Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 06.01.2015, Az. 6 AZB 105/14

6. Senat | REWIS RS 2015, 17512

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Verwerfung der Berufung - Nichtzulassungsbeschwerde


Leitsatz

Lässt das Landesarbeitsgericht in dem Beschluss, der die Berufung als unzulässig verwirft, die Revisionsbeschwerde nicht zu, ist hiergegen nach § 77 Satz 1 ArbGG die Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft.

Tenor

1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revisionsbeschwerde in dem Beschluss des [X.] vom 15. September 2014 - 4 Sa 23/14 - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.900,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

A. Die [X.]en streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des beklagten Insolvenzverwalters sowie über einen Anspruch des [X.] auf Weiterbeschäftigung. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und den Beklagten zur Weiterbeschäftigung des [X.] verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das [X.] wegen unzureichender Begründung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss des Vorsitzenden als unzulässig verworfen. Es hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde.

2

B. Die Beschwerde ist unzulässig. Eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss, durch den das [X.] eine Berufung als unzulässig verwirft, ist gemäß § 77 Satz 1 Arb[X.] nicht statthaft. Zudem entspricht die Beschwerde nicht den Anforderungen des § 72a Abs. 3 Arb[X.].

3

I. Der Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben.

4

1. Gemäß § 77 Satz 1 Arb[X.] findet die Rechtsbeschwerde als Revisionsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.]s, der die Berufung als unzulässig verwirft, nur statt, wenn das [X.] sie in dem Beschluss zugelassen hat. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gilt § 72 Abs. 2 Arb[X.] nach § 77 Satz 2 Arb[X.] entsprechend. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist aufgrund dieses eindeutigen Wortlauts der gesetzlichen Vorgabe die Revisionsbeschwerde nicht eröffnet, wenn das [X.] - wie im vorliegenden Fall - sie nicht zugelassen hat. § 77 Satz 2 Arb[X.] verweist nur auf § 72 Abs. 2 Arb[X.] und nicht auf die in § 72a Arb[X.] ausdrücklich geregelte Nichtzulassungsbeschwerde. § 72a Arb[X.] ist auch nicht entsprechend anwendbar. Die in § 77 Satz 4 Arb[X.] in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Rechtsbeschwerde (§§ 574 f. ZPO) sehen gegen die Nichtzulassung der Beschwerde eine Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls nicht vor ([X.] 23. Juni 2014 - 6 [X.] - Rn. 1; 5. September 2007 - 3 [X.] - Rn. 7; vgl. bereits [X.] 10. August 1978 - 2 BvR 415/78 -; [X.] 13. Januar 1975 - 5 [X.] -; 8. März 1978 - 2 [X.] -; 25. Oktober 1979 - 5 [X.] -; 8. November 1979 - 3 [X.] -; 23. Mai 2000 - 9 [X.]; zu § 78 Arb[X.] 19. Dezember 2002 - 5 [X.] - zu II der Gründe, [X.]E 104, 239). Die Spezialregelung des § 77 Arb[X.] geht § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO vor. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist die Nichtzulassung der Revisionsbeschwerde daher unanfechtbar.

5

2. Dieses Verständnis des § 77 Arb[X.] wird von der weit überwiegenden Mehrheit der Literatur geteilt (vgl. GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 77 Rn. 9; [X.]/[X.] Stand November 2014 § 77 Rn. 2, 7, 17; [X.]/[X.] 15. Aufl. § 77 Arb[X.] Rn. 2; AR/Spelge 7. Aufl. § 77 Arb[X.] Rn. 4; [X.]/[X.] 6. Aufl. § 77 Arb[X.] Rn. 5; [X.]/[X.]/[X.] Arb[X.] 3. Aufl. § 77 Rn. 2; [X.]/[X.] Stand 1. Dezember 2014 Arb[X.] § 77 Rn. 1; [X.]/[X.]/[X.] Arb[X.] 4. Aufl. § 77 Rn. 13; [X.]/[X.] 2. Aufl. § 77 Rn. 1; [X.]/[X.] Arb[X.] 8. Aufl. § 77 Rn. 2). Die dagegen von [X.] geäußerten Bedenken ([X.] 2014, 1245) geben keinen Anlass zu einer Änderung der Rechtsprechung.

6

a) Der Gesetzgeber hat die Entscheidung über die Eröffnung des [X.] bewusst allein dem [X.] überlassen. Er hat in Kenntnis der Rechtsprechung des [X.] bei der Reform des Zivilprozesses mit Gesetz vom 27. Juli 2001 ([X.]I S. 1887) keine Änderung des § 77 Arb[X.] vorgenommen, obwohl er sich dabei mit dem Rechtsbeschwerdeverfahren befasst hat ([X.]. 14/4722 S. 69). Der Gesetzgeber hat auch anlässlich der Änderungen des Arbeitsgerichtsgesetzes durch das [X.] vom 9. Dezember 2004 ([X.]I S. 3220) und das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 ([X.]I S. 444) keine Verweisung in § 77 Satz 2 Arb[X.] auf § 72a Arb[X.] vorgenommen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Ausschluss des Zugangs zum Rechtsbeschwerdegericht bei Nichtzulassung der Revisionsbeschwerde bewusst und gewollt erfolgt ist. Durch das [X.] wurde § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 Arb[X.] dahin gehend abgeändert, dass die Verwerfung der Berufung nicht mehr durch Beschluss der Kammer, sondern durch den Vorsitzenden erfolgt. Da § 77 Satz 1 Arb[X.] an eben diese Entscheidung anknüpft, ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber sich mit dem Verfahren bei Unzulässigkeit der Berufung im Rahmen der Überarbeitung des Arbeitsgerichtsgesetzes auseinandergesetzt hat. Zur Begründung der Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden wurde dabei angeführt, dass bei der Verwerfung einer unzulässigen Berufung nicht materielle Rechtsfragen, sondern formale Kriterien im Vordergrund der Prüfung stünden ([X.]. 16/7716 S. 25). Durch die Nichtbeteiligung der ehrenamtlichen [X.] werde eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens erreicht ([X.]. 16/7716 S. 14; vgl. hierzu [X.] 5. Oktober 2010 - 5 [X.] - Rn. 6, [X.]E 135, 372). Die fehlende Verweisung auf § 72a Arb[X.] in § 77 Arb[X.] entspricht diesen Zielsetzungen. Der von [X.] erhobene Einwand, dass der durch das [X.] zum 1. Januar 2005 eingeführte [X.] der Verletzung rechtlichen Gehörs nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 Arb[X.] damit leerliefe ([X.] 2014, 1245, 1248), trägt nicht. Verletzungen des rechtlichen Gehörs können nach § 78a Arb[X.] korrigiert werden.

7

b) Der Ausschluss des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens in § 77 Arb[X.] verstößt nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben.

8

aa) Das Grundgesetz sichert im Bereich des Art. 19 Abs. 4 [X.] wie auch in dem des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs (Art. 20 Abs. 3 iVm. Art. 2 Abs. 1 [X.]) die Eröffnung des Rechtswegs. Die Garantie einer gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit gegen behauptete Rechtsverletzungen gewährleistet jedoch keinen Rechtsweg über mehrere Instanzen hinweg. Das Rechtsstaatsprinzip fordert, dass jeder Rechtsstreit um der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens willen irgendwann ein Ende findet. Wann dies der Fall ist, entscheidet das Gesetz. Insofern reicht es grundsätzlich aus, dass die Rechtsordnung eine einmalige Möglichkeit zur Einholung einer gerichtlichen Entscheidung eröffnet. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder mehrere Instanzen bereitgestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden können (st. Rspr., vgl. [X.] 24. Juni 2014 - 1 BvR 2926/13 - Rn. 32; 30. April 2003 - 1 [X.] 1/02 - [X.]E 107, 395). Hat der Gesetzgeber sich jedoch für die Eröffnung einer weiteren Instanz entschieden und sieht die betreffende Prozessordung dementsprechend ein Rechtsmittel vor, so darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl. [X.] 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 - Rn. 19). Gegebenenfalls ist im Wege der Verfassungsbeschwerde zu überprüfen, ob das Fachgericht ein grundsätzlich eröffnetes Rechtsmittel unter Verletzung des Justizgewährungsanspruchs ineffektiv gemacht hat (vgl. zur Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO [X.] 17. September 2014 - 2 [X.] - Rn. 26; 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06 - Rn. 17). Wird in einem Urteil von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Zulassung der Revision kein Gebrauch gemacht, so verstößt dies auch gegen die Gewährleistung des gesetzlichen [X.]s in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.], wenn sich die Entscheidung insoweit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert ([X.] 23. April 2014 - 1 BvR 2851/13 - Rn. 22). In Betracht kommt auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 [X.] in seiner Ausprägung als Willkürverbot (vgl. [X.] 28. Juli 2014 - 1 BvR 1925/13 - Rn. 12 f.). Das Grundgesetz gibt dem Berufungskläger, dessen Berufung als unzulässig verworfen wurde, daher keinen Anspruch auf die Möglichkeit des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens. Etwaige Verfassungsverstöße des Berufungsgerichts sind im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde geltend zu machen.

9

bb) Die Ausgestaltung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens in § 77 iVm. § 66 Abs. 2 Arb[X.] verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.].

(1) Dieses prozessuale Grundrecht schützt den Anspruch des Bürgers auf eine Entscheidung seiner Rechtssache durch den hierfür von Gesetzes wegen vorgesehenen [X.], indem es eine sachfremde Einflussnahme auf die rechtsprechenden Organe verbietet. Adressaten des Verbots sind neben der Exekutive auch die Judikative und die Legislative. Für den Gesetzgeber folgt aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] die Pflicht, Normen, die gerichtliche Zuständigkeiten bestimmen, so zu fassen, dass aus ihnen der im Einzelfall zuständige [X.] möglichst eindeutig erkennbar wird. Dabei darf ein Gesetz, mit dem das zuständige Gericht bezeichnet wird, durchaus auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe verwenden, sofern es unzulässigen Einflüssen generell vorbeugen kann ([X.] 14. Juni 2007 - 2 BvR 1447/05, 2 [X.] - Rn. 106, [X.]E 118, 212; 8. April 1997 - 1 [X.] 1/95 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 95, 322). Der Gesetzgeber kann dem [X.] daher im gesetzlich vorgegebenen Rahmen einen Ermessenspielraum einräumen (vgl. [X.] in [X.]/[X.] [X.] 13. Aufl. Art. 101 Rn. 9 mwN; kritisch zum Ermessen der Übertragung auf einen Einzelrichter Classen in v. Mangoldt[X.]/Starck [X.] III 6. Aufl. Art. 101 Abs. 1 Rn. 43; [X.] in [X.]/Höfling [X.] Kommentar zum [X.] Stand November 2009 C Art. 101 Rn. 13). Hinsichtlich der Ausgestaltung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens in § 160a Abs. 4 iVm. § 169 S[X.] hat das [X.] entschieden, dass es mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] grundsätzlich vereinbar sei, dass die ehrenamtlichen [X.] an Entscheidungen über Nichtzulassungsbeschwerden nur dann mitwirken, wenn über deren Begründetheit zu befinden ist. Dies setze allerdings voraus, dass die Abgrenzung zwischen Zulässigkeitsvoraussetzungen und Begründetheitsfragen nach eindeutigen und sachgerechten Kriterien erfolge ([X.] 14. Juni 1994 - 1 BvR 1022/88 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 91, 93; zustimmend [X.] in Schmidt-Bleibtreu/[X.]/Henneke [X.] 13. Aufl. Art. 101 Rn. 17).

(2) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist § 77 iVm. § 66 Abs. 2 Arb[X.] mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] vereinbar. Dies gilt auch angesichts der Entscheidungsspielräume des Vorsitzenden [X.]s am [X.] bzgl. der Verfahrensweise bei einer als unzulässig angesehenen Berufung.

(a) § 77 Satz 1 Arb[X.] findet nur Anwendung, wenn das [X.] die Berufung mit Beschluss als unzulässig verworfen hat. Bei einer Entscheidung durch Urteil gilt dagegen § 72a Arb[X.] (vgl. [X.] 31. Juli 2007 - 3 [X.]/07 - Rn. 8). Nach § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 Arb[X.] kann der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss die Berufung verwerfen und dabei über die Zulassung der Rechtsbeschwerde entscheiden. Er kann aber auch eine mündliche Verhandlung anberaumen. Nach deren Durchführung entscheidet die Kammer unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen [X.] durch Urteil und eröffnet der unterlegenen [X.] damit die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a Arb[X.]. Dieses Alleinentscheidungsrecht hat somit weitreichende prozessuale Konsequenzen.

(b) Der [X.] hat in seiner Entscheidung vom 3. November 2014 - 1 VB 8/14 - angenommen, dass für eine Verwerfung der Berufung durch Alleinentscheidung kein Raum sei, wenn materielle Rechtsfragen bei der Prüfung der Zulässigkeit im Vordergrund stehen und nicht nur formale Kriterien (vgl. zu [X.] 1 a der Gründe). Dem ist zuzustimmen, denn dies entspricht der Intention des Gesetzgebers ([X.]. 16/7716 S. 25). Die Prüfung der Zulässigkeit der Berufung beschränkt sich nämlich nur auf die formalen Kriterien der Statthaftigkeit (§ 511 ZPO), der Form (§ 519 ZPO), der Frist (§ 66 Abs. 1 Arb[X.]) sowie der ordnungsgemäßen Begründung nach § 520 Abs. 3 ZPO. Diese Prüfungspflicht ergibt sich aus § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Arb[X.] iVm. § 522 Abs. 1 ZPO. Dementsprechend ist der Anwendungsbereich der Alleinentscheidung nach § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 Arb[X.] hinreichend bestimmt, denn der Vorsitzende darf allein nur die Verwerfung der Berufung als unzulässig vornehmen. Der gesetzliche [X.] ist damit hinreichend bestimmt, auch wenn der Vorsitzende in Zweifelsfragen zu der Auffassung gelangen kann, dass eine mündliche Verhandlung unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen [X.] angebracht ist. Insoweit gilt nichts anderes wie bei der Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs.

cc) Der von [X.] angenommene Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 [X.] ([X.] 2014, 1245, 1249) besteht nicht.

(1) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierungen bedürfen der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (st. Rspr., vgl. [X.] 6. Mai 2014 - 1 [X.], 1 BvR 1145/13 - Rn. 70).

(2) § 77 Satz 1 iVm. § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 Arb[X.] eröffnet dem [X.] zwar - wie dargestellt - eine ungleiche prozessuale Behandlung unzulässiger Berufungen mit Auswirkungen auf die Eröffnung eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nach § 72a Arb[X.]. Diese Ungleichbehandlung ist allerdings durch die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Ziele der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung gerechtfertigt (vgl. [X.]. 16/7716 S. 14). Diese Ziele sind gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren von erheblicher Bedeutung (vgl. § 61a Arb[X.]; §§ 56, 67 Arb[X.]). Unzulässige Berufungen sollen möglichst zeitnah verworfen werden, um Rechtssicherheit zu schaffen. Zudem tritt durch die Verfahrensvereinfachung eine Entlastung der Arbeitsgerichtsbarkeit ein. So muss beim [X.] kein Kammertermin anberaumt werden, um eine verfristete Berufung zu verwerfen. Einem prozessökonomischen Zweck dient auch die Möglichkeit der Nichteröffnung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens. Dieses soll nicht die Überprüfung von Formalien der Berufung ermöglichen (vgl. § 72a Abs. 3 iVm. § 72 Abs. 2 Arb[X.]). Der Gesetzgeber durfte dem Vorsitzenden daher einen Spielraum hinsichtlich der Verfahrensführung einräumen und die betroffenen [X.]en bei angenommenen [X.]n auf die Anhörungsrüge sowie auf die Verfassungsbeschwerde verweisen.

II. Ungeachtet der fehlenden Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde würde die vorliegende Beschwerde auch nicht den Anforderungen des § 72a Arb[X.] genügen.

1. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 [X.] wäre unzulässig.

a) Art. 103 Abs. 1 [X.] ist verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist ([X.] 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10). Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 Arb[X.] eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Arb[X.] die Beschwerdebegründung die Darlegung der Verletzung dieses Anspruchs und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten ([X.] 1. September 2010 - 5 [X.] 599/10 - Rn. 9 mwN).

b) Die Beschwerdebegründung erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

aa) Sie stellt bzgl. der hier maßgeblichen Frage der ordnungsgemäßen Begründung der Berufung nur darauf ab, das [X.] habe den Vortrag des Beklagten in dem [X.] vom 10. September 2014 nicht zur Kenntnis genommen. Welche Äußerungen in diesem [X.] das [X.] zur Annahme einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung hätten bewegen können, lässt die Beschwerde offen.

bb) Das [X.] hat zudem zutreffend ausgeführt, dass der Vortrag vom 10. September 2014 außerhalb der Berufungsbegründungsfrist erfolgte. Die Beschwerde verkennt die Bedeutung der Berufungsbegründungsfrist (§ 66 Abs. 1 Arb[X.]). Eine nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO unzureichend begründete Berufung kann nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr durch ergänzenden Vortrag ausreichend begründet werden. Solcher Vortrag ist nicht mehr berücksichtigungsfähig ([X.] 8. Mai 2008 - 6 [X.] - Rn. 29). Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass das Gericht vor Ablauf der Begründungsfrist nicht auf eine unzureichende Begründung hinweisen darf, da es sich anderenfalls zum Berater des Berufungsführers machen würde ([X.] 19. Oktober 2010 - 6 [X.] - Rn. 21). Hiervon zu unterscheiden ist die Verpflichtung des Gerichts, dem Beschwerdeführer vor einer beabsichtigten Verwerfung der Berufung einen Hinweis zu erteilen (vgl. [X.] 15. August 1989 - 8 [X.] - zu II der Gründe). Dementsprechend hat das [X.] am 8. August 2014 einen Hinweis mit Stellungnahmefrist bis zum 1. September 2014, verlängert bis zum 15. September 2014, gegeben. Der Beklagte hat hierauf mit [X.] vom 10. September 2014 reagiert. Er konnte mit diesen Ausführungen die Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO allerdings nicht mehr erfüllen, da die Berufungsbegründungsfrist nach Verlängerung (§ 66 Abs. 1 Satz 5 Arb[X.]) bereits am 5. Juni 2014 abgelaufen war. Es bestand für das [X.] nach Eingang des [X.]es vom 10. September 2014 keine Veranlassung, eine Entscheidung erst nach Fristablauf am 15. September 2014 zu treffen.

2. Im Übrigen rügt die Beschwerde [X.] des [X.]s sowohl hinsichtlich der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung als auch in materieller Hinsicht. Angenommene [X.] würden es dem Senat nach § 72 Abs. 2 Arb[X.] jedoch nicht erlauben, die Revisionsbeschwerde zuzulassen.

C. Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Beschwerde zu tragen.

D. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    [X.]    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

6 AZB 105/14

06.01.2015

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend ArbG Heilbronn, 6. Februar 2014, Az: 3 Ca 384/13, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 2 Abs 2 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 77 ArbGG, § 72 Abs 2 ArbGG, § 72a ArbGG, § 66 Abs 2 S 2 Halbs 2 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 06.01.2015, Az. 6 AZB 105/14 (REWIS RS 2015, 17512)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 896 REWIS RS 2015, 17512

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

9 AZB 52/20 (Bundesarbeitsgericht)

Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde - Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde


5 AZB 10/10 (Bundesarbeitsgericht)

Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden - Versäumung der Berufungsbegründungsfrist


2 AZM 18/19 (Bundesarbeitsgericht)

Revisionsbeschwerde - Nichtzulassungsbeschwerde - Begründungsfrist


3 AZM 19/19 (Bundesarbeitsgericht)

Revisionsbeschwerde - Nichtzulassungsbeschwerde - Wiedereinsetzung


9 AZM 9/19 (Bundesarbeitsgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde nach § 77 Satz 2 ArbGG - Vertretungszwang


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.