ein von der [X.] hergestelltes Fahrzeug [X.] als Gebrauchtwagen zum Preis von 13.000 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs [X.] ([X.] 5) ausgestattet. Der Motor enthielt eine Software, durch welche auf dem Prüfstand beim Durchfahren des [X.] geringere Stickoxidwerte erzielt wurden als im realen Fahrbetrieb ("Umschaltlogik").

3

Ab September 2015 wurde - ausgehend von einer Pressemitteilung der [X.] vom 22. September 2015 - über den sogenannten [X.] betreffend Motoren des Typs [X.] in den nationalen und internationalen Medien ausführlich berichtet. Zeitgleich mit der Pressemitteilung veröffentlichte die Beklagte eine aktienrechtliche Ad-hoc-Mitteilung und informierte ihre Vertragshändler und Servicepartner über den Umstand, dass Fahrzeuge mit dem Motortyp [X.] über die beschriebene Umschaltlogik verfügen. Die Beklagte schaltete Anfang Oktober 2015 eine Webseite frei, auf der jedermann unter Eingabe der [X.] ermitteln konnte, ob das Fahrzeug mit einem vom sogenannten [X.] betroffenen Motor ausgestattet ist. Zu der Freischaltung gab die Beklagte ebenfalls im Oktober 2015 eine Pressemitteilung heraus. Darin wies sie auch auf den vom [X.] beschlossenen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge hin und kündigte an, in Abstimmung mit den zuständigen Behörden an Lösungsmöglichkeiten zu arbeiten. Entsprechend wurde in zahlreichen Medien berichtet. Daneben bestand die Möglichkeit, sich telefonisch, schriftlich oder per E-Mail beim Kundenservice der [X.] zu informieren, ob in einem konkreten Pkw die Software verbaut ist. Im Februar 2016 erhielt der Kläger ein Kundenanschreiben der [X.] mit dem Inhalt, dass in seinem Fahrzeug ein Motor mit der Umschaltlogik verbaut ist. In der Folge wurde bei dem Fahrzeug durch ein Update der Motorsteuerungssoftware die Umschaltlogik entfernt.

4

Mit seiner im September 2020 eingereichten Klage hat der Kläger die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zahlung von Verzugs- und Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der [X.] sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verlangt. Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht insoweit von Verjährung ausgehe, hat er die Zahlung von 13.000 € abzüglich 10 % Händlermarge sowie einer Nutzungsentschädigung nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verlangt.

5

Die Beklagte hat die von ihr zunächst erhobene Einrede der Verjährung in der mündlichen Verhandlung erster Instanz fallen lassen. In der Berufungsinstanz hat sie die Einrede erneut erhoben.

6

Das [X.] hat der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht das Urteil des [X.]s teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schlussanträge aus der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

8

Die Revision ist unbeschränkt zulässig.

9

Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision im Tenor seines Urteils ohne Einschränkungen ausgesprochen. Allerdings kann sich eine Zulassungsbeschränkung nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] auch aus den Entscheidungsgründen ergeben, sofern die Beschränkung klar und eindeutig ist. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann. Hingegen genügt die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision nicht, um von einer Zulassungsbeschränkung auszugehen (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 2021 - [X.] Rn. 16, [X.], 28; Urteil vom 29. September 2020 - [X.] Rn. 12, [X.], 106; jeweils m.w.N.).

Den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ist eine Beschränkung der Revisionszulassung nicht mit hinreichender Klarheit zu entnehmen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Revision sei gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zuzulassen, weil die vorliegende Sachverhaltskonstellation einer Vielzahl von Fällen zugrunde liege und in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt werde, soweit es die Auslegung des Fallenlassens der Einrede der Verjährung als einen etwaigen materiell-rechtlichen Verzicht betreffe. Das lässt eine Beschränkungsabsicht nicht eindeutig erkennen, zumal eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Verjährungsfrage unzulässig und damit wirkungslos wäre ([X.], Urteil vom 16. September 2021 - [X.] Rn. 17, [X.], 28; Beschluss vom 10. Februar 2011 - [X.] Rn. 11, [X.], 354). Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsgericht die Zulassung in unzulässiger Weise einschränken wollte (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Februar 2011 - [X.], juris).

II.

Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - ausgeführt, ein Anspruch des [X.] auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung sei verjährt. Die Voraussetzungen für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 [X.] seien vorliegend spätestens Ende des Jahres 2015 erfüllt gewesen. Der Kläger habe im [X.] die Veranlassung und Möglichkeit gehabt, von einem Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte Kenntnis zu erlangen. In der [X.] bis zum Jahresende 2015 sei in den nationalen und internationalen Medien ausführlich über den "[X.]" berichtet worden und unter anderem von "[X.]", "[X.]" der [X.] und Ähnlichem die Rede gewesen. Der [X.] als solcher und die Betroffenheit von auch in [X.] angebotenen Fahrzeugen der [X.] könne dem Kläger schlechterdings nicht entgangen sein, selbst wenn er aktienrechtliche Ad-hoc-Meldungen gar nicht und Pressemitteilungen nicht laufend verfolgt habe. Dass die Beklagte ihr eigenes Verhalten als rechtmäßig verteidigt habe, falle vor dem Hintergrund der kritischen öffentlichen Berichterstattung zum [X.] nicht ins Gewicht. Es habe für den Kläger zudem ohne Weiteres die Möglichkeit bestanden, zum Beispiel über die im Oktober 2015 freigeschaltete, einfach zugängliche und ebenfalls öffentlich bekannt gemachte Online-Plattform oder eine Rückfrage beim Kundenservice der [X.] in Erfahrung zu bringen, ob sein Pkw vom [X.] betroffen sei. Soweit der Kläger sich trotz der sich regelrecht aufdrängenden Umstände nicht weiter informiert habe, sei ihm grob fahrlässige Unkenntnis von Anspruch und Schädiger vorzuwerfen. Eine unsichere Rechtslage habe der [X.] nicht entgegengestanden. Mithin habe die Verjährungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2018 geendet und sei durch die im September 2020 rechtshängig gewordene Klage nicht mehr gehemmt worden. Unabhängig davon sei der Kläger durch das Kundenanschreiben der [X.] im Februar 2016 über den Einbau der Umschaltlogik in seinem Fahrzeug informiert worden und habe dadurch positive Kenntnis von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeugs und damit von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt. Die Verjährungsfrist habe damit jedenfalls mit Ablauf des 31. Dezember 2019 geendet.

Die erneute Erhebung der [X.] sei zulässig. Deren Fallenlassen in erster Instanz sei nicht mit einem materiell-rechtlichen Verzicht auf die Einrede verbunden gewesen. Ihrer nochmaligen Erhebung stehe auch weder der Novenausschluss des § 531 Abs. 2 ZPO noch der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Restschadensersatz aus § 852 [X.], weil die Beklagte durch Inverkehrbringen des Fahrzeugs nichts auf seine Kosten erlangt habe. Der Kläger habe das Fahrzeug als Gebrauchtwagen erworben, so dass der von ihm entrichtete Kaufpreis der [X.] nicht mehr zugutegekommen sei. Diese habe lediglich durch die erstmalige Veräußerung des Fahrzeugs als Neuwagen etwas erlangt.

III.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

Einem Schadensersatzanspruch des [X.] gemäß §§ 826, 31 [X.] steht die von der [X.] in der Berufungsinstanz erneut erhobene Einrede der Verjährung entgegen (§ 214 Abs. 1 [X.]). Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Verjährungsfrist jedenfalls mit dem Schluss des Jahres 2016 zu laufen begonnen und mit Ablauf des 31. Dezember 2019, also vor Klageerhebung [X.], geendet hat. Einen Anspruch nach § 852 [X.] hat es ebenfalls zutreffend für nicht gegeben erachtet.

1. Der erneuten Erhebung der [X.] in der Berufungsinstanz steht nicht entgegen, dass die Beklagte diese Einrede in erster Instanz fallen gelassen hat.

a) Das bloße Fallenlassen der [X.] im Prozess kann grundsätzlich nicht ohne Weiteres als ein materiell-rechtlicher Verzicht auf die Einrede angesehen werden (vgl. [X.], Urteil vom 29. November 1956 - [X.], [X.]Z 22, 267 juris Rn. 12 ff.), der ihrer erneuten Erhebung dauerhaft entgegenstünde.

aa) [X.] der zuvor erhobenen [X.] hat nach ihrem durch Auslegung (§§ 133, 157 [X.]) zu ermittelnden Erklärungsgehalt in der Regel nur die Bedeutung, dass aus dem Verteidigungsvorbringen der beklagten [X.] derjenige Teil, der sich auf die betreffende Einrede stützt, entfallen soll. Die Rechtslage entspricht damit nach Abgabe der Erklärung der Situation, die besteht, wenn ein Beklagter sich auf dieses Gegenrecht in dem Rechtsstreit noch überhaupt nicht berufen hat (vgl. [X.], Urteil vom 15. April 2010 - [X.]/09 Rn. 17, [X.]Z 185, 185; Urteil vom 29. November 1956 - [X.], [X.]Z 22, 267, juris Rn. 12 f.; [X.], Urteil vom 31. März 2021 - 7 U 1602/20, BB 2021, 1234, juris Rn. 31; [X.], Urteil vom 22. April 2021 - 14 U 225/20, juris Rn. 37; Urteil vom 2. März 2021 - 12 U 161/20, BeckRS 2021, 3326 Rn. 25). Sofern keine sonstigen, für einen materiell-rechtlichen Verzicht auf die [X.] sprechenden Umstände ersichtlich sind, kann ihr Fallenlassen deshalb grundsätzlich nur dahin verstanden werden, dass die [X.] hierdurch den prozessualen Zustand wiederherstellen will, der vor der Erhebung der betreffenden Einrede bestanden hat.

bb) Besondere Anhaltspunkte, die hier für einen über diesen regelmäßigen Bedeutungsgehalt hinausgehenden Verzichtswillen der [X.] sprechen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere rechtfertigt - anders als die Revision meint - der Umstand, dass die Beklagte das Fallenlassen der [X.] im Zusammenhang mit dem rechtlichen Hinweis des [X.] auf die Anspruchsgrundlage des § 852 [X.] erklärt hat, keine abweichende Bewertung (vgl. [X.], Urteil vom 31. März 2021 - 7 U 1602/20, BB 2021, 1234, juris Rn. 31; a.A. [X.], Beschluss vom 8. April 2021 - 13 U 161/20, [X.], 933, juris Rn. 25 ff.). Selbst wenn die Erklärung der [X.] vorliegend ausschließlich dem Zweck gedient haben sollte, eine Entscheidung des [X.] über einen - an den Eintritt der Verjährung anknüpfenden - Anspruch des [X.] aus § 852 [X.] zu verhindern, gestattete ein solches, prozesstaktisch motiviertes Verhalten keinen Rückschluss auf einen Verzichtswillen der [X.].

b) Es kann offenbleiben, ob der Zulassung der erneuten Erhebung der [X.] in der Berufungsinstanz § 531 Abs. 2 ZPO entgegengestanden hätte. Denn eine etwaige Nichtbeachtung dieser Präklusionsvorschrift kann der Kläger mit der Revision nicht geltend machen (ständige Rspr., vgl. nur [X.], Urteil vom 1. März 2011 - [X.]/09 Rn. 20, NJW 2011, 2578). Das gilt auch für die erstinstanzlich fallen gelassene und in der Berufungsinstanz erneut erhobene [X.].

2. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die dreijährige Verjährungsfrist jedenfalls mit dem Schluss des Jahres 2016 zu laufen begonnen und mit Ablauf des 31. Dezember 2019, also noch vor Klageerhebung [X.], geendet hat. Darauf, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Verjährungsbeginn schon mit dem Schluss des Jahres 2015 gegeben waren, kommt es daher nicht an.

a) Gemäß § 195 [X.] beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist für den Schadensersatzanspruch nach §§ 826, 31 [X.] drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 [X.] mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 [X.]). Die danach für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 [X.]) hatte der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls im Jahre 2016 erlangt. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

b) Wie der [X.] bereits wiederholt entschieden hat, genügt es in Fällen der vorliegenden Art für den Beginn der Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 [X.], dass der geschädigte Fahrzeugkäufer Kenntnis vom "Diesel-" bzw. "Abgasskandal" im Allgemeinen, von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeugs und von der Relevanz dieser Betroffenheit für seine Kaufentscheidung hat, wobei letztere Kenntnis nicht gesondert festgestellt werden muss, sondern naturgemäß beim Geschädigten vorhanden ist ([X.], Urteil vom 21. Dezember 2021 - [X.] Rn. 14, juris; Beschluss vom 15. September 2021 - [X.] Rn. 6, juris; Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 Rn. 20 ff., [X.], 918).

aa) Die allgemeine Kenntnis des [X.] vom sogenannten Diesel- oder Abgasskandal hat das Berufungsgericht festgestellt, indem es unter Bezugnahme auf die nationale und internationale Medienberichterstattung bis Ende 2015 ausgeführt hat, dem Kläger könne "der [X.] als solcher (...) schlechterdings nicht entgangen sein", selbst wenn er nicht laufend die Pressemeldungen verfolgt habe. Diese Feststellung, die ersichtlich auf der freien Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts gemäß § 286 Abs. 1 ZPO (vgl. dazu [X.], Urteil vom 29. Juli 2021 - [X.] Rn. 18 f., [X.], 1665) beruht, ist nicht zu beanstanden ([X.], Beschluss vom 15. September 2021 - [X.] Rn. 8, juris).

bb) Das Berufungsgericht hat auch hinreichende Feststellungen dazu getroffen, dass der Kläger jedenfalls im Jahre 2016 die konkrete Betroffenheit seines Fahrzeugs kannte. Ob er diese Kenntnis schon zuvor im Jahre 2015 erlangt hatte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 [X.]), kann deshalb auf sich beruhen.

Nach den für den Senat gemäß §§ 314, 559 ZPO bindenden und von der Revision auch nicht angegriffenen tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist unstreitig, dass der Kläger im Februar 2016 mit einem Kundenanschreiben der [X.] über die Betroffenheit seines Fahrzeugs mit der im Motor verbauten "Umschaltlogik" informiert wurde. Die hierauf beruhende tatrichterliche Würdigung (§ 286 Abs. 1 ZPO) des Berufungsgerichts, der Kläger habe jedenfalls im [X.] positive Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 [X.] auch von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeugs vom sogenannten [X.] gehabt, begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken; durchgreifende Rechtsfehler werden insoweit auch von der Revision nicht aufgezeigt.

c) Dem Kläger war es jedenfalls im [X.] auch zumutbar, aufgrund dessen, was ihm damals hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt war, Klage zu erheben und seinen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 [X.] gerichtlich geltend zu machen.

aa) Die Frage, wann die für den Beginn der Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 [X.] erforderliche Kenntnis vorhanden ist, ist nicht ausschließlich Tatfrage, sondern wird maßgeblich durch den der Beurteilung des [X.] unterliegenden Begriff der Zumutbarkeit der Klageerhebung geprägt (vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 Rn. 16, [X.], 918; Urteil vom 17. Juni 2016 - [X.] Rn. 11, [X.], 248; Urteil vom 11. September 2014 - [X.] Rn. 17, [X.], 332; Urteil vom 26. September 2012 - [X.] Rn. 46, NJW 2013, 1077). Insoweit unterliegt die Frage, wann eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die zur Unzumutbarkeit der Klageerhebung führt, der uneingeschränkten Beurteilung durch das Revisionsgericht (vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 Rn. 16, [X.], 918).

bb) Die vom Berufungsgericht jedenfalls für das [X.] tatbestandlich festgestellte allgemeine Kenntnis des [X.] vom sogenannten [X.] sowie von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeugs im Besonderen umfasst alle für den Schluss auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der [X.] relevanten Tatsachen (vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 Rn. 21 f., [X.], 918). Insbesondere bedurfte es - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - keiner näheren Kenntnis des [X.] von den internen Verantwortlichkeiten im Hause der [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 Rn. 23, [X.], 918). Darauf, ob der Kläger bereits im [X.] aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zog, insbesondere aus ihnen einen Anspruch aus § 826 [X.] herleitete, kommt es ebenfalls nicht an (vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 Rn. 26 ff., [X.], 918). Dass noch nicht alle Fragen aus dem sogenannten [X.] durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt waren, kann die Unzumutbarkeit der Klageerhebung bei gesicherter Tatsachengrundlage ebenfalls nicht begründen (vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 Rn. 11 ff., [X.], 918).

Nach der Rechtsprechung des [X.] war einem Kläger, der noch im [X.] sowohl Kenntnis vom sogenannten [X.] im Allgemeinen als auch von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeuges erlangt hat, die Klageerhebung noch im [X.] zumutbar ([X.], Urteil vom 21. Dezember 2021 - [X.] Rn. 14, juris; Beschluss vom 15. September 2021 - [X.] Rn. 6 ff., juris; Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 Rn. 20 ff., [X.], 918). Für den hier gegebenen Fall der Kenntnis dieser Umstände im [X.] gilt Entsprechendes.

d) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die erneute Erhebung der [X.] durch die Beklagte sei nicht rechtsmissbräuchlich, lässt gleichfalls keinen Rechtsfehler erkennen.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist die Erhebung der [X.] gemäß § 242 [X.] treuwidrig und unwirksam, wenn der Gläubiger aus dem gesamten Verhalten des Schuldners für diesen erkennbar das Vertrauen schöpfte und auch schöpfen durfte, dass der Schuldner die [X.] nicht erheben, sondern sich auf sachliche Einwände beschränken werde. Dieser Vertrauensschutz reicht aber nur so weit und gilt nur so lange, wie die den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründenden Umstände fortdauern und den Gläubiger von der rechtzeitigen Klageerhebung abhalten (vgl. [X.], Urteil vom 27. Januar 1999 - [X.], NJW 1999, 1101 juris Rn. 30; Urteil vom 6. Dezember 1990 - [X.], [X.], 215, juris Rn. 11; Urteil vom 12. Dezember 1978 - [X.], [X.], 284, juris Rn. 11).

bb) Gemessen daran vermag der Kläger den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens im Streitfall nicht mit Erfolg auf eine seines Erachtens verharmlosende und bagatellisierende [X.] der [X.] in den Jahren seit 2015 zu stützen. Damit zeigt die Revision keinen konkreten Umstand auf, an den sich die berechtigte Erwartung des [X.] knüpfen ließe, die Beklagte werde die [X.] dauerhaft nicht erheben.

3. Das Berufungsgericht hat schließlich auch einen Anspruch des [X.] nach § 852 Satz 1 [X.] zu Recht verneint.

a) Nach § 852 Satz 1 [X.] ist der Ersatzpflichtige, der durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat, auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus der unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift sollen demjenigen, der einen anderen durch unerlaubte Handlung schädigt und dadurch sein Vermögen mehrt, auch bei Verjährung des Schadensersatzanspruchs nicht die auf diese Weise erlangten Vorteile verbleiben (vgl. [X.], Urteil vom 26. März 2019 - [X.] Rn. 19 f., 22, [X.]Z 221, 342; Urteil vom 26. Oktober 2006 - [X.] Rn. 20, [X.]Z 169, 308 (zu § 852 Abs. 3 a. F.); Urteil vom 14. Februar 1978 - [X.], [X.]Z 71, 86 - [X.], juris Rn. 62 (zu § 852 Abs. 3 a. F.); Urteil vom 10. Juni 1965 - [X.], NJW 1965, 1914, juris Rn. 66 (zu § 852 Abs. 3 a.F.); [X.]/[X.], [X.], 81. Aufl., § 852 Rn. 2; BeckOGK/Eichelberger, [X.], Stand: 1. Dezember 2021, § 852 Rn. 3; BT-Drucks. 14/6040, S. 270).

Das Erfordernis, dass der Ersatzpflichtige etwas auf Kosten des Verletzten erlangt hat, bedeutet nicht, dass sich die Vermögensverschiebung - wie bei der [X.] - unmittelbar zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten vollzogen haben muss. Denn die Vorschrift enthält nur eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht (vgl. [X.], Urteil vom 26. März 2019 - [X.] Rn. 15, [X.]Z 221, 342). Deshalb kann die Vermögensverschiebung auch durch einen oder mehrere Dritte vermittelt werden, solange sie in einem ursächlichen Zusammenhang mit der unerlaubten Handlung steht (vgl. [X.], Urteil vom 26. März 2019 - [X.] Rn. 21, [X.]Z 221, 342; Urteil vom 14. Februar 1978 - [X.], [X.]Z 71, 86 - [X.], juris Rn. 62). Wenn ein Vermögensverlust beim Geschädigten einen entsprechenden Vermögenszuwachs beim Schädiger zur Folge gehabt hat, ist er daher nach § 852 Satz 1 [X.] auch dann herauszugeben, wenn diese Vermögensverschiebung dem Schädiger durch Dritte vermittelt worden ist (vgl. [X.], Urteil vom 14. Februar 1978 - [X.], [X.]Z 71, 86 - [X.], juris Rn. 63). Unberührt bleibt davon die Notwendigkeit, dass der Vermögenszuwachs auf dem Vermögensverlust des Geschädigten beruhen muss.

Daher setzt ein Anspruch aus § 852 Satz 1 [X.] jedenfalls voraus, dass die Herstellerin im Verhältnis zum Geschädigten etwas aus dem Fahrzeugverkauf an diesen erlangt hat (vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 Rn. 29, [X.], 918; [X.], [X.], 1625 Rn. 19).

b) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht eine Vermögensverschiebung im Sinne von § 852 Satz 1 [X.] im Verhältnis zwischen dem Kläger und der [X.] zu Recht verneint.

Jedenfalls in mehraktigen Fällen wie bei dem Kauf eines von der Herstellerin mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebrachten und von dem Geschädigten erst später von einem [X.] erworbenen Gebrauchtwagens führt der letztgenannte Erwerbsvorgang zu keiner Vermögensverschiebung im Verhältnis zwischen dem Geschädigten und der Herstellerin. Denn der Herstellerin, die einen etwaigen Vorteil bereits mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs als Neuwagen realisiert hat, fließt im Zusammenhang mit dem im Abschluss des ungewollten Vertrags liegenden Vermögensschaden des Geschädigten durch ihre unerlaubte Handlung nichts - mehr - zu. Bei einem Gebrauchtwagenverkauf, der - wie hier - zwischen dem klagenden Geschädigten und einem [X.] abgeschlossen wird, partizipiert die Herstellerin weder unmittelbar noch mittelbar an einem etwaigen Verkäufergewinn aus diesem Kaufvertrag, sei es, dass der Gebrauchtwagen von einer Privatperson oder von einem Händler an den Geschädigten verkauft wurde. Deshalb scheidet in diesen Fällen ein Anspruch aus § 852 Satz 1 [X.] aus. Dieses Ergebnis entspricht der herrschenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. [X.], Urteil vom 10. Dezember 2021 - 1 U 34/21, juris Rn. 76; Urteil vom 22. Oktober 2021 - 17 U 40/21, juris Rn. 36; [X.], Urteil vom 21. Oktober 2021 - 11a [X.], juris Rn. 37; [X.], Beschluss vom 11. Oktober 2021 - 12 U 53/21, juris Rn. 2; [X.], Urteil vom 4. August 2021 - 3 U 110/21, [X.], 30, juris Rn. 20; [X.], Urteil vom 26. Juli 2021 - 3 U 1705/21, juris Rn. 37; [X.], Urteile vom 9. Juli 2021 - 13 U 123/21, juris Rn. 80 und 13 U 168/21, juris Rn. 75; Urteile vom 31. März 2021 - 13 U 678/20, NJW-RR 2021, 687 juris Rn. 25 und 13 U 693/20, juris Rn. 38; [X.], Urteil vom 9. März 2021 - 10 U 339/20, NJW-RR 2021, 681 Rn. 44; Urteil vom 2. Februar 2021 - 10 U 229/20, [X.], 79, juris Rn. 63; ebenso [X.], [X.] 2021, 9, 14 f.; [X.], [X.], 1625 Rn. 29 f.; a.A. [X.], Urteil vom 15. Dezember 2021 - 16 U 63/21, juris Rn. 62 ff.; [X.], Urteil vom 5. März 2021 - 5 O 183/20, BeckRS 2021, 4473 Rn. 66; [X.], [X.], 1121 Rn. 17; [X.], [X.], 180, 181; [X.]/Walther, BB 2021, 1227, 1230).

Die Auffassung der Revision, die eine Verknüpfung zwischen dem Vermögensschaden des [X.] und dem Vermögenszufluss der [X.] dadurch herstellen will, dass der Schaden des [X.] in der Kette der weiteren Erwerber weitergereicht werde, vermag daher einen Anspruch aus § 852 Satz 1 [X.] nicht zu begründen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO

Pamp     

      

Halfmeier     

      

Sacher

      

Brenneisen     

      

[X.]     

      

Meta

VII ZR 717/21

10.02.2022

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 15. Juni 2021, Az: 3 U 290/21

§ 31 BGB, § 826 BGB, § 852 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.02.2022, Az. VII ZR 717/21 (REWIS RS 2022, 2430)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2430

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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