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Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - rechtliches Gehör - Antrag auf Terminverlegung wegen Erkrankung - Einreichung eines unzureichenden ärztlichen Attestes
Auf die Beschwerde des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 14. Juni 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.
I. Im zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Vormerkung rentenrechtlicher Zeiten.
Die Beklagte führte beim Kläger eine Kontenklärung im Rahmen eines Vormerkungsverfahrens (§ 149 Abs 5 [X.]B VI) durch und stellte die bis zum 31.12.2007 zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten verbindlich fest (Bescheid vom 25.3.2014). Dabei merkte sie bezogen auf den streitigen Zeitraum Pflichtbeitragszeiten vom 1.3. bis zum [X.] vor. Dagegen hat der Kläger Klage auf durchgehende Vormerkung der Zeiten von "Januar 1979 bis Oktober 1994" als Pflichtbeitragszeiten erhoben. Nachdem die Beklagte den darin liegenden Widerspruch zurückgewiesen hatte (Widerspruchsbescheid vom 5.8.2016), hat das [X.] die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Im Berufungsverfahren hat das L[X.] den Kläger am 19.5.2017 zur mündlichen Verhandlung am 14.6.2017 geladen. Mit Telefax vom [X.], das am selben Tag um 18.26 Uhr beim L[X.] eingegangen ist, hat der seinerzeit nicht vertretene Kläger Terminverlegung beantragt. Er sei am [X.] am Fuß operiert worden und könne immer noch nicht laufen, wolle seine Argumente aber in der Verhandlung persönlich vortragen. Mit Schreiben vom [X.] hat das L[X.] ihn darauf hingewiesen, dass eine Terminsaufhebung derzeit nicht beabsichtigt sei, dies komme nur bei Vorlage eines ärztlichen Attestes über die Wegeunfähigkeit in Betracht. Daraufhin hat der Kläger mit Telefax vom [X.], das am selben Tag um 17.42 Uhr beim L[X.] eingegangen ist, eine formlose Bescheinigung des niedergelassenen Chirurgen [X.] vom [X.] vorgelegt, wonach er aufgrund einer [X.] nicht ausreichend mobil sei. Das L[X.] hat am 14.6.2017 von 11.25 bis 11.50 Uhr in Abwesenheit des weiterhin unvertretenen [X.] mündlich verhandelt und die Berufung aufgrund dieser Verhandlung zurückgewiesen (Urteil vom 14.6.2017). Im Berufungsurteil hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Verlegungsgrund glaubhaft gemacht. Dass er reise- und/oder verhandlungsfähig sei, lasse das vorgelegte Attest nicht erkennen. Darin würden insbesondere die konkreten Auswirkungen der [X.] nicht dargelegt.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger einen Verfahrensmangel geltend. Er rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör in Verbindung mit dem Grundsatz der Mündlichkeit.
II. 1. Die zulässige Beschwerde ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.
a) Das L[X.] hat den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 [X.]G) in Verbindung mit dem Grundsatz der Mündlichkeit (§ 124 Abs 1 [X.]G) verletzt.
aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne der aufgezeigten Vorschriften gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in einer mündlichen Verhandlung darzulegen (B[X.] Beschluss vom 28.8.1991 - 7 [X.]/91 - [X.] 3-1500 § 160a [X.] mwN; B[X.] Beschluss vom 24.10.2013 - [X.] [X.]/13 B - juris RdNr 8; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] RE 10/18 B - juris Rd[X.]3; B[X.] Beschluss vom 13.12.2018 - [X.] R 192/18 B - juris Rd[X.]5). Liegt ein erheblicher Grund für eine Terminverlegung iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 [X.]G vor und wird dies ordnungsgemäß beantragt, besteht grundsätzlich eine entsprechende Pflicht des Gerichts zur Terminverlegung (B[X.] Urteil vom 10.8.1995 - 11 [X.] - [X.] 3-1750 § 227 [X.] mwN; B[X.] Urteil vom 12.2.2003 - B 9 S[X.]/02 R - juris Rd[X.]1; B[X.] Beschluss vom 7.12.2017 - [X.] R 378/16 B - juris RdNr 5; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] RE 10/18 B - juris Rd[X.]3), selbst wenn das persönliche Erscheinen des [X.] - wie vorliegend - nicht angeordnet worden ist (B[X.] Beschluss vom 21.7.2005 - [X.]/11 [X.] 261/04 B - juris Rd[X.]1 mwN; B[X.] Beschluss vom 13.11.2008 - [X.] R 277/08 B - juris Rd[X.]5 mwN; B[X.] Beschluss vom 24.10.2013 - [X.] [X.]/13 B - juris RdNr 8). Dabei hat die zeitliche wie inhaltliche Behandlung von Anträgen auf Terminverlegung der zentralen Gewährleistungsfunktion der mündlichen Verhandlung für den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu genügen (B[X.] Beschluss vom 16.11.2000 - [X.] RA 122/99 B - [X.] 3-1500 § 160 [X.] f mwN).
bb) Diesen Anforderungen ist die Behandlung des klägerischen [X.] durch das L[X.] nicht gerecht geworden. Der Kläger hat mittels Telefax vom [X.] deutlich gemacht, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen, und zugleich die Verlegung des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung wirksam beantragt. Indem er vorgebracht hat, infolge einer Fußgelenksoperation nicht laufen zu können, hat er auch einen der Art nach beachtlichen Verlegungsgrund vorgetragen, denn die fehlende Reisefähigkeit stellt grundsätzlich einen erheblichen Grund iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 [X.]G dar (B[X.] Beschluss vom [X.] B 12 KR 69/19 B - juris Rd[X.]1). Zwar hat der Kläger die geltend gemachte Unfähigkeit, zum Termin anzureisen, nicht iS von § 227 Abs 2 ZPO iVm § 202 Satz 1 [X.]G glaubhaft gemacht. Wird ein Terminverlegungsantrag - wie vorliegend - erst kurz vor dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung gestellt und mit einer Erkrankung begründet, ist zur Glaubhaftmachung eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, die Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung angibt, damit das Gericht in die Lage versetzt wird, die Verhandlungs- bzw Reiseunfähigkeit des Beteiligten selbst beurteilen zu können (B[X.] Beschluss vom 13.10.2010 - [X.] [X.]/10 B - [X.] 4-1500 § 110 [X.] Rd[X.]2 mwN; B[X.] Beschluss vom 13.12.2018 - [X.] R 192/18 B - juris Rd[X.]8). Der am [X.] ergänzend vorgelegten Bescheinigung des Chirurgen [X.] lassen sich aber keine Angaben zur Schwere und voraussichtlichen Dauer der krankheitsbedingten Einschränkungen entnehmen, die dem Kläger eine Teilnahme am Termin selbst unter Einsatz von [X.] oder anderen zumutbaren Hilfsmitteln unmöglich gemacht hätten. Gleichwohl durfte das L[X.] im Termin vom 14.6.2017 nicht in Abwesenheit des [X.] verhandeln und entscheiden. Der zu diesem Zeitpunkt nicht vertretene Kläger hatte mit Überreichung des genannten Attestes aus seiner Sicht alles getan, um das L[X.] von der Notwendigkeit einer Terminverlegung zu überzeugen. Zwar hat das gerichtliche Schreiben vom [X.] den Hinweis enthalten, dass bei krankheitsbedingter Verhinderung ein ärztliches Attest über die Wegeunfähigkeit zu übersenden sei. Diesem Hinweis hat der Kläger indes Folge geleistet. Er hat ein ärztliches Attest vorgelegt, das er ausweislich des Datums offensichtlich zu diesem Zweck eingeholt hatte. Darin ist ihm eine nicht ausreichende Mobilität bescheinigt worden. Die damit in allgemeiner Form attestierte Unfähigkeit zu einem Ortswechsel entspricht aus Sicht eines juristischen und medizinischen Laien einer Wegeunfähigkeit. Dass die ärztliche Bescheinigung jedenfalls bei einem kurzfristig gestellten Antrag auf Terminverlegung wie dargelegt einen Inhalt aufweisen muss, der das Gericht in die Lage versetzt, die Reisefähigkeit der betreffenden Person selbst beurteilen zu können, ist dem gerichtlichen Schreiben vom [X.] nicht zu entnehmen. Das musste der zu diesem Zeitpunkt rechtskundig nicht vertretene Kläger auch nicht wissen. Auf Grund seiner Zweifel an einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit des [X.] hätte das L[X.] bzw der [X.] entweder den Kläger zur weiteren Glaubhaftmachung seines Vortrags durch Vorlage eines aussagekräftigen Attestes auffordern oder selbst eine nähere Stellungnahme des Chirurgen [X.] über das Ausmaß der Erkrankung des [X.] einholen müssen (zu dieser Pflicht vgl B[X.] Beschluss vom 13.11.2008 - [X.] R 277/08 B - juris Rd[X.]7; B[X.] Beschluss vom 21.7.2009 - B 7 [X.] 9/09 B - juris RdNr 5; B[X.] Beschluss vom 13.12.2018 - [X.] R 192/18 B - juris Rd[X.]2; B[X.] Beschluss vom [X.] B 12 KR 69/19 B - juris Rd[X.]1).
b) Auf dem dargestellten Verfahrensmangel kann die angefochtene Entscheidung auch beruhen. Bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, die darin besteht, dass ein Verfahrensbeteiligter gehindert worden ist, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass sie für die Entscheidung ursächlich geworden ist (B[X.] Beschluss vom 26.6.2007 - B 2 U 55/07 B - [X.] 4-1750 § 227 [X.] RdNr 7 f; B[X.] Beschluss vom 11.2.2015 - [X.] R 329/13 B - juris Rd[X.]0; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] RE 10/18 B - juris Rd[X.]7). Deshalb erübrigen sich Ausführungen dazu, inwieweit das angefochtene Urteil auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen kann (B[X.] Beschluss vom 7.12.2017 - [X.] R 378/16 B - juris Rd[X.]4; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] RE 10/18 B - juris Rd[X.]7). Umstände, welche die Ursächlichkeit der gerügten Gehörsverletzung für das angefochtene Urteil ausnahmsweise ausschließen könnten (hierzu B[X.] Beschluss vom 16.11.2000 - [X.] RA 122/99 B - [X.] 3-1500 § 160 [X.]), sind nicht ersichtlich.
c) Liegen - wie vorliegend - die Voraussetzungen eines [X.], auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), vor, kann das B[X.] auf die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das L[X.] zurückverweisen (§ 160a Abs 5 [X.]G). Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Entscheidung des L[X.] vorbehalten. |
Meta
20.05.2020
Beschluss
Sachgebiet: R
vorgehend SG Speyer, 31. Mai 2016, Az: S 20 R 490/14, Urteil
§ 62 SGG, § 124 Abs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 202 S 1 SGG, § 227 Abs 1 S 1 ZPO, § 227 Abs 2 ZPO, Art 103 Abs 1 GG
Zitiervorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 20.05.2020, Az. B 13 R 254/17 B (REWIS RS 2020, 2538)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 2538
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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