Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.05.2015, Az. X ZR 43/13

10. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 11260

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsverfahren betreffend ein Europäisches Patent: Prüfung einer unzulässigen Erweiterung; Ermittlung des Sinngehalts des Patentanspruchs - Rotorelemente


Leitsatz

Rotorelemente

1. Der Prüfung einer unzulässigen Erweiterung muss die Ermittlung des Sinngehalts des hierauf zu überprüfenden Patentanspruchs vorausgehen.

2. Bei der Ermittlung des Sinngehalts eines Patentanspruchs ist auch ein für sich genommen eindeutiger Wortlaut nicht ausschlaggebend, wenn die Auslegung des Anspruchs unter Heranziehung der Beschreibung und der weiteren Patentansprüche ergibt, dass zwei im Patentanspruch verwendete Begriffe gegeneinander auszutauschen sind.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. Januar 2013 verkündete Urteil des 1. Senats ([X.]) des [X.] aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Patentgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des am 20. März 2001 unter Inanspruchnahme einer [X.] Priorität vom 15. April 2000 angemeldeten und mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 275 192.

2

Patentanspruch 1 lautet:

"A machine for the manufacture of elements (8) from strip stock, [X.] (8) in use being stacked to provide an [X.] (8) for an [X.], each element (8) including body (10) and pole (12) portions which are integrally formed, [X.] die assembly including a first die member (22) for providing by punching at least parts of the body portions (10) of each element and a second die member (32) for providing by punching, [X.] (12) of each element (8), and characterised in that the body and pole die members (22, 32) are relatively moveable between successive punching operations when the body and pole portions (10, 12) of [X.] (8) are provided, whereby [X.] die member (32) relative to the first die member (22) is effected so that whilst each of the body portions (10) of [X.] (8) is provided along a common centre line, [X.] (12) of each of the successive elements (8) is incrementally offset relative to [X.] (12) of each of the respective previous elements (8) with respect to the said common centre line of the body portion (10)."

3

Die Klägerinnen machen geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei unzulässig erweitert und nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent wie erteilt und hilfsweise mit mehreren geänderten Anspruchssätzen verteidigt.

4

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

5

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt.

Entscheidungsgründe

6

[X.]ie zulässige Berufung führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht zur Prüfung der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents. [X.]ie Annahme des Patentgerichts, mit dem Streitpatent sei ein "[X.]" gegenüber der Anmeldung unter Schutz gestellt worden, hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.

7

I. [X.]as Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Herstellen von Elementen aus bandförmigem Material, wobei die Elemente im Gebrauch aufeinander gestapelt werden, um eine Anordnung von gestapelten Elementen für eine elektrische Maschine zu bilden. Eine elektrische Maschine mit ausgeprägten [X.] ist, wie das Patentgericht ausgeführt hat, unter dem Fachbegriff [X.] bekannt. Für [X.] und [X.]rehstromwicklungen ist es üblich, zur Geräusch- und Oberwellendämpfung die Nuten zu schrägen. [X.]ie [X.] werden gegeneinander versetzt, so dass Nuten und Leiter wendelförmig verlaufen, gegebenenfalls auch abschnittsweise mit unterschiedlicher Schrägungsrichtung, so dass sich eine als Winkel- oder Pfeilform bezeichnete Form ergibt. Auch nach dem Streitpatent sollen die [X.] [X.] werden, die Grundkörper hingegen unverändert bleiben, wie in (der nachfolgend mit Figur 1 wiedergegebenen) Figur 2 des Streitpatents gezeigt.

Abbildung

8

[X.]azu müssen im Stand der Technik entweder beide Teile einzeln gefertigt und beispielsweise durch Schweißen verbunden werden oder es ist für jedes Blech eine gesonderte Form zu stanzen, was eine große Zahl verschiedener Stanzwerkzeuge erfordert. [X.]em Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, einen Rotor mit dem gewünschten Winkelprofil einfacher herzustellen. Erfindungsgemäß wird dies durch zwei Stanzwerkzeuge erreicht, die schrittweise (inkrementell) gegeneinander bewegt werden und so eine sukzessive Verschiebung des [X.] zum Grundkörper bewirken.

9

[X.]as Patentgericht hat Patentanspruch 1 wie folgt in Merkmale gegliedert:

1.1 Vorrichtung zum Herstellen von Elementen

1.2 aus bandförmigem Material,

1.3 wobei die Elemente im Gebrauch aufeinandergestapelt werden, um eine Anordnung von gestapelten Elementen für eine elektrische Maschine zu bilden,

1.4 wobei jedes Element Grundkörper und [X.] aufweist, die integral ausgebildet sind,

2. wobei die Maschine eine Stanzanordnung aufweist,

2.1 die mit einem ersten [X.] versehen ist, zum Bereitstellen durch Ausstanzen zumindest von Teilen der [X.] eines jeden Elements,

2.2 und ein zweites [X.] zum Bereitstellen durch Ausstanzen der [X.] eines jeden Elements, und dadurch gekennzeichnet,

3.1 dass die [X.]e für Grundkörper und [X.] relativ zueinander bewegbar sind, zwischen aufeinanderfolgenden Stanzvorgängen,

3.2 wenn die [X.] und [X.] der Elemente gebildet werden,

4. wobei eine schrittweise Einstellung der Position des zweiten [X.] relativ zu dem ersten [X.] so ausgeführt wird,

4.1 dass während jeder der [X.] der Elemente entlang einer gemeinsamen Mittellinie gebildet wird,

4.2 der [X.] eines jeden der aufeinanderfolgenden Elemente schrittweise relativ zu dem [X.] eines jeden entsprechenden vorangehenden Elements in Bezug auf die genannte gemeinsame Mittellinie des Grundkörperabschnitts versetzt ist.

II. [X.]as Patentgericht hat in diesem Gegenstand eine unzulässige Erweiterung der Ursprungsoffenbarung gesehen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

[X.]er Anspruch stütze sich auf Anspruch 11 der Anmeldung, wobei

- die Merkmale 1.2 bis 1.4 neu hinzugekommen seien,

- in Merkmal 3.1 der zweite Halbsatz neu hinzugekommen sei,

- in den Merkmalen 4 und 4.2 "schrittweise" ergänzt worden sei,

- der auf [X.] beschränkte Anspruch 11 auf Elemente verallgemeinert worden sei,

- die Zuordnung der [X.] und der [X.] zu den [X.]en nach Merkmalen 2.1 und 2.2 vertauscht worden sei,

- nach diesen Merkmalen zumindest Teile der [X.] und die [X.] (insgesamt) ausgestanzt würden, während es nach Anspruch 11 der Anmeldung umgekehrt sei,

- aus der Mittellinie des zugehörigen Grundkörperabschnitts eine gemeinsame Mittellinie des Grundkörperabschnitts geworden sei.

Während sich die ersten drei Abweichungen von Anspruch 11 der Anmeldung aus den [X.] ableiten ließen und die vierte als zulässige Verallgemeinerung angesehen werden könne, seien die weiteren Änderungen nicht mehr zulässig. Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin handele es sich nicht um einen offensichtlichen Fehler in der Formulierung des Patentanspruchs, der berichtigt werden könne. Anspruch 1 sei in sich schlüssig und lasse keine Widersprüche erkennen. [X.]ie von der Beklagten gesehenen Widersprüche zur Beschreibung und zu den Zeichnungen könnten nur im Rahmen der Auslegung berücksichtigt werden.

Hierzu hat das Patentgericht ausgeführt, Patentanspruch 1 lasse offen, welches [X.] stationär und welches beweglich sei; beansprucht sei nur die Relativbewegung. In den Merkmalen 4.1 und 4.2 spreche der Anspruch von einer gemeinsamen Mittellinie als Bezugslinie für die Bewegung. In den ursprünglichen Unterlagen werde die Mittellinie auf den Grundkörperabschnitt bezogen. Werde die Mittellinie aber auf das Blechband oder die [X.] bezogen, wären das erste [X.] und die [X.] stationär und folglich die zweiten [X.]e und die [X.] beweglich angeordnet, was ein [X.] zu der ursprünglich offenbarten und in den Figuren dargestellten Anlage darstelle. [X.]er Argumentation der [X.] folgend, die in der beanspruchten gemeinsamen Mittellinie des Grundkörperabschnitts etwas anderes sähen als in der ursprünglich offenbarten Mittellinie des zugehörigen Grundkörperabschnitts, sei als mit dem Streitpatent beansprucht eine Anlage anzusehen, bei der die [X.] beim Ausstanzen auf einer nunmehr gemeinsamen Mittellinie lägen und das zugehörige Stanzwerkzeug folglich stationär sei. [X.]ass sich die Beschreibung und die Ausführungsbeispiele ausschließlich auf eine Anlage mit einem stationären Stanzwerkzeug für die [X.] und einem beweglichen Stanzwerkzeug für die [X.] bezögen, könne den Sinngehalt der Patentansprüche nicht in ihr Gegenteil verkehren. Eine Auslegung entgegen dem Wortlaut (im Sinne einer Auslegung entgegen dem Sinngehalt) der Patentansprüche sei nicht zulässig.

III. [X.]iese Beurteilung ist nicht frei von [X.]. Bei zutreffender Auslegung des Patentanspruchs 1 enthält dieser nicht die vom Patentgericht angenommenen Abweichungen vom [X.] der Anmeldung, und entsprechendes gilt für den Verfahrensanspruch 7.

1. Zu Recht rügt die Berufung, dass es das Patentgericht unterlassen hat, Patentanspruch 1 zunächst unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen auszulegen, bevor es sich der Frage zuwandte, ob der Gegenstand des Streitpatents, der als das Ergebnis der Auslegung zutage tritt, in den ursprünglichen Unterlagen als die angemeldete Erfindung oder als dieser zugehörig offenbart ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist die Auslegung des Patentanspruchs stets geboten und darf auch dann nicht unterbleiben, wenn der Wortlaut des Anspruchs eindeutig zu sein scheint (s. nur [X.], Urteil vom 29. April 1986 - [X.], [X.]Z 98, 12, 18 - Formstein; Urteil vom 12. März 2002 - [X.], [X.]Z 150, 149, 153 - Schneidmesser I; Beschluss vom 17. April 2007 - [X.], [X.]Z 172, 108 - Informationsübermittlungsverfahren I; Urteil vom 17. Juli 2012 - [X.], [X.]Z 194, 107, Rn. 27 - [X.]). [X.]enn die Beschreibung des Patents kann Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein "patenteigenes Lexikon" darstellen ([X.], Urteil vom 2. März 1999 - [X.], [X.], 909 - Spannschraube). Auch der Grundsatz, dass bei Widersprüchen zwischen Anspruch und Beschreibung der Anspruch Vorrang genießt, weil dieser und nicht die Beschreibung den geschützten Gegenstand definiert und damit auch begrenzt ([X.], Urteil vom 10. Mai 2011 - [X.], [X.]Z 189, 330, Rn. 23 - [X.]), schließt nicht aus, dass sich aus der Beschreibung und den Zeichnungen ein Verständnis des Patentanspruchs ergibt, das von demjenigen abweicht, das der bloße Wortlaut des Anspruchs vermittelt. Funktion der Beschreibung ist es, die geschützte Erfindung zu erläutern. Im Zweifel ist daher ein Verständnis der Beschreibung und des Anspruchs geboten, das beide Teile der Patentschrift nicht in Widerspruch zueinander bringt, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen versteht. Nur wenn und soweit dies nicht möglich ist, ist der Schluss gerechtfertigt, dass Teile der Beschreibung zur Auslegung nicht herangezogen werden dürfen. Eine Auslegung des Patentanspruchs, die zur Folge hätte, dass keines der in der Patentschrift geschilderten Ausführungsbeispiele vom Gegenstand des Patents erfasst würde, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn andere Auslegungsmöglichkeiten, die zumindest zur Einbeziehung eines Teils der Ausführungsbeispiele führen, zwingend ausscheiden oder wenn sich aus dem Patentanspruch hinreichend deutliche Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass tatsächlich etwas beansprucht wird, das so weitgehend von der Beschreibung abweicht ([X.], Urteil vom 14. Oktober 2014 - [X.], [X.], 159, Rn. 26 - Zugriffsrechte).

[X.]er Inhalt der [X.] oder der Veröffentlichung der Anmeldung bleibt bei der Auslegung außer Betracht. Weder darf der Patentanspruch - zur Vermeidung einer unzulässigen Erweiterung - nach Maßgabe des ursprünglich Offenbarten ausgelegt werden ([X.]Z 194, 107, Rn. 28 - [X.]), noch darf umgekehrt sein Sinngehalt dadurch ermittelt werden, dass dem Wortlaut des Patentanspruchs abweichende Formulierungen der Anmeldung gegenübergestellt werden. Allenfalls dann, wenn zweifelhaft bleibt, ob sich Patentanspruch und Beschreibung sinnvoll zueinander in Beziehung setzen lassen, darf die "Anspruchsgeschichte" zur weiteren Klärung der Frage herangezogen werden, ob mit dem Anspruch ein Gegenstand unter Schutz gestellt worden ist, der von dem in der Beschreibung offenbarten abweicht oder hinter diesem zurückbleibt ([X.]Z 189, 330, Rn. 25 - [X.]; [X.]Z 194, 107, Rn. 28 - [X.]).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich im Streitfall, dass die Merkmale 2.1 und 2.2 abweichend vom Wortlaut des Anspruchs dahin zu lesen sind, dass mit dem ersten [X.] zumindest Teile der [X.] eines jeden Elements und mit dem zweiten [X.] die [X.] eines jeden Elements durch Ausstanzen bereitgestellt werden.

a) Mit der Erfindung soll, so heißt es im allgemeinen Teil der Beschreibung, eine Möglichkeit bereitgestellt werden, auf einfache Weise [X.] mit [X.]n ([X.]) herzustellen, die um unterschiedliche Abstände zu einer Mittellinie des Grundkörperabschnitts (Polschafts) versetzt sind (Abs. 12 der Beschreibung). Bevorzugt ist dabei der vom ersten [X.] hergestellte Teil des [X.] derjenige, der allen [X.]n (scil. unabhängig vom Ausmaß der Versetzung von der Mittellinie) gemeinsam ist (Abs. 13), d.h. der [X.] wird vom ersten [X.] nur teilweise ausgestanzt, während der Rest des Materials beim nachfolgenden Ausstanzen des Grundkörperabschnitts weggenommen wird.

[X.]ies wird im Folgenden unter Bezugnahme auf die Zeichnungen, von denen die nachfolgend wiedergegebene Figur 4a wie die Figuren 5a und 6a Ansichten einer erfindungsgemäßen Vorrichtung darstellen (Abs. 17), näher erläutert.

Abbildung

[X.]anach ist auf einer Basisplatte 20 ein erstes ortsfestes [X.] (die member) 22 und benachbart zu diesem ein zweites bewegliches [X.] 32 angeordnet (Abs. 22). [X.]as [X.] 22 weist zwei [X.] 24a und 24b auf, von denen jede einer Fläche entspricht, die an einen Teil der Umfangslinie des [X.] angrenzt (Abs. 23). [X.]as bewegliche [X.] 32 weist [X.] 34a und 34b auf, von denen jede einer Fläche entspricht, die an die ([X.] angrenzt, sowie eine sich dazwischen erstreckende dritte Stanzöffnung 35 (Abs. 24). Unter Ausnutzung dieser [X.] werden mittels nicht dargestellter Stanzen die [X.] ausgestanzt (Abs. 27 ff.), indem in Position B zunächst die [X.] teilweise ausgestanzt werden (Abs. 28) und in Position C die [X.] gestanzt werden (Abs. 29), so dass auf diese Weise mit dem Ausstanzen des Grundkörperabschnitts mittels der Stanzen (punch members) 64a und 64b und einer einteilig mit diesen ausgebildeten dritten Stanze 65 gleichzeitig das Ausstanzen der [X.] vollendet wird und in Position [X.] ein vollständiges Rotorelement bereitsteht (Abs. 30). [X.]ie Beschreibung erläutert weiter, es verstehe sich, dass die Stanzen beider [X.]e 22, 32 gleichzeitig betätigt würden. Im [X.] an jeden Stanzvorgang werde ein Antriebsmittel 36 betätigt, um das [X.] 32 inkrementell in einer Richtung zu versetzen und damit einen Versatz des [X.]abschnitts von der Mittellinie des Grundkörperabschnitts zu erzeugen (Abs. 32).

b) Mit dieser [X.]arstellung des erfindungsgemäßen Verfahrens und einer hierfür geeigneten Vorrichtung steht Patentanspruch 1 (und ebenso der Verfahrensanspruch 7) auf den ersten Blick nicht in Einklang. [X.]enn nach Merkmal 2.1 scheint das (feststehende) erste [X.] zum Ausstanzen (zumindest) von Teilen des Grundkörperabschnitts und das (bewegliche) zweite [X.] zum Ausstanzen der [X.] bestimmt zu sein. Aus dem Gesamtinhalt der Beschreibung und den weiteren Patentansprüchen 2 bis 6 ergibt sich jedoch, dass hierbei [X.] und [X.] vertauscht worden sind und die Merkmalsgruppe 2 daher so zu lesen ist, dass die Maschine eine Stanzanordnung aufweist, die (2.1) mit einem ersten [X.] zum Ausstanzen zumindest von Teilen der [X.] und (2.2) mit einem zweiten [X.] zum Ausstanzen der [X.] eines jeden Elements versehen ist.

(1) [X.]arauf deutet zunächst der Umstand hin, dass ein wörtlich genommener Patentanspruch 1 nicht nur mit Teilen der Beschreibung wie einzelnen oder auch sämtlichen Ausführungsbeispielen, sondern mit der Beschreibung insgesamt in Widerspruch tritt, ohne dass hierfür ein plausibler Grund erkennbar wäre. [X.]ies wird insbesondere an der vermeintlichen Anweisung des Merkmals 2.1 deutlich, mit dem ersten [X.] zumindest Teile des Grundkörperabschnitts auszustanzen. [X.]enn in der Beschreibung ist es, wie erwähnt, gleich eingangs als bevorzugte Vorgehensweise erläutert, mit dem ersten [X.] Teile der [X.], nämlich den allen [X.]n gemeinsamen (äußeren) Umriss der Polköpfe, herzustellen. Mit dem Ausstanzen des Grundkörperabschnitts wird sodann die Oberkante des (vorauslaufenden) [X.] gestanzt und gleichzeitig die Unterkante des nächsten [X.] in Abhängigkeit vom Betrag des Versatzes des zweiten [X.] so ausgebildet, dass sich ein entsprechender Versatz des [X.] gegenüber der gemeinsamen Mittellinie des Grundkörperabschnitts (Merkmal 4.2) ergibt. Auf diese Weise lassen sich mit einem Werkzeug unterschiedliche Polkopfformen herstellen. Hingegen findet die Möglichkeit, den (gleichförmigen) Grundkörper mit dem ersten Stanzwerkzeug nur teilweise auszustanzen, den [X.] und den Rest des Grundkörperabschnitts aber mit weiteren Stanzwerkzeugen, keinerlei Anklang in der Beschreibung.

(2) Es kommt hinzu, dass der Wortlaut der [X.] zwar mit dem vom Patentgericht entwickelten Verständnis nicht unvereinbar ist, jedoch im Kontext der Beschreibung und der weiteren Patentansprüche betrachtet gleichfalls die Annahme stützt, dass das erste [X.] anspruchsgemäß nicht zum Ausstanzen zumindest von Teilen der [X.], sondern der [X.] bestimmt ist.

[X.]as Patentgericht hat, im Ausgangspunkt zutreffend, erwogen, dass der Patentanspruch in den Merkmalen 3.1, 3.2 und 4 offen lässt, welches [X.] fest und welches beweglich angeordnet ist, da Merkmal 3.1 nur vorgibt, dass beide [X.]e relativ zueinander bewegt werden können. Es hat jedoch aus Merkmal 4.2 geschlossen, dass das den Grundkörperabschnitt (teilweise) ausstanzende erste [X.] stationär angeordnet sei, weil in diesem Merkmal Bezug auf eine gemeinsame Mittellinie aufeinanderfolgender Elemente genommen, der Fachmann hierunter nichts anderes als eine allen Elementen gemeinsame Mittellinie verstehen könne und folglich eine Vorrichtung unter Schutz gestellt werde, bei der die [X.] beim Ausstanzen auf einer gemeinsamen Mittellinie lägen.

Bei Patentanspruch 1 handelt es sich um einen Sachanspruch, dessen Merkmale dazu bestimmt sind, die geschützte Sache zu beschreiben, d.h. im Streitfall die Maschine und damit gegebenenfalls mittelbar die Ausgestaltung der Erzeugnisse, die mit ihr hergestellt werden können. Wird Merkmal 4.2 - wie stets geboten (statt aller [X.]Z 194, 107, Rn. 27 - [X.]) - im Kontext der [X.] und diese im Zusammenhang des gesamten Anspruch und vor dem erläuternden Hintergrund der Beschreibung gelesen, besagt die [X.], dass die Relativposition des zweiten [X.] schrittweise (inkrementell) so geändert wird, dass der [X.] jedes Elements im Verhältnis zum [X.] des vorangehenden um eine entsprechende Schrittweite gegenüber der gemeinsamen Mittellinie der [X.] versetzt ist. [X.]ie Relativbewegung der [X.]e ([X.] 4) soll mit anderen Worten so erfolgen, dass die mit der Vorrichtung hergestellten ([X.] den Merkmalen 4.1 und 4.2 entsprechen. [X.]ie [X.] haben mithin eine gemeinsame Mittellinie, die (nicht symmetrischen) [X.] weisen hingegen einen Versatz aus der Mittellinie in die eine oder andere Richtung auf.

[X.]emgegenüber liefe ein Verständnis des Merkmals 4.2 als mittelbare Umschreibung der stationären Anordnung des ersten [X.] darauf hinaus, dass die - wie auch das Patentgericht angenommen hat - in Patentanspruch 1 an sich offen gelassene Frage, welches [X.] fest und welches beweglich angeordnet ist, doch im Sinne einer festen Anordnung des ersten [X.] beantwortet würde. Gleichzeitig verlöre damit Patentanspruch 2, der gerade erst bestimmt, dass das erste [X.] fest sein und das zweite inkrementell relativ zu diesem bewegt werden soll, seine Funktion, die mit Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Vorrichtung zu konkretisieren und wiederholte mit anderen Worten lediglich den sachlichen Gehalt des Patentanspruchs 1.

(3) Schließlich stützt auch Patentanspruch 6 - und entsprechendes gilt für das Verfahren nach Patentanspruch 9 - in Verbindung mit der Beschreibung die Annahme, dass die Merkmale 2.1 und 2.2 im dargestellten Sinne einer Vertauschung von [X.] und [X.]n zu lesen sind.

Technisch sinnvoll ließe sich die zunächst nur teilweise Ausstanzung des Grundkörperabschnitts, die Merkmal 2.1 vorzusehen scheint, nur dahin verstehen, dass dem Ausstanzen seiner Längskanten die Ausstanzung seiner Fußlinie, gegebenenfalls zusammen mit der Oberkante des vorauslaufenden [X.], nachfolgt. Hierfür wird, wie ausgeführt, im Ausführungsbeispiel die Stanze 65 verwendet, die zusammen mit der gekrümmten inneren Oberfläche des Grundkörperabschnitts die gekrümmte äußere Oberfläche des [X.] erzeugt. [X.]adurch bleibt, wie in Absatz 35 der Beschreibung erläutert wird, die Mittellinie des Krümmungsradius der [X.] im Wesentlichen auf der Mittellinie C/L des Grundkörperabschnitts, obwohl sich der Versatz des [X.] um einen Schritt von der theoretischen Position unterscheidet. [X.]amit bleiben gleichzeitig die Mittellinie der äußeren Oberfläche der [X.] der gestapelten [X.] und der Luftspalt zwischen dieser äußeren Oberfläche und der inneren Oberfläche des [X.] trotz der winkelartigen Anordnung konstant. [X.]ie Vorteile dieser Anordnung können ohne den Nachteil einer Veränderung der [X.]icke des Luftspalts in [X.] genutzt werden (Abs. 36).

[X.]ie Stanze 65 gehört zu einem dritten [X.] 35, das nach Patentanspruch 4 zum Ausstanzen eines Umfangsrands zwischen dem Grundkörperabschnitt eines Elements und dem [X.] eines durch den vorangegangenen Ausstanzvorgang gebildeten Elements dient. Nach Patentanspruch 6 sind die zweiten und dritten [X.]e integral ausgebildet. Es sind somit in Patentanspruch 6 einteilig ausgebildete Stanzen 64a, 64b, 65 unter Schutz gestellt, wie sie in der Beschreibung erläutert und in Figur 7 gezeigt sind. Sie können, wie von Patentanspruch 9 gefordert, gemeinsam schrittweise zwischen aufeinander folgenden Ausstanzvorgängen bewegt werden.

Mit diesem einteiligen beweglichen Werkzeug lassen sich jedoch im Wesentlichen auf der Mittellinie C/L des Grundkörperabschnitts liegende Krümmungsradien der [X.] nicht erzeugen. Es lassen sich nicht einmal die (gleichmäßig) gekrümmten inneren Oberflächen des Grundkörperabschnitts erzeugen, mit denen die [X.] im Ausführungsbeispiel auf der Welle angeordnet sind, weil die einteilige Stanze relativ zum Grundkörperabschnitt verschoben wird.

(4) Unter Berücksichtigung des [X.] der Beschreibung, des Sinngehalts der [X.], und des Wortlauts der Patentansprüche 2, 6 und 9 muss der Fachmann, der es unternimmt, ein sinnvolles und wenn möglich widerspruchsfreies Gesamtverständnis der Patentansprüche und der zu ihrer Erläuterung bestimmten Beschreibung zu entwickeln, mithin zu dem Schluss gelangen, dass mit der Formulierung des Patentanspruchs in den Merkmalen 2.1 und 2.2 - entgegen dem insoweit verunglückten Wortlaut - nichts unter Schutz gestellt worden ist, was von der in der Beschreibung offenbarten Vorrichtung abweicht, bei der mit dem ersten (feststehenden) [X.] (zumindest) Teile der [X.] eines jeden Elements und mit dem zweiten (beweglichen) [X.] die [X.] eines jeden Elements durch Ausstanzen bereitgestellt werden.

c) Entgegen der von den [X.] in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung steht die dargestellte Auslegung des Patentanspruchs 1 - die entsprechend für Patentanspruch 7 gilt - auch nicht im Widerspruch zu einer mit der Erteilung des Streitpatents vorgenommenen Beschränkung des [X.] gegenüber dem mit der Anmeldung beanspruchten Gegenstand. [X.]enn es bleibt dabei, dass der Patentanspruch durch die vom Patentgericht aufgezeigten zusätzlichen Merkmale als ein gegenüber der Anmeldung engerer Gegenstand definiert worden ist.

3. [X.]amit enthält der Gegenstand des Streitpatents insoweit keine unzulässige Erweiterung. [X.]ass sie auch im Übrigen nicht vorliegt, hat das Patentgericht rechtsfehlerfrei angenommen; die Berufungserwiderungen wenden sich hiergegen auch nicht.

IV. [X.]a das Patentgericht - nach seinem Ausgangspunkt konsequent - sich mit der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents nicht befasst hat, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Patentgericht zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 2 und 3 [X.]).

Ein Grundgedanke des reformierten Patentnichtigkeitsverfahrens ist es, dass die Patentfähigkeit zunächst durch das auch mit technisch sachkundigen Richtern besetzte Patentgericht bewertet wird und diese Bewertung durch den [X.] überprüft wird. Eine Endentscheidung durch den [X.] (§ 119 Abs. 5 [X.]) ist daher regelmäßig nicht sachgerecht, wenn die Erstbewertung des Standes der Technik durch das Patentgericht unterblieben ist. [X.]afür, dass im Streitfall etwas anderes gälte, ist nichts erkennbar und wird auch von den Parteien nichts geltend gemacht.

Meier-Beck                        Gröning                                Bacher

                     [X.]eichfuß                        Kober-[X.]ehm

Meta

X ZR 43/13

12.05.2015

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 23. Januar 2013, Az: 1 Ni 1/12 (EP), Urteil

§ 14 PatG, § 38 PatG, Art 69 Abs 1 EuPatÜbk, Art 123 Abs 2 EuPatÜbk

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.05.2015, Az. X ZR 43/13 (REWIS RS 2015, 11260)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11260

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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