Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2017, Az. XI ZR 796/16

11. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 321

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Gegenstand

Zulässigkeit einer Klage gegen die Republik Griechenland wegen der Umschuldung von Staatsanleihen: Einwand der Staatenimmunität


Leitsatz

Zum Grundsatz der Staatenimmunität, wenn die Klage auf Rückzahlungsansprüche aus Staatsanleihen gestützt ist, die infolge der nachträglich durch Gesetz eingeführten Allgemeinverbindlichkeitserklärung einer Gläubigerentscheidung gegen andere Staatsanleihen ausgetauscht worden sind (Fortführung von BGH, Urteil vom 8. März 2016, VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191).

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 7. Juli 2016 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger machen gegen die [X.] Zahlungsansprüche aus von dieser emittierten Staatsanleihen geltend, die im März 2012 eingezogen und durch neue Anleihen mit einem niedrigeren Nennwert ersetzt wurden.

2

Im September 2010 und im März 2011 erwarben die Kläger von der [X.] in den Jahren 1998 und 2003 emittierte ISIN-GR-Anleihen und zahlten dafür insgesamt 41.571,41 €. Bei den Anleihen, deren Anleihebedingungen keine Umschuldungsklauseln (sog. Collective Action Clauses) enthielten, handelte es sich um dematerialisierte Wertpapiere, die im Girosystem der [X.] Zentralbank registriert waren und die zunächst nur an in diesem System registrierte "Träger" ausgegeben wurden.

3

Der Kläger zu 1 erwarb über die [X.] bzw. über die c.     bank AG Anleihen mit einem Nennwert von insgesamt 24.000 €. Die Klägerin zu 2 erwarb über die [X.] mit einem Nominalwert von 20.000 €. Auf den den Klägern erteilten Abrechnungen zu den getätigten Anleihekäufen findet sich jeweils der Hinweis "[X.]" bzw. "Verwahrungs-Art: Wertpapierrechnung Griechenland".

4

Im Zuge der Restrukturierung des [X.] Staatshaushaltes wurde durch das [X.] Gesetz 4050/2012 vom 23. Februar 2012 geregelt, dass durch Mehrheitsentscheidung der Anleihegläubiger Anleihebedingungen geändert und ein Umtausch von Anleihen gegen neue Anleihen vorgesehen werden können und diese Entscheidung sodann durch Beschluss des Ministerrates der [X.] für allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Nach dem Gesetz bewirkt der [X.], dass die überstimmte Minderheit der Anleihegläubiger an den Mehrheitsbeschluss gebunden ist und dieser Vorrang vor gegenteiligen Gesetzesbestimmungen, Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen hat. Überdies führt im Fall eines Austausches der betroffenen Titel die Einbuchung der neuen Titel im Girosystem zur Aufhebung aller Rechte und Verpflichtungen aus den alten Titeln. Eine Änderung der betroffenen Anleihen erfordert, dass die Anleihegläubiger sich an der Abstimmung über die Änderung bzw. den Umtausch mit einem Quorum von mindestens 50% des ausstehenden Nennbetrages beteiligen und eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln des teilnehmenden Kapitals dem Änderungsvorschlag zustimmt.

5

Am 24. Februar 2012 richtete sich die Beklagte an Investoren, die direkt am Girosystem der [X.] Zentralbank beteiligt waren, und lud diese zur Teilnahme an der Umschuldung ein. Sie bot an, die betroffenen [X.] gegen neue Staatsanleihen und Schuldverschreibungen mit einem um 53,5% verringerten Nennwert umzutauschen.

6

Die an der Abstimmung teilnehmenden Gläubiger repräsentierten zusammen 91,5% des ausstehenden [X.] und 94,34% des teilnehmenden Kapitals stimmten für den Änderungsvorschlag. Mit ihrer Billigung durch Beschluss des [X.] der [X.] vom 9. März 2012 wurde diese Mehrheitsentscheidung allgemeinverbindlich. Aufgrund dessen wurden am 12. März 2012 die alten Anleihen eingezogen, womit sämtliche aus ihnen resultierenden Rechte und Pflichten erloschen, und die neuen Anleihen in das Girosystem der [X.] Zentralbank eingebucht. Daraufhin wurden auch in den Depotbeständen der Kläger, die dem Umtausch nicht zugestimmt hatten, die alten Anleihen ausgebucht und gleichzeitig die neuen Anleihen mit geringerem Nennwert sowie anderer Stückelung und Laufzeit eingebucht.

7

Mit ihrer Klage begehren die Kläger Zahlung des für den Erwerb der Anleihen investierten Kapitals abzüglich vereinnahmter Zahlungen, Zug um Zug gegen Abtretung der im März 2012 eingebuchten Anleihen, und Ersatz entgangenen Gewinns aus einer alternativen Festzinsanlage. Die Kläger stützen sich in erster Linie auf von ihnen behauptete vertragliche Ansprüche auf Rückzahlung der ursprünglich erworbenen Staatsanleihen bzw. auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung und hilfsweise auf Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung beziehungsweise wegen rechtswidriger Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriffs.

8

Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da der Klage der Grundsatz der [X.] entgegenstehe. Auf die Frage der internationalen Zuständigkeit komme es somit nicht an. Die Berufung der Kläger hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in [X.], 285 veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Das [X.] habe die Klage mit Recht als unzulässig abgewiesen, weil die [X.] Gerichtsbarkeit nicht eröffnet sei. Dies sei bereits höchstrichterlich geklärt, soweit die Kläger Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger Schädigung bzw. wegen rechtswidriger Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriffs geltend machten. Die Beklagte könne sich aber auch bezüglich vertraglicher Erfüllungs- und Nichterfüllungsansprüche auf die [X.] berufen. Denn auch insoweit seien die [X.] und nicht die verweigerte Erfüllung eines im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrags von der Beklagten als Vertragspartnerin geschuldeten Zahlungsanspruchs Gegenstand des Rechtsstreits. Bei einer Entscheidung über Ansprüche aus dem [X.] wäre über die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten durchgeführten [X.] zu befinden, da auch die Kläger davon ausgingen, dass [X.] aus den ursprünglichen Anleihen nur dann noch existieren könnten, wenn das Gesetz "rechtswidrig" sei. Überdies bleibe ein Staat auch als Marktteilnehmer ein spezieller Vertragspartner. Er behalte auch bei seinem Auftreten als Marktteilnehmer grundsätzlich seine hoheitlichen Rechte und könne sich, wenn er diese im Rahmen des Vertragsverhältnisses ausübe, auf seine [X.] berufen. Denn wenn der Staat gezielt durch hoheitliches Handeln das Vertragsverhältnis störe, erscheine es nicht möglich, in einer nachfolgend gegen den Staat gerichteten Haftungsklage keine Infragestellung von Handlungen in Ausübung hoheitlicher Rechte zu sehen.

Überdies wären die [X.]n Gerichte jedenfalls international nicht zuständig. Es handele sich schon nicht um eine Zivil- oder Handelssache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: [X.] aF). Überdies seien weder die Voraussetzungen des [X.] gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 [X.] aF gegeben noch liege der gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. a [X.] aF maßgebliche Erfüllungsort im Bezirk des [X.]s Itzehoe.

II.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Grundsatz der [X.] der Klage insgesamt entgegensteht.

a) Die Frage, ob die [X.] Gerichtsbarkeit nach den Grundsätzen der [X.] eröffnet ist, ist von Amts wegen ([X.] 46, 342, 359; [X.], Urteile vom 9. Juli 2009 - [X.], [X.]Z 182, 10 Rn. 20 mwN, vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 11 und vom 24. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 290 Rn. 16) und vor Ermittlung der internationalen Zuständigkeit ([X.], Urteil vom 8. März 2016, aaO, und Beschluss vom 26. November 2015 - [X.], juris Rn. 3; Stürner, [X.] 2008, 197, 203 mwN; Wagner, [X.] 2014, 260, 261) zu prüfen.

b) Soweit im Völkerrecht in einem allgemeinen Sinne von [X.] die Rede ist, bezieht sich diese auf den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz, dass ein Staat nicht fremdstaatlicher nationaler Gerichtsbarkeit unterworfen ist. Allerdings hat das Recht der allgemeinen [X.], nicht zuletzt wegen des zunehmend kommerziellen grenzüberschreitenden Tätigwerdens staatlicher Stellen, einen Wandel von einem absoluten zu einem nur mehr relativen Recht durchlaufen. Es ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts mehr, dass ein Staat Immunität auch für nicht-hoheitliches Handeln ("acta iure gestionis") genießt (vgl. [X.] 16, 27, 33 ff.; 117, 141, 152 f.; [X.], NJW 2014, 1723 Rn. 19; [X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 12). [X.] besteht aber nach dem als Bundesrecht im Sinne von Art. 25 GG geltenden allgemeinen Völkergewohnheitsrecht auch heute noch weitgehend uneingeschränkt für solche Akte, die hoheitliches Handeln eines Staates darstellen ("acta iure imperii"), soweit der ausländische Staat auf sie nicht verzichtet. Andernfalls könnte die rechtliche Prüfung durch die Gerichte eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns erfordern, was mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von [X.] und dem daraus folgenden Rechtsprinzip, dass [X.] nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht vereinbar wäre (vgl. [X.] 117, 141, 152 f.; [X.], NJW 2014, 1723 Rn. 19 f.; [X.], Urteile vom 26. September 1978 - [X.], [X.], 586 und vom 8. März 2016, aaO).

Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nicht nach deren Motiv oder Zweck. Sie kann auch nicht danach vorgenommen werden, ob die Betätigung in erkennbarem Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben des Staates steht. Dies folgt daraus, dass die Tätigkeit eines Staates, wenn auch nicht insgesamt, aber doch zum weitaus größten Teil hoheitlichen Zwecken und Aufgaben dient und mit ihnen in einem erkennbaren Zusammenhang steht. Maßgebend für die Unterscheidung ist vielmehr die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt und damit öffentlich-rechtlich oder wie eine Privatperson, also privatrechtlich, tätig geworden ist ([X.] 16, 27, 61 f.; [X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 14 und Beschluss vom 30. Januar 2013 - [X.]/12, [X.], 1903 Rn. 11).

Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu beurteilen ([X.] 16, 27, 62; [X.], NJW 2014, 1723 Rn. 21; [X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 15), hier also nach [X.]m Recht. Die Heranziehung nationaler Regelungen zur Unterscheidung hoheitlichen staatlichen Handelns von nicht-hoheitlichem staatlichem Handeln findet erst dort ihre Grenze, wo der unter den [X.] allgemein anerkannte Bereich hoheitlicher Tätigkeit berührt ist. Das betrifft etwa die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (vgl. [X.] 16, 27, 63; [X.], NJW 2014, 1723 Rn. 21; [X.], Urteil vom 8. März 2016, aaO). Insoweit kann es ausnahmsweise geboten sein, eine nach nationalem Recht als privatrechtlich einzuordnende Tätigkeit eines ausländischen Staates gleichwohl als der [X.] unterfallenden Akt iure imperii zu qualifizieren, wenn dieser zum Kernbereich völkerrechtlich anerkannter Staatsgewalt zu rechnen ist (vgl. [X.] 16, 27, 63 f.; [X.], NJW 2014, 1723 Rn. 21; [X.], Urteil vom 8. März 2016, aaO).

c) Nach diesen Grundsätzen steht - wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unangegriffen angenommen hat - der Klage der Grundsatz der [X.] entgegen, soweit sie (hilfsweise) auf Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung bzw. wegen rechtswidriger Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriffs gestützt ist. Insoweit besteht das maßgebliche, potentiell haftungsbegründende Verhalten der Beklagten im Erlass des [X.] vom 23. Februar 2012 sowie dem Beschluss des [X.] vom 9. März 2012, aufgrund derer die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger über das Umtauschangebot allgemeinverbindlich wurde und bei denen es sich um hoheitliche Maßnahmen handelt, deren Rechtmäßigkeitskontrolle der Grundsatz der [X.] verhindern will ([X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.] 209, 191 Rn. 19 ff.).

d) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend angenommen, dass der Klage der Grundsatz der [X.] auch insoweit entgegensteht, als sie auf vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen bzw. auf vertragliche Ersatzansprüche wegen deren Nichterfüllung gestützt ist (ebenso [X.], Urteil vom 8. Dezember 2016 - 14 U 4840/15, juris Rn. 145 ff.; [X.], Urteil vom 26. Mai 2017 - 6 U 1/17, n.v. Umdruck S. 11 ff.; [X.], Urteil vom 21. Juni 2017 - 5 U 1533/16, n.v. Umdruck S. 7; [X.], Urteil vom 21. Juli 2017 - 16 U 85/16, n.v. Umdruck S. 21 ff.; [X.], Urteil vom 1. September 2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdruck S. 12 ff.; [X.], Urteil vom 1. September 2017 - 1 U 145/16, n.v. Umdruck S. 8 ff.; KG, Urteil vom 11. September 2017 - 10 U 173/15, n.v. Umdruck S. 6 ff.; [X.], Urteil vom 19. November 2013 - 2 O 132/13, [X.]. 2013 Nr. 172 [X.], 372; [X.], [X.] 2016, 76, 77 ff.; [X.], Urteil vom 16. November 2015 - 21 O 1342/14, BeckRS 2015, 116949 Rn. 16; [X.], Urteile vom 19. Oktober 2016 - 1 O 216/14, juris Rn. 130 ff. und vom 14. Dezember 2016 - 1 O 317/13, juris Rn. 52 ff.; Freitag in [X.]/[X.], Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl., Rn. 6.657).

aa) Zwar stellt die Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen nach ganz überwiegender Ansicht ein nicht-hoheitliches Handeln dar (vgl. nur [X.] 117, 141, 153; [X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 17; [X.], [X.], 1878, 1880; [X.], [X.], 1590, 1594 mwN; vgl. auch [X.], Urteil vom 11. Juni 2015 - [X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, Fahnenbrock u.a., [X.], 1250 Rn. 53).

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung kommt es für die Frage der Immunität aber nicht auf die Rechtsnatur des [X.]ses an, sondern auf die Natur der staatlichen Handlung, also die Rechtsnatur der Maßnahme, über deren Berechtigung die Parteien streiten ([X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 17). Demgemäß hat das [X.] in einem Fall, dem eine Lohnzahlungsklage gegen den [X.] zugrunde lag (vgl. [X.], 244 Rn. 6), der den Nettolohn eines bei ihm in [X.] beschäftigten Staatsbürgers wegen der Einführung einer Quellensteuer in Höhe von 5% des [X.] gekürzt hatte, die Immunität mit der Begründung bejaht, Gegenstand des Rechtsstreits sei die hoheitlich zu beurteilende Besteuerung mit der ausländischen Quellensteuer durch den beklagten Staat, nicht die unterbliebene vollständige Auszahlung eines im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis vom beklagten Staat als Arbeitgeber geschuldeten ([X.] ([X.], NJW 2014, 1723 Rn. 22). Damit hat das [X.] nicht auf die teilweise Nichtzahlung des Arbeitsentgelts abgestellt, sondern auf den Grund für diese Nichtzahlung, nämlich die Steuererhebung.

bb) Nach diesen Maßgaben ist für die Beurteilung der Immunität im vorliegenden Fall unabhängig von der rechtlichen Einkleidung der geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht die Rechtsnatur der Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen, sondern die Rechtsnatur der hoheitlichen Maßnahmen der Beklagten, die letztlich zur Ausbuchung der Anleihen aus den Wertpapierdepots der Kläger führten, maßgeblich ([X.], Urteil vom 8. Dezember 2016 - 14 U 4840/15, juris Rn. 146 ff.; [X.], Urteil vom 19. November 2013 - 2 O 132/13, [X.]. 2013 Nr. 172 S. 372; [X.], [X.] 2016, 76, 77; [X.], Urteile vom 19. Oktober 2016 - 1 O 216/14, juris Rn. 131 und vom 14. Dezember 2016 - 1 O 317/13, juris Rn. 53).

(1) Auch wenn sich die Kläger darauf berufen, vertragliche [X.] aus den ursprünglich von ihnen erworbenen Staatsanleihen bzw. vertragliche Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung geltend zu machen, ist - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Rechtsstreits nicht einfach die im Zeitpunkt der Fälligkeit verweigerte Erfüllung eines im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrages von der Beklagten als Vertragspartnerin geschuldeten Zahlungsanspruchs ist (ebenso [X.], Urteil vom 8. Dezember 2016 - 14 U 4840/15, juris Rn. 147; [X.], Urteil vom 19. Oktober 2016 - 1 O 216/14, juris Rn. 132; KG, Urteil vom 11. September 2017 - 10 U 173/15, n.v. Umdruck S. 7). Denn bei den streitgegenständlichen Anleihen handelt es sich um (dematerialisierte) Wertpapiere, die [X.] Recht unterlagen, im System der [X.] Zentralbank geführt wurden und vor Eintritt ihrer Fälligkeit auf der Grundlage des [X.] und des [X.]beschlusses vom 9. März 2012 zunächst aus diesem System und in der Folge auch aus den Wertpapierdepots der Kläger ausgebucht wurden. Ferner ist in dem [X.] vorgesehen, dass die Einbuchung der neuen Anleihen im Girosystem zur Aufhebung aller Rechte und Verpflichtungen aus den alten Titeln führt.

Angesichts dieser Umstände würde die Zuerkennung eines vertraglichen Erfüllungsanspruchs denknotwendig voraussetzen, dass das angerufene Gericht die Rechtswidrigkeit und eine daraus ggf. resultierende Nichtigkeit oder Unbeachtlichkeit des [X.] und des [X.]beschlusses vom 9. März 2012 feststellt (vgl. [X.], Urteil vom 8. Dezember 2016 - 14 U 4840/15, juris Rn. 149; [X.], [X.] 2016, 76, 78 f.; [X.], Urteil vom 26. April 2016 - 5 O 218/14, n.v. Umdruck S. 20).

Damit ist aber gerade eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns der Beklagten erforderlich, die mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von [X.] und dem daraus folgenden Rechtsprinzip, dass [X.] nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht vereinbar wäre (vgl. [X.], [X.], 481, 485). Denn es geht - ebenso wie im Rahmen außervertraglicher Ansprüche - maßgeblich um die Frage, ob der [X.] Gesetzgeber berechtigt war, mit Wirkung gegenüber ausländischen Gläubigern, die beim Erwerb der Anleihen in die Geltung seiner Zivilrechtsordnung eingewilligt hatten, gegen deren Willen neue Vorschriften in seine Rechtsordnung einzufügen, welche früher geltende Normen ersetzen oder ergänzen. Gerade dadurch ist aber der Grundsatz der [X.] unmittelbar berührt (vgl. [X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 25; [X.] EWiR 2016, 577, 578).

Noch deutlicher wird - worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist - dieser enge Zusammenhang mit dem unstreitig hoheitlichen Handeln der Beklagten durch Gesetz und [X.]beschluss, soweit die Kläger einen vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung aus § 280 Abs. 1 BGB geltend machen. Denn insofern wird gerade das hoheitliche Handeln der Beklagten als maßgebliche, die Schadensersatzpflicht auslösende Pflichtverletzung gerügt.

(2) Die Beklagte kann - entgegen der Ansicht der Revision (ebenso [X.], [X.], 1878, 1880; [X.], [X.], 1590, 1594; [X.] WuB 2017, 290, 293; [X.] [X.] 2016, 80, 81) - auch nicht mit einem sonstigen Schuldner einer privaten Forderung gleichgesetzt werden, der sich darauf beruft, seine Verbindlichkeit sei durch ein Gesetz oder eine andere hoheitliche Maßnahme erloschen, und dessen Einwendung nach dem anwendbaren materiellen Recht zu prüfen ist ([X.], Urteil vom 1. September 2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdruck S. 14 f.). Denn die Beklagte hat hier die zum Erlöschen ihrer Verbindlichkeit führenden Maßnahmen selbst in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger durch Parlamentsgesetz und [X.]beschluss erlassen, während einem privaten Schuldner ein gesetzlicher Eingriff in vertragliche Verpflichtungen unmöglich ist ([X.], Urteil vom 1. September 2017, aaO; [X.], Urteil vom 19. Oktober 2016 - 1 O 216/14, juris Rn. 132; [X.], [X.], 1793, 1794).

cc) Der Einordnung der hier für die Beurteilung der Immunität maßgeblichen Maßnahmen als hoheitlich steht das Urteil des Gerichtshofs der [X.] (nachfolgend: [X.]) vom 11. Juni 2015 ([X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, Fahnenbrock u.a., [X.], 1250) nicht entgegen. Dieses Urteil ist zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1393/2007 des [X.] und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 1348/2000 des Rates ([X.], ABl. L 324, [X.]) ergangen und befasst sich nur mit der Zustellung von Klagen, also mit der Möglichkeit, einen Sachverhalt überhaupt zur gerichtlichen Überprüfung zu bringen und die Gelegenheit zur Klärung komplexer juristischer Fragen zu schaffen. Demgemäß hat der [X.] auf die Besonderheiten des unionsrechtlichen Zustellungsrechts abgestellt, insbesondere auf das mit der [X.] verfolgte Ziel der Schnelligkeit bei der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke und die damit verbundene Beschränkung auf eine erste Prüfung der vorliegenden Informationen (vgl. [X.], aaO Rn. 46). [X.] stellen sich auf dieser Stufe noch nicht, sondern erst auf der Stufe der Gerichtsbarkeit, die der Zustellung nachgelagert ist ([X.], Urteil vom 8. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 191 Rn. 24; [X.], [X.] 2015, 503, 504; [X.], EWiR 2015, 495, 496).

dd) Der Verneinung der [X.]n Gerichtsbarkeit im vorliegenden Fall steht auch nicht das Urteil des [X.] vom 20. Juli 2016 ([X.], [X.], 1586) entgegen (ebenso [X.], Urteil vom 1. September 2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdruck S. 16). In diesem Urteil hat der [X.] entschieden, dass eine Klage auf Rückzahlung [X.]r Staatsanleihen, die von der [X.] wegen des Zwangsumtausches der Anleihen aufgrund des [X.] verweigert wird, vom Deckungsschutz in der Rechtschutzversicherung nicht durch eine Klausel ausgeschlossen ist, nach der Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Enteignungs-, Planfeststellungs-, Flurbereinigungs- sowie im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten besteht ([X.], aaO Rn. 20 ff.). Die Frage der - möglicherweise fehlenden - Erfolgsaussichten einer Klage gegen die [X.] ist offen gelassen worden, weil dieser Einwand nicht in der gebotenen Form und Frist erhoben worden war ([X.], aaO Rn. 32 ff.).

ee) Das Bestehen der [X.]n Gerichtsbarkeit ergibt sich auch nicht aus Art. 10 Abs. 1 des [X.] über die Immunität der [X.] und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom 2. Dezember 2004 ([X.] (2005), 801, 807), da dieses Übereinkommen bisher nicht in [X.] getreten und weder von [X.] noch von [X.] gezeichnet oder ratifiziert worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die in diesem Artikel enthaltene Regelung, die überdies die Feststellung einer internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetzt (vgl. [X.] (2) S. 34), die Immunität über die oben dargestellte Rechtsprechung hinaus einschränken würde und insoweit als Völkergewohnheitsrecht gälte (so zu der Regelung für Arbeitsverträge in Art. 11 des Übereinkommens [X.]MR, Urteile vom 23. März 2010 - 15869/02, [X.]/[X.], Slg. 2010 - III, 153 Rn. 66 f. und vom 29. Juni 2011 - 34869/05, Sabeh [X.]/[X.], [X.] 2012, 1333 Rn. 54; in Bezug auf Art. 10 offengelassen von [X.], Urteil vom 24. März 2016 - [X.], [X.]Z 209, 290 Rn. 21 und 24), sind nicht ersichtlich (vgl. [X.], Urteil vom 1. September 2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdruck S. 18).

ff) Schließlich steht der Verneinung der [X.]n Gerichtsbarkeit im vorliegenden Fall auch nicht das Urteil des [X.] vom 26. April 2017 (5 [X.], [X.] 2017, 611 Rn. 15 ff.) entgegen. Die diesem Urteil zugrundeliegende Fallkonstellation ist nicht mit der hier in Rede stehenden vergleichbar, da die streitgegenständlichen Anleihen [X.] Recht unterlagen, im System der [X.] Zentralbank geführt wurden und aufgrund der streitgegenständlichen hoheitlichen Maßnahmen aus diesem System ausgebucht und durch neue Anleihen ersetzt wurden.

2. Da die Klage somit schon deshalb unzulässig ist, weil die [X.] Gerichtsbarkeit nicht eröffnet ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Auffassung des Berufungsgerichts, die internationale Zuständigkeit [X.]r Gerichte ergebe sich weder aus Art. 15 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 [X.] aF noch aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. a [X.] aF, rechtlicher Überprüfung standhält.

[X.]     

      

Maihold     

      

Matthias

      

Derstadt     

      

Dauber     

      

Meta

XI ZR 796/16

19.12.2017

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 7. Juli 2016, Az: 5 U 84/15, Urteil

Art 25 GG, § 20 Abs 2 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2017, Az. XI ZR 796/16 (REWIS RS 2017, 321)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 692-694 WM2018,223 REWIS RS 2017, 321

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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