Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 03.03.2014, Az. 1 BvR 1128/13

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2014, 7426

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) ÄRZTE PERSÖNLICHKEITSRECHT BERUFS- UND STANDESRECHT BERUFSVEREINIGUNGEN

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Veröffentlichung eines letztinstanzlichen berufsgerichtlichen Urteils gem § 60 Abs 3 HeilBerG NW unter Namensnennung des Verurteilten - zudem keine Verletzung des Bestimmtheitsgebots des Art 103 Abs 2 GG


Tenor

1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

2. Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

I.

1

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen Urteile des Berufsgerichts für Heilberufe sowie des [X.]. [X.] wird die Verletzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG durch die in den angegriffenen Urteilen verhängten Sanktionen. Weiterhin greift der Beschwerdeführer mittelbar die Vorschrift des § 60 HeilBerG [X.] wegen Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG an. Die Verfassungsbeschwerde betrifft im Schwerpunkt die Frage, ob es mit den Grundrechten des Beschwerdeführers im Einklang steht, wenn eine letztinstanzliche Entscheidung eines [X.] kraft richterlicher Anordnung nichtanonymisiert in einem Ärzteblatt veröffentlicht wird (vgl. § 60 Abs. 3 HeilBerG [X.]).

2

1. Der Beschwerdeführer ist niedergelassener Facharzt für Innere Medizin in einer [X.]spraxis. Er ist Kreisvorsitzender des gesundheitspolitischen Arbeitskreises einer n. Partei, Mitglied einer Ärztevereinigung sowie Mitglied des Vorstandes einer Kreisstelle der [X.] Bis zu dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Verfahren war der Beschwerdeführer berufsrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

3

2. Gegenstand des angegriffenen berufsgerichtlichen Verfahrens ist der Vorwurf der Antragstellerin des Ausgangsverfahrens - einer Ärztekammer -, wonach der Beschwerdeführer gegenüber Privatpatienten Rechnungen erstellt haben soll, die mit den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte ([X.]) nicht in Einklang stünden. Konkret wird dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, dass er den Begriff der "Sitzung" im Sinne der [X.] zu seinem Vorteil dahingehend ausgelegt habe, dass Sitzungen auch an Tagen stattgefunden hätten, an denen die Patienten nicht in der Praxis waren. Die Stellung nicht angemessener Rechnungen stelle einen Verstoß gegen das Berufsrecht dar. Die Antragstellerin hat insoweit vier Fälle aufgegriffen, in denen der Beschwerdeführer einen Praxisbesuch als mehrere Sitzungen abgerechnet und dabei seine Abrechnungsmethoden bewusst verschleiert haben soll.

4

3. Nach § 71 Abs. 1 HeilBerG [X.] kann die zuständige Kammer oder die Aufsichtsbehörde bei dem zuständigen Berufsgericht für Heilberufe einen Antrag auf Eröffnung eines berufsgerichtlichen Verfahrens stellen. Nach entsprechendem Beschluss in der Vorstandssitzung vom 2. September 2009 hat die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens am 20. November 2009 beantragt, das berufsgerichtliche Verfahren zu eröffnen. Mit Beschluss vom 4. Januar 2010 hat das Berufsgericht das Verfahren eröffnet.

5

4. Das Berufsgericht für Heilberufe stellte mit Urteil vom 14. Juni 2010 fest, dass der Beschwerdeführer in allen vier zur Verhandlung stehenden Fällen gegen seine Berufspflichten verstoßen habe, und erkannte deswegen auf die Entziehung des passiven Berufswahlrechts sowie eine Geldbuße in Höhe von 25.000 Euro. Es ordnete zudem an, dass die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens berechtigt sei, das Urteil nach Rechtskraft im [X.] zu veröffentlichen. Es läge ein besonderer Fall im Sinne des § 60 Abs. 3 HeilBerG [X.] vor. Die Bedeutung der Angelegenheit resultiere aus der negativen Vorbildwirkung, die von einem Verhalten im [X.] ausgehe, wie es der Beschwerdeführer in seiner Praxis praktizieren würde. Diese Handhabung könne - werde über entsprechende Entscheidungen des Berufsgerichts nicht ausreichend berichtet - anderen Praxen als negatives Vorbild dienen. Das Gewicht der Angelegenheit sehe die Kammer trotz des relativ geringen Schadens, wie er anhand dieser vier Fälle habe festgestellt werden könne, in der großen Schadensgeneigtheit eines [X.] wie es seitens des Beschwerdeführers praktiziert werde.

6

5. Auf die Berufung des Beschwerdeführers änderte das Landesberufsgericht für Heilberufe mit Urteil vom 6. Februar 2013 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen die Entscheidung des [X.] lediglich dahingehend ab, dass die Geldstrafe auf 20.000 Euro reduziert wurde. Die anderen Sanktionen wurden bestätigt.

7

Es sei auf die [X.] der Entscheidung nach § 60 Abs. 3 HeilBerG [X.] zu erkennen gewesen. Das Berufsvergehen wiege besonders schwer, weil mit ihm in systematischer Weise ein den Vorschriften der [X.] Abrechnungssystem verfolgt worden sei, dem eine hohe Schadensneigung zu Lasten der Vermögensinteressen der betroffenen Patienten beziehungsweise der Allgemeinheit in Form der Krankenkassenträger, Beihilfeträger oder ähnlichen zukomme, wobei es im vorliegenden Fall auf den konkreten Schadenseintritt nicht ankomme. Das vom Beschwerdeführer mit erheblicher Hartnäckigkeit verfolgte und verteidigte, gleichzeitig aber verschleierte Abrechnungssystem sei Ausdruck einer berufsrechtsfeindlichen Einstellung, die der Zielsetzung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HeilBerG [X.] diametral zuwiderlaufe. Daher sei über die verhängten Maßnahmen hinaus zur individuellen Disziplinierung des Beschwerdeführers auf die [X.] der Entscheidung zu erkennen. Der Beschwerdeführer habe wissentlich ein Abrechnungssystem implementiert, welches quer zu den Abrechnungsgrundlagen der [X.] liege.

8

In einer restriktiven tatbestandlichen Auslegung - nach der eine [X.] unter den Vorbehalt einer sorgfältigen Abwägung zu stellen sei und nur in solchen Fällen zulässig sei, in denen ein besonderes Bedürfnis der Urteilsveröffentlichung bestehe, die mit den Regelmaßnahmen nach § 60 Abs. 1 HeilBerG [X.] nicht erreicht werden könne - genüge § 60 Abs. 3 HeilBerG [X.] den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sei die von der [X.] ausgehende und - auch bezweckte - Prangerwirkung zu beachten. Maßgeblich für die Abwägung war, dass in diesem Einzelfall kein schutzwürdiger Grund ersichtlich sei, welcher geeignet sei, die regelmäßig zulässige Äußerung einer wahren Tatsache aus der Sozialsphäre im konkreten Fall zu untersagen. In die Abwägung sei einzustellen, dass es eine Rolle spiele, ob die Privatsphäre des Betroffenen oder sein öffentliches Wirken mit weitreichenden gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung sei und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität des Betroffenen von der Äußerung ausgehen könnten. Die [X.] mit Namensnennung sei im Ergebnis verhältnismäßig.

9

6. Die Verfassungsbeschwerde rügt die Verletzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG durch die in den angegriffenen Urteilen verhängten Sanktionen. Die Ermächtigungsgrundlage des § 60 HeilBerG [X.] verstoße in Zusammenschau mit § 29 Abs. 1 HeilBerG [X.] in Tatbestand und Rechtsfolge gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Die verhängten Sanktionen seien zudem unverhältnismäßig. Insbesondere die nichtanonymisierte [X.] der Entscheidung des [X.] sei verfassungsrechtlich zu beanstanden. Sie führe - zumal angesichts der heutigen Informationsmöglichkeiten im [X.] - zu einer irreversiblen Rufschädigung wie auch zur Vernichtung der beruflichen und wirtschaftlichen Existenz des Beschwerdeführers. In einer nachträglichen Stellungnahme der neuen Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers wurde der Vortrag zu den gebührenrechtlichen Fragen vertieft. Die Auslegung des [X.] durch die angegriffenen Entscheidungen sei fehlerhaft und könne keine berufsgerichtliche Verurteilung tragen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (vgl. § 93a Abs. 2 lit. a [X.]) und eine Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte (vgl. § 93a Abs. 2 lit. b [X.]) ist nicht angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten.

1. Die der berufsgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Vorschriften des Heilberufsgesetzes [X.] stehen mit Art. 103 Abs. 2 GG in Einklang. Sie sind hinreichend bestimmt.

a) Das spezifische Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG dient dem doppelten Zweck, sicherzustellen, dass von einer Sanktionsnorm [X.] vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit einer Sanktion bedroht ist und dass der Gesetzgeber über die Voraussetzungen der Verhängung einer Sanktion selbst entscheidet (vgl. [X.] 78, 374 <382>; 126, 170 <194>; [X.]K 11, 337 <349>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 15. September 2011 - 1 BvR 519/10 -, juris, Rn. 35). Dieses Gebot gilt auch hinsichtlich der Rechtsfolgen (vgl. [X.] 105, 135 <153 f.>). Der Gesetzgeber hat eine Norm umso präziser zu fassen, je belastender deren Wirkungen sind (vgl. [X.] 117, 71 <111> m.w.N.).

Art. 103 Abs. 2 GG findet nicht nur Anwendung auf Normen des Strafrechts, sondern - mit gewissen Einschränkungen, die sich aus der Natur des Rechtsgebiets ergeben - auch auf berufsrechtliche Normen (vgl. [X.] 26, 186 <203 f.>; 60, 215 <233 f.>). Anders als im allgemeinen Strafrecht ist jedoch im Berufsrecht eine Einzelnormierung bestimmter missbilligter Verhaltensweisen in der Regel nicht notwendig; es genügt die Normierung von Generalklauseln, da eine vollständige Aufzählung von mit einem Beruf verbundenen Pflichten nicht möglich ist und es sich um Normen handelt, die nur den Kreis der Berufsangehörigen betreffen, sich aus der ihnen gestellten Aufgabe ergeben und daher für sie im Allgemeinen leicht zu erkennen sind (vgl. [X.] 26, 186 <204>).

b) Die die berufsgerichtliche Verurteilung tragenden Rechtsgrundlagen sind nach diesen Maßstäben verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Die pflichtenbegründenden Normen hat der Gesetzgeber auf [X.] des Parlamentsgesetzes der §§ 29 ff. HeilBerG [X.] und mit entsprechenden Ermächtigungsnormen zur Ausgestaltung einzelner Pflichten in einer Berufsordnung, die wiederum auf die amtliche Gebührenordnung für Ärzte ([X.]) Bezug nimmt, selbst geschaffen. Diese Normen sind auch hinreichend konkret gefasst, so dass es dem Berufsangehörigen möglich ist, für ihn relevante Pflichten und damit auch das pflichtwidrige Verhalten und etwaige Sanktionen vorherzusehen. Aus der Tatsache, dass zu dem hier relevanten, in der [X.] Verwendung findenden Tatbestandsmerkmal der "Sitzung" unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, kann nicht gefolgert werden, dass deshalb die der berufsrechtlichen Sanktion zugrundeliegenden Regelungen nicht bestimmt genug seien, um eine berufsgerichtliche Verurteilung zu rechtfertigen. Für den Beschwerdeführer war jedenfalls schon angesichts der Alltagsbedeutung des Begriffs hinreichend deutlich erkennbar, dass die von ihm vertretene, davon abweichende Auffassung mit einem Sanktionsrisiko belegt ist.

bb) [X.] HeilBerG [X.] zu diesen pflichtenbegründenden Normen verstößt ebenfalls nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG, denn das Tatbestandsmerkmal des "besonderen Falles" für solche berufsgerichtlichen Sanktionen ist hinreichend bestimmt. Von einem solchen besonderen Fall ist schon nach dem Wortlaut der Norm auszugehen, wenn der zur Beurteilung stehende Fall sich von den typischen Berufsgerichtsverfahren unterscheidet und deswegen von einem besonderen Informationsinteresse ausgegangen werden kann (vgl. auch [X.]K 14, 177 <181 f.> zum Begriff des "besonders schweren Falles" im Sinne des Strafgesetzbuches). In der Auslegung des [X.] liegt ein besonderer Fall nach § 60 Abs. 3 HeilBerG [X.] regelmäßig dann vor, wenn für ein besonders schwerwiegendes Berufsvergehen eine Maßnahme nach § 60 Abs. 1 HeilBerG [X.] zu verhängen ist, eine Kombination der Maßnahmen im Sinne des § 60 Abs. 2 HeilBerG [X.] nicht ausreicht und der Fall besondere Bedeutung für die Allgemeinheit oder für die in der Kammer zusammengeschlossenen Berufsangehörigen hat.

2. Die angegriffenen Entscheidungen stehen zudem mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG in Einklang. § 60 Abs. 3 HeilBerG [X.] bietet insoweit eine verfassungskonforme Rechtsgrundlage für die Urteilsveröffentlichung und wurde auch im Einzelfall nach verfassungsrechtlichen Maßstäben zutreffend angewendet.

a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ist vorliegend eigenständiger Prüfungsmaßstab. Zwar steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht bei einer berufsgerichtlichen Verurteilung in Konkurrenz zur Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG; es wird im Hinblick auf die [X.] einer berufsgerichtlichen Verurteilung hierdurch jedoch nicht verdrängt. Denn eine solche [X.] betrifft den Beschwerdeführer nicht nur als Berufsträger, sondern mit eigenem Gewicht auch in seiner Eigenschaft als Privatperson. Auch wenn die Verurteilung selbst an ein berufsrechtliches und schuldhaftes Fehlverhalten anknüpft, stellt die [X.] einer solchen Entscheidung gerade auch die individuelle Schuld der Privatperson bei ihrer Berufsausübung in den Vordergrund und macht sie publik.

b) Die angegriffenen Entscheidungen greifen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers ein. Dieses Grundrecht schützt die [X.] Anerkennung des Grundrechtsträgers (vgl. [X.] 99, 185 <193 f.>). Es vermittelt ihm aber keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist (vgl. [X.] 99, 185 <194>). Namentlich umfasst es den Schutz vor Äußerungen, die - ohne im engeren Sinn ehrverletzend zu sein - geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen des Einzelnen in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. [X.] 99, 185 <193 f.>; 114, 339 <346>).

Die [X.] einer berufsgerichtlichen Verurteilung unter voller Namensnennung setzt den Beschwerdeführer in der Öffentlichkeit herab und betrifft seine [X.] Stellung in negativer Weise. Auch wenn die [X.] durch die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens in neutraler Form zu verwirklichen sein wird und lediglich das letztinstanzliche Urteil des [X.] im [X.] abgedruckt werden soll, liegt in dieser [X.] eine rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Denn die Mitteilung einer berufsgerichtlichen Verurteilung beinhaltet zugleich die Mitteilung eines rechtlich missbilligten Fehlverhaltens. Die [X.] dieser Verurteilung hat eine rechtfertigungsbedürftige Auswirkung auf das Ansehen des Beschwerdeführers in der Öffentlichkeit.

c) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist jedoch nicht vorbehaltlos gewährleistet. Es unterliegt der Schrankenregelung des Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. [X.] 99, 185 <195>; 120, 180 <201>) und kann damit durch Gesetz unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit beschränkt werden (vgl. [X.] 65, 1 <44>).

aa) Eine Regelung, die zu Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ermächtigt, ist jedoch nur dann zulässig, wenn sie zum Schutz eines gewichtigen [X.]sgutes geeignet und erforderlich ist und der Schutzzweck hinreichend schwer wiegt, so dass er die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts in ihrem Ausmaß rechtfertigt (vgl. [X.] 96, 171 <182>).

§ 60 Abs. 3 HeilBerG [X.] genügt diesen Anforderungen. Die Regelung ist insbesondere verhältnismäßig. Sie betrifft Angehörige der Heilberufe, denen ein besonderes, schützenswertes Vertrauen entgegengebracht wird. Dieses Vertrauen und die Ordnungsgemäßheit des Handelns der Berufsträger werden seitens des Staates durch das Heilberufsrecht geschützt (vgl. § 29 Abs. 1 HeilBerG [X.]). Das Berufsrecht kann Fehlverhalten, das dieses Vertrauen erschüttert oder zu erschüttern geeignet ist, mit geeigneten Maßnahmen sanktionieren. Der Staat darf insbesondere Verhaltensweisen entgegenwirken, die den Eindruck vermitteln können, der Arzt stelle die Gewinnerzielung über das Wohl des Patienten und dessen ordnungsgemäße Gesundheitsversorgung (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 1. Juni 2011 - 1 BvR 233/10 u. a. -, juris, Rn. 58). Patientinnen und Patienten sollen darauf vertrauen können, dass sich ein Arzt nicht von kommerziellen Interessen leiten lässt (vgl. [X.] 71, 162 <174>; 94, 372 <391>).

Nach dem naheliegenden, jedenfalls verfassungsrechtlich vertretbaren Verständnis der angegriffenen Entscheidungen sieht die Vorschrift des § 60 Abs. 3 HeilBerG [X.] vor, dass eine rechtskräftige berufsgerichtliche Verurteilung nichtanonymisiert veröffentlicht wird. Eine solche Maßnahme findet ihre Rechtfertigung in einem berechtigten Interesse an einer Information der Allgemeinheit, insbesondere der [X.] der Versicherten, wie auch der Kammerangehörigen, die sodann ihr Verhalten nach Kenntnis einer solchen Verfehlung steuern können. Neben dieser informationellen und im Grundsatz generalpräventiven Wirkung dient die [X.] auch der weiteren Sanktionierung eines individuellen Fehlverhaltens, das auch die Gefahr einer höheren Kostenlast für die [X.] der Versicherten in sich trägt.

Eine Ermächtigung zur [X.] eines nicht anonymisierten, berufsgerichtlichen Urteils ist jedenfalls dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn es sich wie hier nach der Regelung des § 60 Abs. 3 HeilBerG [X.] um vereinzelte, herausgehobene Fälle handelt. Zudem ist die Verhältnismäßigkeit hier gewahrt, insofern die [X.] nur in einem berufsrechtlichen Medium und einmalig erfolgt. Daran ändert es nichts, dass diese [X.] auch im [X.] zu finden sein wird, denn dies verändert nicht den begrenzten und eindeutigen Bezug derselben auf die berufsrechtliche Verfehlung.

bb) Auch gegen die Anwendung der Vorschrift im Einzelfall ist verfassungsrechtlich nichts einzuwenden. Die einfachrechtlichen Subsumtionsvorgänge sind so lange der Nachprüfung im Verfahren der Verfassungsbeschwerde entzogen, als nicht Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Schutzumfang seines Schutzbereichs beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. [X.] 18, 85 <92 f.>; stRspr). Nach der Auslegung des [X.] liegt ein besonderer Fall nach § 60 Abs. 3 HeilBerG [X.] regelmäßig dann vor, wenn für ein besonders schwerwiegendes Berufsvergehen eine Maßnahme nach § 60 Abs. 1 HeilBerG [X.] zu verhängen ist, eine Kombination der Maßnahmen im Sinne des § 60 Abs. 2 HeilBerG [X.] nicht ausreicht und der Fall besondere Bedeutung für die Allgemeinheit oder für die in der Kammer zusammengeschlossenen Berufsangehörigen hat. Diese Auslegung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; sie beachtet hinreichend die Grundrechte des Beschwerdeführers. Die Anwendung der Sanktion bedarf danach einer Abwägung im Einzelfall; eine solche Abwägung haben die Berufsgerichte vorgenommen. Es ist verfassungsrechtlich insbesondere nicht zu beanstanden, dass die Berufsgerichte das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Berufsvergehen als besonders schwerwiegend eingeordnet haben, weil in einer systematischen Vorgehensweise mit dem Ziel eines den Vorschriften der Gebührenordnung widersprechenden [X.] eine hohe Schadensneigung begründet liegt.

d) Aus dem vom Beschwerdeführer weiterhin gerügten Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG folgt insoweit kein weitergehender Schutz. Auf das nähere Verhältnis zwischen dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG zu dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG kommt es damit nicht weiter an.

3. Hinsichtlich der weiteren Sanktionen sind keine Verstöße gegen das Verfassungsrecht erkennbar, die dahingehenden [X.] des Beschwerdeführers betreffen lediglich Verstöße gegen das einfache Recht.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1128/13

03.03.2014

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Landesberufsgericht für Heilberufe Münster, 6. Februar 2013, Az: 6t A 1843/10.T, Urteil

Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 103 Abs 2 GG, § 29 Abs 1 HeilBerG NW, § 60 Abs 1 HeilBerG NW, § 60 Abs 2 HeilBerG NW, § 60 Abs 3 HeilBerG NW

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 03.03.2014, Az. 1 BvR 1128/13 (REWIS RS 2014, 7426)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7426

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

2 BvR 1872/21

Zitiert

1 BvR 519/10

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