STREIK BUNDESGERICHTSHOF (BGH) FLUGGASTRECHTE REISERECHT REISE FLUGVERKEHR Hinzufügen
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Fluggastrechte bei großer Verspätung bzw. Flugannulierung: Vorliegen außergewöhnlicher Umstände bei Fluglotsenstreik; Zumutbarkeitsgrenze für von dem Luftverkehrsunternehmen zu treffende Vorsorgemaßnahmen der Flugplaneinhaltung; Anspruchsabwehr durch Flugumbuchung
1. Beeinträchtigen außergewöhnliche Umstände (hier: ein Fluglotsenstreik) die Einhaltung des Flugplans eines Luftverkehrsunternehmens, kommt es für die Beurteilung der Frage, ob die Annullierung oder große Verspätung eines Flugs darauf zurückgeht, nicht darauf an, ob der Flug von den Umständen unmittelbar betroffen ist oder die Umstände an demselben Tag bei einem der vorangehenden Flüge des für den annullierten oder verspäteten Flugs vorgesehenen Flugzeugs eingetreten sind.
2. Welche Maßnahmen einem Luftverkehrsunternehmen zuzumuten sind, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zu einer großen Verspätung eines Fluges führen oder Anlass zu seiner Annullierung geben, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls; die Zumutbarkeit ist situationsabhängig zu beurteilen. Die Fluggastrechteverordnung begründet keine Verpflichtung der Luftverkehrsunternehmen, ohne konkreten Anlass Vorkehrungen wie etwa das Vorhalten von Ersatzflugzeugen zu treffen, um den Folgen außergewöhnlicher Umstände begegnen zu können.
3. Die Umbuchung von Fluggästen auf andere Flüge ist keine Maßnahme, um eine Annullierung oder eine große Verspätung zu vermeiden, sondern eine zusätzliche Möglichkeit, eine Ausgleichszahlung abzuwenden, obwohl eine Annullierung oder große Verspätung eingetreten ist. Dies gilt auch dann, wenn es im Einzelfall möglich gewesen wäre, alle Fluggäste eines annullierten oder verspäteten Flugs auf einen anderen Flug umzubuchen.
Die Revision gegen das am 2. September 2013 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Kläger verlangen die Leistung einer Ausgleichszahlung in Höhe von 250 € pro Person nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a, Art. 5 Abs. 1 Buchst. [X.] ([X.]) Nr. 261/2004 des [X.] und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 295/91 ([X.]. [X.] vom 17. Februar 2004, [X.] ff.; nachfolgend: Fluggastrechteverordnung oder Verordnung).
Die Kläger buchten bei der Beklagten für den 28. Juni 2011 einen Flug von [X.] nach [X.]. Geplante Abflugzeit war 12.25 Uhr; um 14.20 Uhr sollte die Maschine landen. Der Abflug und die Ankunft des Flugs verspäteten sich um etwa drei Stunden und vierzig Minuten. Ursache hierfür war ein Generalstreik, der am 28. Juni 2011 in [X.] stattfand. Der Streik, an dem auch die Fluglotsen teilnahmen, führte zu einer zeitweisen Sperrung des [X.] Luftraums. Er betraf die dem von den Klägern gebuchten Flug am selben Tag vorangegangenen Flüge des eingesetzten Flugzeugs von [X.] nach [X.] und von [X.] nach [X.].
Das Amtsgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger, mit der sie die geltend gemachten Ansprüche weiterverfolgen.
Die zulässige Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, den Klägern stehe kein Anspruch auf die begehrte Ausgleichszahlung zu.
Der Streik, der zu der Verspätung geführt habe, sei als außergewöhnlicher Umstand zu werten. Die Verspätung des gebuchten Flugs sei bereits bei den [X.], deren Umstände in die Bewertung einbezogen werden müssten, entstanden und habe sich auf den Flug nach [X.] ausgewirkt. In der [X.] von 6.00 bis 9.00 Uhr habe [X.] die Kontrolle über den [X.] Luftraum übernommen und dem Flug von [X.] nach [X.] eine spätere Startzeit, nämlich 8.38 Uhr anstatt 6.30 Uhr, zugeteilt.
Die Beklagte habe ausreichenden Vortrag zu möglichen Maßnahmen zur Abwendung der Verspätung gehalten und auch die ihr zumutbaren Maßnahmen getroffen. Jedes der 24 Flugzeuge der Beklagten sei am 28. Juni 2011 im Einsatz gewesen. Der Versuch, ein Ersatzflugzeug zu chartern, sei wegen des Mangels an verfügbaren Flugzeugen gescheitert. Dass eine Umbuchung aller oder zumindest einiger Passagiere des streitigen Flugs auf einen anderen Flug hätte gelingen können, sei nicht ersichtlich. Der Beklagten sei auch kein Organisationsverschulden anzulasten. Ihr sei wirtschaftlich nicht zumutbar, bei monatlichen Kosten von 500.000 €, die auf die Flugpreise umgelegt werden müssten, eine Ersatzmaschine vorzuhalten. Es bestehe auch keine Verpflichtung des [X.], bei der Festlegung der Flugumläufe allgemein eine Mindestzeitreserve einzuplanen, die in allen Fällen des Eintritts außergewöhnlicher Umstände ausreichend sei. Die von der Beklagten eingeplante Stunde sei nicht als zu geringe [X.]reserve anzusehen.
II. Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Den Klägern steht kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a, Art. 5 Abs. 1 Buchst. [X.] zu. Zwar mussten sie bei dem Flug von [X.] nach [X.] eine Ankunftsverspätung von mehr als drei Stunden hinnehmen, was grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung begründet ([X.], Urteil vom 19. November 2009 - C402/07, [X.]. 2009, [X.] = [X.], 43 = [X.], 282 - [X.]/[X.]; Urteil vom 23. Oktober 2012 - [X.], [X.], 671 = [X.], 272 - [X.]/[X.]; [X.], Urteil vom 18. Februar 2010 - [X.], [X.], 2281 = [X.] 2010, 93; Urteil vom 7. Mai 2013 - [X.], [X.] 2013, 237 = NJW-RR 2013, 1065). Die Verspätung ist jedoch durch von der Beklagten nicht zu vermeidende außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung verursacht worden, die diesen Anspruch ausschließen.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Streik der Fluglotsen in [X.], dessentwegen [X.] die Kontrolle über den Luftraum übernommen und dem Flug von [X.] nach [X.] eine spätere Startzeit zugeteilt hatte, geeignet war, außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 [X.] zu begründen.
a) Der Begriff der außergewöhnlichen Umstände, der weder in Art. 2 noch in sonstigen Vorschriften der Verordnung definiert ist, verlangt nach seinem Wortlaut, dass die gegebenenfalls zu einem Wegfall der Ausgleichspflicht führenden Umstände außergewöhnlich sind, das heißt nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Es sollen Ereignisse erfasst werden, die nicht zum Luftverkehr gehören, sondern als - jedenfalls in der Regel von außen kommende - besondere Umstände seine ordnungs- und planmäßige Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können. Umstände, die im Zusammenhang mit einem dem Luftverkehr störenden Vorfall wie einem technischen Defekt auftreten, können nur dann als außergewöhnlich im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung qualifiziert werden, wenn sie auf ein Vorkommnis zurückgehen, das, wie die in Erwägungsgrund 14 der Verordnung aufgezählten, nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen [X.] und aufgrund seiner Natur oder Ursache von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen ist ([X.], Urteil vom 22. Dezember 2008 - [X.]/09, [X.], 347 = [X.], 35 Rn. 23 - [X.]/[X.]; Urteil [X.]/[X.], aaO; Urteil vom 31. Januar 2013 - [X.]/11, [X.], 921 = [X.] 2013, 81 - [X.]/[X.]). Der [X.] hat hieraus abgeleitet, dass technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine außergewöhnliche Umstände begründen, sondern Teil der normalen Tätigkeit des betroffenen [X.] sind ([X.], Urteil vom 12. November 2009 - [X.], [X.], 1070 = [X.] 2010, 34 Rn. 23; Urteil vom 21. August 2012 - [X.], [X.]Z 194, 258 Rn. 16; Urteil vom 24. September 2013 - [X.], NJW 2014, 861 = [X.] 2014, 25 Rn. 10). Dabei unterliegt die Prüfung, ob ein technisches Problem auf ein Vorkommnis zurückzuführen ist, das nicht Teil der normalen Ausführung der Tätigkeit des betroffenen [X.] und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist, [X.] ([X.], [X.]/[X.], aaO Rn. 27); sie ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters ([X.]Z 194, 258 Rn. 17; [X.], NJW 2014, 861 Rn. 11).
Die für technische Defekte entwickelten Maßstäbe sind auch dann heranzuziehen, wenn Vorkommnisse wie etwa die in Erwägungsgrund 14 beispielhaft genannten Fälle politischer Instabilität, mit der Durchführung eines Flugs nicht zu vereinbarende Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken und den Betrieb eines [X.] beeinträchtigende Streiks als Ursache außergewöhnlicher Umstände in Betracht kommen (zur Ankündigung eines [X.] als Ursache außergewöhnlicher Umstände vgl. [X.]Z 194, 258 Rn. 17).
b) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der Streik der [X.] Fluglotsen außergewöhnliche Umstände begründen konnte.
(1) Bei diesem Streik, der infolge der Übernahme der Vergabe der Startzeiten durch [X.] zu Verspätungen bei den [X.]flügen und infolgedessen auch zu Verzögerungen bei nachfolgend vorgesehenen Umläufen führte, handelt es sich um einen Umstand, der die Luftverkehrsabläufe im [X.] Luftraum beeinträchtigte, da die Sicherheit des Luftverkehrs trotz der gegebenen widrigen Umstände aufrechterhalten werden musste und Verspätungen bei den unmittelbar betroffenen Flügen mithin jedenfalls von den Luftverkehrsunternehmen nicht verhindert werden konnten. (Primäre) Ursache der Verspätung war folglich ein von außen auf den gesamten Flugbetrieb und auf die normale Tätigkeit der Luftverkehrsunternehmen einwirkender Umstand. Wie sonstige Ausfälle und Beeinträchtigungen bei der Überwachungs- und Sicherungstätigkeit der Fluglotsen konnten die streikbedingten Gegebenheiten von dem einzelnen Luftverkehrsunternehmen weder beherrscht noch beeinflusst werden (vgl. grundsätzlich zu den Auswirkungen eines Streiks [X.]Z 194, 258 Rn. 19, 20).
(2) Dem steht auch nicht entgegen, dass der von den Klägern gebuchte Flug vom dem Streik und seinen Auswirkungen nicht unmittelbar betroffen war. Entgegen der Auffassung der Revision sind jedenfalls Störungen, die am selben Tag bei vorangegangenen Flügen des eingesetzten Flugzeugs auftreten, bei der Annahme außergewöhnlicher Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung zu berücksichtigen.
Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift rechtfertigen die Annahme, außergewöhnliche Umstände wie ein Streik müssten unmittelbar (auch) denjenigen Flug betreffen, bei dem sich die außergewöhnlichen Umstände in Gestalt einer notwendig werdenden Annullierung oder einer großen Verspätung auswirken. Denn bei Flugzeugen, die auf Kurz- und Mittelstrecken eingesetzt werden, sind mehrere Umläufe an demselben Tag üblich, um eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des Flugzeugs zu ermöglichen. Die Fluggastrechteverordnung setzt diese wie andere übliche wirtschaftliche und technische Gegebenheiten des Luftverkehrs voraus und will sie weder unterbinden noch steuern. Wenn daher auch bei Aufbietung aller zumutbaren Maßnahmen nicht verhindert werden kann, dass außergewöhnliche Umstände eine Annullierung erforderlich machen oder die erhebliche Verspätung von Flügen verursachen, kann es nicht darauf ankommen, ob die betreffenden Umstände unmittelbar auf den betroffenen Flug einwirken oder sich als Auswirkung einer Beeinträchtigung bei einem der vorangegangenen Umläufe darstellen.
Dieses Normverständnis wird durch Erwägungsgrund 15 der Verordnung gestützt. Danach soll von außergewöhnlichen Umständen ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des "[X.]" zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt. Danach legt auch der Verordnungsgeber zugrunde, dass ein Flugzeug üblicherweise an einem Tag bei mehreren Flügen eingesetzt wird und dass sich außergewöhnliche Umstände in einem solchen Fall auch auf [X.] auswirken können.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der [X.] in der Rechtssache [X.]/[X.] ([X.], Urteil vom 4. Oktober 2012 - [X.]/11, [X.], 361 = [X.], 281 Abs. 37 - [X.]/[X.]). In dem dort entschiedenen Fall hatte das Luftverkehrsunternehmen mehrere Flüge an mehreren, einem bereits beendeten Streik nachfolgenden Tagen umorganisiert und dem Kläger die Beförderung verweigert, weil sie an seiner Stelle einen von dem Streik betroffenen Fluggast befördern wollte. Der Gerichtshof hat hierin keine Rechtfertigung für die [X.] gesehen und ausgesprochen, dass einem Luftverkehrsunternehmen nicht erlaubt werden könne, unter Berufung auf das Interesse anderer Fluggäste, in angemessener [X.] befördert zu werden, den Kreis der Fälle, in denen es berechtigt wäre, einem Fluggast die Beförderung zu verweigern, erheblich zu erweitern (Rn. 34). Abgesehen davon, dass Art. 4 Fluggastrechteverordnung ohnehin eine [X.] aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht vorsieht, war der von dem Kläger [X.] gebuchte Flug von den außergewöhnlichen Umständen auch nicht betroffen.
2. Gegebenheiten wie der in Rede stehende [X.] begründen nicht zwangsläufig außergewöhnliche Umstände, auf die die Annullierung oder große Verspätung zurückgeht. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn das Luftverkehrsunternehmen trotz Ergreifung aller zumutbaren Maßnahmen die Annullierung oder große Verspätung nicht verhindern kann oder sie auch mit diesen Maßnahmen nicht hätte verhindern können ([X.], [X.]/[X.], aaO Rn. 22; [X.]Z 194, 258 Rn. 11). Das Luftverkehrsunternehmen muss mithin alles ihm Mögliche und Zumutbare tun, um zu vermeiden, dass es durch Umstände wie den im Streitfall zu beurteilenden Streik genötigt ist, einen Flug zu annullieren, oder der Flug nur mit einer großen Verspätung durchgeführt werden kann, deren Folgen für den Fluggast einer Annullierung gleichkommen.
a) Die Vielzahl denkbarer außergewöhnlicher Umstände sowie die Unübersehbarkeit des Ausmaßes und der Dauer der hierdurch verursachten Beeinträchtigungen machen es dabei unmöglich, von den Luftverkehrsunternehmen zu verlangen, für jede denkbare Störung des Luftverkehrs in einer Weise gerüstet zu sein, die es erlaubt, durch den Einsatz zusätzlicher Flugzeuge und gegebenenfalls auch zusätzlichen Personals dafür zu sorgen, dass Annullierungen und diesen in den Folgen gleichkommende große Verspätungen stets vermieden werden können. Denn dies erforderte einen unwirtschaftlichen Aufwand, der von den Luftverkehrsunternehmen zu Lasten der Verbraucher über die [X.] gedeckt werden müsste und im Übrigen Art. 5 Abs. 3 [X.] im Wesentlichen seines Anwendungsbereichs beraubte. Wenn die Fluggastrechteverordnung nach Erwägungsgrund 1 ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherstellen soll und Erwägungsgrund 12 das Ärgernis und die Unannehmlichkeiten anspricht, die durch eine Annullierung - und eine ihr in den Folgen gleichkommende Ankunftsverspätung - entstehen und gegebenenfalls durch eine Ausgleichszahlung verringert werden sollen, will der Verordnungsgeber lediglich sicherstellen, dass die Luftverkehrsunternehmen auch unter außergewöhnlichen Umständen alle ihnen in dieser Situation zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten ausschöpfen, um ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Fluggästen möglichst uneingeschränkt nachzukommen und Annullierungen oder große Verspätungen zu vermeiden.
b) Welche Maßnahmen einem Luftverkehrsunternehmen zuzumuten sind, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zu einer erheblichen Verspätung eines Fluges führen oder Anlass zu seiner Annullierung geben, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls; die Zumutbarkeit ist situationsabhängig zu beurteilen ([X.], [X.]/[X.], aaO Rn. 40, 42; Urteil vom 12. Mai 2011 - [X.], NJW 2011, 2865 = [X.] 2011, 125 - [X.] und [X.]/[X.] Rn. 30). Zum einen kommt es darauf an, welche Vorkehrungen ein Luftverkehrsunternehmen nach guter fachlicher Praxis treffen muss, damit nicht bereits bei gewöhnlichem Ablauf des Luftverkehrs geringfügige Beeinträchtigungen das Luftverkehrsunternehmen außer Stande setzen, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und den Flugplan im Wesentlichen einzuhalten (nachfolgend zu (1)). Zum anderen muss das Luftverkehrsunternehmen, wenn eine mehr als geringfügige Beeinträchtigung tatsächlich eintritt oder erkennbar einzutreten droht, alle ihm in dieser Situation zu Gebote stehenden Maßnahmen ergreifen, um nach Möglichkeit zu verhindern, dass hieraus eine Annullierung oder große Verspätung resultiert (nachfolgend zu (2)). Hingegen begründet die Fluggastrechteverordnung keine Verpflichtung der Luftverkehrsunternehmen, ohne konkreten Anlass Vorkehrungen wie etwa das Vorhalten von [X.] zu treffen, um den Folgen außergewöhnlicher Umstände begegnen zu können (nachfolgend zu (3)).
(1) Ein Luftverkehrsunternehmen muss seinen Flugplan so ausgestalten, dass es unter gewöhnlichen Umständen in der Lage ist, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und seine Fluggäste auf den gebuchten Flügen ohne wesentliche Verzögerungen zu befördern ([X.], NJW 2014, 861 = [X.] 2014, 25 Rn. 20, 21). Das Luftverkehrsunternehmen muss mithin eine Flotte vorhalten, mit der es, sofern keine außergewöhnlichen Umstände auftreten, in der Lage ist, den Flugplan einzuhalten. Da mit kleineren Beeinträchtigungen der Betriebsabläufe stets zu rechnen ist, bedarf es dabei einer gewissen [X.]reserve zwischen zwei Flügen ([X.], [X.] und [X.]/[X.], aaO Rn. 28). Da die Maßnahmen für das betroffene Luftverkehrsunternehmen in persönlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar sein müssen ([X.], [X.]/[X.], aaO Rn. 40, 42; [X.] und [X.]/[X.], aaO Rn. 29), muss die [X.]reserve indessen nicht so bemessen sein, dass sich mit ihr auch jede außergewöhnliche Beeinträchtigung auffangen lässt ([X.], [X.] und [X.]/[X.], aaO Rn. 31); dies wäre wirtschaftlich unsinnig, und hierfür gäbe es angesichts der Vielgestaltigkeit möglicher Konstellationen auch keinen praktisch handhabbaren Maßstab.
(2) Treten jedoch außergewöhnliche Umstände auf oder zeichnet sich hinreichend konkret ab, dass solche Umstände demnächst auftreten werden, muss das Luftverkehrsunternehmen versuchen, gravierende Beeinträchtigungen des [X.] nach Möglichkeit zu vermeiden. Es kann daher in dieser Situation etwa gehalten sein, verfügbare Flugzeuge Dritter zu chartern, um die vorgesehenen Flüge ohne wesentliche Verzögerungen durchführen zu können. Auch insoweit gilt, dass die Maßnahmen zumutbar sein müssen.
(3) Vom Einzelfall losgelöste Vorsorgemaßnahmen für den eventuellen Eintritt außergewöhnlicher Umstände müssen hingegen grundsätzlich nicht ergriffen werden. Wenn der [X.] betont, dass die zu treffenden Maßnahmen der Situation angepasst und zu dem [X.]punkt, zu dem die außergewöhnlichen Umstände auftreten, für das betroffene Luftverkehrsunternehmen tragbar sein müssen ([X.], [X.]/[X.], aaO Rn. 40, 42; [X.] und [X.]/[X.], aaO Rn. 29), trägt er damit dem Umstand Rechnung, dass sich nur mit Blick auf eine konkrete Situation abschätzen lässt, in welchem Umfang und mit welcher Zielrichtung Maßnahmen erforderlich sind, um trotz außergewöhnlicher Umstände Beeinträchtigungen des [X.] nach Möglichkeit zu vermeiden oder zumindest zu mildern. Da Art und Umfang der sinnvollen Maßnahmen von der Natur und der Reichweite des eingetretenen oder drohenden außergewöhnlichen Umstands und damit auch von Umfang und Dauer der Betroffenheit der Fluggäste abhängen, lässt sich mit Blick hierauf auch ein deutlich zuverlässigerer Maßstab für die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit bestimmter Maßnahmen gewinnen. Für postulierte vom Einzelfall unabhängige Vorkehrungen gegen die Folgen außergewöhnlicher Umstände fehlte es hingegen an einem handhabbaren Maßstab. Die Fluggastrechteverordnung enthält hierzu keine Vorgaben, und es stünde im Widerspruch zu der unionsrechtlich gebotenen flexiblen und situationsabhängigen Beurteilung der Zumutbarkeit, würden sie gleichwohl für geboten erachtet.
Dies verdeutlicht insbesondere der von den Parteien im Streitfall diskutierte Gesichtspunkt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Luftverkehrsunternehmen [X.] vorhalten muss. Für die Formulierung von Anforderungen an die Vorhaltung fehlt nicht nur ein aus der Verordnung oder sonstigen Rechtsvorschriften ableitbarer Maßstab. Es müsste vielmehr auch der Versuch scheitern, einen solchen Maßstab aus der betrieblichen Praxis der Luftverkehrsunternehmen abzuleiten, da Art und Umfang der sinnvollen personellen und sachlichen betrieblichen Reserven vom Zuschnitt des einzelnen Betriebs, der Zusammensetzung der Flotte und einer Vielzahl weiterer Umstände abhängen. Eine Beeinträchtigung des von der Fluggastrechteverordnung angestrebten hohen Schutzniveaus ergibt sich hieraus nicht, da dieses nicht durch erhöhte Anforderungen an die Organisation und Zuverlässigkeit des Flugbetriebs erreicht werden soll, sondern dadurch, dass den Fluggästen in den in der Verordnung geregelten Fällen Unterstützungsleistungen und gegebenenfalls Ausgleichszahlungen zustehen. Hat etwa ein technischer Defekt eine Annullierung oder große Verspätung zur Folge, hat das Luftverkehrsunternehmen hierfür unabhängig davon einzustehen, ob es etwa durch größere sachliche Ressourcen die Annullierung oder Verspätung wegen dieses Defekts hätte vermeiden können. Umgekehrt gilt aber auch in den Fällen außergewöhnlicher Umstände, dass den Maßstab für die zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung einer Annullierung oder großen Verspätung allein die vorhandenen oder in der gegebenen Situation erreichbaren Ressourcen bilden.
3. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe alle zumutbaren Maßnahmen im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung ergriffen, um die Verspätung des von den Klägern gebuchten Fluges zu vermeiden, hält hiernach der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
a) Die von der Beklagten vorgesehene [X.]reserve zwischen den einzelnen für den 28. Juni 2011 vorgesehenen Flügen hat das Berufungsgericht für ausreichend erachtet; dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Soweit die Revision meint, die Beklagte hätte die [X.]reserve so bemessen müssen, dass sie damit die Folgen des [X.]s hätte auffangen können, ist dies wie ausgeführt unzutreffend.
b) Als rechtsfehlerfrei erweist sich auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe alle ihr möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um den streikbedingten Beeinträchtigungen entgegenzuwirken.
(1) Zu der Möglichkeit, Aushilfsgerät und [X.] einzusetzen, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet festgestellt, dass am 28. Juni 2011 jedes der 24 Flugzeuge der Beklagten im Einsatz und weitere 14 Flugzeuge verchartert waren und der Versuch der Beklagten, ein Ersatzflugzeug zu chartern, gescheitert ist, nicht zuletzt deswegen, weil durch den den gesamten [X.] Luftraum betreffenden Streik ein Mangel an verfügbaren Flugzeugen herrschte.
(2) Die Maßnahmen, die die Beklagte zur Reorganisation ihres Flugbetriebs mit den vorhandenen persönlichen und sachlichen Mitteln getroffen hat, sind gleichfalls nicht zu beanstanden.
(a) Selbst wenn ein den Flugbetrieb beeinträchtigender Streik angekündigt ist, verbleibt den hiervon betroffenen Luftverkehrsunternehmen in der Regel nur eine kurze [X.]spanne, um auf die eingetretene oder drohende Situation zu reagieren und insbesondere Verspätungen auszugleichen. In Anbetracht der in der Regel komplexen Entscheidungssituation ist dem Luftverkehrsunternehmen der erforderliche Spielraum bei der Beurteilung der zweckmäßigen Maßnahmen zuzubilligen ([X.]Z 194, 258 Rn. 33).
(b) Die Beklagte war entgegen der Auffassung der Revision nicht gehalten, die Flüge von [X.] nach [X.] und von [X.] nach [X.] zu annullieren, um in [X.] rechtzeitig starten zu können. In diesem Fall hätte die Beklagte eine Beförderung der Passagiere der Vorflüge am 28. Juni 2011 nicht sicherstellen können und damit die durch die Verspätung entstehenden Unannehmlichkeiten nicht vermieden, sondern nur in Form der Folgen einer Annullierung auf andere Flugpassagiere verlagert. Dazu war sie nicht verpflichtet. Der [X.] hat bereits ausgesprochen, dass die Nichtdurchführung eines einzelnen Flugs aufgrund außergewöhnlicher Umstände in der Regel nicht allein deshalb als vermeidbar angesehen werden kann, weil statt dessen ein anderer Flug hätte annulliert werden können ([X.]Z 194, 258 Rn. 33). Für die Konstellation des Streitfalls gilt nichts anderes. Wenn die Beklagte sich dafür entschieden hat, im Interesse aller Fluggäste, die sie an diesem Tag zu befördern hatte, sämtliche Flüge wenn auch verspätet durchzuführen und somit allen Reisenden ein Ankommen am Zielort zu ermöglichen, so bewegt sich diese Organisationsentscheidung innerhalb des dem Luftverkehrsunternehmen zuzubilligenden Spielraums und ist bedenkenfrei.
(c) Zur Vorhaltung von [X.] als Reserve für den Störfall war die Beklagte wie ausgeführt nicht verpflichtet.
4. Unbegründet ist schließlich auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Umbuchung aller oder zumindest einiger Passagiere auf einen anderen Flug ersichtlich nicht gelungen sei.
Dieser Angriff gegen das angefochtene Urteil verkennt, dass die Umbuchung einzelner oder aller Fluggäste auf einen anderen Flug nach der Systematik der Verordnung keine Maßnahme ist, um eine Annullierung oder eine große Verspätung zu vermeiden, sondern eine zusätzliche Möglichkeit, eine Ausgleichszahlung abzuwenden, obwohl eine Annullierung oder große Verspätung eingetreten ist.
a) Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nrn. ii und [X.] ist eine Ausgleichszahlung nicht geschuldet, wenn der betroffene Fluggast ein Angebot zur anderweitigen Beförderung erhält, das es ihm ermöglicht, innerhalb einer bestimmten [X.]spanne abzufliegen und das Endziel zu erreichen. Dieser [X.] steht selbständig neben dem [X.] in Art. 5 Abs. 3 der Verordnung. Er greift hinsichtlich der Fluggäste, die ein solches Angebot erhalten, auch dann, wenn die Annullierung nicht auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht oder mit zumutbaren Maßnahmen hätte vermieden werden können.
Daraus ergibt sich, dass die Möglichkeit, einzelne oder alle Fluggäste auf einen anderen Flug umzubuchen, kein Kriterium dafür ist, ob sich eine Annullierung oder eine große Verspätung eines Flugs mit zumutbaren Maßnahmen hätten vermeiden lassen. Flug im Sinne der Verordnung ist, wie der [X.] in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] schon mehrfach entschieden hat, nicht die Beförderung eines einzelnen Fluggasts auf einer bestimmten Route, sondern ein Beförderungsvorgang, der von einen bestimmten Luftverkehrsunternehmen auf einer bestimmten Route ausgeführt wird und mit dem eine Gesamtheit von Fluggästen von einem Flughafen zu einem anderen befördert wird ([X.], Urteil vom 28. Mai 2009 - [X.], [X.], 2743 = [X.], 242 Rn. 8; Urteil vom 13. November 2012 - [X.], [X.], 682 = [X.] 2013, 19 Rn. 13). Im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 3 [X.] sind deshalb nur Umstände zu berücksichtigen, mit denen die Annullierung oder große Verspätung dieses Beförderungsvorgangs hätte vermieden werden können. Die individuelle Umbuchung einzelner Fluggäste ist ein davon zu unterscheidender Vorgang, der nur einzelne Fluggäste betrifft.
Dies gilt auch dann, wenn im Einzelfall für alle Fluggäste eines annullierten oder verspäteten Flugs eine Umbuchungsmöglichkeit bestanden hätte. Auch in dieser Konstellation betrifft die Umbuchung nicht den annullierten oder verspäteten Flug als einheitlichen Beförderungsvorgang, sondern die Beförderung einzelner Fluggäste.
b) Der Umstand, dass das Luftverkehrsunternehmen im Falle einer Annullierung gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und [X.] verpflichtet ist, dem Fluggast auf dessen Verlangen eine anderweitige Beförderung zum Endziel zum frühestmöglichen oder einen vom Fluggast gewünschten späteren [X.]punkt zu ermöglichen, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein Fluggast auch im Falle einer großen Verspätung Ansprüche dieses Inhalts hat, obwohl Art. 6 der Verordnung nur Unterstützungsleistungen nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a vorsieht und selbst diese davon abhängig macht, dass die Verspätung mindestens fünf Stunden beträgt. Auch im Falle einer Annullierung ist eine Umbuchung gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und c eine Unterstützungsleistung, die unabhängig von einer Ausgleichszahlung geschuldet ist und gegebenenfalls neben einen Anspruch aus Art. 7 tritt, sofern die anderweitige Beförderung nicht den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nrn. ii oder iii [X.] entspricht. Dies bestätigt, dass die Möglichkeit einer Umbuchung keinen für die Beurteilung nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung relevanten Umstand, sondern eine individuelle Maßnahme zur Beförderung einzelner Fluggäste darstellt. Die Verweigerung einer geschuldeten Umbuchung kann danach zu Schadensersatzansprüchen des Fluggasts führen, nicht aber dazu, dass eine Annullierung, die mit zumutbaren Mitteln nicht vermeidbar war, dennoch als vermeidbar angesehen werden kann. Für den Fall einer großen Verspätung können sich jedenfalls keine weitergehenden Ansprüche des Fluggasts ergeben.
III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck |
Grabinski |
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[X.] [X.] und |
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Meier-Beck |
Schuster |
Meta
12.06.2014
Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat
Urteil
Sachgebiet: ZR
vorgehend LG Hannover, 2. September 2013, Az: 1 S 3/13
Art 5 Abs 1 Buchst c EGV 261/2004, Art 5 Abs 3 EGV 261/2004, Art 6 Abs 1 EGV 261/2004, Art 7 Abs 1 Buchst a EGV 261/2004, Art 8 Abs 1 EGV 261/2004
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.06.2014, Az. X ZR 121/13 (REWIS RS 2014, 4912)
Papierfundstellen: REWIS RS 2014, 4912
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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