Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.09.2018, Az. X ZR 111/17

10. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 4169

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) EUROPA VERBRAUCHERSCHUTZ FLUGGASTRECHTE FLUGSICHERHEIT FLUGVERKEHR

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Gegenstand

Ausgleichs- und Ersatzansprüche wegen der Annullierung eines Fluges: Außergewöhnliche Umstände bei einem Streik der Beschäftigten an den Passagierkontrollen die Luftsicherungsbehörden


Leitsatz

1. Bei einem Streik geht die Annullierung eines Flugs nur dann auf außergewöhnliche Umstände zurück, wenn der Streik zu Folgen führt, die sich mit zumutbaren Maßnahmen nicht abwenden lassen, und wenn diese Folgen die Annullierung rechtlich oder tatsächlich notwendig machen.

2. Die Notwendigkeit einer Annullierung des Flugs ergibt sich nicht allein daraus, dass zahlreiche für den Flug gebuchte Passagiere infolge eines Streiks der Beschäftigten an den Passagierkontrollen den Flug nicht rechtzeitig erreichen können.

3. Die Annullierung eines Flugs geht nicht auf außergewöhnliche Umstände zurück, wenn bei einem Streik der Beschäftigten an den Passagierkontrollen die Luftsicherungsbehörden keine besonderen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr (wie die Schließung der Kontrollstellen oder die Räumung des Abflugbereichs) ergriffen haben und lediglich die abstrakte Gefahr besteht, dass die Überprüfung der Fluggäste wegen des starken Andrangs auf nur wenige besetzte Kontrollstellen nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden sein könnte.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 13. September 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Ausgleichs- und Ersatzansprüche wegen der Annullierung eines Flugs durch das beklagte Luftverkehrsunternehmen.

2

Der Kläger und seine Ehefrau buchten bei der Beklagten einen Flug von [X.] nach [X.] ([X.], [X.]). Der Flug sollte am 9. Februar 2015 um 12.10 Uhr starten. An jenem Tag streikten am [X.]er Flughafen die Beschäftigten der vor dem Abflugbereich eingerichteten Passagierkontrollstellen. Die Beklagte annullierte den Flug und überführte das Flugzeug ohne Passagiere nach [X.]. Den gezahlten Flugpreis erstattete sie.

3

Der Kläger, der behauptet, sich mit seiner Ehefrau rechtzeitig am vorgesehenen Flugsteig (Gate) eingefunden zu haben, verlangt von der Beklagten aus eigenem und - nach seinem Vorbringen - abgetretenem Recht eine Ausgleichszahlung von jeweils 400 € gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b der Verordnung ([X.]) Nr. 261/2004 des [X.] und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 295/01 ([X.]. [X.] vom 17. Februar 2004 S. 1 ff.; nachfolgend: [X.]), Erstattung von Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Ersatzflug von [X.] und Verzugszinsen auf den Gesamtbetrag von 922,30 €.

4

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger das Klagebegehren weiter; die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurü[X.]kverweisung der Sa[X.]he an das Berufungsgeri[X.]ht.

6

I. Das Berufungsgeri[X.]ht hat angenommen, die Beklagte sei ni[X.]ht zur Ausglei[X.]hszahlung verpfli[X.]htet, weil der Streik der Bes[X.]häftigten der Passagierkontrollen ein außergewöhnli[X.]her Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 [X.] gewesen sei. Der Streik habe ihren Betrieb beeinträ[X.]htigt, weil die Beklagte für die Si[X.]herheit des Flugs jedenfalls mitverantwortli[X.]h gewesen sei; die Passagierkontrollen gehörten zu ihren betriebswesentli[X.]hen Aufgaben. Von den massiven Störungen im Berei[X.]h vor den Kontrollstellen seien zahlrei[X.]he Passagiere des Flugs na[X.]h [X.] betroffen gewesen, die ni[X.]ht oder ni[X.]ht re[X.]htzeitig hätten kontrolliert werden können. Aus dem Streik und seinen Folgen für die Dur[X.]hführung der Passagierkontrollen habe si[X.]h zudem ein Si[X.]herheitsrisiko ergeben. Mit der wa[X.]hsenden Anzahl der Passagiere, die ihre Flüge no[X.]h errei[X.]hen wollten, sei zwangsläufig der Dru[X.]k auf die Kontrollstellen und die dort trotz des Streiks tätigen Bes[X.]häftigten gestiegen. In einer sol[X.]hen Situation entstehe dur[X.]haus die Gefahr, dass die Kontrollen ni[X.]ht mit der gewöhnli[X.]hen Sorgfalt dur[X.]hgeführt würden; es komme hingegen ni[X.]ht darauf an, ob Passagiere tatsä[X.]hli[X.]h unzurei[X.]hend kontrolliert worden seien und ob es dem Kläger und seiner Frau gelungen sei, die Kontrollen re[X.]htzeitig zu passieren. Dass andere Luftverkehrsunternehmen ihre Flüge dur[X.]hgeführt hätten, sei ebenso unerhebli[X.]h; ob ein Si[X.]herheitsrisiko vorgelegen habe, sei ni[X.]ht von den Luftverkehrsunternehmen, sondern vom Geri[X.]ht zu bewerten.

7

II. Diese Ausführungen halten der revisionsre[X.]htli[X.]hen Überprüfung ni[X.]ht stand.

8

1. Die getroffenen Feststellungen tragen ni[X.]ht die Annahme, die Annullierung gehe auf außergewöhnli[X.]he Umstände zurü[X.]k.

9

a) Zutreffend hat das Berufungsgeri[X.]ht allerdings angenommen, dass die Beklagte den vom Kläger und seiner Ehefrau gebu[X.]hten Flug annulliert hat. Die Beklagte hat den Flug im Sinne der Legaldefinition in Art. 2 Bu[X.]hst. l [X.] ni[X.]ht dur[X.]hgeführt. Hieran ändert der "Leerflug" na[X.]h [X.] ni[X.]hts. "Flug" im Sinne der Fluggastre[X.]hteverordnung ist ni[X.]ht die Luftverkehrsbewegung eines Flugzeugs, sondern ein Beförderungsvorgang, der von einem bestimmten Luftverkehrsunternehmen auf einer bestimmten Route ausgeführt wird und mit dem eine Gesamtheit von Fluggästen von einem Flughafen zum anderen befördert wird ([X.], Urteil vom 12. Juni 2014 - [X.], NJW 2014, 3303 = [X.] 2014, 293 Rn. 37; vgl. au[X.]h [X.], Urteil vom 13. Oktober 2011 - [X.]/10, Slg. 2011, [X.] = NJW 2011, 3776 = [X.] 2011, 282 Rn. 27 - [X.]/[X.]). Da die Beklagte die Annullierung erklärt und keinen der auf diesen Flug gebu[X.]hten Passagiere befördert hat, ist der Flug im Re[X.]htssinne ni[X.]ht dur[X.]hgeführt worden.

b) Ebenfalls zutreffend ist die Annahme des Berufungsgeri[X.]hts, dass der Ausstand der Bes[X.]häftigten der [X.] grundsätzli[X.]h geeignet war, außergewöhnli[X.]he Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 [X.] zu begründen, die unter den weiteren Voraussetzungen der Vors[X.]hrift das Luftverkehrsunternehmen von seiner Verpfli[X.]htung befreien, den von der Annullierung des gebu[X.]hten Flugs betroffenen Fluggästen gemäß Art. 5 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] eine Ausglei[X.]hszahlung na[X.]h Art. 7 [X.] zu leisten.

aa) Na[X.]h der Re[X.]htspre[X.]hung des Geri[X.]htshofs der Europäis[X.]hen Union können außergewöhnli[X.]he Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 [X.] dur[X.]h Vorkommnisse begründet werden, die ihrer Natur oder Ursa[X.]he na[X.]h ni[X.]ht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftverkehrsunternehmens und von ihm tatsä[X.]hli[X.]h ni[X.]ht beherrs[X.]hbar sind (st. Rspr.; s. nur [X.], Urteil vom 4. Mai 2017 - [X.]/15, NJW 2017, 2665 = [X.] 2017, 174 Rn. 22 - [X.]/Travel Servi[X.]e). Sol[X.]he Umstände können na[X.]h Erwägungsgrund 14 dieser Verordnung insbesondere bei Streiks eintreten, die den Betrieb eines ausführenden Luftverkehrsunternehmens beeinträ[X.]htigen ([X.], Urteil vom 17. April 2018 - [X.]/17, NJW 2018, 1592 = [X.] 2018, 117 Rn. 33 - [X.]/[X.]; [X.], Urteil vom 21. August 2012 - [X.], [X.]Z 194, 258 = [X.] 2012, 288 Rn. 7 ff.). Dies entbindet allerdings ni[X.]ht von der Verpfli[X.]htung, im Einzelfall zu prüfen, ob die allgemeinen Anforderungen an außergewöhnli[X.]he Umstände erfüllt sind ([X.], NJW 2018, 1592 Rn. 34 - [X.]/[X.]).

bb) Dana[X.]h ist es revisionsre[X.]htli[X.]h ni[X.]ht zu beanstanden, dass das Berufungsgeri[X.]ht angenommen hat, ein Streik wie der hier in Rede stehende sei geeignet, außergewöhnli[X.]he Umstände zu begründen. Denn die Dur[X.]hführung eines Flugs setzt voraus, dass die Passagiere wirksam und re[X.]htzeitig darauf überprüft werden, ob von ihrer Person oder von mitgeführten Gegenständen eine Gefahr für die Si[X.]herheit des Flugs ausgeht. Diese Prüfung kann dadur[X.]h beeinträ[X.]htigt oder unmögli[X.]h gema[X.]ht werden, dass die mit der Dur[X.]hführung beauftragten Bes[X.]häftigten in den Ausstand treten.

[X.][X.]) Der [X.] standen au[X.]h keine Mittel zur Verfügung, die streikbedingten Beeinträ[X.]htigungen abzuwenden oder zu kompensieren. Gemäß § 2 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 Luftsi[X.]herheitsgesetz in der im Streitfall no[X.]h maßgebli[X.]hen Fassung vor Inkrafttreten des [X.] zur Änderung des Luftsi[X.]herheitsgesetzes am 4. März 2017 ([X.] I 2017, 298, na[X.]hfolgend: [X.]) vom 11. Januar 2005 ([X.] I 2005, 78, na[X.]hfolgend: [X.] aF) ist die Kontrolle der Fluggäste und ihres Handgepä[X.]ks an den inländis[X.]hen Flughäfen eine hoheitli[X.]he Aufgabe (siehe au[X.]h § 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 [X.]). Sie fällt in die Zuständigkeit der Luftsi[X.]herheitsbehörde, die geeigneten Personen als Beliehenen die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben bei der Dur[X.]hführung einer Si[X.]herheitsmaßnahme übertragen kann (§ 5 Abs. 5 [X.] aF). Zwar müssen Luftfahrtunternehmen bei der Abfertigung von Fluggästen und bei der Behandlung von Gepä[X.]k grundsätzli[X.]h ebenfalls Si[X.]herungsmaßnahmen dur[X.]hführen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 [X.] aF). Sie sind für die Passagierkontrollen aber ni[X.]ht originär verantwortli[X.]h (vgl. die Gesetzesbegründung zu §§ 5, 9 [X.] vom 14. Januar 2004, BT-Dru[X.]ks. 15/2361 [X.], 19).

[X.]) Aus alledem ergibt si[X.]h jedo[X.]h no[X.]h ni[X.]ht, dass im Streitfall die Annullierung des Flugs na[X.]h [X.] auf außergewöhnli[X.]he Umstände zurü[X.]kgegangen ist, die si[X.]h au[X.]h dann ni[X.]ht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

aa) Ein Streik begründet, au[X.]h wenn er si[X.]h als sol[X.]her ni[X.]ht vermeiden lässt, ni[X.]ht ohne weiteres außergewöhnli[X.]he Umstände. Eine Annullierung ist vielmehr nur dann streikbedingt, wenn der Streik zu Folgen führt, die si[X.]h mit zumutbaren Maßnahmen ni[X.]ht abwenden lassen, und wenn diese Folgen die Annullierung re[X.]htli[X.]h oder tatsä[X.]hli[X.]h notwendig ma[X.]hen (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 2017 - [X.]/15, NJW 2017, 2665 = [X.] 2017, 174 Rn. 34 - [X.]/Travel Servi[X.]e; [X.], Urteil vom 16. September 2014 - [X.], NJW-RR 2015, 111 = [X.] 2015, 19 Rn. 9).

bb) Diese Anforderungen sind ni[X.]ht s[X.]hon deshalb erfüllt, weil zahlrei[X.]he Passagiere des Flugs die Si[X.]herheitskontrollen ni[X.]ht re[X.]htzeitig dur[X.]hlaufen konnten. Dass ni[X.]ht alle Passagiere einen Flug errei[X.]hen können, begründet no[X.]h keine außergewöhnli[X.]hen Umstände, die dessen Absage erfordern. Denn die Dur[X.]hführung eines Flugs setzt ni[X.]ht voraus, dass sämtli[X.]he Fluggäste, die den Flug gebu[X.]ht haben, au[X.]h befördert werden (vgl. [X.], Urteil vom 19. November 2009 - [X.]/07 u.a., Slg. 2009, [X.] = NJW 2010, 43 = [X.] 2009, 282 Rn. 38 - Sturgeon/Condor).

[X.][X.]) Für Fluggäste, die den Flug na[X.]h [X.] streikbedingt ni[X.]ht re[X.]htzeitig errei[X.]ht haben, mag es zwar günstiger gewesen sein, dass die Beklagte den Flug annulliert hat, weil sie infolge der Annullierung ni[X.]ht nur ohne weiteres ihren Beförderungsanspru[X.]h behalten haben, sondern darüber hinaus au[X.]h Unterstützungsleistungen von der [X.] beanspru[X.]hen konnten (Art. 5 Abs. 1 Bu[X.]hst. a, b in Verbindung mit Art. 8, 9 [X.]). Das begründet jedo[X.]h keine Umstände, die eine Annullierung des Flugs wegen re[X.]htli[X.]her oder tatsä[X.]hli[X.]her Undur[X.]hführbarkeit notwendig gema[X.]ht haben.

dd) Die Notwendigkeit einer Annullierung des Flugs hätte si[X.]h allerdings daraus ergeben können, dass sämtli[X.]he für den Flug gebu[X.]hten Passagiere infolge des Streiks an den Kontrollstellen ni[X.]ht in der Lage gewesen wären, den Flug zum vorgesehenen Zeitpunkt zu errei[X.]hen. Einen sol[X.]hen Tatbestand hat das Berufungsgeri[X.]ht aber ni[X.]ht festgestellt.

ee) Die Revision wendet si[X.]h zudem mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgeri[X.]ht den Grund für die Annullierung in Bedenken gegen die Wirksamkeit der dur[X.]hgeführten Kontrollen gesehen hat.

(1) Die Überprüfung der Passagiere und des von ihnen mitgeführten Gepä[X.]ks auf Si[X.]herheitsrisiken obliegt, wie ausgeführt, der hierfür zuständigen Luftsi[X.]herheitsbehörde. Liegen dieser tatsä[X.]hli[X.]he Anhaltspunkte dafür vor, dass die Überprüfung der Passagiere und ihres Gepä[X.]ks - etwa wegen Personalmangels - ni[X.]ht mit der erforderli[X.]hen Sorgfalt dur[X.]hgeführt werden kann, muss sie für Abhilfe sorgen und notfalls die Kontrollstellen s[X.]hließen. Gewinnt sie Erkenntnisse, die darauf s[X.]hließen lassen, dass ein Passagier oder eine andere Person in die ni[X.]ht allgemein zugängli[X.]hen Berei[X.]he des Flughafens gelangt ist, ohne ausrei[X.]hend überprüft worden zu sein, und aufgrund dessen ein Risiko für die Si[X.]herheit des Luftverkehrs besteht, ist die Luftsi[X.]herheitsbehörde verpfli[X.]htet, alle Maßnahmen zu ergreifen, die zur Wiederherstellung der Si[X.]herheit des Luftverkehrs erforderli[X.]h sind, etwa den Verweis von Personen aus den ni[X.]ht allgemein zugängli[X.]hen Berei[X.]hen des Flughafens na[X.]h § 5 Abs. 2 [X.] und notfalls die Räumung des gesamten Abflugberei[X.]hs.

Demgegenüber ist es grundsätzli[X.]h ni[X.]ht Aufgabe der Luftverkehrsunternehmen, die Wirksamkeit der Si[X.]herheitsüberprüfung zu beurteilen. Sie verfügen in der Regel au[X.]h weder über die hierfür erforderli[X.]he Sa[X.]hkunde no[X.]h über hinrei[X.]hend genaue Kenntnisse der konkreten Abläufe. Stellen sie glei[X.]hwohl Mängel fest oder meinen, sol[X.]he zu erkennen, haben sie die zuständige Behörde unverzügli[X.]h zu unterri[X.]hten, damit diese die erforderli[X.]hen Maßnahmen ergreifen oder jedenfalls prüfen kann.

(2) Dass Si[X.]herheitsmaßnahmen oder -bedenken, die objektiv ni[X.]ht veranlasst sind, keine außergewöhnli[X.]hen Umstände begründen, folgt au[X.]h aus der Re[X.]htspre[X.]hung des Geri[X.]htshof der Europäis[X.]hen Union, der ents[X.]hieden hat, dass es keine der Situation angemessene Maßnahme im Sinne von Art. 5 Abs. 3 [X.] darstellt, wenn ein vom Luftfahrtunternehmen beauftragter Fa[X.]hmann die na[X.]h einem sogenannten Vogels[X.]hlag notwendigen Kontrollen erneut dur[X.]hführt, na[X.]hdem diese bereits von einem na[X.]h den eins[X.]hlägigen Vors[X.]hriften hierzu autorisierten Fa[X.]hmann dur[X.]hgeführt worden waren ([X.], Urteil vom 4. Mai 2017 - [X.]/15, NJW 2017, 2665 = [X.] 2017, 174, Rn. 35 - [X.]/Travel Servi[X.]e).

(3) Es kann dahinstehen, ob es gegebenenfalls eine Flugannullierung erfordern kann, wenn die zuständige Behörde auf Hinweise auf Si[X.]herheitsrisiken wegen einer mangelhaften Überprüfung der Passagiere ni[X.]ht oder ni[X.]ht hinrei[X.]hend reagiert. Das Berufungsgeri[X.]ht hat weder festgestellt, dass die Personenkontrollen am 9. Februar 2015 am [X.] objektiv mangelhaft oder unvollständig waren, no[X.]h hat es festgestellt, dass der [X.] konkrete Hinweise auf eine mangelhafte Überprüfung derjenigen Passagiere vorlagen, die trotz des erhebli[X.]hen Andrangs die Kontrollstellen passieren konnten. Es hat vielmehr ledigli[X.]h die abstrakte Gefahr gesehen, dass der zunehmende Dru[X.]k dur[X.]h den Andrang einer großen Anzahl über längere Zeit wartender und um das Errei[X.]hen ihres Flugs besorgter Fluggäste die Sorgfalt bei der Kontrolle beeinträ[X.]htigen könne. Dies kann die Annahme, die Beklagte habe den Flug aus Si[X.]herheitsgründen annullieren müssen, na[X.]h dem Vorstehenden ni[X.]ht re[X.]htfertigen.

ff) Ebenfalls offen bleiben kann, ob der Umstand, dass von den Beeinträ[X.]htigungen vermutli[X.]h eine Vielzahl von Fluggästen mehrerer Flüge betroffen war, gegebenenfalls eine Annullierung hätte re[X.]htfertigen können, wenn die Beklagte aus diesem Grund zu einer Reorganisation ihres [X.] gezwungen gewesen wäre (s. dazu [X.]Z 194, 258 Rn. 32 f.). Denn im Streitfall hat die Beklagte den Flug na[X.]h den Feststellungen des Berufungsgeri[X.]hts, wenn au[X.]h als "Leerflug", tatsä[X.]hli[X.]h dur[X.]hgeführt, und das Berufungsgeri[X.]ht hat au[X.]h ni[X.]hts dafür festgestellt, dass es der [X.] ni[X.]ht mögli[X.]h gewesen wäre, den Flug statt dessen jedenfalls mit denjenigen Fluggästen dur[X.]hzuführen, denen es ohne die Annullierung trotz der streikbedingten Wartezeiten gelungen wäre, re[X.]htzeitig die Passagierkontrollen zu passieren und zu dem für das Einsteigen angegebenen Zeitpunkt zu dem betreffenden Ausgang zu gelangen.

2. Mit der vom Berufungsgeri[X.]ht gewählten Begründung kann au[X.]h der Anspru[X.]h auf Ersatz der Aufwendungen, die in Zusammenhang mit einem Ersatzflug von [X.] entstanden sind, ni[X.]ht versagt werden. Abgesehen davon, dass ni[X.]ht festgestellt ist, dass die Annullierung für die Beklagte unvermeidbar gewesen ist, kann ein ausführendes Luftverkehrsunternehmen unabhängig von einem Vers[X.]hulden und vom Grund der Absage zum Aufwendungsersatz verpfli[X.]htet sein, soweit die zu ersetzenden Kosten notwendig, angemessen und zumutbar gewesen sind, um einen Ausfall der ges[X.]huldeten Betreuung auszuglei[X.]hen (Art. 5 Abs. 1 Bu[X.]hst. a, b in Verbindung mit Art. 8, 9 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 31. Januar 2013 - [X.]/11, [X.], 921 = [X.] 2013, 81, 82/84 Rn. 20, 24, 51 mwN - [X.]/[X.]; [X.], Urteil vom 25. März 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1641 = [X.] 2010, 221 Rn. 24 f.). Zwar müsste die Beklagte keinen Aufwendungsersatz leisten, wenn si[X.]h die Eheleute na[X.]h ordnungsgemäßer Information über ihre Re[X.]hte (Art. 5 Abs. 2, Art. 14 [X.]) für die Erstattung des Flugpreises statt für eine Ersatzbeförderung dur[X.]h die Beklagte ents[X.]hieden hätten (Art. 5 Abs. 1 Bu[X.]hst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 der [X.]); dies kann aber ni[X.]ht bereits daraus ges[X.]hlossen werden, dass die Beklagte ihnen den Flugpreis erstattet hat.

III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), und die Sa[X.]he ist, da das Berufungsgeri[X.]ht weitere Feststellungen ni[X.]ht getroffen hat, zu neuer Verhandlung und Ents[X.]heidung, au[X.]h über die Kosten der Revision, an das Berufungsgeri[X.]ht zurü[X.]kzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Das Berufungsgeri[X.]ht wird zu klären haben, ob der Kläger zur Geltendma[X.]hung von Ansprü[X.]hen aus abgetretenem Re[X.]ht seiner Ehefrau bere[X.]htigt ist - was das Amtsgeri[X.]ht in seiner im Berufungsurteil in Bezug genommenen Ents[X.]heidung als streitig dargestellt hat - und inwieweit der Anspru[X.]h auf Erstattung von Aufwendungen begründet ist, die im Hinbli[X.]k auf den Ersatzflug von [X.] entstanden sind.

Meier-Be[X.]k     

      

Grabinski     

      

[X.]

      

Hoffmann     

      

Marx     

      

Meta

X ZR 111/17

04.09.2018

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Hamburg, 13. September 2017, Az: 309 S 127/15, Urteil

Art 5 Abs 3 EGV 261/2004, Art 7 EGV 261/2004

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.09.2018, Az. X ZR 111/17 (REWIS RS 2018, 4169)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 86-87 NJW 2019, 300 REWIS RS 2018, 4169


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZR 111/17

Bundesgerichtshof, X ZR 111/17, 04.09.2018.


Az. 309 S 127/15

Landgericht Hamburg, 309 S 127/15, 13.09.2017.


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