Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.04.2014, Az. VI ZR 197/13

6. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6497

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Gegenstand

Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eigenen Bild: Unterlassungsanspruch, Entschädigungsanspruch und Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten wegen der ungenehmigten Veröffentlichung eines Fotos von einem Mieterfest in einer Informationsbroschüre einer Wohnungsbaugenossenschaft


Leitsatz

Zur Zulässigkeit der Bildberichterstattung über das Mieterfest einer Wohnungsbaugenossenschaft in deren an ihre Mieter gerichteten Informationsbroschüre.

Tenor

Die Revisionen gegen das Urteil der 27. Zivilkammer des [X.] vom 26. März 2013 werden auf Kosten der Klägerinnen zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerinnen, Großmutter, Tochter und Enkelin, nehmen die Beklagte, eine Wohnungsbaugenossenschaft, auf Zahlung einer Geldentschädigung und von Abmahnkosten wegen einer ohne ihre Einwilligung erfolgten Veröffentlichung und Verbreitung eines Fotos in Anspruch, das die Klägerinnen gemeinsam auf einem von der Beklagten im August 2010 veranstalteten [X.] zeigt.

2

Bei dem jährlich stattfindenden [X.] der Beklagten wurden Fotos gefertigt, unter anderem das beanstandete Foto, auf dem im Vordergrund die Klägerinnen zu 1 und 2 zu sehen sind, wie sie die Klägerin zu 3, ein Kleinkind, füttern. Dieses Foto veröffentlichte die Beklagte in ihrer Broschüre "Informationen der Genossenschaft", Ausgabe 2010, neben weiteren neun Fotos, auf denen Teilnehmer des [X.]es, einzeln und in Gruppen, zu sehen sind. Die Broschüre wurde in einer Auflage von 2.800 Stück hergestellt und an Genossenschaftsmieter verteilt.

3

Auf ein vorgerichtliches Anwaltsschreiben der Klägerinnen gab die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, weigerte sich jedoch, den ebenfalls begehrten "Schadensersatz" in Höhe von insgesamt 3.000 € und die Abmahnkosten in Höhe von 837,52 € zu zahlen. Die hierauf gerichteten Klagen hat das Amtsgericht abgewiesen. Die Berufungen der Klägerinnen hat das [X.] zurückgewiesen. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

4

Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheidet ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung der [X.] gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG bereits deshalb aus, weil jedenfalls keine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der [X.] vorliegt. Ein Anspruch der [X.] auf Erstattung der Abmahnkosten scheitere daran, dass es bereits an der dafür erforderlichen Voraussetzung einer rechtswidrigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der [X.] bzw. ihres Rechts am eigenen Bild aus § 823 Abs. 1 BGB, §§ 22, 23 KUG i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG fehle. Die Verbreitung des Bildnisses der [X.] in der [X.] der Beklagten ohne deren Einwilligung sei zwar nicht bereits nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erlaubt, weil die Teilnahme der [X.] an dem [X.] kein zeitgeschichtliches Ereignis gewesen sei. Jedoch sei die Veröffentlichung des Bildnisses der [X.] jedenfalls nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG auch ohne deren Einwilligung zulässig gewesen. Der Anwendungsbereich dieser Regelung sei nicht von vorneherein auf [X.]s von Personengruppen beschränkt, sondern erfasse auch sogenannte repräsentative Aufnahmen, bei denen einzelne Personen als charakteristisch und beispielhaft für die Ansammlung herausgegriffen worden seien. Die auch im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG erforderliche Abwägung zwischen dem Interesse der [X.] am Schutz ihrer Persönlichkeit und dem von dem Beklagten wahrgenommenen Informationsinteresse der Öffentlichkeit führe zu dem Ergebnis, dass die Veröffentlichung des Bildnisses der [X.] auch ohne deren Einwilligung zulässig gewesen sei.

II.

5

A) Die Revision ist entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung uneingeschränkt zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] kann die Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des [X.] beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte (Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - [X.], [X.], 84, 86; vom 3. August 2010 - [X.], [X.], 896 Rn. 8; vom 16. Juli 2013 - [X.], [X.], 1181 Rn. 13; vom 17. September 2013 - [X.], [X.], 1406 Rn. 6 und Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - [X.], [X.], 1140 Rn. 3; [X.], Beschluss vom 10. Februar 2011 - [X.], NJW 2011, 1228 Rn. 11, jeweils mwN). Hat das Berufungsgericht - wie hier - die Zulassungsentscheidung ohne einschränkenden Zusatz in den Tenor aufgenommen, kann sich eine Beschränkung der Zulassung aus der Begründung der Zulassungsentscheidung ergeben. Daran fehlt es hier. Vielmehr scheidet bei einer - vom Berufungsgericht angenommenen und mit der [X.] angesprochenen - Zulässigkeit der Bildberichterstattung sowohl ein Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten als auch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus.

6

B) Das Berufungsurteil hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

7

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatten die [X.] gegen die Beklagte allerdings bereits deshalb keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses, weil dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und berechtigte Interessen der Abgebildeten nicht verletzt wurden (§ 23 Abs. 2 KUG). Auf die [X.] nach der Reichweite des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG kommt es deshalb nicht an.

8

2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit von [X.] nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen ist (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - [X.], [X.]Z 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 18. Oktober 2011 - [X.], [X.], 116 Rn. 8 f.; vom 22. November 2011 - [X.], [X.], 192 Rn. 23 f.; vom 18. September 2012 - [X.], [X.], 1403 Rn. 25 f. und vom 28. Mai 2013 - [X.], [X.], 1178 Rn. 10, jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. [X.] 120, 180, 201 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des [X.] im Einklang steht (vgl. [X.], 2647; 2006, 591 sowie NJW 2012, 1053 und 1058). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für die Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

9

3. Nach diesen Grundsätzen war die von den [X.] angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig.

a) Bei dem beanstandeten [X.] der [X.] handelte es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 [X.] einerseits und den Rechten der Medien aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 [X.] andererseits (vgl. etwa Senatsurteil vom 28. Mai 2013 - [X.], aaO Rn. 12 mwN). Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu können auch Veranstaltungen von nur regionaler oder lokaler Bedeutung gehören (vgl. zu Sportveranstaltungen Senatsurteil vom 28. Mai 2013 - [X.], aaO). Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen und es bedarf gerade bei unterhaltenden Inhalten im besonderen Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (vgl. Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - [X.], [X.], 1411 Rn. 20 und - [X.], [X.], 1506 Rn. 20; vom 13. April 2010 - [X.], [X.], 1090 Rn. 14 und vom 28. Mai 2013 - [X.], aaO Rn. 12 f.). Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das [X.] gestellt ist, zu ermitteln.

b) Die Bildberichterstattung in der [X.] der Beklagten befasst sich mit dem - jährlich stattfindenden - [X.] der beklagten Wohnungsbaugenossenschaft im August 2010 und zeigt repräsentativ auf insgesamt zehn Bildern Teilnehmer, sowohl in Gruppen, als auch einzeln. Die Bilder fangen Szenen des [X.]es ein, die ein harmonisches Zusammensein von [X.] und Alt in fröhlicher und entspannter Atmosphäre zeigen. Die Bildberichterstattung vermittelt den Eindruck, dass Mitbewohner aller Altersgruppen das Fest genossen haben und zwischen ihnen gute nachbarschaftliche Beziehungen bestehen. In diesen Zusammenhang passt gerade das Bild der [X.], welches drei Generationen vereint. Zwar gibt es - außer dem Hinweis auf das [X.] und der Ankündigung der entsprechenden Veranstaltung im Folgejahr - keine begleitende Textberichterstattung, doch bereits durch die Auswahl der gezeigten [X.]s wird dem Leser - so zutreffend das Berufungsgericht - ein Eindruck über dessen Verlauf vermittelt. Das [X.] ist ein Ereignis von lokaler gesellschaftlicher Bedeutung. Die [X.] der Beklagten, in der über das Fest berichtet wurde, war an ihre Mieter gerichtet, also an den (beschränkten) Personenkreis, der üblicherweise an dem Fest teilnahm und entsprechend der Ankündigung eingeladen war, im Folgejahr teilzunehmen. Das Recht, über solche zeitgeschichtlichen Ereignisse aus dem gesellschaftlichen Bereich zu berichten, steht grundsätzlich auch der Beklagten zu, wenn sie eine [X.] herausgibt; denn auch eine solche Broschüre gehört zu den Medien. Die Beklagte kann sich - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auf ein schützenswertes Interesse berufen, ihre [X.] im Bild über den Ablauf und die Atmosphäre der Veranstaltung zu informieren. Die Bildberichterstattung der Beklagten über das [X.] in ihrer [X.] an ihre Mieter erfüllt eine wichtige Funktion, denn ein solches Fest pflegt und schafft gute nachbarschaftliche Beziehungen. Die Berichterstattung vermittelt den Eindruck, dass die Mitbewohner sich in der Wohnungsbaugenossenschaft wohlfühlen und es sich lohnt, dort Mitglied bzw. Mieter zu sein.

c) Die Beeinträchtigung der Rechte der [X.] durch das - ohne Namensnennung - veröffentlichte [X.] ist dagegen gering. Es handelte sich um ein für alle Mieter und Mitbewohner zugängliches Fest, über welches die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon in den Vorjahren in ihrer [X.] in Bildern berichtet hatte. Insofern war zu erwarten, dass in entsprechender Weise auch über das [X.] 2010 berichtet werden würde. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass das [X.] heimlich angefertigt wurde, auch wenn die [X.] die Anfertigung der konkreten Aufnahmen möglicherweise nicht bemerkt haben. Die [X.] der Beklagten wurde schließlich nur an ihre Mieter verteilt, mithin an einen begrenzten Adressatenkreis, aus dem die Teilnehmer des [X.]es stammten. Die Revision macht schließlich nicht geltend, dass die Veröffentlichung des Bildes die kindgerechte Entwicklung der Klägerin zu 3 beeinträchtigen könnte. Dafür ist auch nichts ersichtlich.

4. Der Verbreitung des beanstandeten Bildnisses stehen auch keine besonderen schützenswerten Interessen der [X.] entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG). Das Bild ist in keiner Weise unvorteilhaft oder ehrverletzend. Entsprechendes macht die Revision auch nicht geltend.

5. War mithin die von den [X.] angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig, besteht weder ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten noch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

[X.]                          Pauge

             [X.]                       von [X.]

Meta

VI ZR 197/13

08.04.2014

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 26. März 2013, Az: 27 S 18/12

Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 5 Abs 1 S 1 GG, Art 8 MRK, Art 10 MRK, § 22 KunstUrhG, § 23 Abs 1 Nr 1 KunstUrhG, § 23 Abs 2 KunstUrhG, § 823 Abs 1 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 1004 Abs 1 S 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.04.2014, Az. VI ZR 197/13 (REWIS RS 2014, 6497)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6497

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