BT-Drucksache 16/4623

zu der dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs - 16/3064, 16/4554 - Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes

Vom 7. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4623
16. Wahlperiode 07. 03. 2007

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Dr. Lothar
Bisky, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Dr. Martina Bunge, Roland Claus,
Sevim Dag˘delen, Dr. Dagmar Enkelmann, Klaus Ernst, Diana Golze, Lutz Heilmann,
Hans-Kurt Hill, Cornelia Hirsch, Inge Höger, Dr. Barbara Höll, Ulla Jelpke,
Dr. Lukrezia Jochimsen, Katja Kipping, Jan Korte, Katrin Kunert, Ulla Lötzer,
Dr. Gesine Lötzsch, Ulrich Maurer, Dorothee Menzner, Kornelia Möller, Kersten
Naumann, Wolfgang Neskovic, Petra Pau, Bodo Ramelow, Elke Reinke, Volker
Schneider (Saarbrücken), Dr. Herbert Schui, Dr. Ilja Seifert, Dr. Petra Sitte, Frank
Spieth, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Axel Troost, Jörn Wunderlich, Sabine
Zimmermann, Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/3064, 16/4554 –

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In Deutschland arbeiten mehr als sechs Millionen Beschäftigte in Vollzeit zu
Niedriglöhnen (weniger als drei Viertel des durchschnittlichen Bruttoeinkom-
mens in Deutschland). Darunter sind mehr als drei Millionen Beschäftigte, davon
mehr als 70 Prozent Frauen, die sich mit einem Armutslohn (weniger als der
Hälfte des durchschnittlichen Bruttoeinkommens) begnügen müssen. Darüber
hinaus arbeiten mehrere Millionen Menschen in geringfügigen Beschäftigungs-
verhältnissen und in Teilzeit zu Prekär- und Armutslöhnen. Auch hiervon sind
überwiegend Frauen betroffen.

Diese Situation ist nicht hinnehmbar. In einem sozialen Rechtsstaat muss sicher-
gestellt sein, dass jeder Mensch von seiner Arbeit leben kann. Stundenlöhne von
unter 8 Euro brutto sind keinesfalls Existenz sichernd. Deshalb sind Mindest-
standards für die Entlohnung notwendig. Bei der Festlegung solcher Mindest-
standards sind drei Aspekte zu berücksichtigen:

1. In den Branchen, in denen unterste Entgelte tariflich vereinbart sind, die ein
Einkommen von mindestens 8 Euro ermöglichen, müssen diese Entgelte vom
Gesetzgeber für alle Beschäftigten dieser Branche allgemeinverbindlich er-
klärt werden.

Drucksache 16/4623 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. In den Branchen, in denen unterste Entgelte tariflich vereinbart sind, die
einen Lohn von unter 8 Euro vorsehen, muss ein Mindestlohn von mindes-
tens 8 Euro gesetzlich vorgeschrieben werden. Eine Allgemeinverbindlich-
keitserklärung der untersten Entgelte würde ansonsten Niedriglöhne per Ge-
setz festschreiben.

Betroffen davon sind vor allem Branchen im Dienstleistungsbereich: So lie-
gen etwa die niedrigsten tariflich vereinbarten Bruttostundenlöhne für Wach-
schützer in Thüringen bei 4,38 Euro und für Beschäftigte in der nordrhein-
westfälischen Gastronomie bei 5,25 Euro. Auch Fachkräfte mit Berufsquali-
fikation arbeiten in einer ganzen Reihe von Berufen – u. a. Friseure, Köche,
Hotelkauffrauen, Verkäuferinnen – zu Löhnen von unter 8 Euro.

3. In den Branchen, in denen überhaupt keine tariflichen Regelungen für un-
terste Entgelte existieren, ist ein gesetzlicher Mindestlohn von mindestens
8 Euro zur Sicherung eines Existenz sichernden Einkommens ebenfalls un-
umgänglich. In diesen Branchen bestehen keinerlei Voraussetzungen für
Allgemeinverbindlichkeitserklärungen.

Aus den genannten Gründen könnte eine Mindestlohnregelung, die allein auf
einer tariflichen Lohnfindung basiert, nur für eine Minderheit der heute zu Nied-
riglöhnen beschäftigten Menschen ein Existenz sicherndes Einkommen garan-
tieren. Eine allgemeine gesetzliche Untergrenze für Löhne und Gehälter von
mindestens 8 Euro brutto pro Stunde ist daher unumgänglich. Ein allgemeiner
gesetzlicher Mindestlohn könnte wiederum ohne Probleme durch branchenbe-
zogene Mindestlöhne, die höher als der gesetzliche Mindestlohn sind, ergänzt
werden.

Jede weitere Verzögerung bei der Einführung einer gesetzlichen Lohnunter-
grenze würde die inakzeptable Situation von Armut trotz Arbeit für Millionen
Menschen aufrechterhalten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die sofortige Einführung
eines gesetzlichen Mindestlohns vorsieht, der für alle Beschäftigten einen
Rechtsanspruch auf einen Stundenlohn von mindestens 8 Euro brutto pro Stunde
konstituiert.

Berlin, den 7. März 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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