Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.10.2017, Az. I ZR 117/16

1. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 4409

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) WERBUNG INTERNET GEWERBLICHER RECHTSSCHUTZ UNTERNEHMEN RAUCHEN

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Gegenstand

Wettbewerbsverstoß: Verbotene Tabakwerbung in Diensten der Informationsgesellschaft auf der Startseite eines Internetauftritts - Tabakwerbung im Internet


Leitsatz

Tabakwerbung im Internet

1. Das Werbeverbot für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft gemäß § 21a Abs. 4 VTabakG und § 19 Abs. 3 TabakerzG ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG.

2. Es stellt eine verbotene Tabakwerbung in einem Dienst der Informationsgesellschaft dar, wenn ein Unternehmen auf der Startseite seines Internetauftritts für Tabakerzeugnisse wirbt.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 21. April 2016 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 [X.] eingetragene [X.] [X.] Die Beklagte ist ein mittelständischer Tabakhersteller. Sie betreibt unter [X.].        .com eine Website, auf der sich interessierte Nutzer über das Unternehmen, Karrieremöglichkeiten, die einzelnen Produkte und die Tabakkultur informieren können. Der Zugang zu den einzelnen Inhalten wird nach einer elektronischen Altersabfrage gewährt.

2

Am 4. November 2014 befand sich auf der Startseite des [X.]auftritts der Beklagten eine Abbildung, die vier Tabakerzeugnisse konsumierende, gut gelaunte, lässig anmutende jüngere Personen zeigte. Nach einer informellen Beanstandung durch das [X.] wurde diese Abbildung von der Beklagten entfernt.

3

Unter dem 6. November 2014 mahnte der Kläger die Beklagte unter Bezug auf § 22 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. [X.] wegen der Abbildung ab. In einem weiteren Schreiben vom 24. November 2014 stützte sich der Kläger auch auf § 21a [X.] Die Beklagte gab keine Unterlassungserklärung ab.

4

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen für Tabakerzeugnisse wie nachfolgend abgebildet zu werben bzw. werben zu lassen.

Abbildung

5

Außerdem hat das [X.] dem Kläger einen Anspruch auf Ersatz pauschaler Abmahnkosten gegen die Beklagte in Höhe von 214 € zuzüglich Zinsen zuerkannt ([X.], [X.], 119).

6

Nachdem der Kläger den Klageantrag vor dem Berufungsgericht im Wege der [X.] entsprechend eingeschränkt hat, hat das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Unterlassungstenor lautet "… zu unterlassen, auf ihrer Unternehmenswebseite im [X.] für Tabakerzeugnisse …" ([X.], [X.], 793).

7

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

8

I. Das Berufungsgericht hat die Klage als zulässig und begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:

9

Die beanstandete Abbildung verstoße gegen das Werbeverbot gemäß § 21a Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 [X.] Die Vorschrift sei eine verbraucherschützende Norm im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG und eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG und § 4 Nr. 11 UWG aF. Bei der Abbildung handele es sich um Werbung der [X.] für Tabakerzeugnisse, da sie jedenfalls indirekt zum Kauf ihrer Produkte anregen solle. Die Beklagte habe in einem "Dienste der Informationsgesellschaft" gemäß § 21a Abs. 4 [X.] geworben. Dafür sei die Entgeltlichkeit der [X.] im engeren Sinne nicht entscheidend. Mit "Dienst der Informationsgesellschaft" sei vielmehr das [X.] gemeint, soweit es zu wirtschaftlichen Zwecken genutzt werde, wie insbesondere für Werbung. Die Unternehmenswebseite der [X.] sei im Sinne von § 21a Abs. 4 [X.] mit der in Absatz 3 dieser Vorschrift genannten "Presse" oder einer "anderen gedruckten Veröffentlichung" vergleichbar. Die Unternehmenshomepage der [X.] wende sich nicht an einen von vornherein lokal beschränkten Interessentenkreis, sondern potentiell an Interessenten in der ganzen Welt. Die Beklagte könne sich nicht auf die in § 21a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 [X.] enthaltene Ausnahme vom Werbeverbot für [X.] berufen. Die unionsrechtliche Grundlage für diese Ausnahme sei fraglich. Jedenfalls sei die Unternehmenswebseite der [X.] nicht mit einer Fachzeitschrift vergleichbar, die "in ihrem redaktionellen Inhalt weit überwiegend Tabakprodukte oder ihrer Verwendung dienende Produkte" betreffe. Außerdem wende sich die Unternehmenswebseite der [X.] nicht wie eine Fachzeitschrift an ein beschränktes Publikum, sondern potentiell an jedermann.

Ein Verstoß gegen das Werbeverbot des § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] liege dagegen nicht vor. Aus der Abbildung von vier Tabakprodukten in der Hand haltenden Personen, die sichtbar gut gelaunt sind, könne keine Aussage zu einer gesundheitlichen Unbedenklichkeit der Verwendung von Tabakerzeugnissen entnommen werden. Ebenso wenig erwecke die Abbildung den Eindruck, der Genuss der Produkte der [X.] werde die Funktion des Körpers, die Leistungsfähigkeit oder das Wohlbefinden günstig beeinflussen. Schließlich handele es sich auch um keine Darstellung, die das Inhalieren des Tabakrauchs als nachahmenswert erscheinen lasse. Die bloße Darstellung eines eine Zigarette zwischen den Fingern haltenden, [X.] ausstoßenden oder eines eine Pfeife in der Hand haltenden Menschen, der den Zigaretten- oder Pfeifenrauch auch nur in die Mundhöhle verbringen könne, anstatt ihn zu inhalieren, reiche für ein Verbot nicht aus.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der [X.] hat keinen Erfolg.

1. Der Kläger hat seinen Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt. Der Unterlassungsantrag ist daher nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der [X.] sowohl zur [X.] wettbewerbswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 4. Februar 2016 - I ZR 194/14, [X.], 403 Rn. 3 = [X.], 450 - Fressnapf; Urteil vom 1. Dezember 2016 - [X.], [X.], 641 Rn. 16 = [X.], 536 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln). Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es dagegen allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (vgl. [X.], Urteil vom 24. November 2016 - I ZR 220/15, [X.], 517 Rn. 9 = [X.], 705 - WLAN-Schlüssel).

Nach der Verwendung der beanstandeten Abbildung auf der Startseite des [X.]auftritts der [X.] im November 2014 ist das Lauterkeitsrecht durch das [X.] zur Änderung des [X.] mit Wirkung ab 10. Dezember 2015 novelliert worden ([X.] I, S. 2158). Die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG aF ist nunmehr inhaltsgleich im um die [X.] des § 3 Abs. 1 UWG aF ergänzten § 3a UWG enthalten. Für den Tatbestand des [X.] hat sich dadurch in der Sache nichts geändert ([X.], Urteil vom 14. Januar 2016 - [X.], [X.], 516 Rn. 11 = [X.], 581 - Wir helfen im Trauerfall; Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 194/15, [X.], 537 Rn. 18 = [X.], 542 - Konsumgetreide).

Das vorläufige Tabakgesetz ist mit Wirkung vom 20. Mai 2016 durch das [X.] ([X.] I 2016, [X.]) ersetzt worden. Die bisherigen Verbote der Werbung für Tabak in § 21a Abs. 2 bis 4 und § 22 [X.] sind nunmehr in § 19 Abs. 2 und 3 sowie § 21 Abs. 1 [X.] geregelt, wobei die Definitionen des § 21a Abs. 1 [X.] jetzt in einer gesonderten Vorschrift über sonstige Begriffsbestimmungen in § 2 [X.] enthalten sind. Inhaltliche Änderungen haben sich durch diese Neuregelung nicht ergeben.

2. Der Anwendung des § 3a UWG steht im Streitfall nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken, die in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des [X.] geführt hat (Art. 4 der Richtlinie), keinen vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Gemäß Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 9 der Richtlinie bleiben von ihr Rechtsvorschriften der [X.] und zu ihrer Umsetzung ergangene nationale Rechtsvorschriften in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt (vgl. [X.], [X.], 641 Rn. 18 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln, mwN). Diese Regelung erfasst auch Vorschriften, welche die Möglichkeit beschränken, für solche Produkte zu werben (vgl. [X.], Urteil vom 12. Februar 2015 - I ZR 213/13, [X.], 813 Rn. 11 = [X.], 966 - Fahrdienst zur Augenklinik; [X.], [X.], 641 Rn. 18 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln).

3. Das Werbeverbot für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft gemäß § 21a Abs. 4 [X.] ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG und § 4 Nr. 11 UWG aF. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Vorschrift des § 21a Abs. 3 [X.] eine Marktverhaltensregelung ist ([X.], Urteil vom 18. November 2010 - I ZR 137/09, [X.], 631 Rn. 10 = [X.], 870 - [X.]). Für § 21a Abs. 4 [X.], der das für die Presse und andere gedruckte Veröffentlichungen geltende Werbeverbot auf Dienste der Informationsgesellschaft erweitert, gilt nichts anderes. Ebenso sind die bestimmte Formen der Tabakwerbung erfassenden Verbote des § 22 Abs. 2 [X.] Marktverhaltensregelungen (zu § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] vgl. [X.], Urteil vom 4. November 2010 - I ZR 139/09, [X.], 633 Rn. 34 = [X.], 858 - Biotabak).

4. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, die Beklagte habe gegen § 21a Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 [X.] verstoßen. Das Zeigen der beanstandeten Abbildung auf der Startseite des [X.]auftritts der [X.] stellt eine Werbung für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft dar, die entsprechend § 21a Abs. 3 [X.] verboten ist.

a) Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 [X.] ist es verboten, für Tabakerzeugnisse in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung zu werben. Gemäß Absatz 4 dieser Vorschrift gilt dieses Verbot entsprechend für die Werbung für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft. Diese Regelungen setzen Art. 3 der Richtlinie 2003/33/[X.] vom 26. Mai 2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen ([X.]. 2003 L 152, [X.]) in das [X.] Recht um. Nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/33/[X.] ist Werbung, die in der Presse und anderen gedruckten Veröffentlichungen nicht erlaubt ist, in Diensten der Informationsgesellschaft ebenfalls nicht gestattet.

b) Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, stellt die beanstandete Abbildung eine "Werbung für Tabakerzeugnisse" im Sinne von § 21a Abs. 4 [X.] dar. § 21a Abs. 1 Nr. 1 [X.] verweist zur Definition des Begriffs der Werbung auf Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2003/33/[X.]. Danach ist Werbung "jede Art kommerzieller Kommunikation mit dem Ziel oder der direkten oder indirekten Wirkung, den Verkauf eines Tabakerzeugnisses zu fördern". Dieser Begriff der Werbung erfasst ausdrücklich auch eine kommerzielle Kommunikation, die den Verkauf eines Tabakerzeugnisses indirekt fördert ([X.], [X.], 631 Rn. 17 - [X.]). Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler eine solche indirekte Werbewirkung darin gesehen, dass durch die Abbildung von vier gut gelaunten Personen, die die von der [X.] verkauften Produktarten (Schnupftabak, Zigarettentabak, Zigaretten und Pfeifentabak) in der Hand halten, diese Produkte dem Besucher der [X.]seite der [X.] näher gebracht und als attraktiv dargestellt werden sollen.

c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, diese Werbung für Tabakerzeugnisse sei nicht in einem Dienst der Informationsgesellschaft erfolgt und werde deshalb nicht vom Verbot des § 21a Abs. 4 [X.] erfasst.

aa) § 21a Abs. 1 Nr. 3 [X.] verweist für die Definition des Begriffs "Dienste der Informationsgesellschaft" auf Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2003/33/[X.], der wiederum auf Art. 1 Nr. 2 der [X.]/[X.] über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft ([X.]. [X.], [X.], geändert durch die [X.][X.], [X.]. 1998 L 217, [X.]) Bezug nimmt. Danach ist eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Diese Definition findet sich unverändert auch in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie ([X.]) 2015/1535 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft ([X.]. 2015 L 241, [X.]). Diese unionsrechtliche Definition des Begriffs "Dienste der Informationsgesellschaft" wird in den Erwägungsgründen 17 und 18 der Richtlinie 2000/31/[X.] über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr", [X.]. [X.], [X.]), erläutert. Gemäß Erwägungsgrund 17 dieser Richtlinie umfasst die Definition alle Dienstleistungen, die in der Regel gegen Entgelt im Fernabsatz mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten auf individuellen Abruf eines Empfängers erbracht werden. Nach Erwägungsgrund 18 erstrecken sich die Dienste der Informationsgesellschaft, soweit es sich überhaupt um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, auch auf Dienste, die nicht von denjenigen vergütet werden, die sie empfangen, wie etwa [X.] oder kommerzielle Kommunikation.

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, nach dieser Definition müsse das Merkmal der Entgeltlichkeit lediglich "in der Regel" vorliegen, so dass die Definition auch Sachverhalte erfassen könne, in denen keine Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht würden. Da nach Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2000/31/[X.] vom Begriff der "Dienste der Informationsgesellschaft" auch die "kommerzielle Kommunikation", also Werbung, erfasst sein solle, könne es auf eine Entgeltlichkeit der [X.] im engeren Sinne nicht entscheidend ankommen. Zusammengefasst sei mit dem Begriff "Dienste der Informationsgesellschaft" das [X.] gemeint, soweit es zu wirtschaftlichen Zwecken genutzt werde, namentlich für Werbung. Da die Abbildung auf der Startseite der Unternehmenswebseite der [X.] Werbezwecken diente, erfolgte sie auch in Diensten der Informationsgesellschaft.

cc) Die Revision meint, durch die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung des Begriffs "Dienste der Informationsgesellschaft" werde das Tatbestandsmerkmal "in der Regel gegen Entgelt" unzutreffend erfasst. Die jeweils zu beurteilende Dienstleistung entspreche nur der Definition in Art. 1 Nr. 2 der [X.]/[X.] und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie ([X.]) 2015/1535, wenn gerade die konkret in Rede stehende Dienstleistung "in der Regel gegen Entgelt" (und somit nur ausnahmsweise unentgeltlich) erbracht werde. Danach verbiete es sich, Leistungen unter den Begriff der "Dienste der Informationsgesellschaft" zu fassen, die in der Regel gerade nicht oder gar - wie Werbung - niemals gegen Entgelt erbracht würden. Es sei deshalb entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verfehlt, "Dienste der Informationsgesellschaft" mit Werbung gleichzusetzen. Die Erwähnung der "kommerziellen Kommunikation" in Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2000/31/[X.] gebe lediglich ein Beispiel für einen Dienst, der nicht von denjenigen vergütet werde, die ihn empfingen. Gemeint seien damit Sachverhalte, in denen sich der Werbende zur Verbreitung seiner Werbung gegenüber den Werbeadressaten eines [X.] bediene und an diesen [X.] hierfür ein Entgelt entrichte. Zudem werde der "Dienst" in den [X.] des Art. 1 Nr. 2 der [X.]/[X.] und des Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie ([X.]) 2015/1535 als "Dienstleistung" bezeichnet. Der Begriff der "Dienstleistung" sei dadurch gekennzeichnet, dass es sich um eine Leistung handele, deren Nutzen ihrem Empfänger zugutekomme. Der Nutzen von Werbung komme aber naturgemäß dem Werbenden und nicht dem Werbeadressaten zugute.

dd) Mit diesen [X.] hat die Revision keinen Erfolg.

(1) Nach der unionsrechtlichen Definition in Art. 1 Nr. 2 der [X.]/[X.] und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie ([X.]) 2015/1535 handelt es sich bei einem Dienst der Informationsgesellschaft um eine in bestimmter Weise elektronisch erbrachte Dienstleistung. Der Begriff "Dienstleistung" impliziert, dass es sich um Leistungen handelt, die normalerweise gegen Entgelt, also für eine wirtschaftliche Gegenleistung, erbracht werden ([X.], Urteil vom 22. Mai 2003 - C-355/00, [X.]. 2003, [X.] Rn. 54 - [X.]; Urteil vom 18. Dezember 2007 - [X.]/06, [X.]. 2007, [X.] = [X.], 152 Rn. 28 - [X.], mwN; vgl. auch Art. 4 der Richtlinie 2006/123/[X.]). Allerdings können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] auch Leistungen wirtschaftlicher Art, die unentgeltlich erbracht werden, ein "Dienst der Informationsgesellschaft" sein. Die Vergütung für einen Dienst, den ein Anbieter im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt, wird nicht notwendig von denjenigen bezahlt, denen der Dienst zugutekommt. Das ist insbesondere der Fall, wenn eine unentgeltliche Leistung - etwa der Zugang zu einem WLAN-Netz - von einem Anbieter zu Werbezwecken für die von ihm angebotenen Güter oder Dienstleistungen erbracht wird, da die Kosten dieser Tätigkeit dann in den Verkaufspreis dieser Güter und Dienstleistungen einbezogen werden (vgl. [X.], Urteil vom 15. September 2016 - [X.]/14, [X.], 1146 Rn. 41 f. = [X.], 1486 - Mc Fadden).

Danach kann [X.] einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie 2000/31/[X.] darstellen. Ferner ergibt sich aus Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2000/31/[X.], dass der Begriff "kommerzielle Kommunikation" unter anderem alle Formen der Kommunikation abdeckt, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen einer natürlichen oder juristischen Person dienen, die eine unternehmerische Tätigkeit ausübt. Nach Ansicht des Gerichtshofs der [X.] folgt daraus, dass Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung über eine Website, die von einem selbständigen Zahnarzt erstellt wurde, eine kommerzielle Kommunikation ist, die einen Dienst der Informationsgesellschaft darstellt oder Bestandteil eines solchen Dienstes ist ([X.], Urteil vom 4. Mai 2017 - [X.]/15, [X.], 627 Rn. 37 bis 39 = [X.], 670 - [X.]).

(2) Danach besteht die Bedeutung der Beschränkung des Dienstleistungsbegriffs auf "in der Regel" entgeltliche Leistungen entgegen der überwiegenden Meinung im [X.]n Schrifttum nicht darin, auch Leistungen zu erfassen, die zwar typischerweise gegen Entgelt, aber gelegentlich - etwa aus Gefälligkeit - unentgeltlich erbracht werden ([X.]/Leible in Schlachter/[X.], [X.] Dienstleistungsrichtlinie, 2008, Art. 4 Rn. 2; [X.] in [X.]/[X.], [X.]V/A[X.]V, 5. Aufl. Art. 57 A[X.]V Rn. 13; Müller-Graff in [X.], [X.]V/A[X.]V, 2. Aufl., Art. 56 A[X.]V Rn. 19; [X.] in [X.]/[X.], [X.]-Wirtschaftsrecht, [X.], [X.] Rn. 131; [X.] in [X.]/[X.], [X.]-Verträge, 6. Aufl., Art. 56/57 A[X.]V Rn. 12). Die Formulierung "in der Regel" soll auch nicht klarstellen, dass eine Dienstleistung nur vorliegt, wenn über den Einzelfall hinaus eine entsprechende Leistung generell vergütet wird (so aber Randelzhofer/[X.] in [X.]/Hilf/[X.], Das Recht der [X.], 61. EL, A[X.]V Art. 57 Rn. 47). Schließlich bedeutet das Tatbestandsmerkmal "in der Regel gegen Entgelt" nicht, dass die Dienstleistung im Regelfall gegen eine Leistung in Geld erfolgen muss, jedoch ausnahmsweise andere Gegenleistungen wie der unmittelbare Austausch gegen andere Waren oder andere Dienstleistungen oder die Verrechnung mit Forderungen möglich sind oder dass es unschädlich ist, wenn nur bestimmte Personengruppen bezahlen müssen (vgl. [X.] in von der Groeben/Schwarze/Hatje, [X.]s Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, A[X.]V Art. 57 Rn. 11).

Diese in der Literatur erwogenen Auslegungsmöglichkeiten sind mit der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] in der Rechtssache "[X.]" unvereinbar. Danach stellt die Website eines Unternehmens, auf der für dessen Produkte oder Dienstleistungen geworben wird, einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie 2000/31/[X.] dar, auch wenn der Werbeadressat für den Aufruf dieser [X.]seite in aller Regel kein Entgelt zahlt, und die [X.] auch von keinem [X.] vergütet wird (vgl. [X.], [X.], 627 Rn. 37 bis 39 - [X.]). Die beanstandete Startseite des [X.]auftritts der [X.] ist danach eine vom unionsrechtlichen Begriff der Dienstleistung erfasste kommerzielle Kommunikation und damit ein Dienst der Informationsgesellschaft.

d) Die beanstandete Werbung auf der Startseite unterfällt dem Verbot gemäß § 21a Abs. 3 und 4 [X.] § 21a Abs. 4 [X.] setzt Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/33/[X.] um, der bestimmt, dass in der Presse und anderen gedruckten Veröffentlichungen verbotene Werbung in Diensten der Informationsgesellschaft ebenfalls nicht gestattet ist. Für die Bestimmung des Umfangs dieses Verbots ist Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 2003/33/[X.] heranzuziehen. Danach muss Tabakwerbung auf diejenigen Magazine und Zeitschriften beschränkt werden, die sich nicht an die breite Öffentlichkeit wenden. Die weltweit unbeschränkt aufrufbare Startseite eines Unternehmens wendet sich an die breite Öffentlichkeit und wird deshalb von dem Verbot der Tabakwerbung in Diensten der Informationsgesellschaft erfasst.

e) Dieses Verbot der beanstandeten Abbildung auf der Startseite des [X.]auftritts der [X.] stellt sich nicht als unverhältnismäßige Beschränkung ihrer Grundrechte auf Meinungs- und Äußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 11 Abs. 1 [X.]-Grundrechtecharta) sowie auf wirtschaftliche und unternehmerische Betätigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 15 Abs. 1 und 16 [X.]-Grundrechtecharta) dar. Zwar käme möglicherweise ein unverhältnismäßiger Eingriff in diese Grundrechte in Betracht, wenn Unternehmen der Tabakindustrie generell daran gehindert würden, das Medium [X.] zur Förderung ihres Erscheinungsbildes einzusetzen. Ein so weitreichendes Verbot steht vorliegend aber nicht in Rede. Es bezieht sich vielmehr nur auf die einer breiten Öffentlichkeit allgemein zugängliche Startseite des [X.]auftritts der [X.].

5. Da § 21a Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 und 2 und Abs. 4 [X.] inhaltlich § 19 Abs. 2 und 3 [X.] entspricht und ein Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne von § 2 Nr. 8 [X.] vorliegt, folgt das Verbot nach Inkrafttreten des Gesetzes über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse nunmehr ebenfalls aus diesen Vorschriften.

6. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Unterlassungsanspruch nicht aus § 22 Abs. 2 Nr. 1 [X.] als begründet erachtet.

a) Nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a [X.] ist es unter anderem verboten, in der Werbung für Tabakerzeugnisse Darstellungen zu verwenden, durch die der Eindruck erweckt wird, dass der Genuss von Tabakerzeugnissen gesundheitlich unbedenklich oder geeignet ist, die Funktion des Körpers, die Leistungsfähigkeit oder das Wohlbefinden günstig zu beeinflussen.

Das Berufungsgericht hat angenommen, der bloßen Abbildung von vier offensichtlich gut gelaunten Personen, die Tabakerzeugnisse in der Hand hielten, könne keine Aussage zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit der Tabakerzeugnisse entnommen werden, da die gute Laune ohne Weiteres auf andere Umstände zurückzuführen sein könne und eine gesundheitliche Unbedenklichkeit ohnehin kaum durch Abbildungen, sondern vornehmlich durch Wortattribute ausgedrückt werde. Ebenso wenig sei ein hinreichender Zusammenhang zwischen den abgebildeten Tabakerzeugnissen und der möglicherweise einen Rückschluss auf deren Leistungsfähigkeit zulassenden Fröhlichkeit der Personen erkennbar.

Das wird von der Revision nicht angegriffen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

b) Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c [X.] ist es verboten, in der Werbung für Tabakerzeugnisse unter anderem Darstellungen zu verwenden, die das Inhalieren des Tabakrauchs als nachahmenswert erscheinen lassen.

aa) Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, die angegriffene Darstellung zeige bei der mit brennender Zigarette abgebildeten zweiten Person von rechts zwar einen bestimmten Ausschnitt beim Vorgang des [X.]ens (vom Mund der Person austretender [X.]strom), der vorausgehende und nachfolgende Vorgang des "Ziehens" samt Verbringen des [X.]s ins Körperinnere sei jedoch nicht zu sehen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es neben der [X.]technik des Inhalierens, verstanden als Einatmen des [X.]s direkt in die Lunge, auch die weniger gesundheitsschädliche Technik gebe, den [X.] lediglich in die Mundhöhle zu verbringen. Entsprechendes gelte für die Person ganz rechts auf der Abbildung, die eine rauchende Pfeife in der Hand halte, ohne dass ein vom Mund austretender [X.]strom zu sehen sei.

bb) Die Revisionserwiderung meint, bei der auf der Darstellung als zweite Person von rechts abgebildeten Person handele es sich um einen inhalierenden [X.]er. Das Inhalieren umfasse das Ein- und Ausatmen des Tabakrauchs. Zudem verbiete § 22 Abs. 1 Buchst. c [X.] nicht die Abbildung des Inhalierens von Tabakrauch, sondern jede Darstellung, die das Inhalieren nachahmenswert erscheinen lasse.

cc) Mit diesen Erwägungen kann die Beurteilung des Berufungsgerichts, ein Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Buchst. c [X.] liege nicht vor, nicht in Frage gestellt werden. Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung ohne Rechtsfehler angenommen, dass die zweite Person von rechts in der Abbildung rauchen könne, ohne zu inhalieren, die Abbildung eines inhalierenden [X.]ers also nicht festzustellen sei. Auch wenn der [X.] die Phasen des Ein- und Ausatmens umfassen mag, ist unter "Inhalation" nach allgemeinem Sprachverständnis das Einatmen des [X.]s in die Lunge zu verstehen. Zwar verbietet § 22 Abs. 1 Buchst. c [X.] jede Darstellung, die das Inhalieren nachahmenswert erscheinen lässt. An einer solchen Darstellung fehlt es aber, wenn eine beanstandete Abbildung einen [X.]er zeigt, der nicht erkennbar inhaliert.

6. Ist der Unterlassungsantrag aus § 21a Abs. 4 [X.] in Verbindung mit Absatz 3 dieser Vorschrift zum Zeitpunkt der Abmahnung begründet gewesen, steht dem Kläger auch der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten zu.

7. Nach den vorstehenden Ausführungen stellt sich im Streitfall keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten ist. Damit ist es nicht geboten, gemäß Art. 267 Abs. 3 A[X.]V ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der [X.] zu richten (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, [X.]. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - [X.]; Urteil vom 1. Oktober 2015 - [X.]/14, [X.]. 2015, 1152 Rn. 43 - [X.], mwN).

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher     

      

Schaffert     

      

[X.]

      

Löffler     

      

Schwonke     

      

Meta

I ZR 117/16

05.10.2017

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 21. April 2016, Az: 6 U 2775/15, Urteil

§ 3a UWG, § 19 Abs 2 TabakerzG, § 19 Abs 3 TabakerzG, § 21a Abs 3 LMG 1974 vom 21.12.2006, § 21a Abs 4 LMG 1974 vom 21.12.2006, Art 2 Buchst d EGRL 33/2003, Art 1 Nr 2 EGRL 34/98

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.10.2017, Az. I ZR 117/16 (REWIS RS 2017, 4409)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 45-46 REWIS RS 2017, 4409


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 117/16

Bundesgerichtshof, I ZR 117/16, 05.10.2017.


Az. 6 U 2775/15

OLG München, 6 U 2775/15, 21.04.2016.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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