Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.01.2021, Az. XII ZB 329/20

12. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 9581

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WIEDEREINSETZUNG FRIST FRISTWAHRUNG LEIDSATZ DER WOCHE

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist in einer Familienstreitsache: Behauptung des Verlustes des fristwahrenden Schriftstücks auf dem Postweg; Anforderungen an die Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Aufgabe zur Post


Leitsatz

1. Begehrt ein Verfahrensbeteiligter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Behauptung, ein fristgebundener Schriftsatz sei auf dem Postweg verloren gegangen, ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn der Antragsteller aufgrund einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe des in Verlust geratenen Schriftsatzes zur Post glaubhaft macht, dass der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich seines Verfahrensbevollmächtigten eingetreten ist (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 2. Dezember 2020 - XII ZB 324/20, juris Rn. 7 mwN und vom 13. Dezember 2017 - XII ZB 356/17, FamRZ 2018, 447 sowie an BGH Beschluss vom 22. September 2020 - II ZB 2/20, juris).

2. Die bloße - anwaltlich versicherte - Behauptung, der Schriftsatz sei an einem bestimmten Tag „bei der Post aufgegeben worden“, ist zur Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrunds bereits im Ansatz nicht geeignet; das muss einem Rechtsanwalt auch ohne gerichtlichen Hinweis bekannt sein (im Anschluss an BGH Beschlüsse vom 22. September 2020 und vom 16. November 2020 - II ZB 2/20, juris).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. [X.] des [X.] vom 23. Juni 2020 wird auf Kosten der Antragsgegnerin verworfen.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Der zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt an die Antragsgegnerin verpflichtete Antragsteller begehrt von dieser die Zustimmung zum begrenzten [X.] für die Kalenderjahre 2013 bis 2017. Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 10. Oktober 2018, der Antragsgegnerin zugestellt am 23. Oktober 2018, stattgegeben.

2

Am 22. November 2018 hat die Antragsgegnerin hiergegen Beschwerde eingelegt. Mit Schreiben vom 3. Januar 2019 hat das [X.] die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass mangels fristgerechter Beschwerdebegründung Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestünden. Mit [X.] vom 7. Januar 2019, eingegangen beim [X.] am 8. Januar 2019, hat die Antragsgegnerin die Beschwerde begründet und mit [X.] vom 9. Januar 2020 (eingegangen an diesem Tag) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] beantragt. Zur Begründung hat ihre [X.] ausgeführt, sie habe mit - dem Wiedereinsetzungsantrag in Kopie beigefügtem - [X.] vom 19. Dezember 2018 die Verlängerung der [X.] beantragt und „versichere anwaltlich, dass das vorgenannte Schreiben am 19.12.2018 bei der [X.] aufgegeben“ worden sei. Sie sei davon ausgegangen, dass der Fristverlängerungsantrag innerhalb der [X.] eingegangen sei, weil der Versand mit der [X.] in der Regel zuverlässig sei.

3

Das [X.] hat die Beschwerde unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verworfen. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordern, § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO.

5

1. Das [X.] hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

6

Die Beschwerdebegründung sei erst nach Fristablauf eingegangen. Der Antragsgegnerin sei auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie habe nicht glaubhaft gemacht, dass die Fristversäumung auf Umständen beruhe, die weder sie noch ihre [X.] zu vertreten habe. Denn sie habe zur Begründung nur vorgetragen, sie sei davon ausgegangen, dass ihr Antrag auf Fristverlängerung am 19. Dezember 2018 bei der [X.] aufgegeben worden und innerhalb der [X.] eingegangen sei. Es mangele an einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zum etwaigen Gelangen des [X.]es in den [X.]verkehr. Die tatsächlichen und zeitlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe des Schriftstücks zur [X.] seien dem Antrag nicht zu entnehmen. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass der [X.] noch im Verantwortungsbereich der [X.]n verloren gegangen sei.

7

2. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.].

8

a) Wird - wie hier - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Behauptung begehrt, ein fristgebundener [X.] sei auf dem [X.]weg verloren gegangen, kann eine [X.] dies regelmäßig nicht anders glaubhaft machen als durch Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Aufgabe des Schriftstücks zur [X.], die als letztes Stück des Übermittlungsgeschehens noch ihrer Wahrnehmung zugänglich ist. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist daher Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn der Antragsteller aufgrund einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe des in Verlust geratenen [X.]es zur [X.] glaubhaft macht, dass der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich seines [X.]n eingetreten ist. Ein Nachweis dafür, dass das Schriftstück tatsächlich in den [X.]lauf gelangt ist, ist dagegen ebenso wie eine Glaubhaftmachung, wo und auf welche Weise es zum Verlust des Schriftstücks gekommen ist, nicht erforderlich (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 2. Dezember 2020 - [X.] 324/20 - juris Rn. 7 mwN und vom 13. Dezember 2017 - [X.] 356/17 - FamRZ 2018, 447 Rn. 14 mwN; [X.] Beschluss vom 22. September 2020 - [X.]/20 - juris Rn. 8 mwN). Die eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen muss die [X.] im Rahmen ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 236 Abs. 2 ZPO vortragen und glaubhaft machen (Senatsbeschluss vom 25. November 2020 - [X.] 200/20 - zur Veröffentlichung bestimmt Rn. 15 mwN).

9

b) Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat das [X.] eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht abgelehnt und die Beschwerde folgerichtig wegen Versäumung der [X.] des § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG verworfen. Denn die Antragsgegnerin hat nicht nach §§ 113 Abs. 1, 117 Abs. 5 FamFG, §§ 85 Abs. 2, 233 Satz 1, 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht, dass der Verlust des Antrags auf Verlängerung der [X.] mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich ihrer [X.]n eingetreten ist.

aa) Allerdings hat das [X.] das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag vom 9. Januar 2019 unzutreffend erfasst und mit unrichtigem Inhalt in seine Erwägungen eingestellt. Die [X.] der Antragsgegnerin hatte nämlich nicht vorgetragen, sie sei davon ausgegangen, dass ihr Verlängerungsantrag am 19. Dezember 2018 bei der [X.] aufgegeben worden sei. Vielmehr hatte sie die Aufgabe bei der [X.] an diesem Tag als Tatsache behauptet (und anwaltlich versichert) und darauf aufbauend weiter ausgeführt, deshalb von einem rechtzeitigen Eingang des [X.]es bei Gericht ausgegangen zu sein.

bb) Aber auch mit diesem Inhalt reicht das anwaltlich versicherte Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag für eine Glaubhaftmachung nicht aus. Es fehlt bereits an der dafür notwendigen, aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur Aufgabe des [X.]es zur [X.]. Die Darstellung der Antragsgegnerin erschöpft sich in der Erklärung, dass der Verlängerungsantrag am 19. Dezember 2018 zur [X.] gegeben worden sei. Nähere Angaben zum damaligen Ablauf, etwa dazu, wann und von wem der [X.] fertiggestellt, versandfertig gemacht und letztlich zu den für den [X.]ausgang bestimmten Briefen gelegt und dann bei der [X.] aufgegeben wurde, fehlen. Eine Schilderung, die den hinreichend sicheren Schluss erlauben würde, dass der Fristverlängerungsantrag tatsächlich am 19. Dezember 2018 fertiggestellt und in den [X.]ausgang gegeben wurde, liegt damit nicht vor. Die bloße anwaltliche Versicherung der Erklärung kann als solche den fehlenden Sachvortrag nicht ersetzen (vgl. [X.] Beschluss vom 22. September 2020 - [X.]/20 - juris Rn. 11 f.).

cc) Soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren erstmals dargelegt - und glaubhaft - gemacht wird, dass die [X.] selbst den [X.] ausgedruckt, versandfertig gemacht, den Umschlag mit einer Briefmarke versehen und auf dem Weg zum Parkplatz ihres Fahrzeugs gegen 15.00 Uhr in den - täglich um 18.30 Uhr geleerten - Briefkasten eingeworfen habe, wird diese Schilderung den dargestellten Anforderungen zwar inhaltlich gerecht. Sie ist aber nicht innerhalb der [X.] erfolgt und im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen.

Allerdings können erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, auch noch nach Ablauf der [X.] ergänzt oder erläutert werden. Eine solche Vervollständigung der Angaben kann nach ständiger Rechtsprechung des [X.] auch noch mit der Rechtsbeschwerde erfolgen (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 25. September 2013 - [X.] 200/13 - NJW 2014, 77 Rn. 9 mwN; [X.] Beschluss vom 28. April 2020 - [X.] - NJW-RR 2020, 818 Rn. 26 mwN).

Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung hat das [X.] jedoch nicht gegen Hinweispflichten verstoßen. Denn die von der Antragsgegnerin mit dem Wiedereinsetzungsgesuch aufgestellte Behauptung, der [X.] sei bei der [X.] aufgegeben worden, war nicht lediglich unklar oder ergänzungsbedürftig, sondern bereits im Ansatz nicht geeignet, einen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen. Dieses Vorbringen lässt nämlich die nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nötige geschlossene Schilderung der Abläufe bis zur Aufgabe zur [X.] vollständig vermissen, so dass auf einen gerichtlichen Hinweis nicht nur eine Ergänzung oder Erläuterung der Schilderung, sondern die Schilderung selbst hätte erfolgen müssen. Das Erfordernis einer solchen Schilderung musste der [X.]n der Antragsgegnerin auch ohne gerichtlichen Hinweis bekannt sein (vgl. [X.] Beschluss vom 2. Juni 2016 - I[X.]/16 - NJW-RR 2016, 1022 Rn. 12 mwN).

dd) Die Versäumung der [X.] ist auch nicht deshalb unverschuldet, weil die Antragsgegnerin mit Einlegung der Beschwerde einen - zunächst unvollständigen - [X.] gestellt hatte, den das [X.] erst mit dem angefochtenen Beschluss wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen hat. Denn die Antragsgegnerin hat erst am 25. Januar 2019 - also nach Ablauf der [X.] - die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine entsprechende Rüge und legt damit nicht dar, dass dieser Antrag auf Verfahrenskostenhilfe vor Ablauf der [X.] mit den erforderlichen Angaben versehen war und die Antragsgegnerin darauf vertrauen durfte, dass ihm stattgegeben wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Oktober 2013 - [X.] 311/13 - NJW-RR 2013, 1527 Rn. 11 f. und vom 31. August 2005 - [X.] 116/05 - FamRZ 2005, 1901, 1902).

c) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde schließlich geltend, das [X.] habe vor der mit dem angefochtenen Beschluss erfolgten Zurückweisung des [X.] bereits dadurch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der [X.] gewährt, dass es die Beteiligten mit Beschluss vom 30. März 2020 an den Güterichter - der die Akten am 7. Mai 2020 wegen Widerrufs der Zustimmung zurückgeleitet hat - verwiesen hat. Zwar wird teilweise vertreten, dass die Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch nach § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch konkludent - etwa durch Erlass eines [X.] - ergehen könne (so [X.]/[X.] ZPO 23. Aufl. § 238 Rn. 5; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 41. Aufl. § 238 Rn. 5; aA etwa Musielak/[X.]/[X.] ZPO 17. Aufl. § 238 Rn. 4; [X.]/[X.] 6. Aufl. § 238 Rn. 10; [X.] ZPO 8. Aufl. § 238 Rn. 4). Selbst wenn man dem folgen wollte, ist hier nichts dafür ersichtlich, dass dem nach §§ 68 Abs. 3 Satz 1, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 278 Abs. 5 ZPO ergangenen Güterichterbeschluss oder einem sonstigen Tätigwerden des [X.]s ein solcher Entscheidungsinhalt entnommen werden könnte.

Dose     

      

Schilling     

      

[X.]

      

Botur     

      

Guhling     

      

Meta

XII ZB 329/20

13.01.2021

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 23. Juni 2020, Az: 5 UF 251/18

§ 113 Abs 1 FamFG, § 117 Abs 5 FamFG, § 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO, § 236 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.01.2021, Az. XII ZB 329/20 (REWIS RS 2021, 9581)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 377 REWIS RS 2021, 9581

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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