Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.07.2017, Az. B 1 KR 47/16 B

1. Senat | REWIS RS 2017, 7163

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung -Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage - Divergenz - Bezeichnung der Abweichung - sinngemäß aufgestellter, abweichender Rechtssatz - schlüssige Ableitung aus Berufungsurteil - Verfahrensmangel - gerichtlicher Sachverständiger - Besorgnis der Befangenheit - Rügerecht)


Leitsatz

1. Eine Rechtsfrage ist ungeachtet vorinstanzlich gestellter Beweisanträge klärungsfähig, wenn das Revisionsgericht über sie auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz sachlich entscheiden kann, auch wenn es für die anschließende Anwendung des geklärten Rechtssatzes einer Zurückverweisung bedarf (Abgrenzung zu BVerwG vom 17.3.2000 - 8 B 287/99 = BVerwGE 111, 61).

2. Um eine Abweichung zu bezeichnen, kann der Beschwerdeführer einem Rechtssatz des Bundessozialgerichts einen nur sinngemäß vom Landessozialgericht aufgestellten, in scheinbar fallbezogene Ausführungen gekleideten widersprechenden abstrakten Rechtssatz gegenüberstellen und darlegen, dass sich dieser aus dem Berufungsurteil unzweifelhaft schlüssig ableiten lässt.

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 27. April 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 47 179,81 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der im April 2006 verstorbene, bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versichert gewesene B. (im Folgenden: Versicherter) erkrankte an einem hochmalignen Knochentumor (Ewing-Sarkom). Er erhielt ua wegen eines im Dezember 2003 aufgetretenen Rezidivs zunächst konventionelle Chemotherapie, die jedoch eine Größenzunahme der Lungenmetastasen und ein Fortschreiten der [X.] nicht verhinderte. Die Lungenmetastasen wurden deshalb operativ entfernt. Der Kläger, Träger eines für die Behandlung Versicherter zugelassenen Krankenhauses, behandelte den Versicherten mit einer Hochdosis-Chemotherapie und anschließender autologer Stammzelltransplantation vollstationär vom 24.3. bis 20.4.2005 und berechnete hierfür 47 179,81 Euro (Fallpauschale - Diagnosis Related Group 2005 <[X.]> [X.] sowie Zusatzentgelte - [X.] - 21.07 und 34.08; Rechnung vom 18.5.2005). Der Versicherte erhielt im weiteren Verlauf in der Universitätsklinik D. eine Immuntherapie mit Tumorvakzinen und eine [X.]. Die Beklagte bezahlte den geforderten Betrag, rechnete diesen aber - nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - gegen andere Forderungen des [X.] auf, da die Behandlung nicht dem medizinischen Standard entspreche. Das [X.] hat die Beklagte zur Zahlung der Krankenhausvergütung nebst Zinsen verurteilt (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs seien bei einer grundrechtsorientierten Auslegung der Vorschriften des [X.]B V erfüllt. Für die Krebserkrankung des Versicherten im fortgeschrittenen Stadium habe im Behandlungszeitpunkt als allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nur noch eine [X.] mit palliativem Ansatz zur Verfügung gestanden. Bei der Hochdosis-Chemotherapie habe es sich dagegen um einen kurativen Therapieansatz gehandelt, für den eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden habe (Urteil vom 27.4.2016).

2

Die Beklagte wendet sich mit ihrer dagegen eingelegten Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im L[X.]-Urteil.

3

II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.] [X.]G zu verwerfen. Die Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 [X.] [X.]G abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G), der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) und des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]G).

4

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]1 [X.]8; B[X.] [X.] 3-4100 § 111 [X.] f; B[X.] [X.] 3-2500 § 240 [X.] f mwN). Die Beklagte richtet ihr Vorbringen hieran nicht aus.

5

Die Beklagte formuliert als Rechtsfragen:

        

"a) Erfordert die im Rahmen der grundrechtsorientierten Auslegung einer Regelung des [X.]B V zu treffende Feststellung einer nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf hinsichtlich der durchzuführenden abstrakten und konkret-individuellen Chancen-Risikoabwägung die Gesamtbewertung eines mehrteiligen Behandlungskonzeptes, wenn darin eine experimentelle Behandlungsmethode in der Weise zusammen mit der Behandlung eines anderen Leistungserbringers geplant und verbunden wird, dass die erste Behandlungsmethode der Vorbereitung der nachfolgenden Behandlung eines anderen Leistungserbringers zu dienen bestimmt ist und beide gemeinsam den Heilungserfolg herbeiführen sollen?"

        

"b) Erfordert die wirksame Einwilligung des Versicherten bzw. seiner Eltern in eine nicht dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Krankenhausbehandlung (individueller Heilversuch) die vorherige Aufklärung über das vollständige Behandlungskonzept, wenn hinsichtlich des angestrebten Heilungserfolges der betreffende Heilversuch nicht die "letzte Therapie" darstellt, sondern als Teil eines umfassenden Behandlungskonzepts der Vorbereitung eines weiteren experimentellen Behandlungsabschnitts durch ein anderes Krankenhaus dient?
Genügt das vorbehandelnde Krankenhaus in diesem Zusammenhang seinen Dokumentationspflichten, wenn sich in den schriftlichen Aufklärungs- bzw. Einwilligungsprotokollen Informationen zu Eigenart, Zweck und Risiken der (Vor-)Behandlung finden, jedoch keine Hinweise auf den experimentellen Charakter und den fehlenden Nutzennachweis des geplanten Behandlungskonzepts."

6

a) Die Beklagte zeigt schon den Klärungsbedarf der ersten Frage nicht hinreichend auf. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rspr keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt" ist (vgl zB B[X.] Beschluss vom 21.10.2010 - [X.] [X.]/10 B - Rd[X.] 7 mwN). Die Beklagte hätte sich deshalb in der Beschwerdebegründung näher damit auseinandersetzen müssen, wieso in Würdigung der ergangenen höchstrichterlichen Rspr noch Klärungsbedarf verblieben ist. Die Beschwerdebegründung genügt diesen Anforderungen nicht. Sie setzt sich nicht damit auseinander, dass die Rspr des erkennenden Senats hinsichtlich der Beachtung des [X.] fordert, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist - zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können, ohne bei Prüfung der grundrechtsorientierten Leistungsauslegung einen abweichenden Standpunkt einzunehmen (vgl zB B[X.] [X.]-2500 § 18 [X.] Rd[X.] 10 ff mwN, insbesondere Rd[X.]0).

7

Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann zwar dennoch (erneut) klärungsbedürftig sein, wenn der Rspr in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.] mwN; B[X.] Beschluss vom 27.1.2012 - [X.] KR 47/11 B - Juris Rd[X.] 4; B[X.] Beschluss vom 5.2.2013 - [X.] KR 72/12 B - Rd[X.] 7). Dies ist jedoch im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen (vgl zB B[X.] Beschluss vom 22.12.2010 - [X.] KR 100/10 B - Juris Rd[X.] 7; B[X.] [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 5). Daran fehlt es.

8

Die Beklagte zeigt auch die Entscheidungserheblichkeit der ersten Frage nicht auf. Eine Rechtsfrage ist vom Revisionsgericht klärungsfähig, wenn sie sich ihm auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz stellt. Ob eine Rechtsfrage klärungsfähig ist, hängt davon ab, ob das Revisionsgericht über die betreffende Frage konkret sachlich entscheiden kann (vgl B[X.] [X.] 3-2200 § 550 [X.] f; B[X.] Beschluss vom 24.6.1998 - [X.] [X.] B - Juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom 20.2.2017 - [X.] KR 91/16 B - Juris Rd[X.] 9; ebenso [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 132 Rd[X.] 44), nicht davon, ob es sie für den Rechtsstreit abschließend ohne Zurückverweisung beantworten kann. Soweit Literatur weitergehend fordert, dass das L[X.] alle Tatsachen festgestellt haben muss, damit das Revisionsgericht abschließend - ohne Zurückverweisung - nicht nur über die zu klärende Rechtsfrage entscheiden kann, sondern auch über ihre Anwendung auf den konkreten Fall, überspannt dies die Anforderungen (so aber [X.]/[X.] in HK-[X.]G, 5. Aufl 2017, § 160a Rd[X.]0 [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.]G, § 160a Rd[X.] 66a bei [X.] mit diese Auffassung nicht tragenden Zitaten). Hat das [X.] Sachverhaltsaufklärung deswegen unterlassen, weil es die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage anders als der Beschwerdeführer beantwortet und deswegen die Beweisaufnahme als nicht entscheidungserheblich ansieht, handelt es verfahrensrechtlich pflichtgemäß (vgl zur Begrenzung des aufzuklärenden Sachverhalts durch die Rechtsauffassung des Gerichts zB B[X.] [X.] [X.] 40 zu § 103 [X.]G; B[X.] [X.] 3-2500 § 18 [X.], stRspr; vgl [X.] in [X.], [X.]G, Stand Juni 2017, § 103 Rd[X.]6). Der hierdurch beschwerte Rechtsmittelführer kann dementsprechend ergänzende Beweiserhebung auch mit einem förmlichen Beweisantrag nicht erzwingen (vgl BVerwG Beschluss vom [X.] - 8 B 287/99 - BVerwGE 111, 61 = Juris Rd[X.] 9). In Verfahren nach dem [X.]G kann dem Rechtsmittelführer nicht abverlangt werden, einen solchen Antrag dennoch zu stellen (so aber zu § 132 Abs 2 [X.] 1 VwGO BVerwG Beschluss vom [X.] - 8 B 287/99 - BVerwGE 111, 61 = Juris Rd[X.] 9 mwN, auch zu weiteren Ansichten). Das [X.]G kennt nämlich - anders als die VwGO - keinen Vertretungszwang für das Verfahren vor den Obergerichten. Das Revisionsrecht enthält die Regelung der Zurückverweisung (§ 170 Abs 2 S 2 [X.]G), um dem Revisionsgericht die Entscheidung in solchen Fällen zu ermöglichen und damit die Einheitlichkeit der Rspr in [X.] zu sichern. Diese Regelung setzt voraus, dass das angegriffene Urteil auf einer Verletzung materiellen Rechts beruht, sich nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig erweist und der zuständige Senat des [X.] wegen fehlender Feststellungen des [X.]s nicht abschließend in der Sache entscheiden kann (stRspr, vgl zB B[X.] Urteil vom 13.12.2016 - [X.] KR 25/16 R - Juris Rd[X.] ff; B[X.] Urteil vom 16.12.2015 - [X.]2 R 1/14 R - Juris Rd[X.] 12 ff; B[X.]E 118, 91 = [X.]-1720 § 198 [X.] 7 Rd[X.] 14 ff; B[X.] [X.]-3200 § 81 [X.] 6 Rd[X.] 11 ff; s auch die vergleichbare Regelung des § 144 Abs 3 S 1 [X.] VwGO). Auch die zurückverweisende Entscheidung sichert die Einheitlichkeit der Rspr, soweit sie auf tragenden, bindenden Rechtssätzen beruht (vgl § 170 Abs 5 [X.]G). Denn diese tragenden Rechtssätze sind divergenzfähig.

9

Der Zugang zur Revision darf entgegen der oben zitierten Literaturansicht auch insoweit nicht durch Hürden erschwert oder vereitelt werden, die durch den Zweck der Revision nicht gerechtfertigt sind. Aufgrund der Rechtsschutzgarantie in Art 19 Abs 4 S 1 GG darf der Zugang zu den Gerichten und den vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (stRspr, vgl zB [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 249/92 - [X.]E 88, 118, 123 f; [X.] Beschluss vom 21.10.2015 - 2 BvR 912/15 - NJW 2016, 44 = Juris Rd[X.]2). Das müssen auch die Gerichte bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Sie dürfen ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und so für den Rechtsmittelführer leerlaufen lassen ([X.] Beschluss vom 30.4.1997 - 2 BVR 817/90 ua - [X.]E 96, 27, 39; [X.] Beschluss vom 21.10.2015 aaO). Formerfordernisse dürfen deshalb nicht weiter gehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährleistung des Rechtsschutzes abhängt ([X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 249/92 - [X.]E 88, 118, 126 f). Das gilt auch für [X.]. Sie dürfen nicht derart streng gehandhabt werden, dass sie von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können ([X.] Beschluss vom 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 - [X.]E 125, 104, 137; [X.] Beschluss vom 21.10.2015 aaO; vgl auch B[X.] Urteil vom [X.] - [X.]0 ÜG 12/13 R - [X.]-1720 § 198 [X.] 4 Rd[X.] 12; B[X.] [X.]-1500 § 164 [X.] 4 Rd[X.] 13).

Es genügt dagegen nicht, dass lediglich die bloße Möglichkeit besteht, dass die formulierte Rechtsfrage nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht aufgrund weiterer Sachverhaltsaufklärung entscheidungserheblich werden kann (vgl B[X.] Beschluss vom 28.3.2013 - [X.]2 KR 72/12 B - Juris Rd[X.] 14; B[X.] Beschluss vom 10.11.2008 - [X.]2 R 14/08 B - Juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom 24.6.1998 - [X.] [X.] B - Juris Rd[X.] 6; BVerwG [X.] 310 § 132 Abs 2 Ziff 1 VwGO [X.] 12, mwN). Es ist nicht Aufgabe des [X.], über eine abstrakte Rechtsfrage zu entscheiden, deren Bedeutung für den konkreten Rechtsstreit (noch) nicht feststeht, zumal die Revisionszulassung hier zur Umgehung der Beschränkung der Verfahrensrevision in § 160 Abs 2 [X.] 3 Halbs 2 [X.]G führen würde.

Die Beklagte hätte dementsprechend darlegen müssen, dass das L[X.] festgestellt hat, dass die Hochdosis-Chemotherapie der Vorbereitung der nachfolgenden Behandlung durch die Universitätsklinik D. "zu dienen bestimmt" war "und beide gemeinsam den Heilungserfolg herbeiführen" sollten (vgl auch B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.] 16 S 28; vgl zum Ganzen auch Zeihe/[X.], [X.]G, Stand April 2017, § 160 [X.] 12g). Daran fehlt es. Die Beklagte zitiert insoweit lediglich Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren, den das L[X.] im Konjunktiv wiedergegeben hat. Sie legt nicht dar, dass und inwieweit sich das Berufungsgericht dies selbst zu eigen gemacht hat (vgl B[X.] [X.]-1500 § 163 [X.] 1, Juris Rd[X.]0 f, insoweit in [X.] nicht abgedruckt).

b) Die Beklagte legt auch die Klärungsfähigkeit der zweiten Frage nicht hinreichend dar. Auch diese Frage setzt in ihren beiden Komponenten voraus, dass die Hochdosis-Chemotherapie der Vorbereitung der nachfolgenden Behandlung durch die Universitätsklinik D. zu dienen bestimmt war und beide gemeinsam den Heilungserfolg herbeiführen sollten. Die Beklagte legt - wie zur ersten Frage erläutert - nicht dar, dass das L[X.] Entsprechendes festgestellt hat.

2. Wer sich - wie hier die Beklagte - auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des B[X.], des [X.] oder des [X.] andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB B[X.] Beschluss vom 19.9.2007 - [X.] KR 52/07 B - Juris Rd[X.] 6) und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 21/07 B - Juris Rd[X.] 9). Erforderlich ist, dass das L[X.] bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB B[X.] Beschluss vom 15.1.2007 - [X.] KR 149/06 B - Rd[X.] 4; B[X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]6 S 44 f mwN). Wenn das L[X.] einen abweichenden entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz nicht ausdrücklich formuliert, sondern nur implizit zugrunde gelegt hat, genügt es, dass der Beschwerdeführer darlegt, dass das L[X.] von einer Entscheidung ua des B[X.] abgewichen ist, indem es einen der höchstrichterlichen Rspr widersprechenden abstrakten Rechtssatz nur sinngemäß und in scheinbar fallbezogene Ausführungen gekleidet entwickelt hat (vgl zB B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 21/07 B - Juris Rd[X.] 10 mwN). In einem solchen Fall muss der Beschwerdeführer jedoch darlegen, dass sich aus den Ausführungen des Berufungsurteils unzweifelhaft der sinngemäß zugrunde gelegte abstrakte Rechtssatz schlüssig ableiten lässt, den das L[X.] als solchen auch tatsächlich vertreten wollte (vgl sinngemäß B[X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]6 S 45; B[X.] Beschluss vom 19.12.2011 - [X.]2 KR 42/11 B - Juris Rd[X.] f; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 29/16 B - Juris Rd[X.] 17). Daran fehlt es.

Die Beklagte meint, das L[X.] habe sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt,

        

"dass bei Behandlungsmethoden, die im Rahmen eines umfassenden, stationären Therapiekonzepts von mehreren Leistungserbringern geplant kombiniert und erbracht werden, die Bewertung des Nutzens und der Risiken nicht auf eine Gesamtbewertung des Therapiekonzepts, sondern allein auf die isolierte Betrachtung desjenigen Behandlungsabschnitts zu stützen ist, den der betreffende Leistungserbringer selbst erbracht hat und der für sich genommen in die Fallpauschale ([X.]) führt, auf die der streitige Vergütungsanspruch fußt."

Die Beklagte legt aber nicht dar, dass sich dies aus den Ausführungen des Berufungsurteils unzweifelhaft schlüssig ableiten lässt. Sie führt - wie oben dargelegt - schon nicht aus, dass das L[X.] festgestellt hat, dass Behandlungsmethoden betroffen sind, die im Rahmen eines umfassenden, stationären Therapiekonzepts von mehreren Leistungserbringern geplant kombiniert und erbracht werden sollten.

3. Nach § 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]G ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.]G und § 128 Abs 1 S 1 [X.]G (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 14, 24, 36). Daran fehlt es.

Die Beklagte rügt ausdrücklich einen Verstoß gegen § 118 Abs 1 S 1 [X.]G iVm §§ 404, 406 und § 42 Abs 1 und 2 ZPO. Es hätten Umstände vorgelegen, die die erhebliche Besorgnis der Befangenheit des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. J. begründeten. Die Beklagte legt aber nicht dar, wieso sie ihr [X.] nicht verloren hat, obwohl sie bisher keinen Befangenheitsantrag gestellt hat (vgl § 202 S 1 [X.]G; §§ 556, 406 Abs 2, 295 ZPO und hierzu zB BVerwGE 75, 214 = Juris Rd[X.] 145). Soweit die Beklagte mit ihrem Vortrag, das L[X.] habe erkennen müssen, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen nicht gewährleistet gewesen sei, sinngemäß eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 [X.]G geltend machen will, trägt sie bereits nicht vor, dass sie einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat.

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

5. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Meta

B 1 KR 47/16 B

31.07.2017

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hamburg, 20. April 2012, Az: S 33 KR 43/07

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 170 Abs 2 S 2 SGG, § 170 Abs 5 SGG, § 202 S 1 SGG, Art 19 Abs 4 S 1 GG, § 42 Abs 1 ZPO, § 42 Abs 2 ZPO, § 295 Abs 1 ZPO, § 404 ZPO, § 406 Abs 1 S 1 ZPO, § 406 Abs 2 ZPO, § 556 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.07.2017, Az. B 1 KR 47/16 B (REWIS RS 2017, 7163)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7163

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