Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2003, Az. III ZR 106/03

III. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 1141

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/03Verkündet am:16. Oktober 2003F r e i t a gJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]:ja BGB § 661aGG Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 20 Abs. 3, 103 Abs. 2 und 3§ 661a BGB ist nicht verfassungswidrig.[X.], Urteil vom 16. Oktober 2003 - [X.]/03 -OLG Celle [X.] hat auf die mündliche [X.] 16. Oktober 2003 durch [X.] [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14. März 2003 wird [X.].Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.Von Rechts [X.] Beklagte ist eine in den [X.] ansässige [X.]. Sie übersandte im September 2001 dem in der [X.] wohnhaften Kläger ein Schreiben, in dem es unter anderem hieß:"Lieber [X.][= Kläger],über 3 große Ereignisse kann ich Ihnen als Kunde unseres '[X.] hat am 11.09.2001 eine [X.] 3 -2.Es war Ihr Name, sehr geehrter Herr A. , den [X.] der Justi-ziar [X.] war einer der höchsten Geldbeträge, der Ihnen zugeteiltwurde....Also, beginnen wir mit Punkt Eins. Die Ziehung war wie gesagt [X.], 10:30 Uhr ... es ging um die [X.] 33.000,00 DM ... in bar! ... 5 Hauptgewinne standen zur [X.] bereit ...Der Justiziar erhob sich, um die Gewinner namentlich zu nennen...Ja, und nun ist es tatsächlich wahr, daß Sie selbst darüber [X.] können, welchen Herzenswunsch Sie sich erfüllen möch-ten. Denn Ihr Name ist dabei! ...Dann kam der Höhepunkt der Ziehung:Die Geldbeträge wurden den genannten Gewinnern zugeteilt. [X.] wiederum Ihr Name genannt wurde, konnte ich die [X.] die Vorfreude kaum noch aushalten ...Es sind 9.000 DM! Ja, 9.000,00 DM in bar, die Ihnen und [X.] eindeutig zugeteilt wurden! ...Meine dringende Bitte:Schicken Sie jetzt Ihren [X.] und Ihre Spezialitäten-Test-Anforderung ein, damit wir die [X.] vollzie-hen [X.] Schreiben der Beklagten war ein von "Herr S. [X.],Justiziar" unterzeichnetes "[X.]" beigefügt, das den- 4 -Kläger als "[X.]" eines "Gewinn-Betrag(es): 9.000,00 DM" aus-wies.Entsprechend der im Schreiben der Beklagten gegebenen Anleitungsandte der Kläger den "[X.]" und die "[X.]" mit einer Warenbestellung über 78,68 DM zurück. Die Beklagte zahlteden angeblichen Gewinn nicht.Der Kläger macht geltend, die Beklagte schulde ihm aufgrund einer Ge-winnzusage (§ 661a BGB) 4.601,63 DM) nebst Zinsen. Die [X.] gerügt, die angerufenen [X.] Gerichte seien nicht international zu-ständig. Im übrigen sei § 661a BGB verfassungswidrig.Amtsgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben. [X.] vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiter-hin ihren Antrag, die Klage abzuweisen.[X.] Revision ist unbegründet.[X.] Berufungsgericht hat die [X.] Gerichte für international zu-ständig erachtet. Die in den [X.] ansässige Beklagte könne vor einem- 5 -[X.] Gericht verklagt werden, weil in der [X.] die internationale Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 13, 14 [X.] über die gerichtliche Zuständigkeit und die [X.] Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom [X.], [X.]. [X.], im folgenden EuGVÜ) als auch der unerlaubtenHandlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) begründet sei. § 661a BGB verstoße nicht ge-gen das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG), weil es sich [X.] Vorschrift nicht um ein allgemeines Strafgesetz handele. Die [X.] auch nicht wegen aus dem Rechtsstaats-, insbesondere aus dem Verhält-nismäßigkeitsgrundsatz herzuleitender Beschränkungen von Doppelsanktionenverfassungswidrig.I[X.] Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung [X.] Klage ist zulässig. Die [X.] Gerichte sind international zustän-dig. Die Revision bringt insoweit keine Rüge vor; die auch unter der Geltungdes § 545 Abs. 2 ZPO n.F. von Amts wegen gebotene Prüfung der [X.] Zuständigkeit ergibt keine Bedenken (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juli 2002- Rs. [X.]/00 - [X.]E 2002 I 6367 Rn. 53 ff = NJW 2002,2697, 2698 f; Senatsurteil vom 28. November 2002 - [X.]/02 - [X.],426 ff, vorgesehen zum Abdruck in [X.]Z; weiter zur Amtsprüfung: [X.], [X.] 27. Mai 2003 - [X.], 1542, 1543; Urteil vom 11. Juli2003 - [X.] - [X.], 2830).- 6 -2.Die Klage ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten [X.] 4.601,63 661a BGB.a) Der Streitfall ist nach dem [X.] Bürgerlichen Gesetzbuch zuentscheiden. Die Parteien haben jedenfalls im Prozeß [X.] Recht ge-wählt, indem sie ihrem Vortrag übereinstimmend [X.] Recht zugrundegelegt haben.b) Gemäß § 661a BGB hat ein Unternehmer, der Gewinnzusagen odervergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die [X.] Zusendungen den Eindruck erweckt, daß der Verbraucher einen Preisgewonnen hat, dem Verbraucher diesen Preis zu leisten. Nach den nichtmit einer Verfahrensrüge angegriffenen Feststellungen des [X.] die Beklagte dem Kläger eine solche Gewinnzusage über 9.000 DM(= 4.601,63 c) § 661a BGB ist nicht verfassungswidrig; es besteht kein Anlaß, ge-mäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG die Entscheidung des [X.] einzuholen.Die Revision macht unter Bezugnahme auf [X.] (BB 2002, 1653 ff)geltend, § 661a BGB greife unverhältnismäßig in die Grundrechte des [X.] Unternehmers aus Art. 2 Abs. 1, 12 GG ein. Die Vorschrift verstoße [X.] (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG) sowie gegen [X.] (Art. 103 Abs. 3 GG). Sie genüge nicht dem Be-stimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Dieser Auffassung ist indes nicht [X.] 7 -aa) § 661a BGB verstößt nicht gegen den im Rechtsstaatsprinzip be-gründeten Grundsatz, daß jede Strafe - nicht nur die Strafe für kriminelles Un-recht, sondern auch die strafähnliche Sanktion für sonstiges Unrecht - Schuldvoraussetzt ("nulla poena sine culpa", z.B. [X.] 20, 323, 331, st. [X.]/[X.], GG 6. Aufl. 2002 Art. 20 Rn. 99 m.w.[X.]); er verletzt den betrof-fenen Unternehmer nicht in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1GG.§ 661a BGB ordnet nicht eine Strafe an, d.h. eine Kriminalstrafe odereine andere staatliche Maßnahme, die eine mißbilligende hoheitliche Reaktionauf ein schuldhaftes Verhalten enthält und ein "Übel" wegen eines rechtswidri-gen Verhaltens verhängt (vgl. st. Rspr. des [X.] zumBegriff der "Strafbarkeit" i.S. des Art. 103 Abs. 2 GG, z.B. [X.] 42, 261,262 f; [X.] in [X.]/[X.], GG Art. 103Rn. 195; [X.]/[X.] aaO Art. 103 Rn. 41). Die Vorschrift kann auch nichtzivilprozessualen Maßnahmen mit [X.] Charakter wie der Verhängung [X.] zur Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen (§ 890Abs. 1 ZPO) gleichgesetzt werden (an[X.] wohl [X.] aaO S. 1657).§ 661a BGB handelt von Ansprüchen zwischen Privaten (vgl. [X.] aaOS. 1656).Mit der Einführung des § 661a BGB wollte der Gesetzgeber einer [X.] und wettbewerbsrechtlich unzulässigen Praxis entgegenwirken, [X.] Verbrauchern Mitteilungen über angebliche Gewinne übersen-den, um sie zur Bestellung von Waren zu veranlassen, die Gewinne auf [X.] aber nicht aushändigen (vgl. Senatsurteil aaO S. 428). Nach [X.] hatten die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauterenWettbewerb die unzulässigen Gewinnspiele nicht zurückgedrängt. Es erschiendeshalb erforderlich, diese Vorschriften durch zivilrechtliche Ansprüche zu un-terlegen; der Unternehmer sollte beim Wort genommen werden, um den [X.] abzustellen (vgl. [X.] und Bericht des [X.]> BT-Drucks. 14/3195 S. 33 f; Begründung der Bundes-regierung zu dem Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andereFragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf [X.]. 14/2658 S. 48 f, Gegenäußerung der Bundesregierung zu derStellungnahme des [X.]. 14/2920 S. 15; [X.]VuR 2000, 427, 434). Der durch § 661a BGB begründete Anspruch des [X.] gegen den Unternehmer auf Leistung des Preises wird dementspre-chend allgemein als zivilrechtlicher Anspruch aufgefaßt; streitig ist allein des-sen Einordnung innerhalb des Zivilrechts (für vertragliche, rechtsgeschäftlicheoder geschäftsähnliche Einordnung der Gewinnzusage: Piekenbrock/Schulze[X.] 2003, 328, 332; [X.] aaO S. 3308 , [X.].[X.] 2002, 192, 193; [X.], 79, 80; Ring, [X.] 2000§ 661a BGB Rn. 172; wohl auch [X.] NJW 2002, 3598, 3599; [X.], 873, 874; vgl. auch [X.][X.], BGB 2003 § 661 Rn. 1; [X.] in [X.], [X.]. 2003 § 661aRn. 1 f und 4; [X.]/[X.] 4. Aufl. 2001 § 13 Rn. 47 ; für deliktische, deliktsähnliche oder wettbe-werbsrechtliche Qualifikation: [X.] 2002, 936, 938, 942; [X.] [X.]2003, 28, 30 f; [X.]. [X.], 407, 408; [X.]/[X.] 2000/2001,334, 337; [X.] EuLF 2003, 41, 43 f; [X.] aaO; [X.], 852, 856; wohl auch [X.] aaO S. 1656).- 9 -§ 661a BGB kann schließlich nicht - wie von Teilen des Schrifttums([X.] aaO S. 1656; [X.] aaO S. 938; [X.] [X.] 2003, 31; [X.]/[X.] aaO S. 337; [X.] aaO S. 43 f) erwogen - in die Nähe eineszivilrechtlichen Strafschadensersatzes nach Art der "punitive damages" des[X.]n Rechts (vgl. [X.]Z 118, 312, 334 ff) gerückt und deshalbals Regelung einer Strafe oder strafähnlichen Sanktion angesehen werden.Der [X.] Strafschadensersatz wird durch die Momente [X.] und Abschreckung geprägt. Maßgebliche Voraussetzung ist alleinder gesteigerte Schuldvorwurf. Das Fehlen eines Rechtsanspruchs des [X.] zeigt das untergeordnete Gewicht seiner Interessen. Die "punitivedamages" werden - nach dem freien Ermessen des Gerichts - wesentlich nachdem Interesse der Allgemeinheit verhängt (vgl. [X.]Z aaO S. 335 f, 343 f).Demgegenüber knüpft § 661a BGB an die - als einseitiges Rechtsgeschäftoder geschäftsähnliche Handlung zu beurteilende (vgl. Senatsurteil aaOS. 427) - Gewinnzusage oder vergleichbare Mitteilung an, nimmt den [X.] beim "lauten Wort" ([X.] aaO S. 874). Die Vorschrift gibt [X.] nicht einen Schadensersatzanspruch, sondern einen Erfüllungs-anspruch auf den Preis. Dieser Anspruch ist der Art und der Höhe nach [X.] (vermeintliche) Gewinnzusage des Unternehmers bestimmt.Handelt es sich bei dem Leistungsanspruch nach § 661a BGB aber nichtum eine Strafe oder eine sonstige strafähnliche hoheitliche Maßnahme, besteht- wie bei anderen zivilrechtlichen Ansprüchen - von [X.] wegen keinGrund für die Anwendung des [X.] 10 -bb) Die von der Revision gerügte Verletzung des dem Art. 103 Abs. [X.] zu entnehmenden Bestimmtheitsgrundsatzes ist zu verneinen. [X.] greift nicht ein, wenn wie im Streitfall zivilrechtliche Verpflichtungenin Rede stehen (vgl. [X.] 34, 269, 293; 84, 82, 89 [zivilgerichtliches Ver-fahren]; [X.]/[X.] aaO Rn. 41; [X.] in [X.]/[X.], [X.] Aufl. 2001 Art. 103 Rn. 109; [X.] aaO Rn. 195; [X.] inBonner Kommentar GG Art. 103 Rn. 85).cc) Ebensowenig verstößt § 661a BGB gegen das Verbot der doppeltenBestrafung aufgrund der "allgemeinen Strafgesetze" (Art. 103 Abs. 3 GG). [X.] ein einseitiges Rechtsgeschäft oder eine geschäftsähnliche Handlungknüpfende Erfüllungsanspruch nach § 661a BGB kann zu diesen Gesetzennicht gezählt werden.dd) Der von der Revision herangezogene Grundsatz der angemesse-nen, verhältnismäßigen Bestrafung ist nicht anwendbar, weil wie ausgeführt§ 661a BGB nicht eine Strafe, sondern einen zivilrechtlichen Anspruch regelt.Für diesen Anspruch gelten allerdings die Generalklauseln des [X.] (§§ 242, 826 BGB). Der vorliegende Fall bietet jedoch [X.] für die Möglichkeit eines Rechtsmißbrauchs (vgl. [X.] aaO S. 941).Es geht um eine Forderung auf Zahlung von rund 4.600 z-überschreitend tätiges Versandhandelsunternehmen. Das Berufungsgericht hatnicht festgestellt, daß die Beklagte auch von anderen Verbrauchern in [X.] genommen wird; das wird von der Revision nicht bekämpft. Im Hinblickauf die Zielsetzung des § 661a BGB, unlautere Gewinnspiele wirksam zu un-terbinden, würde im übrigen die Inanspruchnahme des Unternehmers durchmehrere Verbraucher einen Mißbrauch noch nicht begründen können. Das Be-- 11 -rufungsgericht hat zu Recht ausgeführt, daß der Unternehmer das Risiko, auf-grund versandter Gewinnzusagen den Preis leisten zu müssen, selbst [X.].RinneWurm[X.][X.]Galke

Meta

III ZR 106/03

16.10.2003

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2003, Az. III ZR 106/03 (REWIS RS 2003, 1141)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1141

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.