Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 13.03.2014, Az. 2 BvR 974/12

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2014, 7131

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

WAFFEN STRAFRECHT BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) STAATSRECHT UND STAATSORGANISATIONSRECHT STRAFTATEN GRUNDRECHTE DURCHSUCHUNG

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Wohnungsdurchsuchung verletzt Art 13 Abs 1, Abs 2 GG, wenn Tatverdacht lediglich auf bloßen Vermutungen oder vagen Anhaltspunkten beruht - hier: unrechtmäßige Durchsuchung bei Prokuristen eines Unternehmens wegen Verdachts der Bestechung von Amtsträgern durch Firmenangehörige


Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 29. März 2012 - 17 [X.] - und der Beschluss des [X.] vom 7. November 2011 - 28 [X.] 1251/11 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 und Absatz 2 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des [X.] wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Das [X.] hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung einer Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers, der insbesondere geltend macht, dass ihm gegenüber der Verdacht einer Straftat nicht vorgelegen habe.

2

1. a) Der Beschwerdeführer ist Prokurist sowie Leiter der Abteilungen "Recht/Sicherheit/Versicherungen" der [X.], eines Unternehmens aus dem Bereich der Rüstungsindustrie.

3

b) Am 16. August 2010 erschien ein Artikel in einem Nachrichtenmagazin, in welchem davon berichtet wurde, das Unternehmen habe trotz fehlender Ausfuhrgenehmigungen für vier [X.] [X.] möglicherweise wissentlich Waffen in diese [X.] geliefert und Mitarbeiter zu Vorführungen dorthin geschickt. Die Staatsanwaltschaft prüfe Verstöße gegen das [X.] und das [X.]. Der Geschäftsführer des Unternehmens habe darauf hingewiesen, dass man auf die Verteilung der Waffen innerhalb [X.] keinen Einfluss habe.

4

c) Mit einer E-Mail vom 18. August 2010 unterrichtete der Beschwerdeführer die Geschäftsführung, dass ein Unternehmensmitarbeiter seit 2006 insgesamt elf Reisen nach [X.] unternommen habe. Sein Büro sei versiegelt. Am 19. August 2010 teilte der Beschwerdeführer per E-Mail mit, dass die Auswertung der Reiseunterlagen eine Reise dieses Mitarbeiters in eine der vier in dem Nachrichtenmagazin erwähnten [X.] im Juni/Juli 2006 ergeben habe. In dieser E-Mail wurde eine Reihe von Fragen aufgelistet, welche aus Sicht des Beschwerdeführers für die Staatsanwaltschaft klärungsbedürftig sein könnten. In einer weiteren E-Mail vom 25. August 2010 teilte der Beschwerdeführer mit, dass alle [X.] des Mitarbeiters auf eine Festplatte gezogen und einer beauftragten Rechtsanwaltskanzlei zur Auswertung ausgehändigt worden seien. Von den [X.] seien Sicherungskopien gefertigt worden, welche sich bei der Rechtsabteilung unter Verschluss befänden. Als Vorbereitung auf einen nächsten Gesprächstermin mit den Anwälten des Unternehmens würden einige typische [X.] erstellt, "die als Vorzeigefälle für die Staatsanwaltschaft dienen" sollten.

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d) Ein anderer Mitarbeiter des Unternehmens sagte gegenüber den Ermittlungsbehörden aus, dass im Zusammenhang mit [X.] nach [X.] in den Jahren 2005 bis 2010 Bestechungsgelder an [X.] Amtsträger gezahlt worden seien. Am 21. Dezember 2010 fand daraufhin eine Durchsuchung der Räumlichkeiten der [X.] statt. Neben den aufgeführten E-Mails des Beschwerdeführers wurde dabei weiterer [X.] dreier Unternehmensmitarbeiter aus dem [X.] aufgefunden, der zum Gegenstand hatte, dass vor dem Hintergrund fehlender Ausfuhrgenehmigungen für Waffenverkäufe nach [X.] Parteispenden in Höhe von jeweils 10.000 € an die beiden Regierungsparteien beziehungsweise an einzelne Parteimitglieder, unter denen sich auch ein parlamentarischer Staatssekretär des [X.] befand, gezahlt werden sollten. Der Beschwerdeführer war an diesem [X.] nicht beteiligt.

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2. Das [X.] erließ am 7. November 2011 den angegriffenen Durchsuchungsbeschluss, wonach nun auch die Wohnräume des Beschwerdeführers durchsucht werden sollten. Es bestehe neben dem bereits bekannten Verdacht der Verstöße gegen das [X.] und das [X.] auch der Verdacht der gemeinschaftlichen Bestechung ausländischer und inländischer Amtsträger. Möglicherweise seien die Bestechungszahlungen dazu bestimmt gewesen, falsche Endverbleibserklärungen zu erhalten. Zudem habe die Auswertung des [X.]s anderer Beteiligter ergeben, dass das Unternehmen mit Parteispenden Einfluss auf die Staatssekretärsrunde habe nehmen wollen. Bei der E-Mail des Beschwerdeführers vom 25. August 2010 könne es sich um eine "normale rechtliche Vorbereitung" auf eine anhand der damaligen Presseveröffentlichungen zu erwartende staatsanwaltschaftliche Durchsuchung handeln. Sie könne aber auch ein "Hinweis auf [X.] bzw. -verschleierung bzw. -entfernung" sein.

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3. Hiergegen wandte sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde, mit welcher er insbesondere bemängelte, hinsichtlich des Vorwurfs der gemeinschaftlichen Bestechung werde lediglich auf das Verhalten anderer Mitarbeiter Bezug genommen. Außer der Prokuristenstellung des Beschwerdeführers werde mit Bezug auf ihn lediglich eine E-Mail erwähnt, welche aber keineswegs zur "[X.] bzw. -verschleierung bzw. -entfernung" habe dienen können, sondern vielmehr offensichtlich zur Aufarbeitung der im Artikel des Nachrichtenmagazins genannten Vorwürfe verfasst worden sei. Der Beschwerdeführer habe mit seinem Vorgehen - etwa der Versiegelung des Büros des für [X.] zuständigen Mitarbeiters - gerade eine Beseitigung von Beweisen verhindern wollen. Alleine an seine Position als Prokurist könne man zur Begründung des Tatverdachts nicht anknüpfen. Der Beschwerdeführer habe nicht im Entferntesten etwas mit Parteispenden zu tun gehabt. Er habe bei den dazu geschriebenen E-Mails keine Rolle gespielt und diese nicht einmal in Kopie erhalten.

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4. Mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 29. März 2012 verwarf das [X.] die Beschwerde. Es habe der Verdacht der Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Bestechung inländischer und ausländischer Amtsträger bestanden. Der Beschwerdeführer habe bereits vor der ersten Durchsuchung - nämlich am 25. August 2010 - Kenntnis von den möglicherweise verbotenen Waffenlieferungen nach [X.] gehabt und Handlungsempfehlungen für das weitere Vorgehen gegenüber der Staatsanwaltschaft gegeben. Auch habe er bereits am 19. August 2010 darauf hingewiesen, dass der für [X.] zuständige Mitarbeiter des Unternehmens sich im Juni/Juli 2006 im "[X.]" aufgehalten habe. Aus der dadurch zum Ausdruck kommenden "Sachnähe, Sachkenntnis und Sachleitung" ergebe sich jedenfalls ein Anfangsverdacht, zumal der Beschwerdeführer als Prokurist handlungsberechtigt gewesen sei. Die Bezugnahme auf den Artikel des Nachrichtenmagazins in der E-Mail vom 19. August 2010 ändere daran nichts, denn außer durch die Presseberichterstattung habe der Beschwerdeführer über die Kenntnisse auch aufgrund einer etwaigen eigenen Mitwirkung an den Vorgängen verfügen können.

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Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Eine etwaige Strafbarkeit wegen Begünstigung oder Strafvereitelung werde im Durchsuchungsbeschluss nicht behauptet. Für den Tatvorwurf der Bestechung ergäben sich aus den in der E-Mail vom 25. August 2010 benannten Beweissicherungs- und Aufklärungsmaßnahmen gerade keine Hinweise auf eine "[X.] bzw. -verschleierung bzw. -entfernung". Letztlich sei der Schluss von den auf Vorschriften des [X.]es und des [X.]es bezogenen Beweissicherungshandlungen des Beschwerdeführers auf eine Beteiligung an in der Vergangenheit liegenden Korruptionsdelikten eine bloße Vermutung.

1. Das [X.] Landes Baden-Württemberg hat von einer Stellungnahme abgesehen.

2. Der [X.] hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und vertrat die Ansicht, dass bei der gebotenen Gesamtschau eine hinreichende Verdachtslage gegenüber dem Beschwerdeführer vorgelegen habe. Die E-Mails des Beschwerdeführers trügen die Folgerung, dass er über eine besondere Sachnähe, Sachkenntnis und über Sachleitungsmöglichkeiten im Hinblick auf [X.] verfügt haben könnte, zumal ein planmäßiges und abgestimmtes Vorgehen mehrerer Firmenangehöriger sehr wahrscheinlich sei. Dabei habe der Beschwerdeführer über externe Handlungsbefugnisse als Prokurist verfügt. Die E-Mails des Beschwerdeführers, in welchen dieser die Erstellung von "[X.]" für die Staatsanwaltschaft angekündigt habe, habe man so verstehen können, als habe er die in Verdacht geratenen Firmenangehörigen gegenüber weiteren Ermittlungen abschirmen wollen.

3. Der Beschwerdeführer hat darauf repliziert.

4. [X.] hat dem [X.] vorgelegen.

Die Voraussetzungen für eine stattgebende [X.] nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 [X.] sind erfüllt. Das [X.] hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere hinsichtlich des für eine Durchsuchung erforderlichen Tatverdachts - bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]; vgl. [X.] 115, 166 <197 f.>), und die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]).

1. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG.

a) Mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG erfährt die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz, in den mit einer Durchsuchung schwerwiegend eingegriffen wird (vgl. [X.] 42, 212 <219 f.>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>). Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung zum Zwecke der Strafverfolgung ist daher der Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde.

Dieser Verdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. [X.] 44, 353 <371 f.>; 115, 166 <197 f.>). Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind; denn sie setzen einen Verdacht bereits voraus (vgl. [X.]K 8, 332 <336>; 11, 88 <92>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 15/11 -, juris, Rn. 14). Notwendig ist, dass ein auf konkrete Tatsachen gestütztes, dem Beschwerdeführer angelastetes Verhalten geschildert wird, das den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1774/10 -, juris, Rn. 25). Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. [X.] 59, 95 <97>).

Der für die vorherige Gestattung des mit der Durchsuchung verbundenen Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung oder dessen nachträgliche Kontrolle [X.] hat den Verdacht eigenverantwortlich zu prüfen und dabei die Interessen des Betroffenen angemessen zu berücksichtigen (vgl. [X.] 103, 142 <151>). Ein Eingreifen des [X.]s ist nur geboten, wenn die Auslegung und Anwendung der einfach-rechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts (§ 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO) als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Betroffenen beruhen (vgl. [X.] 18, 85 <92 ff.>). Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung des von den Fachgerichten angenommenen Verdachts ist nicht Sache des [X.]s (vgl. [X.] 95, 96 <128>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 20. April 2004 - 2 BvR 2043/03, 2 BvR 2104/03 -, juris, Rn. 5).

b) Nach diesen Maßstäben werden die angegriffenen Entscheidungen des [X.] vom 7. November 2011 und des [X.] vom 29. März 2012 den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Die Anordnung der Durchsuchung der Wohnräume gemäß § 102 StPO hätte die Darlegung eines Verhaltens des Beschwerdeführers erfordert, aus dem sich der hinreichend konkrete Verdacht einer von ihm als Täter oder Teilnehmer begangenen Straftat ergibt. Dem genügen die angegriffenen Beschlüsse nicht. Die ihnen zugrunde liegende Annahme des Verdachts einer Beteiligung des Beschwerdeführers an einer gemeinschaftlichen Bestechung ausländischer oder inländischer Amtsträger gemäß § 334 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 11 Abs. 1 Nr. 2b, § 25 Abs. 2 StGB in Verbindung mit Art. 2, § 1 Nr. 2a und Nr. 2b [X.] beruht nicht auf konkreten Tatsachen, sondern auf allenfalls vagen Anhaltspunkten und bloßen Vermutungen.

aa) In seinem Beschluss vom 29. März 2012 hat das [X.] ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Stellung des Beschwerdeführers als Prokurist der [X.] für sich genommen einen Anfangsverdacht nicht zu begründen vermag. Dagegen ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.

bb) Für eine Beteiligung des Beschwerdeführers an Bestechungshandlungen gegenüber ausländischen Amtsträgern im Zusammenhang mit Waffenlieferungen der [X.] nach [X.] werden sonstige hinreichend konkrete Anhaltspunkte von den Fachgerichten nicht genannt:

(1) Insbesondere ergeben sich solche nicht aus den E-Mails vom 18. und 19. August 2010. Der Beschwerdeführer teilt in diesen unter Bezugnahme auf den Presseartikel vom 16. August 2010 das vorläufige Ergebnis seiner Recherchen zu Reisen von [X.] nach [X.] mit und listet nach seiner Auffassung aus Sicht der Staatsanwaltschaft klärungsbedürftige Fragen auf. Rückschlüsse auf eine Beteiligung des Beschwerdeführers an Bestechungsdelikten gegenüber [X.]n Amtsträgern lassen sich hieraus in keiner Weise ableiten.

(2) Soweit in den angegriffenen Beschlüssen davon ausgegangen wird, der Beschwerdeführer sei einer Beteiligung an einem Bestechungsdelikt hinreichend verdächtig, da sich aus seiner E-Mail vom 25. August 2010 Hinweise auf eine Vernichtung, Entfernung oder Verschleierung von Beweisen ergeben könnten, ist dies nicht nachvollziehbar.

Wenn der Beschwerdeführer in dieser E-Mail mitteilt, sämtliche Unterlagen über [X.]-Reisen seien erstellt, die [X.] des zuständigen Unternehmensmitarbeiters auf Festplatte gezogen und einem Anwaltsbüro zur Auswertung übergeben sowie die [X.] des Mitarbeiters zur Sicherung kopiert und unter Verschluss, spricht dies eher für eine Sicherung, als für eine Vernichtung oder Entfernung von Beweismitteln. Warum sich hieraus Hinweise auf eine unzulässige Verschleierung von Sachverhalten zum Zwecke der Vereitelung staatlicher Sanktionen ergeben sollen, erschließt sich nicht.

Auch der Hinweis des Beschwerdeführers in der E-Mail vom 25. August 2010, zur Vorbereitung eines Termins mit den Rechtsanwälten des Unternehmens würden einige [X.] erstellt, die als Vorzeigefälle für die Staatsanwaltschaft dienen sollen, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Es ist sachgerecht, wenn der Beschwerdeführer sich als Leiter der Rechtsabteilung vor dem Hintergrund der durch den Presseartikel bekanntgewordenen staatsanwaltlichen Ermittlungen zur Aufarbeitung des Sachverhalts und zur Vorbereitung des Verteidigungsvorbringens des Unternehmens veranlasst sah. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass sein Handeln auf eine Verschleierung rechtswidriger Taten abzielte. Erst recht kann daraus nicht auf eine Beteiligung des Beschwerdeführers an Bestechungshandlungen geschlossen werden. Auch insoweit beruhen die angegriffenen Beschlüsse auf bloßen Vermutungen, die nicht auf konkrete tatsächliche Anhaltspunkte gestützt sind.

(3) Nichts anderes gilt unter Berücksichtigung der Hinweise, dass bei den in Rede stehenden Delikten ein abgestimmtes und planmäßiges Vorgehen mehrerer Firmenangehöriger sehr wahrscheinlich sei und der Beschwerdeführer über Sachnähe, Sachkenntnis und Sachleitungsbefugnisse verfügt habe. Dies allein vermag die Annahme eines Tatverdachtes gegenüber dem Beschwerdeführer nicht zu begründen.

Aufgrund der Presseveröffentlichung vom 16. August 2010 waren die Vorwürfe unzulässiger Waffenlieferungen in einzelne [X.] [X.] bekannt. Die in den E-Mails vom 18., 19. und 25. August aufgeführten Aktivitäten des Beschwerdeführers erfolgten im unmittelbaren [X.] an diese Presseveröffentlichung und sind teilweise ausdrücklich hierauf bezogen. Weitergehende sonstige Sachkenntnisse des Beschwerdeführers werden in den angegriffenen Beschlüssen nicht dargelegt. Damit kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Kenntnis der erhobenen Vorwürfe und die daraufhin entwickelten Aktivitäten des Beschwerdeführers als Tatsachen zu werten sind, aus denen sich der Verdacht einer aktiven Beteiligung des Beschwerdeführers an möglichen Bestechungsdelikten gegenüber [X.]n Amtsträgern ableiten lässt.

cc) Erst recht fehlt es an der Darlegung konkreter Anhaltspunkte für eine Beteiligung des Beschwerdeführers an der Bestechung inländischer Amtsträger. Selbst wenn der bei der Durchsuchung der Räumlichkeiten der [X.] am 21. Dezember 2010 aufgefundene, auf Parteispenden bezogene [X.] grundsätzlich geeignet wäre, einen entsprechenden Anfangsverdacht zu begründen, fand dieser ohne Beteiligung des Beschwerdeführers zwischen anderen [X.] statt. Selbst eine Kenntnis des Beschwerdeführers von diesem [X.] wird in den angegriffenen Beschlüssen nicht aufgezeigt. Auch insofern sind daher keine Tatsachen dargelegt, aus denen sich der Verdacht einer Beteiligung des Beschwerdeführers an einem Bestechungsdelikt ergeben könnte.

dd) Da die Durchsuchung der Wohnräume des Beschwerdeführers aufgrund § 102 StPO ausschließlich auf den Verdacht einer gemeinschaftlich begangenen Bestechung gemäß § 334, § 25 Abs. 2 StGB gestützt wurde, kann vorliegend sowohl dahinstehen, ob ein hinreichender Anfangsverdacht hinsichtlich sonstiger Delikte in Betracht kam, als auch, ob eine Durchsuchung der Wohnräume des Beschwerdeführers gemäß § 103 StPO hätte erfolgen können.

2. Der Beschluss des [X.] ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 [X.]).

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 [X.].

Meta

2 BvR 974/12

13.03.2014

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Stuttgart, 29. März 2012, Az: 17 Qs 14/12, Beschluss

Art 13 Abs 1 GG, Art 13 Abs 2 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 25 Abs 2 StGB, § 334 StGB, § 102 StPO, § 152 Abs 2 StPO, § 160 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 13.03.2014, Az. 2 BvR 974/12 (REWIS RS 2014, 7131)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7131

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

12 Qs 24/22

Zitiert

2 BvR 15/11

2 BvR 1774/10

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