Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.09.2012, Az. X ZR 10/10

10. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2928

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Gegenstand

Patentrecht: Abgrenzung zwischen erfinderischer Tätigkeit und naheliegenden Weiterentwicklungen - Kniehebelklemmvorrichtung


Leitsatz

Kniehebelklemmvorrichtung

Besteht aus fachmännischer Sicht Anlass, im Rahmen der technischen Weiterentwicklung einer Vorrichtung eine bestimmte Konstruktion in Erwägung zu ziehen, und bedarf es deshalb hierfür keiner erfinderischen Tätigkeit, führt allein das Verharren bei dieser Konstruktion auch dann nicht zu einer anderen Bewertung, wenn erkennbare Nachteile der erwogenen Konstruktion dem Fachmann eine konkrete Anregung geben könnten, bei dieser nicht stehen zu bleiben.

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats ([X.]) des [X.] vom 10. September 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 25. Februar 1998 in der [X.] angemeldeten und mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 862 970 (Streitpatent), für das die Prioritäten [X.] Patentanmeldungen vom 5. März 1997 und vom 27. Juni 1997 in Anspruch genommen worden sind. Das Streitpatent umfasst neun Patentansprüche, von denen Anspruch 1 folgenden Wortlaut hat:

"A toggle-lever clamping device comprising:

a body (14, 14a, 14b) having a parallelepiped shape with a width which is small compared to the height and the depth;

an arm (22) capable of clamping a workpiece (w);

a cylinder unit (18) [X.] (14, 14a, 14b), [X.] (28) which is reciprocatable along a cylinder chamber (38, 38a) [X.] (18);

a toggle link mechanism (60), [X.] (14, 14a, 14b), [X.] linear motion of a piston rod (40) connected to said piston (28) into rotational motion of said arm (22);

said arm (22, 22a to 22c) being connected to said toggle link mechanism (60), for making rotation within a predetermined angle in reaction to a driving stroke of said piston (28) [X.] (18);

a reaction force-absorbing member (106a, 106b) disposed in [X.] (14, 14a, 14b) for absorbing the reaction force ([X.]) from said toggle link mechanism (60) applied when in use a workpiece (W) is clamped to the rotatable arm (22),

characterized in that said reaction force-absorbing member is constituted by a reaction force-receiving plate (106a, 106b) detachably fastened by fastening means to an upper portion in an opening (12a, 12b) of [X.] (14, 14a, 14b), and in that said reaction force-receiving plate (106a, 106b) is provided to engage with a roller (66a, 66b) [X.] (40) not attached to the piston (28), said reaction force-receiving plate engaging [X.] (66a, 66b) only during a clamping state of said arm (22, 22a, to 22c)."

2

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, da er weder neu sei noch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Sie behauptet, sie habe viele Jahre vor den Prioritätsdaten des Streitpatents in der [X.], [X.] und in [X.] [X.] (Kniehebelklemmvorrichtungen) offen vertrieben, die sämtliche Merkmale des Gegenstands des Streitpatents gemäß Anspruch 1 vorweggenommen hätten.

3

Das Patentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für die [X.] für nichtig erklärt. [X.]iergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie im [X.]auptantrag das Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.

4

Mit drei [X.]ilfsanträgen verteidigt die Beklagte das Streitpatent in jeweils beschränkten Fassungen.

5

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

6

Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. [X.]    , Technische [X.]ochschule A.  , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe

7

I. Das Streitpatent betrifft eine Kniehebelklemmvorrichtung, mit der durch ein Druckmittel (z.B. Druckluft oder [X.]ydrauliköl), über einen Kolben (28) angetrieben, ein Arm (22) aus der in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 5 des Streitpatents in die in Figur 6 gezeigte Position zur Klemmung eines Werkstücks (W) geschwenkt wird.

AbbildungAbbildung

8

1. Nach der Beschreibung des Streitpatents gab es im Stand der Technik [X.], mit denen eine lineare Bewegung eines Kolbens in eine Drehbewegung eines Arms zum Klemmen eines Werkstücks umgewandelt werden konnte. Dabei sieht die [X.] Patentanmeldung 2 340 798 (Anlage [X.]) eine längliche [X.] vor, die eine am Ende der Kolbenstange gelagerte Walze während der gesamten [X.]in- und [X.]erbewegung im ungeklemmten wie im geklemmten Zustand stützt. Um diese [X.] auszutauschen, muss die gesamte Klemmvorrichtung zerlegt werden.

9

Dem Streitpatent liegt danach das Problem zugrunde, eine Aufnahme der insbesondere bei der Klemmung auftretenden Kräfte durch Elemente zu bewirken, die mit nur wenig Aufwand diese Funktion dauerhaft erfüllen, und damit dauerhaft ein stabiles Klemmen gewährleisten.

2. Zur Lösung dieses Problems zeigt Patentanspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen (kursiv die zusätzlichen Merkmale gemäß [X.]ilfsantrag I, in eckigen Klammern die abweichende Gliederung des Patentsgerichts):

Die Kniehebelklemmvorrichtung hat

1. einen Grundkörper (14, 14a, 14b), der

1.1 eine parallelepipedförmige Gestalt mit einer Breite, die im Vergleich zu der [X.]öhe und der Tiefe klein ist, aufweist [1] und

1.2 geschlossen ist, um das Eintreten von [X.] oder dergleichen zu verhindern [1.1];

2. einen Arm (22), mit dem ein Werkstück (W) geklemmt werden kann;

3. eine Zylindereinheit (18), die mit einem Ende des Grundkörpers (14, 14a, 14b) verbunden ist, um einen Kolben (28) aufzunehmen, der entlang einer Zylinderkammer (38, 38a) der Zylindereinheit (18) hin und her bewegbar ist;

4. einen Gelenkstangenmechanismus (60),

4.1 der im Inneren des Grundkörpers (14, 14a, 14b) vorgesehen ist, [4]

4.2 um eine Linearbewegung der Kolbenstange (40), die mit dem Kolben (28) verbunden ist, in eine Drehbewegung des Armes (22) umzuwandeln; [4]

4.3. wobei der Arm (22, 22a bis 22c)

4.3.1 über Lagerabschnitte des Gelenkstangenmechanismus, die von einer Seitenfläche des Grundkörpers nach außen vorstehen, [5.1]

4.3.2 mit dem Gelenkstangenmechanismus (60) verbunden ist, um sich in Reaktion auf einen Antriebshub des Kolbens (28) der Zylindereinheit (18) um einen festgelegten Winkel zu drehen; [5]

5. ein [X.]absorptionselement (106a, 106b), [6]

5.1 das im Grundkörper (14, 14a, 14b) angeordnet ist, [6]

5.2 um die [X.] ([X.]) von dem Gelenkstangenmechanismus (60) zu absorbieren, die aufgebracht wird, wenn bei der Verwendung ein Werkstück (W) an den drehbaren Arm (22) geklemmt wird, und [6]

5.3. das durch eine [X.]aufnahmeplatte (106a, 106b) gebildet wird, [7]

5.3.1 die durch Befestigungsmittel lösbar an einem oberen Bereich in einer Öffnung (12a, 12b) des Grundkörpers befestigt ist, [7]

5.3.2 die vorgesehen ist, um mit einer Walze (66a, 66b) in Eingriff zu treten, die an dem Ende der Kolbenstange (40), welches nicht an dem Kolben (28) befestigt ist, vorgesehen ist, und [8]

5.3.3 die an der Walze (66a, 66b) lediglich während eines [X.] des Armes (22, 22a bis 22c) angreift, [9]

6. an in einem Paar von Ausnehmungen vorgesehenes mit einem [X.] in Eingriff tretendes Paar von Platten als [X.]absorptionselement [7.2.].

3. Einige Merkmale bedürfen näherer Erläuterung.

a) Für die Anordnung des Gelenkstangenmechanismus im [X.] gemäß Merkmal 4.1 reicht es aus, wenn sich der Mechanismus innerhalb der äußeren Kanten des Grundkörpers befindet. Dieses Merkmal trifft keine Aussage darüber, wie der Grundkörper selbst gestaltet ist, insbesondere ob er nach außen zum Schutz vor [X.] und anderen Einwirkungen geschlossen gebaut ist.

b) Die Begrenzung des Kontakts zwischen der Walze und der [X.]aufnahmeplatte auf "lediglich" den [X.] des Armes im Sinne des Merkmals 5.3.3 bedeutet nicht, dass dieser Kontakt sofort nach dem Ende des [X.] unterbrochen sein muss. Wie es die Figur 6 des Streitpatents zeigt, reicht es hierfür aus, wenn dieser Kontakt auf dem Weg des Kolbens vom [X.] aus erst kurz nach diesem Zustand nicht mehr vorliegt.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Dem Streitpatent liege die Aufgabe zugrunde, eine Kniehebelklemmvorrichtung zu beschreiben, bei der im Falle der Einklemmung eines Werkstücks jegliches Spiel, das aus der dabei auftretenden [X.] resultiere, und eine damit verbundene Klemmkraftverringerung vermieden werde.

Der Gegenstand des Streitpatents nach Anspruch 1 sei dem Fachmann durch die [X.] Patentschrift 1 523 565 (Anlage [X.]) in Verbindung mit seinem Fachwissen nahegelegt und damit nicht patentfähig gewesen. Die darin offenbarte Kniehebelklemmvorrichtung habe einen Grundkörper, einen Arm, eine Zylindereinheit und einen Gelenkstangenmechanismus entsprechend den Merkmalen 1, 1.1, 2 bis 4.3 und 4.3.2.

Mit der langgestreckten Platte 15, wie sie in Figur 1 der [X.] gezeigt werde, werde auch ein [X.]absorptionselement im Sinne der Merkmale 5.1, 5.2 und 5.3.2 offenbart, denn diese sei ausgelegt, die Kräfte aufzunehmen, die durch den Arm 6 und die Kolbenstange 4 auf die Rollen 14 übertragen werden.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents unterscheide sich von der [X.] allein darin, dass es zusätzlich die [X.] (lösbar durch Befestigungsmittel) und 5.3.3 (Angreifen der [X.] lediglich während des [X.]) aufweise.

Aus der [X.] sei aber bekannt gewesen, dass bei einem Sperrmechanismus starker Druck auf die Kolbenstange zu Deformationen führen könne, die mit der für die Sperrwirkung erforderlichen Präzision nicht zu vereinbaren sei. Die Lösung bestehe offensichtlich darin, die Platte 15 so auszulegen, dass sie die Kräfte aufnehmen könne, die durch den Arm und die Kolbenstange auf jede Rolle übertragen würden. Offensichtlich sei auch, dass der Sperrmechanismus nur in der Phase wirke, in der das Werkstück eingeklemmt werde, denn nach der [X.] solle verhindert werden, dass sich die Klemmung löse, wenn der Druck des Fluids im Kolben sinke. Damit seien bei [X.] bereits [X.] aufnehmende Platten bekannt, an denen Walzen während eines [X.] angreifen. Dem Fachmann sei aus seinem Fachwissen geläufig, dass bei solchen Vorrichtungen die größten Kräfte im Bereich des oberen [X.] aufträten und die erforderliche Präzision zum Klemmen des Werkstücks durch Deformation leiden könne. Um dem zu begegnen, bestehe die nächstliegende Lösung darin, die Platte, an der die Deformationen auftreten könnten, austauschbar zu gestalten. Aus Kostengründen werde der Fachmann eine austauschbare Platte nur an den Stellen vorsehen, wo die größten Kräfte auftreten, mithin im oberen Bereich, wo die Walzen während des [X.]es an der Platte angreifen.

Dass die aus der [X.] bekannte Platte langgestreckt sei, stehe dem nicht entgegen. Denn dort erfordere die besondere Form der lösbaren Verbindung zwischen der Kolbenstange und dem Gelenkstangenmechanismus eine Führung für den hierfür verwendeten Gleitblock. Der Fachmann erkenne jedoch sofort, dass die Platte im unteren Bereich keine nennenswerten Kräfte aufnehmen müsse und deshalb bei einer anderen Art der Befestigung der Kolbenstange eine Führung durch eine Platte nicht notwendig sei. Daher liege es für den Fachmann auf der [X.]and, die Platte nur im oberen Bereich austauschbar zu gestalten. Es habe daher keiner erfinderischen Tätigkeit bedurft, die [X.] durch Befestigungsmittel lediglich im oberen Bereich in einer Öffnung des Grundkörpers lösbar im Sinne der Merkmale 5.3.1 und 5.3.3 zu befestigen.

[X.]. Dies hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents ist nicht patentfähig, da er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

a) Ausgehend von der [X.], die wie die [X.] [X.] 27 04 911 auf der Priorität der in der [X.] genannten [X.] (Anlage [X.]) beruht, war dem Fachmann, den das Patentgericht zutreffend als einen Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Spanntechnik definiert, eine Kniehebelklemmvorrichtung bekannt, die einen Grundkörper, einen Arm, eine Zylindereinheit, einen Gelenkstangenmechanismus und ein [X.]absorptionselement entsprechend den Merkmalen 1, 1.1, 2, 3, 4.2, 4.3.2 bis 5.2 und 5.3.2 aufweist. Dies wird insoweit von den Parteien nicht in Zweifel gezogen.

b) Der Gelenkmechanismus befindet sich entsprechend dem Merkmal 4.1 im [X.]. Nach der Figur 1 zur [X.] ist der Mechanismus vollständig innerhalb der Außenkanten des Grundkörpers angeordnet, so dass auch dieses Merkmal dem Fachmann aus der [X.] bekannt war.

c) Die [X.] zeigt zwar eine [X.] (15) im oberen Bereich in einer Öffnung des Grundkörpers, jedoch nicht, wie diese Platte an dem Grundkörper befestigt ist. Für den Fachmann lag es indessen nahe, hierfür auch an eine lösbare Verbindung zu denken und diese vorzusehen.

Für diese Verbindung standen dem Fachmann verschiedene Befestigungsmöglichkeiten zur Wahl, die sich in lösbare wie z.B. Schrauben und nicht lösbare wie z.B. Verklebungen und Verlötungen unterscheiden lassen. Solche Verbindungen einschließlich der damit jeweils verbundenen Vor- und Nachteile waren dem Fachmann sämtlich aufgrund seines allgemeinen und spezifischen Fachwissens bekannt. Da es sich bei der [X.] (15) um ein Element handelt, das die vom Arm (6) und der Kolbenstange (4) ausgehenden Kräfte aufnehmen soll ([X.] [X.]), wusste er auch, dass diese Platte einem erhöhten Verschleiß unterliegen kann ([X.]). Um die Funktion dieser Platte dauerhaft zu gewährleisten, war von ihm deshalb zu erwarten, die Platte entsprechend dem Merkmal 5.3.1 (schnell) lösbar zu befestigen, weil jede zeitraubende Reparatur zu einem betriebswirtschaftlich nicht vertretbaren Stillstand der Maschinen führen würde, in dem die Kniehebelklemmvorrichtung eingesetzt wird. Insoweit ist weniger von Bedeutung, mit welcher Wahrscheinlichkeit und mit welchem Zeithorizont die [X.] (15) verschleißen würde. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend erläutert hat, war eine lösbare Verbindung, die einen schnellen Austausch ermöglicht, für den Fachmann allein aus Vorsicht geboten.

d) Schließlich lag es für den Fachmann auch nahe, die [X.]aufnahmeplatte so auszugestalten, dass die die Kräfte auf sie übertragende Walze im Sinne des Merkmals 5.3.3 lediglich während des [X.] des Armes mit ihr in Kontakt steht, indem er diese Platte so verkürzte, dass der Kontakt mit der Walze im Wesentlichen nur während dieses Zustands besteht.

Die nebenstehende Figur 1 der [X.] zeigt eine [X.], deren Länge sich fast über den gesamten [X.]ub der Kolbenstange erstreckt. Wie das

Abbildung

Patentgericht zutreffend erkannt hat, ist dies dem Umstand geschuldet, dass in dieser Druckschrift das obere Ende der Kolbenstange nicht unmittelbar, sondern lösbar über einen Gleitkopf 12 mit dem Gelenkstangenmechanismus verbunden ist und damit eine Trennung zwischen diesem Mechanismus und dem Kolben ermöglicht. Der Kontakt dieses Gleitkopfs mit der Innenwand des Grundkörpers könnte zu einer Reibung und damit auch im unteren Bereich des Kolbenstangenhubs zu einem gewissen Verschleiß führen, dem eine längere

[X.] vorbeugen soll. Der Sachverständige hat hierzu jedoch überzeugend ergänzt, dass die Länge der [X.] eher eine Vorsichtsmaßnahme in dieser Richtung offenbare, als dass ein solcher Verschleiß auch bei der besonderen Gestaltung gemäß der [X.] tatsächlich zu befürchten wäre.

Aus fachmännischer Sicht war erkennbar, dass es bei Verzicht auf einen solchen Gleitkopf und die Trennbarkeit des Gelenkstangenmechanismus vom Kolben, wie er beispielsweise aus der [X.]n [X.] ([X.]) bekannt war und auch dem Gegenstand des Streitpatents zugrunde liegt, keinen Grund gibt, die [X.] über eine größere Fläche zu erstrecken als es für die Aufnahme der vom Arm in der Phase des [X.] ausgehenden Kräfte erforderlich ist. Für die Frage des Naheliegens einer technischen Weiterentwicklung sind zwar in erster Linie die druckschriftlichen [X.]inweise und Anregungen aus dem Stand der Technik zu betrachten. Daneben sind indessen auch die sich aus der Ausbildung und der üblichen Vorgehensweise des Fachmanns ergebende Sichtweise und sein allgemeines und fachgebietstypisches Fachwissen zu berücksichtigen (vgl. BG[X.], Beschluss vom 20. Dezember 2011 - [X.], [X.], 378 Rn. 17 - [X.]; Urteil vom 26. April 2012 - [X.], juris Rn. 33). [X.]ierzu gehört, dass der Fachmann mit der Ausbildung eines [X.] - wie es der gerichtliche Sachverständige anschaulich verdeutlichte - in den Funktionen denkt, die das von ihm zu konstruierende Bauteil erfüllen muss. Schon weil er dabei auch immer den Kostenaufwand im Blick haben muss, wird er bei Neukonstruktionen darauf achten, nicht über das hinaus zu gehen, was mit Blick auf die zu erfüllenden Funktionen erforderlich ist.

Demnach war vom Fachmann zu erwarten, dass er den beschränkten Bedarf für eine [X.] allein für den Bereich erkannte, in dem sich der Arm im [X.] befindet. Dies entspricht im Wesentlichen dem oberen Totpunkt des Gelenkmechanismus. Darüber hinaus war insbesondere bei Verzicht auf einen Gleitkopf zwischen Kolbenstange und Gelenk entsprechend der [X.] ein Verschleiß durch das Angreifen der Walzen an dem Grundkörper nicht zu befürchten. Die insoweit auftretenden Querkräfte sind vernachlässigbar klein. Eine Verlängerung der [X.] auch in diesen Bereich hinein hätte keine Funktion erfüllt, so dass vom Fachmann zu erwarten war, die Platte nicht auch in diesen Bereich zu erstrecken, sondern lediglich im Bereich des [X.] des Armes vorzusehen (Merkmal 5.3.3).

e) Auch bei einer Gesamtbetrachtung der Abweichungen des Gegenstands des Streitpatents von demjenigen der [X.] waren diese Weiterentwicklungen naheliegend und beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

2. Der Gegenstand der Patentansprüche in der Fassung nach dem [X.]ilfsantrag I beruht ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

a) Mit [X.]ilfsantrag I sollen dem Patentanspruch 1 die Merkmale 1.2 (geschlossener Grundkörper), 4.3.1 (nach außen vorstehende Lagerabschnitte am Gelenkstangenmechanismus) und 6 (ein Paar Ausnehmungen) sowie die paarweise Anordnung von Walzen und [X.]aufnahmeplatten hinzugefügt werden.

b) Die Beschränkung des Patentanspruchs durch diese Merkmale ist zulässig. Wie das Patentgericht zutreffend festgestellt hat, sind sie sämtlich in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen und in der Patentschrift offenbart.

c) Indessen war der Gegenstand des Streitpatents auch mit diesen Merkmalen dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt.

(1) Eine geschlossene Bauweise des Grundkörpers (Merkmal 1.2) war aus der Figur 3 der [X.] bekannt.

(2) Die [X.] offenbart auch eine Welle des Gelenkstangenmechanismus, die aus einer Seitenfläche des Grundkörpers herausragt, und die Befestigung des Arms zum Klemmen des Werkstücks hieran (Merkmal 4.3.1).

(3) Weiterhin beschreibt die [X.], dass der Gelenkstangenmechanismus "zwei Walzen" ([X.]) enthalten kann ([X.] [X.] 53-54). In diesem Fall sollen die Kräfte von jeder Walze von einer [X.] aufgenommen werden ([X.] [X.]).

(4) Für diese Platte war jeweils eine Ausnehmung vorzusehen, denn wenn der Fachmann eine [X.] lediglich für den Bereich vorsehen wollte, in dem die Walzen sich im [X.] befinden und die sich daraus ergebenden Kräfte übertragen, bedingte dies für ein gleichmäßiges Rollen der Walzen, dass sie in dem weiteren, dem Kolbenhub folgenden Bereich nicht auf Kanten der Platten stoßen, sondern weiterhin am Grundkörper bündig ablaufen können, auch wenn hier kaum noch Kräfte auf diesen zu übertragen sind. Demnach war es konsequent in diesem Bereich die Fläche des Grundkörpers in annähernd derselben Flucht anzuordnen, wie die für den [X.] vorgesehenen Fläche der [X.]. Um eine solche annähernd gleiche Flucht dieser Fläche herzustellen, kennt der Fachmann die Konstruktion von Ausnehmungen, in die die [X.]n eingefügt werden, weshalb von ihm zu erwarten war, mit [X.]ilfe einer solchen Ausnehmung eine annähernd gleiche Flucht zwischen der Kontaktfläche der [X.] und der weiteren [X.] auf dem Grundkörper herzustellen.

(5) Auch das Vorsehen von paarweisen Ausnehmungen, in die jeweils eine [X.] eingefügt wird, war im Rahmen der vom Fachmann zu erwartenden Überlegungen nahegelegt und beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Entsprechend der funktionalen Sichtweise, die von einem Maschinenbauingenieur für die Konstruktion solcher Bauteile zu erwarten war, ist es aus der Sicht des Fachmanns zunächst konsequent, die Platten bei einer Verwendung von zwei Walzen nur dort vorzusehen, wo die Walzen angreifen. Da sich dies insbesondere bei einer symmetrischen Bauweise, die mit einer solchen Anordnung implizit verfolgt wird, in getrennten Bereichen des Grundkörpers vollzieht, führt deshalb die funktionale Sichtweise zunächst auch dazu, die [X.]n getrennt mithin paarweise vorzusehen und in ein Paar von Ausnehmungen einzufügen.

Der gerichtliche Sachverständige hat allerdings hierzu in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass eine solche Konstruktion zu einer technisch unvorteilhaften Doppelpassung und einem erhöhten Montageaufwand führen würde, weshalb der Fachmann Anlass gehabt haben könnte, von einer solchen Konstruktion wieder Abstand zu nehmen und stattdessen für die beiden Walzen nur eine gemeinsame [X.] vorzusehen.

Diese weitergehenden Überlegungen führen indessen nicht dazu, die im [X.]ilfsantrag I vorgesehene Trennung der [X.] in zwei Bereiche als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen. [X.]at der Fachmann Anlass oder gibt es Anregungen oder [X.]inweise, im Rahmen einer technischen Weiterentwicklung eine bestimmte Konstruktion in Erwägung zu ziehen und ist deshalb hierfür keine erfinderische Tätigkeit erforderlich, führt allein das Verharren bei dieser Konstruktion nicht zu einer anderen Bewertung. Dies gilt auch dann, wenn es aus dem Stand der Technik, dem Fachwissen, dem fachtypischen Vorgehen oder sonstigen Umständen hinreichenden Anlass, [X.]inweise oder Anregungen gab, bei dieser Konstruktion nicht stehen zu bleiben, und deshalb vom Fachmann eigentlich zu erwarten war, den Gegenstand mit anderen Merkmalen zu konstruieren. Die technischen Gründe, die eine Trennung der [X.] in zwei Platten nach den Ausführungen des Sachverständigen als unvorteilhaft erscheinen lassen könnten, führen deshalb nicht dazu, das Verharren bei zwei Platten als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen, denn die zu dieser [X.] führenden Überlegungen des Fachmanns gehören sämtlich zu seinem durchschnittlichen Fachkönnen.

(6) Das Merkmal 6 und damit insgesamt ein Gegenstand, wie er sich aus der Zusammenfassung der gemäß [X.]ilfsantrag I kombinierten Merkmale ergibt, waren deshalb dem Fachmann ebenfalls nahegelegt.

3. Weiterhin ist auch ein Gegenstand des Streitpatents entsprechend den Fassungen der [X.]ilfsanträge II und [X.] nicht patentfähig.

a) Mit [X.]ilfsantrag II soll der dem [X.]ilfsantrag I entsprechende [X.] zusätzlich um das Merkmal beschränkt werden, dass die Ausnehmungen gemäß Merkmal 6 "durch jeweils vier Wandflächen gebildet" sind.

Gemäß [X.]ilfsantrag [X.] soll der dem [X.]ilfsantrag I entsprechende [X.] um das folgende Merkmal ergänzt werden:

"die Ausnehmungen (104) bilden jeweils einen parallelepipedförmigen Raum, wobei zwei aneinandergrenzende Flächen der Ausnehmungen (104) offen sind und dann, wenn die [X.]n (106a, 106b) in den Ausnehmungen (104) angebracht sind, die Walzen (66a, 66b) jeweils an einer Fläche einer [X.]aufnahmeplatte (106a, 106b) anliegt, welche an einer der offenen Flächen der Ausnehmung (104) exponiert ist, und wobei eine andere Fläche der [X.]n (106a, 106b) innerhalb des Körpers an der anderen offenen Fläche der Ausnehmung (104) exponiert ist."

b) Es kann offenbleiben, ob diese [X.]ilfsanträge zulässig sind und die weiteren Merkmale in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart sind.

c) Jedenfalls war es naheliegend, die Ausnehmungen gemäß Artikel 6 jeweils mit vier Wandflächen zu bilden und im Übrigen die [X.]n mit zwei Seiten offen im Grundkörper zu "exponieren". Unter [X.] ist im Sinne dieser [X.]ilfsanträge lediglich zu verstehen, dass die parallelepipedförmigen [X.]n mit der jeweiligen Seite nicht in Kontakt zu einer Fläche des Grundkörpers stehen, sondern insoweit dem Luftraum "exponiert" sind.

Für die [X.]n ist die nächstliegende Form ein Quader, weil damit die Platten mit rechtwinkligen Kanten kostensparend gefertigt werden können. Damit war ein parallelepipedförmiger Raum für die Ausnehmungen vorgegeben.

Um einen solchen Quader formschlüssig mit dem Grundkörper verbinden zu können, muss eine seiner sechs Seiten offenbleiben, damit die Walze auf der Platte eine Stütze finden kann, wie es [X.]ilfsantrag [X.] beschreibt. Um die Platten schnell austauschen und die Ausnehmungen für die Platten mit einem möglichst geringen Fertigungsaufwand herstellen zu können, kann der Quader nur mit vier Seiten im Kontakt mit dem Grundkörper stehen. Ein fünfseitiges Umschließen des Quaders wäre aufwendig herzustellen und würde den Austausch erschweren. Dies war dem Fachmann durch sein Fachwissen hinreichend bekannt, weshalb von ihm zu erwarten war, die Ausnehmungen für quaderförmige [X.]n mit genau vier Wandflächen entsprechend dem [X.]ilfsantrag II zu fertigen. Mit zwei Seiten mussten die Platten dann offen dem Luftraum zu gewandt sein, woraus sich eine Exposition im Sinne des [X.]ilfsantrags [X.] als naheliegend ergibt.

4. [X.]insichtlich der Gegenstände der [X.] ist eine eigene erfinderische Leistung weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich (BG[X.], Urteil vom 29. September 2011 - [X.], [X.], 149 - Sensoranordnung).

[X.]. [X.] beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] und § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck                                                 Mühlens                                              Grabinski

                               [X.]                                               Schuster

Meta

X ZR 10/10

25.09.2012

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 10. September 2009, Az: 2 Ni 48/07 (EU), Urteil

Art 56 EuPatÜbk, § 4 PatG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.09.2012, Az. X ZR 10/10 (REWIS RS 2012, 2928)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2928

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