Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.02.2016, Az. I ZB 87/14

1. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 16368

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Gegenstand

Markenrechtliches Löschungsverfahren: Erfordernis der Angabe eines konkreten absoluten Schutzhindernisses im Löschungsantrag; Ingangsetzung der Widerspruchsfrist; Gehörsverstoß - Fünf-Streifen-Schuh


Leitsatz

Fünf-Streifen-Schuh

1. Die Zulässigkeit eines Löschungsantrags gemäß § 54 Abs. 1, §§ 50, 8 MarkenG setzt die Angabe eines konkreten absoluten Schutzhindernisses im Sinne von § 8 MarkenG voraus.

2. Die Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG wird durch einen unzulässigen Löschungsantrag nicht in Gang gesetzt.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 27. Senats ([X.]) des [X.] vom 1. Juli 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Für die Markeninhaberin ist seit dem 19. März 1992 die Bildmarke Nr. [X.] 007

Abbildung

für die Waren

"[X.], nämlich Tennisschuhe, Basketballschuhe, [X.] und [X.], Bootsschuhe und Freizeitschuhe"

eingetragen.

2

Die Antragstellerin hat am 17. November 2011 beim [X.] unter Verwendung des vom Amt herausgegebenen Formblatts Antrag auf vollständige Löschung der Marke "wegen absoluter Schutzhindernisse" gestellt. Als [X.] war auf dem Formular angekreuzt: "Die Marke ist entgegen § 8 [X.] eingetragen worden (§ 50 Abs. 1 i.V.m. § 8 [X.])". Eine weitere Begründung enthielt der Antrag nicht.

3

Die Markenabteilung des [X.]s hat den Löschungsantrag mit Beschluss vom 7. März 2013 als unzulässig zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist ohne Erfolg geblieben ([X.], Beschluss vom 1. Juli 2014 - 27 W (pat) 36/13, juris). Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Markeninhaberin beantragt.

4

II. Das [X.] hat angenommen, der Löschungsantrag sei unzulässig. Zur Begründung hat es ausgeführt:

5

Die Antragstellerin habe ihren Löschungsantrag nicht hinreichend begründet. Es sei nicht ausreichend, dass sie im amtlichen Formblatt als [X.] das Feld "Die Marke ist entgegen § 8 [X.] eingetragen worden (§ 50 Abs. 1 i.V.m. § 8 [X.]" angekreuzt habe. Vorliegend sei die in § 50 Abs. 2 Satz 2 [X.] geregelte zehnjährige Frist für Anträge abgelaufen gewesen, mit denen Löschungsgründe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 oder 3 [X.] hätten geltend gemacht werden können. Anträge auf Löschung der am 19. März 1992 eingetragenen Marke wegen absoluter Schutzhindernisse im Sinne von § 8 [X.] hätten daher nur auf die Löschungsgründe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 bis 10 [X.] gestützt werden können. Dies sei nicht geschehen. Die Antragstellerin habe im Löschungsantrag keinen konkreten [X.] angegeben, sondern lediglich angekreuzt, dass "die Marke entgegen § 8 [X.] eingetragen" sei. Der Umstand, dass im Antragsformular keine weiteren Angaben verlangt worden seien, entbinde die Antragstellerin nicht davon, den Umfang der Prüfung durch Benennung der ihrer Meinung nach bestehenden Schutzhindernisse zu bestimmen. Auch der Grundsatz der Amtsermittlung gebiete es nicht, aus im Verfahren eingereichten Anlagen Schlüsse auf das Begehren der Antragstellerin zu ziehen. Dies sei vorliegend zudem nicht zweifelsfrei möglich gewesen. Das [X.] sei nicht gehalten gewesen, durch einen Hinweis im noch laufenden Amtsverfahren eine Festlegung auf einen [X.] zu bewirken. Die Antragstellerin könne nicht im Beschwerdeverfahren erstmals vortragen, ihr Antrag werde auf Bösgläubigkeit im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] gestützt. Eine Prüfung der Unzulässigkeit des Löschungsantrags sei schließlich nicht durch § 54 Abs. 2 Satz 2 [X.] ausgeschlossen gewesen.

6

III. [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das [X.].

7

1. Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene Rechtsbeschwerde eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht die volle rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass diese auf die Entscheidung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfragen beschränkt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Juli 1995 - [X.], [X.]Z 130, 187, 191 - Füllkörper; Beschluss vom 16. Juli 2009 - [X.], [X.]Z 182, 325 Rn. 14 - [X.]; Beschluss vom 10. Juli 2014 - [X.], [X.], 872 Rn. 8 = [X.], 1062 - [X.]; Beschluss vom 9. Juli 2015 - [X.]/13, [X.], 1012 Rn. 7 = [X.], 1108 - Nivea-Blau).

8

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Zwar ist das [X.] zu Recht davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit eines Löschungsantrags gemäß § 54 Abs. 1 [X.] die Angabe eines konkreten absoluten Schutzhindernisses im Sinne von §§ 8, 50 Abs. 1 [X.] voraussetzt (dazu [X.]). Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das [X.] angenommen, dass der Löschungsantrag der Antragstellerin diesen Anforderungen nicht genügt (dazu III 2 b). Mit Erfolg macht die Rechtsbeschwerde jedoch geltend, das [X.] habe den Antrag rechtsfehlerhaft als unzulässig zurückgewiesen, ohne der Antragstellerin zuvor Gelegenheit zu geben, den Begründungsmangel zu beheben (dazu III 2 c).

9

a) Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit eines Löschungsantrags gemäß § 54 Abs. 1 [X.] die Angabe eines konkreten absoluten Schutzhindernisses im Sinne von §§ 8, 50 Abs. 1 [X.] voraussetzt.

aa) Das Erfordernis der Angabe eines konkreten absoluten Schutzhindernisses lässt sich allerdings dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Die Vorschrift des § 54 [X.] enthält keine nähere Bestimmung zu Inhalt und Umfang des Löschungsantrags. Aus § 42 [X.] in Verbindung mit § 41 Abs. 2 Nr. 5 [X.] lassen sich dazu ebenfalls keine Regelungen entnehmen. Dort ist lediglich bestimmt, dass im Löschungsantrag der [X.] anzugeben ist.

bb) Dass ein zulässiger Löschungsantrag die Angabe eines konkreten [X.]es voraussetzt, folgt jedoch aus einer entsprechenden Anwendung von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wonach die Klageschrift neben dem Antrag die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten muss. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist entsprechend anwendbar auf das Löschungsverfahren gemäß §§ 54, 50, 8 [X.].

(1) Der Antrag gemäß § 54 Abs. 1 [X.] ist nicht lediglich als eine Anregung zu einem von Amts wegen durchzuführenden Löschungsverfahren anzusehen. Durch den Antrag wird vielmehr ein kontradiktorisches Verfahren eingeleitet, das grundsätzlich den für ein solches Verfahren geltenden Regeln unterworfen ist. Dazu gehören auch Bestimmungen der Zivilprozessordnung sowie allgemeine verfahrensrechtliche Grundsätze, soweit ihre Anwendung zur Ausfüllung von Lücken der markenrechtlichen Verfahrensvorschriften erforderlich ist und Besonderheiten dieser Verfahrensart ihre Heranziehung nicht ausschließen ([X.], Beschluss vom 16. Juni 1993 - [X.], [X.]Z 123, 30, 32 f. - [X.]; [X.]Z 182, 325 Rn. 18 - [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 54 Rn. 2). Zu den im Löschungsverfahren anwendbaren zivilprozessualen Regelungen sind auch die in den §§ 322, 325 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken zu zählen, deren Sinn in der endgültigen Befriedung eines kontradiktorischen Parteienstreits liegt, der über denselben Streitgegenstand nicht wiederholt werden soll ([X.]Z 123, 30, 33 f. - [X.]; [X.]Z 182, 325 Rn. 18 - [X.]; [X.]/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 56 [X.] Rn. 1). Das konkrete, auf einen bestimmten [X.] gestützte Löschungsverlangen ist einem prozessualen Streitgegenstand hinreichend vergleichbar ([X.]Z 123, 30, 34 - [X.]). Daraus ergibt sich, dass der das Verfahren einleitende Akt nicht nur das im Antrag umschriebene [X.], sondern auch die Angabe eines Antragsgrundes enthalten muss, aus dem der Antragsteller die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. zum zweigliedrigen [X.] im Zivilprozess [X.], Urteil vom 7. April 2011 - [X.], [X.], 742 Rn. 14 = [X.], 873 - Leistungspakete im Preisvergleich; Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, [X.]Z 194, 314 Rn. 18 - [X.]). Dem Erfordernis, dass der verfahrenseinleitende Antrag den Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lassen und so den Streitgegenstand fixieren muss, dient die Bestimmung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 253 Rn. 13; [X.] in [X.].ZPO, 4. Aufl., § 253 Rn. 4; [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 12. Aufl., § 253 Rn. 1).

(2) Besonderheiten des markenrechtlichen Löschungsverfahrens gemäß §§ 54, 50 [X.], die der entsprechenden Anwendung von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat das [X.] zutreffend angenommen, dass sich ein weiterer Grund für das Erfordernis der Angabe eines konkreten [X.]es im Sinne von § 8 Abs. 2 [X.] auch aus der Regelung einer Antragsfrist des § 50 Abs. 2 Satz 2 [X.] ergibt. Diese Frist hat der Gesetzgeber nicht für alle absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 [X.] vorgesehen, sondern nur für die in den Nummern 1 bis 3 dieser Bestimmung angeführten Tatbestände. Dem Patent- und Markenamt ist eine Überprüfung des [X.], die - wie im Streitfall - vor mehr als zehn Jahren eingetragen wurden, mithin nur möglich, wenn der Antragsteller konkrete Schutzhindernisse benennt, auf die er den Löschungsantrag stützt.

cc) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist der Löschungsantrag nicht bereits deshalb zulässig, weil die Antragstellerin den Antrag unter Verwendung des vom [X.] herausgegebenen Formblatts gestellt und dieses eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Tatbeständen des § 8 [X.] im Zeitpunkt der Antragstellung nicht vorgesehen hat.

(1) [X.] kann bereits aus tatsächlichen Gründen keinen Erfolg haben. Es fehlt an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme, die Antragstellerin sei durch die Gestaltung des amtlichen Formblatts von der verfahrensrechtlich erforderlichen Angabe eines konkreten [X.]es abgehalten worden. Zwar hat das Formblatt für die Angabe des [X.]es seinerzeit lediglich die durch Ankreuzen auszuwählenden Möglichkeiten

☐ Die Marke ist entgegen § 3 [X.] eingetragen worden (§ 50 Abs. 1 i.V.m. § 3 [X.]).

☐ Die Marke ist entgegen § 7 [X.] eingetragen worden (§ 50 Abs. 1 i.V.m. § 7 [X.]).

☐ Die Marke ist entgegen § 8 [X.] eingetragen worden (§ 50 Abs. 1 i.V.m. § 8 [X.]).

vorgesehen. In dem Formular ließen sich allerdings keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass ergänzende Angaben in dem Formular selbst oder einer Anlage nicht erforderlich oder sogar nicht erlaubt waren.

(2) Der Gestaltung des [X.] kommt außerdem auch aus Rechtsgründen keine für die Voraussetzungen der Zulässigkeit des Antrags maßgebliche Bedeutung zu. Zwar bestimmt § 41 Abs. 1 [X.], dass der Löschungsantrag unter Verwendung des vom [X.] herausgegebenen Formblatts gestellt werden soll. Dieser lediglich als "Soll"-Bestimmung gefassten Formvorschrift lässt sich jedoch keine abschließende Regelung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Löschungsantrags entnehmen. Das [X.] kann durch § 41 Abs. 1 [X.] nicht mit den Vorgaben seines Formblatts die im kontradiktorischen Löschungsverfahren heranzuziehenden zivilprozessualen Grundsätze ausschließen oder einschränken.

b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich eine hinreichend bestimmte Angabe des konkreten [X.]es im Streitfall nicht durch eine Auslegung des Löschungsantrags in Verbindung mit den von der Antragstellerin im Verfahren vorgelegten Anlagen.

aa) Das [X.] ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, es sei nach dem Grundsatz der Amtsermittlung nicht geboten gewesen, die Anlagen durchzusehen und daraus Schlüsse auf das Begehren der Antragstellerin zu ziehen.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin haben gegenüber dem [X.] keine schriftsätzlichen Ausführungen zum [X.] gemacht. Sie haben vielmehr nur zu der Frage vorgetragen, ob dem Antrag der Markeninhaberin auf Wiedereinsetzung in die von dieser versäumte Widerspruchsfrist zu entsprechen sei. Allein im Hinblick auf die Behauptung, den Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin sei bekannt gewesen, dass ein Löschungsverfahren gemäß § 50 [X.] anhängig gewesen sei, haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin auf die eingereichte Schutzschrift verwiesen. Dieses Prozessverhalten genügt nicht den Anforderungen, die entsprechend § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO an die konkrete Angabe des [X.]es zu stellen sind.

bb) Das [X.] hat ferner angenommen, aus den von der Antragstellerin eingereichten Anlagen seien keine zweifelsfreien Schlüsse auf ihr Begehren zu ziehen gewesen. Zum Beleg dafür, dass die Markeninhaberin Kenntnis von dem Löschungsantrag gehabt habe, habe sie eine Schutzschrift der [X.] vom 17. November 2011 vorgelegt. Dort sei zwar ausgeführt worden, die Markeninhaberin sehe sich dem Vorwurf ausgesetzt, [X.] angemeldet zu haben. Dieser Hinweis lasse sich jedoch schon nicht konkret auf die im Streitfall maßgebliche Marke Nr. [X.] 007 beziehen. Auch lasse die Schutzschrift nicht erkennen, auf welchen Anspruch sich die Antragstellerin letztlich stützen wollte. Sie habe keine Begründung gegeben, die eindeutig auf § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] abstellte. Diese Beurteilung lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.

(1) Die Rechtsbeschwerde meint, entgegen der Ansicht des [X.]s ergebe sich aus dem Inhalt der Schutzschrift vom 17. November 2011 sehr wohl, dass die Markeninhaberin im vorliegenden Verfahren jedenfalls (auch) dem Vorwurf der bösgläubigen Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] ausgesetzt sein sollte. Damit dringt die Rechtsbeschwerde nicht durch. Das [X.] hat den Inhalt der Schutzschrift zutreffend gewürdigt.

(2) Die Rechtsbeschwerde macht ferner ohne Erfolg geltend, der Zulässigkeit des auf § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] gestützten Löschungsantrags stehe nicht entgegen, dass der Antrag darüber hinaus möglicherweise auf weitere absolute Schutzhindernisse im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 [X.] habe gestützt werden sollen. Das [X.] hat nicht angenommen, dass der Löschungsantrag nicht hinreichend begründet sei, weil die Antragstellerin in der Schutzschrift mehrere absolute Schutzhindernisse geltend gemacht habe.

c) Die Rechtsbeschwerde hat jedoch Erfolg, soweit sie geltend macht, das [X.] habe den Antrag rechtsfehlerhaft als unzulässig zurückgewiesen, weil es der Antragstellerin zuvor keine Gelegenheit gegeben habe, den bestehenden Begründungsmangel zu beheben.

aa) Gemäß § 59 Abs. 2 [X.] hat das [X.] einem Verfahrensbeteiligten innerhalb einer bestimmten Frist Gelegenheit zur Äußerung zu geben, wenn die Entscheidung auf Umstände gestützt wird, die dem Verfahrensbeteiligten noch nicht mitgeteilt waren. Mit dieser Bestimmung wird auch für das patentamtliche Verfahren der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gesetzlich festgelegt ([X.] in [X.]/[X.] aaO § 59 Rn. 14; [X.]/[X.]/[X.] aaO § 59 [X.] Rn. 20; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 59 Rn. 8). Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Aus ihr ergibt sich zwar keine Verpflichtung des Gerichts, vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen oder allgemein von seinem Frage- und Aufklärungsrecht Gebrauch zu machen. Es stellt jedoch eine Versagung des rechtlichen Gehörs dar, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen [X.] nicht zu rechnen brauchte, weil dies im Ergebnis der Verhinderung des Vortrags eines Verfahrensbeteiligten gleichkommt (vgl. [X.] 84, 188, 190; [X.], NJW 1994, 1274; [X.], Beschluss vom 24. Juni 2010 - [X.], [X.], 1034 Rn. 11 = [X.], 1399 - [X.]).

bb) Nach diesen für das markenrechtliche Löschungsverfahren entsprechend geltenden Grundsätzen war das [X.] gehalten, die Antragstellerin auf die Mängel des Löschungsantrags hinzuweisen.

Entgegen der Ansicht des [X.]s verstößt ein solcher Hinweis nicht gegen die Neutralitätspflicht des [X.]es. Vielmehr haben auch die Zivilgerichte nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] den Kläger auf Mängel beim notwendigen Inhalt der Klageschrift hinzuweisen (vgl. zu § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO [X.], Urteil vom 12. Dezember 2012 - [X.], [X.], 387 Rn. 29, mwN; [X.]/[X.] aaO § 253 Rn. 23; [X.] in [X.] ZPO, Stand 1. Dezember 2015, § 253 Rn. 80). Dies gilt auch im markenamtlichen Löschungsverfahren im Hinblick auf den notwendigen Inhalt des Antrags gemäß § 54 Abs. 1 [X.].

Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, läuft ein Hinweis auf die nicht ordnungsgemäße Begründung des Löschungsantrags auch nicht auf die Möglichkeit hinaus, der Antragstellerin neue Löschungsgründe nahezulegen, die in ihrem Sachvortrag nicht einmal andeutungsweise enthalten waren. Die Antragstellerin hat ihren Löschungsantrag damit begründet, dass die angegriffene Marke der Markeninhaberin entgegen § 8 [X.] eingetragen worden ist. Der im Streitfall gebotene Hinweis des [X.]es betrifft keinen vollständig neuen [X.], sondern ist lediglich auf die nähere Konkretisierung der in § 8 [X.] angeführten Schutzhindernisse gerichtet.

Ein Hinweis war vorliegend nicht deshalb entbehrlich, weil ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter nach dem bisherigen [X.] damit rechnen musste, dass die Zulässigkeit des Löschungsantrags wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß § 54 Abs. 1 [X.] die Angabe des oder der konkreten Schutzhindernisse im Sinne von § 8 Abs. 2 [X.] erfordert. Ein solches Erfordernis ist bislang von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht aufgestellt worden. Der Vorhersehbarkeit steht außerdem die Gestaltung des gemäß § 41 Abs. 1 [X.] vom [X.]es herausgegebenen Formblatts entgegen. Dessen Gestaltung zum Zeitpunkt der Antragstellung schloss zwar eine differenzierte Angabe des Schutzhindernisses nicht aus, legte eine solche Angabe aber auch nicht nahe, sondern sah ausdrücklich lediglich die formularmäßige Angabe eines Verstoßes gegen § 8 [X.] vor.

cc) Die Entscheidung des [X.]s beruht auf dem Versagen des rechtlichen Gehörs.

(1) [X.] im Sinne von § 59 Abs. 2 [X.] setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung auf dem Versagen des rechtlichen Gehörs beruht oder beruhen kann. Liegt der Gehörsverstoß in der Verletzung einer Hinweispflicht, muss mit der Rüge ausgeführt werden, wie die betreffende Partei auf einen Hinweis reagiert hätte, weil nur so das Rechtsbeschwerdegericht beurteilen kann, ob die angefochtene Entscheidung auf dem Gehörverstoß beruht (vgl. zu § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.], [X.], 1034 Rn. 17 - [X.]; [X.], Beschluss vom 11. April 2013 - [X.], [X.], 1276 Rn. 25 = [X.], 1608 - MetroLinien).

(2) Diesen Anforderungen genügt die Rechtsbeschwerde. Sie hat geltend gemacht, die Antragstellerin hätte ihren Löschungsantrag auf einen Hinweis des [X.]es auf die absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 10 [X.] gestützt. Die Rechtsbeschwerde hat ferner ausgeführt, die Antragstellerin hätte ihren Vortrag zum Gesichtspunkt einer bösgläubigen Markenanmeldung im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] erforderlichenfalls weiter konkretisiert und im Einzelnen dargelegt, dass die angegriffene Marke in Kenntnis des Besitzstandes des [X.] Unternehmens [X.] zum Zwecke der Aussperrung dieses Unternehmens angemeldet worden sei.

(3) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das [X.] bei Berücksichtigung dieser Umstände zu einer anderen Beurteilung der Zulässigkeit des Löschungsantrags gelangt wäre. Entsprechendes gilt für die Beurteilung des [X.]s im Beschwerdeverfahren. Das [X.] hat den im Löschungsverfahren vor dem [X.] entstandenen Verfahrensmangel im Beschwerdeverfahren perpetuiert.

3. Die Entscheidung des [X.]s kann danach nicht aufrechterhalten werden. Sie ist aufzuheben und die Sache ist an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 [X.]).

IV. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass es im Streitfall nicht darauf ankommt, ob die Markeninhaberin dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen hat oder ob ihr insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 91 [X.] zu gewähren ist, weil der Löschungsantrag zunächst unzulässig war. Die Löschung einer Marke wegen des Ausbleibens eines Widerspruchs gegen den Löschungsantrag gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 [X.] setzt zumindest voraus, dass der Löschungsantrag zulässig ist (vgl. [X.] in Ekey/[X.]/Fuchs-Wissemann, Markenrecht, 3. Aufl., § 54 [X.] Rn. 25; sogar eine Schlüssigkeit halten für erforderlich [X.] in [X.]/[X.] aaO § 54 Rn. 18; v. Gamm in Büscher/[X.]/[X.] aaO § 54 [X.] Rn. 10; [X.] in [X.] [X.], Stand 1. November 2015, § 54 [X.] Rn. 43; vgl. auch Fezer, [X.], 4. Aufl., § 54 Rn. 3, der einen ordnungsgemäßen, nicht offensichtlich unbegründeten Löschungsantrag für erforderlich hält; gegen das Erfordernis einer [X.] [X.]/[X.] aaO § 54 Rn. 8). Im Streitfall fehlt es bereits an einem zulässigen Löschungsantrag, weil die Antragstellerin kein konkretes absolutes Schutzhindernis im Sinne von § 8, 50 Abs. 1 [X.] angegeben hat. Durch einen unzulässigen Löschungsantrag wird die Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht in Gang gesetzt.

Büscher                    Schaffert                        [X.]

                [X.]

Meta

I ZB 87/14

11.02.2016

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 1. Juli 2014, Az: 27 W (pat) 36/13, Beschluss

§ 8 MarkenG, § 50 MarkenG, § 54 Abs 1 MarkenG, § 54 Abs 2 S 2 MarkenG, § 59 Abs 2 MarkenG, § 41 Abs 2 Nr 5 MarkenV, § 42 MarkenV, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.02.2016, Az. I ZB 87/14 (REWIS RS 2016, 16368)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16368


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 87/14

Bundesgerichtshof, I ZB 87/14, 11.02.2016.


Az. 27 W (pat) 36/13

Bundespatentgericht, 27 W (pat) 36/13, 31.01.2017.

Bundespatentgericht, 27 W (pat) 36/13, 01.07.2014.


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