Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2016, Az. StB 36/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 603

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[X.]:[X.]:BGH:2016:151216BSTB36.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

StB 36/16
vom
15. Dezember 2016
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.]
sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers
am 15.
Dezember 2016
gemäß
§
304
Abs. 5
StPO beschlossen:

Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 16.
September 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tra-gen.

Gründe:
I.
Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten
und weitere Mitbeschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung einer, der Mitgliedschaft in einer und der Unterstützung einer kriminellen Verei-nigung und anderer Straftaten. Der Beschuldigte
wird verdächtigt, sich [X.] seit dem 16.
Juni 2012 zunächst mit zwei, später mit bis zu vier der [X.] zu einer Personenvereinigung zusammengeschlossen zu haben, um als Betreiberteam
über das Internetportal "A.

" in Um-setzung ihrer rechtsextremistischen Überzeugung fortlaufend und in anonymer Form strafrechtlich relevante Inhalte, insbesondere volksverhetzende Äußerun-gen, zu verbreiten. Der Beschuldigte sei zunächst unter dem
Benutzernamen "[X.]

", ab dem 30.
August 2012 unter dem Benutzernamen "Fr.

" für das Portal als die Inhalte prüfender und bearbeitender Moderator tätig gewesen. Am 24.
November 2013 sei
er aus der Vereinigung ausgeschieden.
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-
3
-
Auf den Antrag des [X.] hat der Ermittlungsrichter des [X.] mit Beschluss vom 16.
September 2016 (3 [X.] 254/16) die Durchsuchung der Person des Beschuldigten, der von ihm genutzten Wohn-
und Nebenräume sowie des auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeugs nach näher beschriebenen
Beweis-
und Tatmitteln angeordnet. Die Durchsuchung ist am 5.
Oktober 2016 vollzogen worden; die Durchsicht
aufgefundener Datenträger dauert noch an.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 7.
Oktober 2016 hat der Beschul-digte Beschwerde gegen den
Durchsuchungsbeschluss eingelegt, die er mit dessen Schriftsatz vom 2.
November 2016 begründet hat. Er
macht geltend, dass gegen ihn bei Anordnung der Durchsuchung kein diese
Maßnahme recht-fertigender
Verdacht bestanden habe; die Annahme, dass es sich bei ihm um den ehemals für das Internetportal "A.

" tätigen Moderator mit dem Benutzernamen "Fr.

" handele, beruhe vielmehr allein auf va-gen Anhaltspunkten und bloßen Vermutungen.

II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige (§
304 Abs.
5, §
306 Abs.
1 StPO) Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§
102, 105 StPO) lagen vor.
Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der [X.] in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße [X.] hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige 2
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4
-
als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichen-den oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es -
unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit -
nicht (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 7.
September 2006 -
2 BvR 1219/05, [X.], 1443; Senat, Beschlüsse vom 18.
Dezember 2008 -
StB 26/08, [X.], 142, 143; vom 12.
August 2015 -
StB 8/15, [X.], 370).
Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Beweislage zunächst
im Hinblick auf die Organisation und den Zweck des Zusammenschlusses der Personen, die das Internetportal "A.

" als Administratoren und Moderatoren betrieben, als ausreichend. Insoweit beruht der Verdacht ins-besondere auf der Auswertung einer gesicherten Datenbank, daneben unter anderem auch auf den Angaben der beiden Mitbeschuldigten V.

und
K.

.
Aber auch im Hinblick auf die mitgliedschaftliche Beteiligung des Be-schuldigten
war ein auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützter kon-kreter Verdacht gegeben, dass dieser zumindest vom 16.
Juni 2012 bis zum 24.
November 2013 derjenige für bestimmte Inhalte verantwortliche Moderator für das
Portal
war, der unter den
Benutzernamen
"[X.]

" und
"Fr.

" auftrat.
Das ergibt sich aus Folgendem:
Nach Aktenlage konnte als weitgehend gesichert gelten, dass der Be-schuldigte
unter dem Benutzernamen "Fr.

" in den rechtsextremistischen Internetforen "T.

" (seit dem [X.]) und "N.

" (seit dem [X.]) aktiv war. Neben den [X.] Angaben zur Person des Benutzers "Fr.

" in den dortigen Einträgen rechtfertigt diese Annahme insbesondere seine
Registrierung mit der -
sprechenden -
E-Mail-Adresse "h.

", unter der bei den [X.] und 7
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-
PayPal personalisierte Daten von ihm (Vor-
und Zuname sowie damalige [X.]) hinterlegt waren. Die [X.] hat der Ermittlungsrichter im [X.] dargelegt, ohne dass der Beschwerdeführer Einwendungen hiergegen er-hoben
hätte.
Ebenso bestand nach Aktenlage der Verdacht, dass es sich bei dem Be-nutzer "[X.]

" bzw. "Fr.

", der als Moderator für das [X.]

" tätig war, desgleichen
um den Beschuldigten
han-delte. Darauf
weist nicht nur die Ähnlichkeit bzw. Gleichheit des Benutzerna-mens
hin, sondern auch die
Angaben, mit denen sich der Benutzer dort am 21.
Januar 2012 vorstellte, er "gehe langsam, aber sicher auf die 30 zu" und stamme "gebürtig aus ... [X.]

". Auch die anderweitigen Aktivitäten in rechts-extremistischen Internetforen bieten
einen Anhalt. Sie
lassen den Schluss auf eine rechtsextremistische Gesinnung zu.
So
gab der Benutzer "Fr.

" [X.] auf dem Portal "N.

" kund: "[X.] Weltanschauung
setze ich als vorraus".
Dem Beschwerdeführer ist nicht darin zu folgen, dass dem
Benutzerna-men "Fr.

" kein
Beweiswert zukomme, weil seine Wahl "naheliegend für Nutzer eines Internetangebots politischer Art" sei. Auch wenn es originellere
Namensschöpfungen geben mag, kommt diesem Umstand erhebliche Indiz-wirkung zu. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass die Angabe, der [X.] "Fr.

" komme "gebürtig ... aus [X.]

", dafür spreche, dass er zum Zeitpunkt der Abfassung des Beitrages dort nicht mehr gewohnt habe, verfängt ebenso wenig. Der Benutzer "Fr.

" hatte schon im [X.]

", als der Beschuldigte
gleichfalls in [X.]

gemeldet war, angegeben, er stamme dorther. Dass der Benutzer "Fr.

" auf dem Internetportal "A.

" unter einem anderen Geburtsdatum (

1983 statt

1985) registriert war, könnte
indes zwanglos
mit dem Zweck der Personenver-10
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-
6
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einigung erklärt werden, strafrechtlich relevante Inhalte zu verbreiten, so dass Vorkehrungen gegen seine Identifizierung nahe lagen. Auch dass der Benutzer "Fr.

" bei "A.

" nicht mit der
E-Mail-Adresse "h.

", sondern mit zwei anderen E-Mail-Adressen registriert war, kann seine Ursache in einer derartigen Besorgnis haben. Darüber hinaus
geht auch aus der Auskunft des [X.] hervor, dass die dort mit den Personalien des Beschuldigten registrierte Person verschiedene
E-Mail-Adressen verwendete.
Im Übrigen verweist der Senat
auf die Stellungnahme des [X.] im Schreiben vom 11.
November 2016 und auf den dort in Bezug genommenen Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 3.
November 2016 über die Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung von
Datenträgern und -speichern sowie deren Spiegelungen, denen der [X.] nicht mehr entgegengetreten ist und die sich der Senat zu Eigen macht.
Auch wenn unter Berücksichtigung sämtlicher
benannter
Umstände auch die Möglichkeit besteht, dass der Beschuldigte nicht tatbeteiligt war,
lassen sie doch als tatsachenfundierte
Indizien in der Gesamtschau -
in Anbetracht
ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung -
den Tatverdacht zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung als genügend konkret erscheinen.
Eine überwie-gende Wahrscheinlichkeit der Tatbeteiligung
wird, wie dargelegt, von §
102 StPO gerade nicht vorausgesetzt.
2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war gewahrt. Die Anordnung der Durchsuchung war geeignet, zur Klärung des Tatverdachts beizutragen und Tatmittel aufzufinden. Gegenüber der Durchsuchung stand außerdem
kein gleich wirksames milderes Mittel zur Verfügung. Schließlich stand die Durch-12
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-
suchungsanordnung in einem angemessenen Verhältnis zur Stärke des beste-henden Tatverdachts.
3. [X.] beruht auf §
473 Abs.
1 Satz 1 StPO.
Becker Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet Berg

sich im Urlaub und ist daher

gehindert zu unterschreiben.

Becker

15

Meta

StB 36/16

15.12.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2016, Az. StB 36/16 (REWIS RS 2016, 603)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 603

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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