Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 16.01.2017, Az. 1 BvR 861/13

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2017, 17352

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Zur Altersversorgung von wegen Überschreitung der beamtenrechtlichen Höchstaltersgrenze dienstvertraglich weiterbeschäftigten Hochschullehrern der ehemaligen DDR - Versagung einer beamtengleichen Versorgung - keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Höchstaltersgrenzen bzw fachgerichtliche Auslegung des Dienstvertrag - zudem keine Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG durch Nichtvorlage an den EuGH


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte, mit denen ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf beamtengleiche Altersversorgung verneint wurde.

2

Der Beschwerdeführer war seit 1965 als Hochschulprofessor an einer Hochschule der ehemaligen [X.] tätig. Er wurde wie alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort im Arbeitsverhältnis beschäftigt; ein Berufungsverfahren und die Verbeamtung gab es so nicht (vgl. [X.] 95, 193 <194 f.>). Zudem fand ein seit 1951 für Angehörige wissenschaftlicher Einrichtungen der [X.] eingerichtetes besonderes Zusatzversorgungssystem Anwendung. Nach dem Beitritt der ehemaligen [X.] zur [X.] zum 3. Oktober 1990 wurden die in der [X.] erworbenen Rentenansprüche übergeleitet. Rentenansprüche aus den Zusatzversorgungssystemen genossen nach § 4 Abs. 4 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des [X.] ([X.]) Bestandsschutz, wenn sie spätestens zum 30. Juni 1995 erworben worden waren.

3

Mit der [X.] gingen die Arbeitsverhältnisse der an den [X.] Hochschulen beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befristet auf den [X.] über. Zur Prüfung der persönlichen Eignung und fachlichen Qualifikation setzte der [X.] ein (vgl. Evaluationsordnung für [X.] Hochschulen vom 6. Juni 1991 ). Dem Beschwerdeführer wurde nach positiver Evaluation der Status "Professor neuen Rechts" zuerkannt. Da der Beschwerdeführer die Altersgrenze für eine Verbeamtung von 55 Jahren überschritten hatte, schlossen der Beschwerdeführer und der [X.] einen unbefristeten Dienstvertrag über die Tätigkeit als Professor. [X.] wurde monatlich "eine Vergütung in Höhe der Bezüge eines Beamten" der Besoldungsgruppe [X.] Auch wurden einzelne beamtenrechtliche Regelungskomplexe für anwendbar erklärt. Ausdrücklich wurde vereinbart, dass der Vertrag keine Übernahme in das Beamtenverhältnis begründe.

4

Seit 1999 erhält der Beschwerdeführer eine gesetzliche Altersrente. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist diese deutlich geringer als die Altersversorgung von emeritierten beamteten Professorinnen und Professoren.

5

Die Klage des Beschwerdeführers, den [X.] zur Gewährung einer Zusatzversorgung in Höhe der Versorgungsbezüge eines beamteten [X.] zu verurteilen, blieb erfolglos. Nach dem Urteil des [X.] ist der Beschwerdeführer nur in den im Dienstvertrag ausdrücklich geregelten Punkten mit beamteten Professorinnen und Professoren gleichgestellt worden. Eine Gleichstellung hinsichtlich der Versorgung sehe der Dienstvertrag weder ausdrücklich noch durch eine Verweisung auf beamtenrechtliche Vorschriften vor. Dies sei mit dem Gebot der Gleichbehandlung vereinbar. Insbesondere liege keine Diskriminierung wegen des Alters vor.

6

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Es liege eine willkürliche Rechtsanwendung des [X.] vor, denn die unterschiedliche Versorgung von angestellten und beamteten Professorinnen und Professoren entspreche evident nicht der vertraglichen Vereinbarung. Darin liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen diesen Personengruppen. Zudem verstießen die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. In diesem Zusammenhang habe das [X.] eine notwendige Vorlage an den [X.] unterlassen und damit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a [X.]). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung von grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers geboten (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]).

8

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet.

9

1. Die letztlich hinter der geringeren Altersversorgung dieses Beschwerdeführers stehende Einstellungshöchstaltersgrenze der Verbeamtung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich gerechtfertigt. Mit ihr verfolgt der Gesetzgeber das legitime Ziel, ein angemessenes Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit zu schaffen (vgl. [X.] 139, 19 <58, Rn. 80 f.>). Einstellungshöchstaltersgrenzen können im Zusammenspiel mit den Ruhestandsgrenzen - insbesondere im Hinblick auf die steigende Lebenserwartung und die wachsenden Versorgungslasten der öffentlichen Haushalte - eine wesentliche Grundlage für die Finanzierbarkeit und Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems darstellen und damit der Sicherung des [X.] und des Lebenszeitprinzips dienen. Damit der Gesetzgeber den Unwägbarkeiten bei der Festlegung des Werts von [X.] Rechnung tragen kann, hat er bei der Einführung und Ausgestaltung von Einstellungshöchstaltersgrenzen für Beamte einen Gestaltungsspielraum (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2012 - 2 C 76.10 -, juris, Rn. 21 ff.). Nach dem [X.] steht die Versorgung nicht im synallagmatischen Verhältnis zu einer in Jahren bemessenen Dienstzeit, sondern ist wie die Dienstbezüge Gegenleistung dafür, dass der Beamte sein ganzes Arbeitsleben bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in den Dienst des Staates stellt (vgl. [X.] 139, 19 <58, Rn. 90>). Hier würden Sinn und Zweck von Einstellungshöchstaltersgrenzen unterlaufen, wenn der Dienstherr zwar aus Altersgründen auf eine Verbeamtung verzichten darf, aber dann doch zur Gleichstellung in der Altersversorgung gezwungen wäre.

2. Das [X.] hat die aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Maßgaben nicht krass verkannt. Zwar entstehen durch das System der Überleitung für den Beschwerdeführer unverkennbar Härten. Diese zu bewältigen ist jedoch eine politische Entscheidung, keine im vorliegenden Fall auf die Auslegung des Arbeitsvertrages durchschlagende verfassungsrechtliche Verpflichtung.

a) Ein Verstoß der Arbeitsgerichte gegen das Willkürverbot nach Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. Dies käme nur in Betracht, wenn die Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (stRspr; vgl. [X.] 83, 82 <84>). Davon kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. [X.] 87, 273 <278 f.>; 89, 1 <13>; 96, 189 <203>).

Die angegriffenen Entscheidungen sind in ihrer Auslegung des Arbeitsvertrages zwischen dem Beschwerdeführer und dem im Ausgangsverfahren beklagten Land nachvollziehbar begründet. Danach sind die ausdrücklich geschuldeten "Bezüge" mit Blick auf § 1 [X.] als Gehaltszahlungen zu verstehen, nicht aber auch als Versorgungsleistungen im Falle des Renteneintritts. Dafür lassen sich auch die übrigen ausdrücklichen Regelungen des Vertrages heranziehen, wonach eine Verbeamtung ausdrücklich ausgeschlossen wird, stattdessen aber ausgewählte beamtenrechtliche, nicht aber die versorgungsrechtlichen Regelungen für anwendbar erklärt werden. Das [X.] war schließlich nicht gehalten, die unterschiedliche Altersversorgung von Beamtinnen und Beamten und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, die dieselben Aufgaben wahrnehmen, in Frage zu stellen. Differenzierungen im [X.] zwischen Beamten und im Arbeitsverhältnis Beschäftigten sind aufgrund der Besonderheiten der Alimentation im Ausgangspunkt gerechtfertigt (vgl. [X.] 139, 19 <57, Rn. 79>); ein Günstigkeitsvergleich kann dabei nicht auf einzelne Gesichtspunkte beschränkt werden, sondern muss das Gesamtsystem berücksichtigen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 20. Februar 2008 - 2 BvR 1843/06 -, juris, Rn. 15 ff.). Zudem steht dem Gesetzgeber mit Blick auf Rentenansprüche und -anwartschaften ein großer Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu, der bei der Überleitung der Arbeitsverhältnisse in der [X.] in solche der [X.] sogar besonders weit ist (vgl. [X.] 100, 1 <37 f.>; 100, 59; 100, 104 <131 ff.>; 100, 138 <175 ff.>).

b) Das [X.] hat auch die verfassungsrechtlichen Maßgaben der Vertragsfreiheit bei strukturellem Verhandlungsungleichgewicht nicht verkannt. Die Vertragsfreiheit im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG als die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen auszuhandeln (vgl. [X.] 101, 331 <347>; 117, 163 <181>; 134, 204 <222, Rn. 66>), findet zwar ihre Grenze, wo ein Vertrag auf der Ausnutzung einer derart gestörten Parität beruht, denn die daraus resultierende Fremdbestimmung steht im Widerspruch zum Leitbild der Privatautonomie (vgl. [X.] 81, 242 <255>; zu Art. 2 Abs. 1 GG [X.] 89, 214 <232>). Hier ist jedoch nicht ersichtlich, dass dem Schutz vor einer solchen Fremdbestimmung nicht Genüge getan worden wäre. Es ist nicht ersichtlich, dass die sich aus der besonderen Position des Beschwerdeführers in der Überleitung des Hochschulsystems der [X.] in einer Weise ausgenutzt worden wäre, der die Vertragsfreiheit verfassungsrechtlich Grenzen setzte. Insbesondere wurde der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausdrücklich mit den verbeamteten Professorinnen und Professoren gleichgestellt. Daher bestand für die Arbeitsgerichte auch kein Anlass, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob im Arbeitsverhältnis Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander gestanden haben und deshalb die vertraglichen Regelungen zum Entgelt nach §§ 138, 242, 315 BGB unwirksam wären. Die Schlechterstellung des Beschwerdeführers im Vergleich zu durchschnittlichen Professorinnen und Professoren beruht allein darauf, dass er nicht verbeamtet wurde und damit mangels Versicherungsfreiheit nach § 5 [X.] rentenversicherungspflichtig war.

3. Die angegriffene Entscheidung des [X.] verletzt den Beschwerdeführer auch nicht in seinem grundrechtsgleichen Recht auf [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, hier in Gestalt des Gerichtshofs der [X.]. Der Umgang mit der Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV ist bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken gut vertretbar (vgl. [X.] 82, 159 <194>; 129, 78 <106>; 135, 155 <231 f., Rn. 179 f.>). Die Auslegung der Richtlinie 2000/78/[X.] war nicht entscheidungserheblich, denn die unterlassene Verbeamtung war nicht Streitgegenstand. Die Auffassung, die nicht beamtengleiche Versorgung sei keine eigenständige rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung, sondern als Folge der nicht vorgenommenen Verbeamtung zu behandeln, ist im Verfahren, in dem eben nicht die Verbeamtung, sondern nur die rentenrechtliche Folge streitgegenständlich war, nicht unvertretbar. Daher geht hier die Rüge zur Vorlagepflicht ins Leere.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 861/13

16.01.2017

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BAG, 11. Dezember 2012, Az: 3 AZR 611/10, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 3 S 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, § 4 Abs 4 AAÜG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 16.01.2017, Az. 1 BvR 861/13 (REWIS RS 2017, 17352)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17352


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 861/13

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 861/13, 16.01.2017.


Az. 3 AZR 611/10

Bundesarbeitsgericht, 3 AZR 611/10, 11.12.2012.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 3378/14

B 5 R 298/21 B

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