Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 06.05.2020, Az. 2 BvR 331/18

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2020, 11637

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

AUSLAND ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) EUROPA- UND VÖLKERRECHT IMMUNITÄT GRIECHENLAND STAATSVERSCHULDUNG

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Zur Einstufung des Zwangsumtauschs von Staatsanleihen durch den Gesetzgeber des emittierenden Staates als hoheitlichen Akt - hier: Keine Vorlagepflicht des BGH im Normverifikationsverfahren (Art 100 Abs 2 GG) zur Frage der Staatenimmunität im Falle einer Umschuldung griechischer Staatsanleihen durch Gesetz


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein Urteil des [X.], mit dem eine Klage auf Erfüllung beziehungsweise Schadensersatz infolge der Umschuldung [X.] Staatsanleihen abgewiesen worden ist.

2

Zwischen 1998 und 2010 begab die [X.] diverse Staatsanleihen. Diese Anleihen konnten unmittelbar nur von [X.] erworben werden, die im Girosystem der [X.] akkreditiert waren. In den Anleihebedingungen war bestimmt, dass die Anleihen [X.] Recht unterfallen und als dematerialisierte Wertpapiere ausgegeben werden, die im Girosystem der [X.] registriert werden. [X.] (sogenannte Collective Action Clauses - [X.]) enthielten die Anleihebedingungen nicht. Die Übertragung der Anleihen auf die Giroteilnehmer vollzog sich durch Gutschrift in dem bei der [X.] geführten Register.

3

Die Beschwerdeführerin zu 1. erwarb auf dem Sekundärmarkt über die [X.] am 11. April 2011 solche Staatsanleihen der [X.] ([X.] GR 0114020457, emittiert im Dezember 2007 mit einer Laufzeit bis zum 20. August 2012) im Wert von 15.000 Euro, der Beschwerdeführer zu 2. am 27. Januar 2011 entsprechende Staatsanleihen ([X.] GR 0110021236, emittiert im Dezember 2009 mit einer Laufzeit bis zum 20. März 2012) über die [X.], Zweigniederlassung [X.] im Wert von 20.000 Euro. Auf den den Beschwerdeführern erteilten Abrechnungen findet sich jeweils der Hinweis "[X.] Lagerland [X.]" beziehungsweise "[X.] [X.]".

4

Nach Feststellungen des [X.] zur Rechtslage in [X.] war die Übertragung des Anleihetitels auch auf Dritte ("Investoren") gemäß Art. 6 Abs. 2 des [X.] in der durch das [X.] geänderten Fassung (im Folgenden: n.F.) zulässig. Nach Art. 6 Abs. 4 des [X.] n.F. wirkte die Übertragung nur zwischen den Parteien des Zweiterwerbs und begründete keine Rechtsfolgen zu Gunsten oder zu Lasten des [X.] Staates oder der Bank von [X.]. Die Übertragung erfolge durch Gutschrift auf dem Konto des Investors beim akkreditierten Finanzmarktteilnehmer (sogenannter "Träger"). Art. 6 Abs. 5 des [X.] n.F. sah diesbezüglich vor, dass die Konten der Träger im System der [X.] und die Konten der Investoren bei den Trägern geführt würden.

5

Am 23. Februar 2012 trat das [X.] in [X.], mit dem zum Zwecke der Restrukturierung des [X.] Staatshaushaltes eine Umschuldungsregelung ([X.]) eingeführt wurde. Diese sah die Möglichkeit vor, den Anleiheberechtigten einen Änderungsvorschlag betreffend die Anleihebedingungen und den Austausch von Anleihen zu unterbreiten (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 und Satz 3 des [X.]). Nach der gesetzlichen Regelung konnten die Berechtigten über den Vorschlag abstimmen, wobei dieser bei Erreichen einer Zustimmung von zwei Dritteln von mindestens der Hälfte der Berechtigten als angenommen galt (Art. 1 Nr. 3 des [X.]). Das Stimmgewicht wurde aufgrund des Anteils des jeweiligen Abstimmungsberechtigten an den insgesamt ausgegebenen Staatsanleihen (im Sinne von Art. 1 Nr. 1 Buchstabe a des [X.]) und der Anzahl der Anleihetitel ermittelt, die ein Abstimmungsberechtigter hielt. Das Ergebnis der Gläubigerabstimmung war im [X.] zu veröffentlichen und vom Ministerrat zu bestätigen (Art. 1 Nr. 7 des [X.]). Mit dieser Bestätigung galt die Entscheidung als allgemeinverbindliche Regelung im Rang von Gesetzesrecht (Art. 1 Nr. 8 Satz 1 des [X.]). Im Falle eines Anleiheaustausches galten die ausgetauschten Titel und Rechte als automatisch erloschen (Art. 1 Nr. 8 Satz 2 des [X.]). Es wurde festgeschrieben, dass der gesamte Inhalt der maßgeblichen Regelung des Art. 1 des [X.] von höchstem öffentlichen Interesse sei, sofort umgesetzt werden müsse und als Spezialregelung Vorrang vor jeglicher (einfachrechtlichen) Regelung habe (Art. 1 Abs. 10 des [X.]).

6

Am 24. Februar 2012 unterbreitete die [X.] den Anleiheberechtigten ein Umtauschangebot: Danach sollten die ausgegebenen Anleihen gegen neue Anleihen zu einem um 53,5 % niedrigeren Nennwert getauscht werden (sogenannter [X.]). Die Beschwerdeführer stimmten dem nicht zu.

7

In der Folge wurde das Umtauschangebot von der Mehrheit der Anleiheberechtigten angenommen. Durch einen Ministerratsbeschluss vom 9. März 2012 wurde diese Mehrheitsentscheidung allgemeinverbindlich. Am 12. März 2012 wurden auf den bei der [X.] geführten Konten die bisherigen Anleihen aus- und die neuen Anleihen eingebucht. Die depotführenden Banken vollzogen dies gegenüber den Beschwerdeführern durch eine Umbuchung auf ihren [X.] nach.

8

Am 11. Dezember 2013 erhoben die Beschwerdeführer beim [X.] Klage gegen die [X.] auf Rückzahlung der mit den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen aufgewendeten Mittel gegen Rückbuchung der Anleihen, hilfsweise auf Schadensersatz für die erlittenen Wertverluste aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung beziehungsweise rechtswidriger Enteignung oder rechtswidrigem enteignungsgleichen Eingriff.

9

Das [X.] wies die Klage mit Urteil vom 15. Mai 2015 - 7 O 2995/13 - als unzulässig ab. Der Klage stehe der Grundsatz der [X.] entgegen. Der Rechtsstreit lasse sich unter keinem Gesichtspunkt in der Sache entscheiden, ohne zumindest inzident über die Rechtmäßigkeit beziehungsweise Wirksamkeit von Maßnahmen der [X.] zu entscheiden, die eindeutig hoheitlichen Charakter hätten. Schon in der Rüge der Beschwerdeführer, dass ein "rechtswidrige[r] enteignungsgleiche[r] Eingriff" vorgelegen habe, zeige sich, dass es im [X.] um einen Hoheitsakt gehe. Die dagegen vorgebrachten Argumente, mit denen ein fiskalisches Handeln belegt werden solle, gingen fehl. Der in der Literatur geäußerte Vorwurf des Vertragsbruches durch die [X.] sei unbegründet und widerspreche der Rechtsprechung des [X.] zum Grundsatz der [X.]. Dieses habe die Zahlungsklage eines [X.] Lehrers, der für eine [X.] Schule in [X.] tätig war und von dessen Gehalt die [X.] eine Quellensteuer einbehalten hatte, wegen des Grundsatzes der [X.] für unzulässig gehalten (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 -). Gegenstand des Rechtsstreits sei insoweit nicht die unterbliebene vollständige Auszahlung des Bruttogehalts gewesen, sondern die Besteuerung als hoheitlicher Akt. Nichts anderes könne im vorliegenden Fall gelten.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführer wies das [X.] mit Urteil vom 18. April 2016 - 13 U 43/15 - zurück. Das [X.] habe die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Bezüglich (hilfsweise verfolgter) deliktischer Ansprüche sei das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass einer Klage der Grundsatz der [X.] entgegenstehe. Zwar gelte der Grundsatz nicht für vertragliche Rückzahlungsansprüche; jedoch fehle es insoweit an der internationalen Zuständigkeit nach der [X.] (Verordnung <[X.]> Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; aktuelle Fassung: Verordnung Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen).

Der [X.] wies die Revision der Beschwerdeführer mit Urteil vom 19. Dezember 2017 zurück, weil sich das Urteil des Berufungsgerichts im Ergebnis als richtig darstelle. Zwar sei es rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Grundsatz der [X.] insoweit nicht entgegenstehe, als die Klage auf vertragliche Rückzahlungsansprüche gestützt werde; die Zuerkennung eines vertraglichen Anspruches setze jedoch denknotwendig voraus, dass das angerufene Gericht die Rechtswidrigkeit und eine gegebenenfalls daraus resultierende Nichtigkeit oder Unbeachtlichkeit des [X.] [X.] und der Allgemeinverbindlichkeitserklärung feststellen müsste. Eine solche Beurteilung des hoheitlichen Handelns eines anderen Staates schließe der Grundsatz der [X.] aus. Im Übrigen könne die [X.] nicht mit einem sonstigen Schuldner privater Forderungen gleichgesetzt werden, da sie sich staatlicher Mittel bedient habe. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zur Verordnung ([X.]) Nr. 1393/2007 des [X.] und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 1348/2000 des Rates sei insoweit nicht relevant. Die [X.] Gerichtsbarkeit ergebe sich auch nicht aus Art. 10 Abs. 1 des [X.] über die Immunität der [X.] und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom 2. Dezember 2004 ([X.] 44 <2005>, [X.] 801, 807; im Folgenden: [X.]), da dieses Übereinkommen bisher nicht in [X.] getreten und weder von [X.] noch von [X.] gezeichnet oder ratifiziert worden sei.

Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihres Rechts auf [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 25 Satz 1 [X.].

Der [X.] habe "über die hochstreitige Frage nach dem völkergewohnheitsrechtlichen Umfang des Bestehens der Immunität" im vorliegenden Fall bezüglich des beklagten [X.] Staates entschieden. [X.] sei insbesondere gewesen, ob ein völkergewohnheitsrechtlich bestehendes Recht eines Staates auf Immunität dann zu verneinen ist, wenn der Staat sich rechtsgeschäftlich auf [X.] des Privatrechts begeben hat, ob also der Grundsatz "once a trader always a trader" ein allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts ist. Nach Ansicht der Beschwerdeführer hätte der [X.] deshalb gemäß Art. 100 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 25 Satz 1 [X.] die Pflicht gehabt, diese Frage dem [X.] im Rahmen des sogenannten [X.] vorzulegen.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das [X.] bereits entschieden sind. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.]G genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 [X.]G), denn die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das angegriffene Urteil des [X.] verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihrem Recht auf [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Zwar kann Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] durch eine unterbliebene Vorlage an das [X.] nach Art. 100 Abs. 2 [X.] verletzt werden; einer solchen Vorlage bedurfte es jedoch nicht. Der [X.] konnte über die Revision der Beschwerdeführer entscheiden, ohne im Rahmen eines [X.] klären zu lassen, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts (Art. 25 [X.]) Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (vgl. [X.]E 18, 441 <447 f.>; 64, 1 <12 f.>; 109, 13 <22 f.>).

a) Einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 [X.] bedarf es, wenn zweifelhaft ist, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 [X.] existiert, die Bestandteil des Bundesrechts ist, und zwar hinsichtlich ihres Inhalts, Umfangs, ihrer Tragweite, Allgemeinheit sowie ihres zwingenden Charakters (vgl. [X.]E 15, 25 <31 f.>; 16, 27 <32>; 23, 288 <318>; 64, 1 <13>; 92, 277 <316>; 94, 315 <328>; Stern, in: [X.] Kommentar, [X.], Art. 100, Rn. 220 ; [X.]/[X.], in: v. Mangoldt/[X.]/[X.], [X.], 7. Aufl. 2018, Art. 100 Rn. 77).

b) Daran fehlte es vorliegend, weil der [X.] nur eine anerkannte und in der Rechtsprechung des [X.] hinreichend geklärte Regel des Völkerrechts angewandt hat.

Es ist eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechts, dass ein Staat grundsätzlich keiner fremden Gerichtsbarkeit unterworfen ist (vgl. Internationaler Gerichtshof, Urteil vom 3. Februar 2012, [X.] , Judgment, [X.] 2012, p. 99 Rn. 58, 107). Allerdings folgen die [X.] heute mehrheitlich einem restriktiven Immunitätsverständnis (vgl. tabellarische Übersicht bei [X.], The State Immunity [X.] in International Law, 2005, [X.] ff.; Internationaler Gerichtshof, Urteil vom 3. Februar 2012, [X.] , Judgment, [X.] 2012, p. 99 Rn. 60 f.; anders [X.] oder [X.], die von einem unbegrenzten Immunitätsverständnis ausgehen, vgl. [X.], International Law, 8. Aufl. 2017, [X.] [X.]. 60), nach dem die staatliche Immunität nur für [X.] (acta iure imperii), nicht aber für privatwirtschaftliches Handeln (acta iure gestionis) gilt (vgl. [X.], in: [X.], [X.], 2012, [X.]", Rn. 25).

Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Senats, nach der [X.] weitgehend uneingeschränkt für solche Akte besteht, die hoheitliches Handeln darstellen, nicht (mehr) jedoch für die sogenannten acta iure gestionis (vgl. [X.]E 16, 27 <33 ff.>; 117, 141 <153>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 -, Rn. 19).

Der [X.] hat diese allgemeine Regel des Völkerrechts, deren Inkorporation in das Bundesrecht in der Rechtsprechung des [X.] wiederholt festgestellt worden ist, lediglich zur Anwendung gebracht. In dem angegriffenen Urteil geht der [X.] zwar davon aus, dass die Emission von Staatsanleihen als Akt iure gestionis zum Kreis des nicht-hoheitlichen Handelns gehöre. Unter Berufung auf sein Urteil vom 8. März 2016 ([X.], 191 <197 Rn. 17>) führt er jedoch aus, dass es im vorliegenden Fall darauf nicht ankomme, sondern auf die Rechtsnatur der hoheitlichen Maßnahme, die zur Aus- und Umbuchung der Staatsanleihen bei den Beschwerdeführern geführt hat. Diese Umschuldungsmaßnahmen seien durch den [X.] Gesetzgeber vorgenommen worden und daher als acta iure imperii zu qualifizieren. Dabei bezieht er sich auf die Rechtsprechung des [X.], das die Einführung einer ausländischen Quellensteuer und ihre Einziehung von einem bei dem ausländischen Staat beschäftigten Arbeitnehmer dem hoheitlichen Bereich zugerechnet hat (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 -, Rn. 22). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. Im Übrigen stellt sich das Urteil des [X.] auch als zutreffend dar. Während die Emission von Staatsanleihen nach ganz überwiegender Ansicht zum Kreis nicht-hoheitlichen Handelns gerechnet wird (vgl. auch [X.]E 117, 141 <153>), gehört die Gesetzgebung zu dem allgemein anerkannten Bereich hoheitlicher Tätigkeit (vgl. [X.]E 16, 27 <63>; 46, 342 <394>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 -, Rn. 21). Ein Akt iure imperii liegt auch vor, wenn ein Staat den seiner Hoheitsgewalt Unterworfenen zum Zwecke der Einnahmenerzielung einseitig und gegenleistungsfrei Steuern und sonstige Abgaben auferlegt (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 -, Rn. 22).

a) Unter Zugrundelegung dieser Wertungen der für die Abgrenzung ausschlaggebenden [X.]n Rechtsordnung (vgl. [X.]E 16, 27 <62>; 46, 342 <393 f.>; 64, 1 <42>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 -, Rn. 21) steht auch im vorliegenden Rechtsstreit ein Akt iure imperii in Rede. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Kürzung der Ansprüche der Beschwerdeführer aufgrund des durch [X.]s Gesetz veranlassten Zwangsumtausches und die damit verbundene unterbliebene vollständige Auszahlung des ursprünglich geschuldeten vollen Nennwerts der emittierten und sodann zwangsumgetauschten Staatsanleihen. Eine solche Kürzung des Nennwerts durch Gesetz steht einem privaten Marktteilnehmer als Handlungsoption nicht zur Verfügung und gehört jedenfalls für nach dem Recht des emittierenden Staates begebene Anleihen zum [X.]bereich hoheitlichen Handelns (vgl. [X.], [X.], [X.] 285 <286>). Als solche hoheitliche Maßnahme eines ausländischen Staates unterliegt sie nicht der [X.]n Gerichtsbarkeit (vgl. den Rechtsgedanken des § 20 Abs. 2 GVG und weiter Freitag, in: [X.]/[X.], Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. 2015, Rn. 6.657; [X.], [X.], [X.] 1621 <1621 f.>; [X.], [X.], [X.] 481 <483>).

b) Diese Beurteilung wird von Entscheidungen anderer Gerichte gestützt.

aa) So hat der [X.] in Bezug auf den [X.] Zwangsumtausch der Staatsanleihen bestätigt, dass keine Zweifel daran bestünden, dass die fragliche Maßnahme "gesetzlich vorgesehen" gewesen sei und im öffentlichen Interesse gelegen habe (vgl. [X.]MR, [X.], Urteil vom 21. Juli 2016, Nr. 63066/14, 64297/14 und 66106/14, §§ 99, 105).

bb) Der Gerichtshof der [X.] hat in der einschlägigen Rechtssache [X.] festgestellt, dass es sich bei einer Klage wie der hier zugrundeliegenden um keine [X.] handele, für die der Anwendungsbereich der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ([X.]) eröffnet wäre. Diese Verordnung gelte nicht für die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte und insbesondere nicht für Streitigkeiten, die einer Wahrnehmung von Hoheitsrechten durch eine der Parteien des Rechtsstreits entspringen. Diese würde Befugnisse ausüben, die über die im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden allgemeinen Regeln hinausgingen (vgl. [X.], Urteil vom 15. November 2018, [X.], [X.]/17, [X.]:[X.], Rn. 27 ff., 35, 42 f.).

Die - auch im Rahmen der Verfassungsbeschwerde in Rede stehende -Maßnahme der [X.] sei eine solche hoheitliche Maßnahme. Sie gehe insbesondere auf die im Rahmen eines zwischenstaatlichen Unterstützungsmechanismus bestehende Notwendigkeit zurück, die [X.] Staatsschulden umzustrukturieren und die Gefahr des Scheiterns des entsprechenden Umstrukturierungsplans auszuschließen, um einen Zahlungsausfall [X.]s zu verhindern und die Finanzstabilität des [X.] sicherzustellen. Die rückwirkende Einführung einer [X.] habe es der [X.] somit ermöglicht, allen Anleiheinhabern eine wesentliche Änderung der finanziellen Bedingungen dieser Anleihen aufzuerlegen, und zwar auch jenen, die mit dieser Änderung nicht einverstanden gewesen seien (vgl. [X.], Urteil vom 15. November 2018, [X.], [X.]/17, [X.]:[X.], Rn. 39 f.).

cc) In einem [X.] Fall betreffend [X.] Staatsanleihen, die in [X.] begeben und in [X.] auf dem Sekundärmarkt gehandelt worden waren, hat auch die [X.] 2005 Immunität bei Erklärung eines [X.]es angenommen (vgl. Sez. [X.], [X.]. 27. Mai 2005, n. 6532). Sie befand, dass es sich bei den Rechtsakten, mit denen [X.] den [X.] erklärt und die Einstellung des Schuldendienstes angeordnet hatte, um Äußerungen souveräner Staatsgewalt gehandelt habe und dass deshalb die Immunität des Staates eingreife (vgl. Sez. [X.], [X.]. 27. Mai 2005, n. 6532, insbesondere Ziff. 4).

Der [X.] Oberste Gerichtshof ([X.]) entschied zwar zunächst, dass der Klage eines Anlegers, der über eine [X.] Depotbank [X.] Staatsanleihen erworben hatte und aus diesen [X.] geltend machte, der Einwand der [X.] nicht entgegenstehen könne (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Mai 2014 - 4 Ob 227/13f -; vom 30. Juli 2015 - 8 Ob 67/15h -; vom 31. August 2015 - 6 Ob 122/15g - und vom 25. November 2015 - 8 Ob 125/14p -). Diese Rechtsprechung hat er Ende 2018 jedoch aufgegeben und ein Bestehen der [X.]n Gerichtsbarkeit im [X.] an das Urteil des Gerichtshofs der [X.] in der Rechtssache [X.] verneint ([X.], Beschluss vom 22. Januar 2019 - 10 Ob 103/18x -, Ziff. 1.1).

In diesem Sinne hat sich schließlich auch [X.] in einer abweichenden Meinung zu einer Entscheidung des [X.] ([X.] [1983] [X.] ) geäußert. Er bejahte, dass ein ausländischer Staat auch im Zusammenhang mit einem zunächst durch eine Handlung iure gestionis begründeten Rechtsverhältnis Immunität beanspruchen kann, wenn er sich später als Hoheitsträger geriert (zustimmend [X.], International Law, 8. Aufl. 2017, [X.] 535). Wenn ein Staat in der Lage sei, auf eine Maßnahme zu verweisen, die eindeutig ein Akt iure imperii sei, dann könne er sein Handeln der Sphäre iure gestionis entziehen (vgl. [X.] [1983] [X.] , [X.] 269). Ein solcher Akt iure imperii zeichne sich dadurch aus, dass er hoheitlicher Natur sei, im Gegensatz zu einem Akt, den auch ein privater Bürger vollbringen könnte (vgl. [X.] [1983] [X.] , [X.] 269).

c) Diese Beurteilung wird nicht dadurch erschüttert, dass Stimmen in der Rechtsprechung anderer [X.] ([X.] Supreme Court, [X.], [X.], 504 U.[X.] 607) und dem Schrifttum ([X.], [X.] und [X.], 1985, [X.] 106, 178; [X.], [X.] im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren, 1998, [X.] 420 f.; Szodruch, [X.]insolvenz und private Gläubiger, 2008, [X.] 379 f.; [X.], [X.], 2013, [X.] 409 f.; [X.], Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2020, Rn. 584; [X.], Staatsbankrott und private Gläubiger, 2015, [X.] 191; [X.], Ausländische [X.] vor [X.]n Zivilgerichten, 2017, [X.] 82 ff.; [X.], in: [X.], 33. Aufl. 2020, [X.], Rn. 30; [X.], [X.], [X.] 193 <198 f.>) dem Gesetzgeber des emittierenden Staates den Zugriff auf zivilrechtliche Forderungen verwehren wollen. Abgesehen davon, dass sie häufig auf der Grundlage unklarer Voraussetzungen argumentieren, stützen sie sich jedenfalls nicht auf eine allgemeine Überzeugung einer Mehrheit der [X.] und können daher keine allgemeine Regel des Völkerrechts statuieren (vgl. [X.]E 95, 96 <129>; 96, 68 <86 f.>; 109, 13 <27 f.>; 109, 38 <53>).

d) Schließlich vermag auch die Berufung auf Art. 10 Ziffer 1 [X.], der einem Staat die Immunität für privatwirtschaftliche Rechtsgeschäfte abspricht, kein anderes Ergebnis zu begründen. Zum einen ist das [X.]-Übereinkommen bisher weder in [X.] getreten noch von [X.] oder [X.] gezeichnet worden. Zum anderen verhält sich die Regelung auch nicht zu dem Problem eines nachträglichen hoheitlichen Eingriffs in ein privatrechtlich begründetes Schuldverhältnis.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 331/18

06.05.2020

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

Art 25 GG, Art 100 Abs 2 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 823 Abs 1 BGB, § 20 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 06.05.2020, Az. 2 BvR 331/18 (REWIS RS 2020, 11637)

Papier­fundstellen: WM2020,1111 REWIS RS 2020, 11637

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XI ZR 796/16 (Bundesgerichtshof)

Zulässigkeit einer Klage gegen die Republik Griechenland wegen der Umschuldung von Staatsanleihen: Einwand der Staatenimmunität


Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 1286/18

3 StR 564/19

Zitiert

2 BvR 736/13

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