Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.02.2023, Az. B 7 AS 123/22 B

7. Senat | REWIS RS 2023, 1517

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Anspruch auf rechtliches Gehör - Recht auf ein faires Verfahren - Mündlichkeitsgrundsatz - Ablehnung eines Antrags auf Terminverlegung - Glaubhaftmachung erheblicher Gründe durch anwaltliche Versicherung - Recht auf den gesetzlichen Richter - Entscheidung über Verlegungsantrag vor Erledigung eines Ablehnungsgesuchs - Heilung - Entbehrlichkeit einer dienstlichen Äußerung gemäß § 44 Abs 3 ZPO)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 24. August 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des [X.] ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 [X.]). Die Klägerin hat die als Zulassungsgrund allein geltend gemachten Verfahrensmängel nicht schlüssig bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]).

2

Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] und auf eine Verletzung des § 103 [X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

3

Die Klägerin macht geltend, das [X.] habe gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 [X.], Art 103 Abs 1 GG) iVm dem Recht auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) und dem Mündlichkeitsgrundsatz (§ 124 Abs 1 [X.]) verstoßen, weil ihrem Terminverlegungsantrag vom [X.], den sie auf eine urlaubsbedingte Abwesenheit ihrer Prozessbevollmächtigten in der 33. (Schreiben vom [X.]) bzw 34. [X.] (Schreiben vom [X.]) gestützt habe, nicht entsprochen worden sei.

4

Indes ergibt sich aus ihrem Vorbringen, dass sich ihre Prozessbevollmächtigte auch nach dem Hinweis des [X.], der Verhinderungsgrund sei glaubhaft zu machen, mit Schreiben vom 19.8.2022 (Freitag der 33. [X.]) darauf zurückgezogen hat, dass gemäß § 227 Abs 3 Satz 1 ZPO ohne Weiteres ein Anspruch auf Verlegung des für den 24.8.2022 bestimmten Termins bestehe. In Anbetracht der Regelung des § 110 Abs 3 [X.], der § 227 Abs 3 Satz 1 ZPO ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt, ist eine verfahrensfehlerhafte Handhabung des Prozessrechts durch das [X.] mit diesem Vorbringen nicht hinreichend aufgezeigt. Dies gilt auch, soweit die Klägerin geltend macht, die Ablehnung der Terminverlegung sei angesichts des anwaltlichen Vortrags "reine [X.]". Denn selbst wenn man davon ausgeht, die Glaubhaftmachung iS des § 227 Abs 2 ZPO könne durch anwaltliche Versicherung erfolgen, so bedarf diese zumindest einer ausdrücklichen Erklärung des Anwalts (vgl [X.] vom [X.] - [X.] 463/16 - RdNr 14 mwN). Dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine solche abgegeben habe, hat sie nicht dargebracht. Sie bringt im Gegenteil die Auffassung zum Ausdruck, einer solchen Versicherung bedürfe es nicht.

5

Im Zusammenhang mit einer behaupteten Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen [X.] (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) rügt die Klägerin, der mit Schreiben vom 19.8.2022 abgelehnte [X.] habe nicht am 22.8.2022 den Terminverlegungsantrag ablehnen dürfen, obwohl über den Ablehnungsantrag noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Der Termin zur mündlichen Verhandlung betreffe unstreitig keine Sache, die in § 227 Abs 3 Satz 2 ZPO aufgezählt worden sei und sei keine unaufschiebbare Maßnahme gemäß § 60 Abs 1 [X.] iVm § 47 Abs 1 ZPO.

6

Ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, ist damit nicht dargetan. Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, weshalb angesichts der Unanwendbarkeit des § 227 Abs 3 Satz 1 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren vorliegend Ausnahmeregelungen dazu zur Anwendung kommen können. Soweit die Klägerin meint, der abgelehnte [X.] habe nicht über den Terminverlegungsantrag entscheiden dürfen, weil das keine unaufschiebbare Handlung gewesen sei, entspricht es ständiger Rechtsprechung des BSG, dass eine Versagung rechtlichen Gehörs - ohne dass es auf die inhaltliche Berechtigung zur Verlegung ankommt - grundsätzlich schon anzunehmen ist, wenn der Vorsitzende seiner Verpflichtung zur Bescheidung eines [X.] bzw Verlegungsantrags nicht nachkommt, obwohl eine Entscheidung nach den [X.] möglich gewesen wäre (vgl nur BSG vom 6.10.2022 - [X.] [X.] 5/22 B - RdNr 9 mwN). Schon aus diesem Grund hätte es näherer Ausführungen dazu bedurft, inwieweit unter diesen Umständen von der Aufschiebbarkeit der Entscheidung auszugehen gewesen sein könnte.

7

Das gilt auch, soweit die Klägerin vorgebracht hat, im Zeitpunkt der Ablehnung des [X.] sei noch nicht rechtskräftig über das Ablehnungsgesuch entschieden worden. Ein Verfahrensfehler ist damit nicht hinreichend bezeichnet. Da die Verletzung einer "Wartepflicht" infolge der Ablehnung eines [X.]s durch die (wirksame) Zurückweisung des [X.] geheilt wird (BSG vom [X.] - B 9 SB 24/00 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.] = juris RdNr 4; [X.] - B 14 [X.] 302/19 B - Rd[X.]; [X.] in [X.] zur ZPO, 6. Aufl 2020, § 47 RdNr 8 mwN) und diese nach der Beschwerdebegründung erfolgt ist, fehlt es an schlüssigem Vortrag dazu, weshalb es auf die Rechtskraft der Verwerfung oder Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs ankommen soll.

8

Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit dem Ablehnungsgesuch gesondert geltend macht, sie habe auf eine Stellungnahme zur dienstlichen Äußerung gemäß § 44 Abs 3 ZPO nicht verzichtet, ist nach der Beschwerdebegründung nicht erkennbar, dass sich der geltend gemachte Ablehnungsgrund "Besorgnis der Befangenheit Herr [X.] …, da er trotz Urlaubszeit nicht verlegen wolle" auf einen nicht aktenkundigen Vorgang bezieht. In diesem Fall wäre schon die dienstliche Äußerung des abgelehnten [X.]s entbehrlich (BSG vom [X.] - B 5 R 1/19 B - RdNr 10; [X.] vom [X.] - [X.] 61/15 ua - RdNr 14), genauso wie bei der Unzulässigkeit des Antrags (dazu BSG vom 23.10.2017 - [X.] [X.] 28/17 BH - Rd[X.]).

9

Wegen der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen [X.], weil das [X.] nicht gemäß § 153 Abs 5 [X.] habe entscheiden dürfen, genügt die Begründung nicht den Anforderungen an die Bezeichnung einer verfahrensfehlerhaften Handhabung dieser Vorschrift (dazu BSG vom [X.] - B 11 [X.] 8/18 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] RdNr 13). Das gilt sowohl hinsichtlich der bemängelten Länge der Entscheidung angesichts der Zahl der von der Klägerin gestellten Anträge (§ 56 [X.]), als auch im Hinblick auf die gerügte Wiedergabe von Rechtsprechung des BSG im Urteil des [X.].

Mit der Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG), des Anspruchs auf ein faires Verfahren und des Justizgewährungsanspruchs (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG) erhebt die Klägerin letztlich inhaltliche Einwände gegen die Entscheidung des [X.]. Es geht ihr darum, einen Aufenthaltsgrund dem Bestehen eines Aufenthaltsrechts gleichzustellen. Das beantwortet sich nicht nach dem für den Ablauf des Gerichtsverfahrens geltenden Vorgaben, sondern nach materiellem Recht und kann damit grundsätzlich nicht zum Erfolg einer Verfahrensrüge iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.] führen. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 2 [X.] und des § 136 Abs 1 [X.] [X.] rügt; sie bringt insoweit nur vor, die Entscheidung des [X.] sei in der Sache unzutreffend.

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 [X.] ohne Zuziehung der ehrenamtlichen [X.].

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 [X.].

 S. Knickrehm

Siefert

Neumann

Meta

B 7 AS 123/22 B

16.02.2023

Bundessozialgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Darmstadt, 4. März 2022, Az: S 21 AS 871/18, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 124 Abs 1 SGG, § 110 Abs 3 SGG, § 227 Abs 2 ZPO, § 227 Abs 3 S 1 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 60 Abs 1 SGG, § 47 Abs 1 ZPO, § 44 Abs 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.02.2023, Az. B 7 AS 123/22 B (REWIS RS 2023, 1517)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1517

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 7 AS 107/22 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - Nichtbescheidung …


B 7 AS 108/22 B (Bundessozialgericht)


B 13 R 254/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - rechtliches Gehör - Antrag auf Terminverlegung wegen Erkrankung …


B 4 AS 133/22 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Recht auf den gesetzlichen Richter - vorschriftsmäßige Besetzung …


B 9 SB 72/14 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Klärungsbedürftigkeit - Auseinandersetzung mit oberstgerichtlicher Rechtsprechung - Verfahrensfehler - Arbeitsverdichtung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 463/16

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.