Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.11.2019, Az. NotSt (Brfg) 4/18

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2019, 1481

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Gegenstand

Dauerhafte Entfernung eines Notars aus dem Amt bei Nichtbeachtung von Treuhandauflagen und Gebührenüberhebungen


Leitsatz

1. Zu der Entfernung eines Notars aus dem Amt.

2. Zu der Bindungswirkung eines strafgerichtlichen Urteils im Disziplinarverfahren gegen einen Notar.

Tenor

1. Der Antrag des Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vom 13. November 2019 wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] - Notarsenat - vom 9. März 2018 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

1. Der im Jahr 1958 geborene [X.] wurde 1991 in [X.] zum Notar bestellt, wo er bis März 2010 tätig war. Am 1. April 2010 wurde ihm eine Stelle als "freier" Notar in [X.]      übertragen.

2

2. Der [X.] ist zuvor disziplinarrechtlich in zwei Fällen in Erscheinung getreten. Durch Disziplinarverfügung des Präsidenten des [X.]    vom 15. September 2008, geändert durch rechtskräftigen [X.]eschluss des [X.]    vom 22. Mai 2009, wurde gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 5.000 € verhängt, weil er vorsätzlich gegen die von den Vertragsparteien erteilte Weisung verstoßen hatte, die Umschreibung des Eigentums erst nach der [X.]estätigung der Kaufpreiszahlung zu beantragen. Mit Verfügung des Präsidenten des [X.]      vom 5. Dezember 2011 wurde ihm wegen Verstößen gegen § 17 Abs. 1 Satz 1, § 23 Satz 1, §§ 44a, 46 Abs. 3 Satz 2 [X.]eurkG eine Missbilligung ausgesprochen.

3

3. Am 22. und 23. Mai 2012 fand bei dem Notar eine Geschäftsprüfung statt. Dabei kam es zu durch den Notarprüfer festgestellten [X.]eanstandungen, derentwegen am 16. Juli 2012 ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde. Ferner stellte die [X.]ezirksrevisorin bei der von ihr vorgenommenen Prüfung der Kostenrechnungen und der [X.] fest, dass der Notar bei allen 26 von ihr überprüften Kaufverträgen dem Ansatz der [X.]etreuungsgebühren anlässlich der Überwachung der Kaufpreisfälligkeit, der Überwachung der Eigentumsumschreibung und der Vermittlung des [X.] (§ 147 Abs. 2 i.V.m. § 30 [X.]) einen Geschäftswert von 100 % des Kaufpreises zugrunde gelegt hatte. Auf Weisung des Präsidenten des [X.] vom 30. Juli 2012 legte der Notar die entsprechenden Kostenrechnungen gemäß § 156 Abs. 7 [X.] dem [X.] vor, das sie in allen Fällen ermäßigte.

4

4. Mit Verfügung vom 21. März 2013 leitete der Präsident des [X.] gegen den Notar ein weiteres - in der Folge mit dem zunächst eingeleiteten Disziplinarverfahren verbundenes - Disziplinarverfahren wegen des Verdachts eines Dienstvergehens durch Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] (Gebührenüberhebung) in 26 Fällen ein und erstattete Strafanzeige (§ 352 Abs. 1 StG[X.]) bei der Staatsanwaltschaft [X.]      unter [X.]eifügung des Prüfungsberichts der [X.]ezirksrevisorin und der Stellungnahme des Notars vom 23. Juli 2012, des Vorlageschreibens des Notars vom 27. August 2012 und der 26 Entscheidungen des [X.] in den [X.] nach § 156 Abs. 7 [X.]. Im Rahmen des daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wegen Gebührenüberhebung wurden am 16. Mai 2013 die Geschäfts- und Wohnräume des Notars in [X.]       durchsucht, sämtliche Kostenrechnungen, die in der Folge Gegenstand der strafgerichtlichen Verurteilung waren, beschlagnahmt und durch die [X.]ezirksrevisorin und weitere [X.]eamte ausgewertet.

5

5. Mit Verfügung vom 9. April 2014 wurde der [X.] vorläufig und mit sofortiger Wirkung bis zum unanfechtbaren Abschluss des Disziplinarverfahrens des Amtes enthoben; sein Antrag auf Aussetzung der Amtsenthebung wurde (rechtskräftig) abgelehnt.

6

6. Mit Urteil des [X.]      - [X.] [X.]      - vom 27. November 2014 ([X.]; im folgenden "Strafurteil") wurde der [X.] wegen Gebührenüberhebung in 1678 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur [X.]ewährung ausgesetzt wurde. Hinsichtlich der getroffenen Tatsachenfeststellungen wird auf das genannte Urteil sowie auf das vorliegend angefochtene Urteil des [X.], Seiten 3 bis 6, [X.]ezug genommen. Der [X.] hat in dem Strafverfahren die Revision des [X.]n durch [X.]eschluss vom 14. Oktober 2015 (1 [X.], juris) mit der Maßgabe verworfen, dass er in 1661 Fällen der Gebührenüberhebung schuldig ist.

7

7. Das klagende Land erhob [X.] gegen den [X.]n mit dem Ziel seiner Entfernung aus dem Amt. Es legt dem [X.]n - neben hier nicht mehr erheblichen weiteren Amtspflichtverletzungen - folgendes zur Last:

8

Der [X.] habe zwischen dem 16. April 2010 und dem 15. Mai 2013 im Rahmen der [X.]eurkundung von Grundstückskaufverträgen gemäß § 147 Abs. 2 [X.] anfallende [X.]etreuungsgebühren in mindestens 1661 Fällen entgegen der ihm bekannten höchstrichterlichen Rechtsprechung aus einem deutlich überhöhten Gegenstandswert abgerechnet, indem er diesen mit dem Kaufpreis gleichgesetzt habe, obwohl der Gegenstandswert gemäß § 30 Abs. 1 [X.] nach pflichtgemäßem Ermessen nur mit einem nach Abwägung aller wertrelevanten Umstände des Einzelfalles zu bestimmenden Teilbetrag des Kaufpreises zu bestimmen gewesen sei. Der [X.] habe zudem seine Amtspflichten im Zusammenhang mit der Verwahrung von Fremdgeldern in drei Fällen verletzt, nämlich den Fällen "M." ([X.]. 1027/10), "D." ([X.]. 840/11) und "[X.]" ([X.]. 2322/11). Der [X.] ist den Vorwürfen entgegengetreten.

9

8. Das [X.] hat die Klage des [X.] nach [X.]eweisaufnahme durch Zeugenvernehmung und Ausscheiden hier nicht mehr gegenständlicher Pflichtverletzungen gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1, § 56 Satz 1 [X.] für zulässig und begründet erachtet (§ 96 Abs. 1 Satz 1, § 98 Abs. 1 Satz 2 [X.] i.V.m. § 52 Abs. 1 [X.]) und den Notar aus dem Amt entfernt. Zur [X.]egründung hat es - soweit hier noch erheblich - folgendes ausgeführt:

Mängel des Disziplinarverfahrens, die einer [X.] entgegenstehen würden, bestünden nicht. Der im Disziplinarverfahren ermittelte Sachverhalt unterliege keinem [X.]eweisverwertungsverbot. Soweit der [X.] die Akten, die Gegenstand der straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen gewesen seien, in Erfüllung seiner gesetzlichen Vorlagepflichten herausgegeben habe, folge daraus kein [X.]eweisverwertungsverbot. Darin liege kein rechtswidriger Eingriff in die [X.] des [X.]n. Wie das [X.] in seinem [X.]eschluss vom 27. April 2010 (2 [X.]) ausgeführt habe, beträfen gesetzliche Vorlagepflichten [X.] der grundgesetzlich geschützten [X.] auch dann nicht, wenn die vorzulegenden Unterlagen auch zur Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten verwendet werden dürften, soweit solche Mitwirkungspflichten zum Schutz von Gemeinwohlbelangen verfassungsrechtlich gerechtfertigt seien. Dieser Grundsatz gelte allgemein und nicht nur im [X.]ereich des Steuerrechts. Die Vorlagepflichten des Notars fänden ihre Rechtfertigung in der öffentlichen Aufgabe der staatlichen Aufsicht, ein funktionsfähiges und gesetzeskonform tätiges Notariat zu gewährleisten. Der vom [X.]n angeführte [X.]eschluss des [X.] vom 4. April 2012 (8 [X.]) zu der gesetzlichen [X.]erichts- und Auskunftspflicht des [X.] nach § 26 Abs. 1 Satz 2 SeeLG sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Im vorliegenden Fall gehe es nicht darum, dass der [X.] aufgrund dienstlicher Auskunftspflichten ein Dienstvergehen zu offenbaren gehabt habe. Er habe lediglich die Prüfung seiner Amtstätigkeit durch die Dienstaufsicht zu dulden gehabt, die zur Wahrung eines gesetzmäßig funktionierenden Notariats gerechtfertigt und geboten sei. Erkenntnisse aus Akten, die im Rahmen der Dienstaufsicht gemäß § 93 [X.] gewonnen würden, dürften im Disziplinarverfahren verwertet werden.

Von welchen Erwägungen und Erwartungen die Einleitung der Ermittlungen gegen den [X.]n getragen gewesen sei, sei nicht erheblich. Entscheidend sei, dass der Sachverhalt zutreffend und unter Wahrung der Rechte des [X.]n ermittelt worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass das Recht des [X.]n auf ein faires Verfahren verletzt worden oder er in seinen [X.]efugnissen, Einfluss auf den Gang und das Ergebnis der Ermittlungen zu nehmen, in irgendeiner Weise eingeschränkt worden wäre. Den [X.]eweisanregungen des [X.]n zu seiner [X.]ehauptung, die Ermittlungen seien vom [X.] wegen seiner Parteizugehörigkeit von Anfang an mit der Zielsetzung eingeleitet worden, ihn aus dem Amt zu entfernen, sei daher nicht nachzugehen gewesen.

Der [X.] habe durch die überhöhten Gebührenabrechnungen und durch die weisungswidrige Auszahlung [X.] schuldhaft die ihm obliegenden Amtspflichten verletzt und damit ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen.

Er habe seine Pflicht, gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] für seine Tätigkeit die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren zu erheben, vorsätzlich verletzt, indem er sich in 1661 Fällen der Gebührenüberhebung (§ 352 Abs. 1 StG[X.]) schuldig gemacht habe. Der dem Vorwurf zugrunde liegende Sachverhalt stehe aufgrund des Strafurteils vom 27. November 2014 fest und sei gemäß § 57 Abs. 1 [X.] im Disziplinarverfahren bindend. Eine Lösung von den tatsächlichen Urteilsfeststellungen komme nicht in [X.]etracht. Die Feststellungen seien nicht offenkundig unrichtig. Der schematische Ansatz des vollen Kaufpreises als Gegenstandswert der [X.]etreuungsgebühren, den der [X.] den beanstandeten Gebührenrechnungen zugrunde gelegt habe, stehe in offenkundigem Widerspruch zum damals eindeutigen Standpunkt in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur und sei daher rechtswidrig. Das Interesse an einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege (§ 4 [X.]) setze der Unabhängigkeit des Notars bei der [X.]emessung seiner Gebühren Grenzen und verbiete eine Gebührenpraxis, die einer gefestigten Rechtsprechung offensichtlich [X.]. [X.] der Notar dagegen, liege darin ein Dienstvergehen. Der Angriff des [X.]n gegen die Feststellungen des Strafurteils, dass ihm die Grundsätze der Wertermittlung spätestens seit Dezember 2005 bekannt gewesen seien, gebe keinen Anlass, die [X.]eweisaufnahme durch Vernehmung der Zeuginnen [X.]    und [X.].     zu wiederholen. Das [X.] habe sich mit den Aussagen der Zeuginnen auseinandergesetzt, seine gegenteilige Überzeugung aber auf die Aussagen der [X.]     und S.  und maßgeblich auf den Prüfungsbericht vom 12. Dezember 2005 mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.]s und das Schreiben des [X.]n vom 3. Juli 2006 hierzu gestützt. Diese [X.]eweiswürdigung sei nicht zu beanstanden und jedenfalls nicht offenkundig unrichtig.

Gleiches gelte für die Feststellung des [X.], der [X.] habe in den der Verurteilung zugrundeliegenden Fällen kein Ermessen ausgeübt. Die Einführung der Urkunden in die Hauptverhandlung im Wege des [X.] sei prozessordnungsgemäß erfolgt. Die Feststellung, dass vom [X.]n in den der Verurteilung zugrundeliegenden Fällen ohne Ausübung eines Ermessens der volle Grundstückswert angesetzt worden sei, habe das [X.] auf die Aussagen der mit der Kostenprüfung betrauten Zeugen sowie auf die Angaben exemplarisch vernommener Kostenschuldner gestützt. Fehler seien insoweit nicht erkennbar.

Im Fall "M." habe der [X.] den Kaufpreis zumindest leichtfertig unter Verstoß gegen die [X.] der finanzierenden [X.]ank ausgezahlt. Der [X.] habe den Kaufpreis am 14. und 17. Januar 2011 ausgezahlt, ohne dass zu diesem [X.]punkt der Antrag auf Eintragung der am 9. Dezember 2010 zu Gunsten der finanzierenden [X.]ank beurkundeten Grundschuld und der Vormerkung zugunsten M. bei dem Grundbuchamt eingereicht worden sei. Dieser Antrag sei erst mit Schreiben vom 25. Januar 2011 gestellt worden.

Im Fall "D." habe der [X.] am 20. Juli 2011 entgegen der Treuhandanweisung den Kaufpreis ausgezahlt, obwohl zu diesem [X.]punkt die vorrangige [X.]uchgrundschuld zugunsten des [X.] noch nicht gelöscht gewesen sei. Nach dem Ergebnis der [X.]eweisaufnahme stehe fest, dass der [X.] im [X.]punkt der Auszahlung von der Grundschuld zugunsten des [X.] gewusst habe und die Auszahlung im Vertrauen auf die Zusage des Geschäftsführers der [X.], eine Löschungsbewilligung vorzulegen, vorgenommen habe. Das entspreche der eigenen Darstellung des [X.]n im Schreiben an seinen Versicherer vom 11. September 2012. Dass der [X.] diesen Text selbst verfasst habe, habe die Vernehmung der Zeugin S.       ergeben, die glaubhaft erklärt habe, der Inhalt des Schreibens stamme vom [X.]n; sie selbst habe den [X.]rief nur geschrieben. Es sei auch nicht plausibel, weshalb der [X.] dem Versicherer gegenüber die ihm ungünstige Kenntnis von der Grundschuld hätte einräumen sollen, wenn dies nicht den Tatsachen entsprochen habe. Eine Erklärung dafür habe der [X.] nicht gegeben. Dafür, dass ihm die Grundschuld bekannt gewesen sei, spreche schließlich der Umstand, dass in der Auszahlungsanweisung der Verwendungszweck "Grundschuld" angegeben worden sei.

Im Fall "[X.]" habe der [X.] beim Vollzug der Kettenkaufverträge vom 17. Oktober 2011 zwischen den Erstverkäufern und der [X.] sowie der [X.] und dem Enderwerber den Kaufpreis ausgekehrt, obwohl die Eintragung einer Grundschuld entgegen den Anweisungen der finanzierenden [X.]ank noch nicht sichergestellt gewesen sei. Am 22. November 2011 habe er die Auszahlung eines [X.] angewiesen und mit Schreiben vom gleichen Tag beim Grundbuchamt die Eintragung der [X.] als Eigentümerin, der Grundschuld zugunsten der finanzierenden [X.]ank und der [X.] beantragt. Ungeachtet der Frage, ob der [X.] die Kettenkaufverträge überhaupt ohne Verstoß gegen die Anweisungen der [X.] hätte vollziehen können, habe er gegen die Anweisungen der finanzierenden [X.]ank verstoßen, weil er die Auszahlung angewiesen habe, ohne dass dem Grundbuchamt die für die Eintragung der Grundschuld und der [X.] notwendigen Anträge zu diesem [X.]punkt bereits vorgelegen hätten.

Wegen des einheitlichen Dienstvergehens des [X.]n sei seine Entfernung aus dem Amt als Notar erforderlich und gerechtfertigt.

9. Mit seiner [X.]erufung macht der [X.] geltend, die Vorwürfe träfen nicht zu; unabhängig davon rechtfertigten sie aber auch nicht seine Entfernung aus dem Amt. Das [X.] habe sich zu Unrecht an die Feststellungen des Strafurteils gebunden gehalten. Das Strafurteil sei nichtig, jedenfalls aber offenkundig unrichtig. Es verneine rechtsfehlerhaft und unter Verkennung der Rechtsprechung des [X.]s ein [X.]eweisverwertungsverbot. Die den [X.]n entlastenden Aussagen der Zeuginnen [X.]    und [X.].    und des [X.] aus dem Prüfungsverfahren 2001, ein Widerspruch in der Zeugenaussage des [X.] aus dem Prüfungsverfahren 2005 sowie die Prüfungsergebnisse aus der Prüfung 2010 seien unberücksichtigt geblieben. Die [X.] habe den Tatbestand der Gebührenüberhebung, die Täuschungshandlung durch Übersenden der Rechnung und den Vorsatz des [X.]n evident zu Unrecht bejaht. Das Strafurteil sei nichtig, denn es sei ausgeschlossen, dass die im Selbstleseverfahren zu lesenden Unterlagen von den Richtern in der zur Verfügung stehenden [X.] hätten gelesen werden können. Dem stehe nicht entgegen, dass kein Rechtsmittel gegen die Anordnung des [X.] eingelegt worden sei, weil die [X.]eteiligten erst am Schluss des Verfahrens erfahren hätten, dass kein ausreichender [X.]raum zur Verfügung gestellt worden sei. In drei Fällen ([X.]. 53/11, 49/13 und 368/13) sei der [X.] wegen vollendeter Taten verurteilt worden, ohne dass sich den Unterlagen entnehmen lasse, dass die Kostennoten beglichen worden seien. Das Strafurteil verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil die von dem [X.]n in [X.] über 18 Jahre unbeanstandet geübte Praxis nunmehr in [X.] zur strafrechtlichen Verurteilung und Amtsenthebung führe. Das [X.] habe die Zeuginnen [X.]      und [X.].     nicht vernommen, deren Aussagen im Strafurteil unberücksichtigt geblieben seien. Die Vorwürfe in den Fällen "M.", "D." und "[X.]" träfen nicht zu. Im Fall “M.“ sei niemand zu Schaden gekommen; es handle sich um ein [X.]üroversehen durch eine Mitarbeiterin. Im Fall "D." sei zum [X.]punkt der Auszahlung am 20. Juli 2011 die Existenz der Grundschuld im [X.]üro des [X.]n nicht bekannt gewesen. In seinem Schreiben an die Versicherung sei der [X.] irrtümlich von einem falschen Sachverhalt ausgegangen; erst Anfang 2015 habe er in einem Gespräch mit der Zeugin S.         den wahren Sacherhalt erfahren. Im Fall "[X.]" habe die V.       gewusst, dass sie Kettenkaufverträge finanzieren solle. Sie habe gewusst, dass aus dem Darlehen der erste Kaufpreis habe bezahlt werden müssen, damit die Grundbuchanträge für den [X.] gestellt werden könnten. Aus diesem Grund habe sie nicht - wie das [X.] formuliere - zur Auflage gemacht, dass die Auflagen "erfüllt" sein müssten, sondern formuliert "über den genannten [X.]etrag dürfen Sie nur verfügen, wenn sichergestellt ist, dass die nachfolgenden Auflagen erfüllt werden …". Diese Auflagen seien erfüllt worden. Die Anträge (Eigentumsumschreibung auf [X.], Löschung ihrer Vormerkung, Löschung der Grundschuld der [X.], Eintragung der Grundschuld zugunsten der V.      , Vormerkung zugunsten [X.]) seien in einem einzigen Schreiben gestellt worden. [X.] habe diese Anträge am 22. November 2011 persönlich beim Grundbuchamt eingereicht. Dieses habe dem [X.]üro des [X.]n fernmündlich den rangrichtigen Eingang bestätigt; erst dann sei die Ablösesumme gezahlt worden. Der damalige Justizminister habe die Entfernung des [X.]n aus dem Amt mit allen Mitteln betrieben und entsprechend auch die Gerichte angewiesen.

Der [X.] beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Das klagende Land beantragt,

die [X.]erufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das angefochtene Urteil.

10. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der [X.]eteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte nebst [X.]eiakten (1 Not 3 - 5/14, [X.]), den Inhalt der Akten des disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahrens sowie den Inhalt der bei dem Kläger geführten Personalakten des Notars und den Inhalt der bei dem [X.] geführten Personalakten verwiesen. Die [X.] zu den Verfahren mit den Aktenzeichen [X.]([X.]) 1/15 und [X.]([X.]rfg) 3/15 hat der Senat beigezogen. Die Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige [X.]erufung des [X.]eklagten ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für seine Entfernung aus dem Amt gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 [X.] liegen aufgrund der von dem [X.]eklagten schuldhaft verwirklichten Amtspflichtverletzungen und des damit begangenen einheitlichen Dienstvergehens (§ 95 [X.]) vor. [X.]ei der gebotenen Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände kommt eine weniger eingriffsintensive Disziplinarmaßnahme nicht in [X.]etracht.

1. Der [X.]eklagte hat - was von dem [X.] als weiterer Tatsacheninstanz im Rahmen der [X.] (§ 129 VwGO) ohne [X.]indung an den Vortrag der [X.]eteiligten grundsätzlich im selben Umfang wie durch das Gericht erster Instanz in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachzuprüfen ist, § 109 [X.], § 65 Abs. 1, § 3 [X.], § 128 VwGO ([X.]sbeschluss vom 28. August 2019 - [X.]([X.]) 1/18, z.[X.]., Rn. 38) - in 1661 Fällen vorsätzlich gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 352 Abs. 1 StG[X.] [X.] in Schippel/[X.], [X.], 9. Aufl. § 17 Rn. 11) verstoßen sowie in drei Fällen jedenfalls grob fahrlässig [X.] nicht beachtet (vgl. § 54 a Abs. 2 Nr. 2 und 3 [X.]eurkG in der bis zum 8. Juni 2017 geltenden Fassung des dritten Gesetzes zur Änderung der [X.]undesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31. August 1998; [X.] 2585) und dadurch ein (einheitliches) Dienstvergehen begangen (§ 95 [X.]). Die dazu getroffenen Feststellungen des [X.] hat der [X.] überprüft und bestätigt gefunden. Der [X.] folgt der zutreffenden Würdigung des [X.] und macht sie sich vollumfänglich zu Eigen. Zusätzlich ist lediglich folgendes auszuführen:

2. Zutreffend geht das [X.] davon aus, dass die in dem Urteil des [X.]       - auswärtige [X.] P.       - vom 27. November 2014 ([X.]; im folgenden "Strafurteil") getroffenen tatsächlichen Feststellungen in dem gerichtlichen Disziplinarverfahren bindend sind, § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 57 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Entgegen der Ansicht des [X.]eklagten sind diese auch von der Vorinstanz dem vorliegend angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Feststellungen nicht offenkundig unrichtig, so dass ihre erneute Prüfung zu beschließen wäre, § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 57 Abs. 1 Satz 2 [X.].

a) Die [X.]indungswirkung des § 57 Abs. 1 [X.] dient der Rechtssicherheit. Sie soll verhindern, dass zu ein- und demselben Geschehensablauf unterschiedliche Tatsachenfeststellungen durch staatliche Gerichte getroffen werden. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die Aufklärung eines sowohl straf- als auch disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalts vorrangig den Strafgerichten zu übertragen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass tatsächliche Feststellungen, die ein Gericht auf der Grundlage eines Strafprozesses mit seinen besonderen Ermittlungsmöglichkeiten und Erfahrungen einerseits sowie den hierfür geltenden rechtsstaatlichen Sicherungen andererseits trifft, eine erhöhte Gewähr der Richtigkeit bieten. Damit wird zugleich die [X.]eschleunigung (§ 4 [X.]) des während des strafgerichtlichen Verfahrens von Gesetzes wegen ausgesetzten (§ 22 Abs. 1 Satz 1 [X.]) Disziplinarverfahrens ermöglicht und eine wiederholte Inanspruchnahme und [X.]elastung etwaiger Opferzeugen vermieden. Daher haben die Verwaltungsgerichte die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils ihrer Entscheidung ungeprüft zugrunde zu legen. Sie sind insoweit weder berechtigt noch verpflichtet, eigene Feststellungen zu treffen (stRspr, z[X.] [X.], NVwZ-RR 2018, 239 Rn. 11 mwN zu § 56 LDG NRW).

Die [X.]indungswirkung für das Disziplinarverfahren entfällt gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 [X.] nur, wenn und soweit die strafgerichtlichen Feststellungen "offenkundig unrichtig" sind. Die Verwaltungsgerichte sollen nicht gezwungen werden, gleichsam "sehenden Auges" auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden zu müssen. Sie sind daher berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn die Feststellungen in einem entscheidungserheblichen Punkt unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind oder wenn [X.]eweismittel eingeführt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen seine Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen (stRspr, z[X.] [X.] aaO Rn. 13 mwN). Für solche Sachverhaltsfeststellungen hat das Verwaltungsgericht eine erneute Prüfung zu beschließen.

Wird im gerichtlichen Disziplinarverfahren die offenkundige Unrichtigkeit einer strafgerichtlichen Feststellung geltend gemacht, so sind die Verwaltungsgerichte erst dann befugt, dem Vorbringen weiter nachzugehen und schließlich über eine Lösung nach § 57 Abs. 1 Satz 2 [X.] zu entscheiden, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist. Pauschale [X.]ehauptungen (etwa, es habe eine Absprache ["Deal"] gegeben) genügen nicht. Es müssen tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 2 [X.] ergeben kann (z[X.] [X.], [X.]eschlüsse vom 26. August 2010 - 2 [X.]/10, juris Rn. 6; vom 30. August 2017 aaO Rn. 15 mwN).

b) Solche Umstände zeigt die [X.]erufung nicht auf und sind auch sonst nicht ersichtlich.

aa) Im Gegenteil hat der Prozessbevollmächtigte des Notars in der mündlichen Verhandlung (nochmals) klargestellt, dass dieser in 1661 Fällen der von ihm abgerechneten [X.] jeweils einen Gegenstandswert von 100 % des Kaufpreises zugrunde gelegt hat. Der [X.] ist auf der Grundlage der schriftlichen Stellungnahme des [X.]eklagten vom 3. Juli 2006 im Rahmen der damals durchgeführten [X.] auch davon überzeugt, dass er insoweit vorsätzlich gehandelt hat. Ausweislich des Schreibens war ihm jedenfalls ab diesem Zeitpunkt die Rechtsprechung des [X.] zu der [X.]emessung der Gebühren des § 147 Abs. 2 [X.] ([X.]eschluss vom 12. Mai 2005 - [X.], [X.], 77 ff.) bekannt. Soweit er aus der Sicht des [X.]s wenig glaubhaft weiterhin meint, gleichwohl zur Abrechnung auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 100 % des Kaufpreises berechtigt gewesen zu sein, würde es sich um einen vermeidbaren Verbotsirrtum handeln, der entsprechend § 17 StG[X.] rechtlich für den Vorsatz im Hinblick auf das Dienstvergehen ohne [X.]edeutung ist (vgl. [X.], Urteil vom 9. Dezember 1991 - [X.] ([X.]) 1/91, [X.], 1179 f.).

bb) Soweit es auf die [X.]indungswirkung des § 57 Abs. 1 [X.] danach noch ankommt, greift der Einwand des [X.]eklagten, das Strafurteil beruhe auf der unzulässigen Verwertung der bei der Geschäftsprüfung durch den Notarprüfer und die [X.]ezirksrevisorin gemäß § 93 Abs. 4 Satz 1 [X.] eingesehenen Notarakten des [X.]eklagten, nicht durch. Das [X.] hat zutreffend ausgeführt, dass das von dem Notar für sich im Strafprozess in Anspruch genommene [X.]eweisverwertungsverbot nicht bestanden hat und auch im Disziplinarverfahren nicht besteht. Entgegen der Ansicht des [X.]eklagten gibt es keinen aus dem Verbot des Selbstbelastungszwangs ([X.]) folgenden allgemeinen Rechtsgrundsatz dahin, dass Erkenntnisse aus der Erfüllung von Mitwirkungspflichten nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden dürfen.

(1) Nach der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts hat das Verbot des Selbstbelastungszwangs aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG zum [X.], dass niemand gezwungen werden darf, durch eigene Aussagen die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung oder die Verhängung einer entsprechenden Sanktion zu liefern. Demgegenüber betreffen gesetzliche Aufzeichnungs- und Vorlagepflichten den [X.] der grundgesetzlichen [X.] auch dann nicht, wenn die zu erstellenden oder vorzulegenden Unterlagen auch zur Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten verwendet werden dürfen. Vielmehr können solche anderweitigen Mitwirkungspflichten nach der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts namentlich zum Schutz von Gemeinwohlbelangen verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 27. April 2010 - 2 [X.]vL 13/07, [X.]VerfGK 17, 253, 264 mwN auch aus der Rechtsprechung des [X.]). Dass diese Entscheidung sich auf die Vereinbarkeit von § 393 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 mit Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG bezieht, steht der Anwendung dieser (allgemeinen) Ausführungen auf den vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des [X.]eklagten nicht entgegen.

(2) Notarinnen und Notare nehmen im [X.]ereich [X.] Rechtspflege Staatsaufgaben wahr, die richterlichen Funktionen nahe kommen, und werden mithin typischerweise in sachlich bedingter Nähe zum öffentlichen Dienst tätig. Insbesondere sind ihnen Zuständigkeiten übertragen, die nach der geltenden Rechtsordnung hoheitlich ausgestaltet sind ([X.]VerfG, [X.]VerfGE 131, 130, 141 mwN; [X.], [X.]eschluss vom 23. April 2018 - [X.]([X.]) 6/17, D[X.] 2018, 930 Rn. 16). Mit der in §§ 92, 93 [X.] geregelten Dienstaufsicht nimmt der Staat seine Verantwortung für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung im [X.]ereich der vorsorgenden Rechtspflege wahr ([X.]VerfG aaO S. 146 f; [X.], [X.]eschluss vom 11. Juli 2005 - [X.] 8/05, [X.], 2693 unter III 1.). Im Rahmen der im Interesse der Rechtsuchenden und eines funktionierenden Notarwesens erfolgenden Prüfung und Überwachung seiner Amtsführung hat der Notar den von der Aufsichtsbehörde beauftragten Prüfern Akten, Verzeichnisse und [X.]ücher sowie die in seiner Verwahrung befindlichen Urkunden zur Einsicht vorzulegen und auszuhändigen sowie die nötigen Aufschlüsse zu geben (§ 93 Abs. 4 Satz 1 [X.]). Er kann auf ein Auskunftsverlangen aber geltend machen, es sei nicht gerechtfertigt, insbesondere unzumutbar, und um gerichtliche Überprüfung ersuchen (§ 111 Abs. 1 [X.]; [X.], [X.]eschlüsse vom 14. Juli 1986 - [X.] 7/86, D[X.] 1987, 438 unter 2 b; vom 14. Dezember 1992 - [X.] 3/91, D[X.] 1993, 465 unter III 1 b). Auf dieser Grundlage darf er in Anwendung der genannten Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts zur [X.] die Auskunft auf Fragen verweigern, durch deren [X.]eantwortung er sich der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde ([X.] in Schippel/[X.], [X.], 9. Aufl., § 93 Rn. 3). Es trifft daher nicht zu - wie der [X.]eklagte meint - dass die Verweigerung einer Auskunft zwangsläufig eine Disziplinarmaßnahme zur Folge haben müsste.

(3) Indessen steht nicht eine vom [X.]eklagten erteilte Auskunft in Rede. Dass eine (wie auch immer erzwungene) Auskunft zu dem gegen ihn geführten Strafverfahren geführt hätte, macht der [X.]eklagte gerade nicht geltend. Vielmehr beruht die Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens allein auf der Auswertung der im Rahmen der Notaraufsicht geprüften Unterlagen, die im späteren Verlauf Anlass für die Einleitung des Disziplinarverfahrens und die von dem Präsidenten des [X.] erstattete Strafanzeige war. Der Umstand, dass er die Akten und Urkunden den [X.] gemäß § 93 Abs. 4 Satz 1 [X.] ausgehändigt hat, ist - wie oben ausgeführt - schon nicht geeignet, in den [X.] der grundgesetzlich gewährleisteten [X.] einzugreifen. Ergibt sich auf der Grundlage der im Prüfungsverfahren eingesehenen Akten der Verdacht einer Straftat, wird die Aufsichtsbehörde regelmäßig sogar gehalten sein, die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten (vgl. [X.] in [X.]/Gassen/[X.], [X.], 13. Aufl., § 32 Rn. 28).

cc) Soweit der [X.]eklagte weitere einzelne Einwände gegen die Richtigkeit des Strafurteils erhebt, vermögen diese nicht dessen offenkundige Unrichtigkeit zu begründen. Der [X.] nimmt insoweit [X.]ezug auf seine Ausführungen in Randnummern 12 bis 19 seines den Prozesskostenhilfeantrag des [X.]eklagten zurückweisenden [X.]eschlusses vom 14. Februar 2019. Die Entgegnungen des Prozessbevollmächtigten des [X.]eklagten in den Schriftsätzen vom 3. April, 5. Mai und 17. September 2019 sind ebenfalls nicht geeignet, die offenkundige Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Entscheidung des [X.] darzutun. Ergänzend ist anzumerken, dass auch der 1. Strafsenat des [X.]undesgerichtshofs in seinem die Revision des hiesigen [X.]eklagten verwerfenden [X.]eschluss vom 14. Oktober 2015 sowohl die Sachrüge (mit Ausnahme der Reduzierung der Fälle der Gebührenüberhebung von 1678 auf 1661) als auch die Verfahrensrügen für unbegründet erachtet hat.

Dem Antrag des [X.]eklagten, die Zeuginnen [X.]     und [X.].     zu vernehmen und auch seinen seinerzeitigen Strafverteidiger als Zeugen zu hören, ist nicht nachzugehen. Der [X.]eklagte macht unter anderem geltend, im Strafprozess seien die ihn entlastenden Aussagen der Zeuginnen [X.]    und [X.].     nicht berücksichtigt worden. Dies trifft indessen nicht zu. Die [X.] hat sich - wie auch das [X.] bereits ausgeführt hat - mit den Aussagen der Zeuginnen ausdrücklich auseinandergesetzt (Seite 68 des Strafurteils), seine Überzeugung aber auf die Aussagen der [X.]    und S.    und maßgeblich auf den Prüfungsbericht vom 12. Dezember 2005 mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.]undesgerichtshofs und das Schreiben des [X.]eklagten vom 3. Juli 2006 hierzu gestützt (Seiten 9 und 66 ff. des Strafurteils). Damit setzt sich die [X.]erufung nicht auseinander.

3. Soweit der [X.]eklagte im Fall "M." ([X.]. 1027/10) geltend macht, der erste Vertrag sei am 14. Januar 2011 vollzugsreif gewesen, und die Sachbearbeiterin habe das angewiesene Verfahren, wonach Antragstellung und Zahlungsanweisungen am gleichen Tag zu versenden seien, missachtet, sodann die Antragstellung "schlichtweg vergessen", entlastet ihn dies nicht. Der [X.]eklagte hat die Zahlungsanweisungen vom 14. und 17. Januar 2011 selbst unterzeichnet. Ihm hätte daher die Prüfung oblegen, ob die [X.] eingehalten waren. Auch dass den [X.] ein Schaden nicht entstanden sei, lässt den Amtspflichtverstoß als solchen nicht entfallen, worauf schon das [X.] hingewiesen hat (Seite 29 des angefochtenen Urteils).

4. Zum Fall "D." ([X.]. 840/11) trägt der [X.]eklagte vor, von der Existenz der Grundschuld habe sein [X.]üro erst anlässlich der Eigentumsumschreibung (Antrag vom 22. Juni 2012) erfahren; deshalb habe er sich auch mit Schreiben vom 3. Juli 2012 beim Grundbuchamt bedankt. Das habe die Zeugin S.    -    bestätigt. Diese Aussage erwähne das [X.] nicht. In dem an seine Haftpflichtversicherung gerichteten Schreiben sei er irrtümlich von einem falschen Sachverhalt ausgegangen.

Das greift aus zwei Gründen nicht durch. Zum einen hat sich das [X.] davon überzeugt gezeigt, dass der [X.]eklagte zum Zeitpunkt der Auszahlung von der Grundschuld gewusst hat. Es hat dies mit den eigenen Angaben des [X.]eklagten zum Sachverhalt in dessen Schreiben an die Haftpflichtversicherung vom 11. September 2012 begründet. Darin hat der [X.]eklagte vorgetragen, gleichzeitig mit der Anweisung zur Auszahlung habe der Geschäftsführer der [X.] zugesichert, "die [X.] für die Grundschuld auszuhändigen". Davon, dass der [X.]eklagte selbst das Schreiben verfasst und die Zeugin S.       es lediglich geschrieben hat, hat sich das [X.] aufgrund der Vernehmung der Zeugin S.        überzeugt gezeigt. Sie habe glaubhaft erklärt, der Inhalt des Schreibens stamme von dem [X.]eklagten. Ferner war in der von dem [X.]eklagten unterzeichneten Auszahlungsanweisung als Verwendungszweck angegeben "Grundschuld". Diese überzeugende Würdigung wird durch den Vortrag des [X.]eklagten in der [X.]erufung nicht in Frage gestellt. Denn die Zeugin S.        hat zwar in ihrer Vernehmung angegeben, dass sie selbst von der Grundschuld erst nach Auszahlung im Vollzug des Vertrages erfahren habe. Sie hat aber auch angegeben, nicht sagen zu können, wann der [X.]eklagte von der Grundschuld erfahren habe.

Soweit der [X.]eklagte demgegenüber vorträgt, die Zeugin habe "zu seinen Gunsten" gesprochen, was nicht protokolliert worden sei, fehlt es auch nach entsprechender Rückfrage des [X.]s in der mündlichen Verhandlung bereits an Vortrag, welche konkreten [X.]ekundungen im Protokoll nicht festgehalten worden seien. Überdies hat die Zeugin den Inhalt des [X.]anddiktats des Vorsitzenden genehmigt (Seite 9 des Protokolls vom 9. März 2017), und der in der Verhandlung anwesende [X.]eklagte sowie sein Verteidiger haben gegen die Richtigkeit des Protokolls weder in der mündlichen Verhandlung noch anschließend eine [X.]erichtigung (§ 164 ZPO i.V.m. § 105 VwGO, § 3 [X.], § 96 Abs. 1 [X.]) beantragt. [X.]ereits aus diesen Gründen bedarf es nicht der vom [X.]eklagten beantragten erneuten Vernehmung der Zeugin.

Letztlich kommt es darauf aber auch aus Rechtsgründen nicht an, weil der - von dem [X.] angenommene - grob fahrlässige Amtspflichtverstoß schon darin liegt, dass der [X.]eklagte - seine mangelnde Kenntnis von der Grundschuld unterstellt - nicht geprüft hat, ob die [X.] eingehalten waren. Peinliche Genauigkeit bei der Erfüllung von [X.] ist für einen Notar eine grundlegende Pflicht. Unter berufsrechtlichen Gesichtspunkten kommt daher Verstößen gegen solche Pflichten grundsätzlich große [X.]edeutung zu (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 19. November 2018 - [X.]([X.]) 5/17, D[X.] 2019, 390 Rn. 38; [X.]eschluss vom 26. März 2007 - [X.] 37/06, juris Rn. 6 mwN).

5. Zum Fall "G." ([X.]. 2322/11) macht der [X.]eklagte geltend, er habe den Vorgang korrekt behandelt. Das [X.] gehe unzutreffend davon aus, dass die Treuhandanweisung gelautet habe "über den [X.]etrag nur zu verfügen, wenn folgende Auflagen erfüllt sind". Tatsächlich habe sie vor dem Hintergrund der Kettenkaufverträge gelautet "wenn sichergestellt ist, dass die nachfolgenden Auflagen erfüllt werden". Die erforderlichen Anträge seien durch den [X.] am 22. November 2011 persönlich bei dem Grundbuchamt eingereicht worden, das dem [X.]üro des [X.]eklagten am gleichen Tag den rangrichtigen Eingang bestätigt habe. Erst dann sei die Zahlung der Ablösesumme an die Sparkasse D. erfolgt.

Ob dieser Vortrag des [X.]eklagten zutrifft, kann indes dahinstehen. Die [X.] waren auch dann nicht erfüllt, wenn der Notar vorgegangen ist wie vorgetragen. [X.]ei dem vorliegenden Kettenkaufvertrag konnte die Eigentumsumschreibung auf [X.] bei Einreichung der [X.] am 22. November 2011 schon deshalb nicht sichergestellt sein, weil die nicht eingetragene [X.] ohne die - hier nicht vorliegende - Mitwirkung des eingetragenen Eigentümers D. die Eintragung einer Vormerkung zugunsten des [X.] nicht bewilligen konnte (vgl. [X.]GH, Urteil vom 29. Juni 2012 - [X.], [X.], 3431 Rn. 13; Monath, R[X.] 2004, 360, 361 ff.).

6. Soweit der [X.]eklagte auf der Grundlage ihm seinen Angaben zufolge [X.] Gerüchte geltend macht, das Disziplinarverfahren gegen ihn sei aus parteipolitischen Gründen eingeleitet und mit unangebrachtem Verfolgungseifer betrieben worden, vermag dies die festgestellten Tatsachen und deren disziplinarrechtliche [X.]edeutung nicht in Frage zu stellen. Soweit der [X.]eklagte nunmehr darüber hinausgehend behauptet, das [X.] habe in dem gegen den [X.]eklagten geführten Strafverfahren den [X.] genötigt, seine Meinung, der [X.]eklagte sei freizusprechen, gegen seine Überzeugung zu ändern, handelt es sich - wie der Prozessbevollmächtigte des [X.]eklagten in der mündlichen Verhandlung auf die Nachfrage des [X.]s eingeräumt hat - um eine bloße Vermutung, der Anknüpfungstatsachen nicht zugrunde liegen. Ferner behauptet auch der [X.]eklagte nicht, dass auf den die Revision des [X.]eklagten verwerfenden [X.]eschluss des 1. Strafsenats des [X.]undesgerichtshofs vom 14. Oktober 2015 Einfluss genommen worden sei.

7. Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere der Amtspflichtverletzung unter angemessener [X.]erücksichtigung des Persönlichkeitsbilds des Notars und des Umfangs der [X.]eeinträchtigung des Vertrauens der Allgemeinheit zu bemessen ist, § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 13 Abs. 1 [X.]. Weiter zutreffend hat es auf dieser Grundlage angenommen, dass das aufgrund der schuldhaften Verletzung der Amtspflichten begangene Dienstvergehen angesichts seines Schweregrades die dauerhafte Entfernung des [X.]eklagten aus dem Amt erforderlich macht (§ 97 Abs. 1 [X.]).

a) Die dauerhafte Entfernung aus dem Amt kann im Disziplinarverfahren als schwerste Maßnahme lediglich dann verhängt werden, wenn der Notar in einer Weise gegen seine Pflichten verstoßen hat, die sein Verbleiben im Amt untragbar machen ([X.], [X.]eschluss vom 8. November 2013 - [X.]([X.]) 1/13, [X.], 434 Rn. 10; [X.], Urteil vom 24. November 2014 - [X.]([X.]) 1/14, [X.]GHZ 203, 280 Rn. 52). Diese Voraussetzungen können regelmäßig dann vorliegen, wenn der Notar strafbare Handlungen, vor allem die Veruntreuung von ihm Anvertrautem oder Falschbeurkundungen, begangen oder in schwerwiegender Weise an unerlaubten oder unredlichen Geschäften mitgewirkt hat. Geringere Pflichtverletzungen genügen zumindest bei einschlägigen vorausgegangenen Disziplinarmaßnahmen ([X.], Urteil vom 24. November 2014 aaO; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 97 Rn. 48). Maßgeblich für die [X.]eurteilung, ob das Dienstvergehen einen die Entfernung gebietenden und zugleich rechtfertigenden Schweregrad aufweist, ist eine Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände.

b) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs und nach Abwägung aller für und gegen den [X.]eklagten sprechenden Umstände hält der erkennende [X.] die dauerhafte Entfernung des [X.]eklagten aus dem Amt für erforderlich.

Zutreffend hat das [X.] angesichts der über den längeren Zeitraum von etwa drei Jahren begangenen großen Zahl der Gebührenüberhebungen, durch die der [X.]eklagte zum Nachteil der Kostenschuldner einen erheblichen materiellen Vorteil von jedenfalls über 200.000 € erzielt hat, angenommen, dass diese [X.] die Entfernung des [X.]eklagten aus dem Amt schon für sich allein rechtfertigten. Daran ändert auch nichts, dass - wie das [X.] zu Recht ausgeführt hat - im Strafverfahren Pfändungen zur Sicherung der Verletzten erfolgt sind, gegen den [X.]eklagten wegen der [X.] im Zusammenhang mit der Gebührenüberhebung bisher Disziplinarmaßnahmen nicht ergangen waren und der [X.]eklagte seine Gebührenpraxis unter dem Eindruck der Ermittlungen umgestellt hat.

Weiter zutreffend hat das [X.] angenommen, dass die Schwere des Vergehens durch die festgestellten Verstöße gegen [X.] vertieft wird. Auch insoweit folgt der [X.] der zutreffenden Würdigung des [X.] und macht sie sich vollumfänglich zu Eigen.

Die Schwere der [X.] macht das Verbleiben des [X.]eklagten im Amt wegen des damit verbundenen [X.] in seine Amtsführung untragbar. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass gegen den [X.]eklagten wegen einer Dienstpflichtverletzung im Zusammenhang mit dem Vollzug eines Grundstückskaufvertrags durch rechtskräftigen [X.]eschluss des [X.] D.    vom 22. Mai 2009 bereits eine Geldbuße in Höhe von 5.000 € verhängt werden musste, ohne dass dies dazu geführt hat, dass er fortan den ihm bei dem Umgang mit Fremdgeldern obliegenden Pflichten mit der gebotenen peinlichen Genauigkeit nachgekommen wäre.

[X.]ei der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat der [X.] die beruflichen und wirtschaftlichen Auswirkungen für den [X.]eklagten berücksichtigt. Angesichts der von dem [X.]eklagten zahlreich begangenen Straftaten zu Lasten der Kostenschuldner und der - trotz bereits erfolgter disziplinarischer Ahndung - wiederholten Treuhandverstöße stellt die Entfernung aus dem Amt entgegen der Ansicht des [X.]eklagten aber auch im Hinblick auf die erheblichen Auswirkungen keine unverhältnismäßige Sanktion dar.

8. [X.] beruht auf § 109, § 96 Abs. 1 [X.], § 77 [X.], § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, § 78 [X.] ([X.]/[X.]/[X.]/[X.]aunack, [X.], 6. Aufl., § 78 Rn. 1; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 78 Rn. 3).

[X.]     

      

Roloff     

      

Müller

      

Strzyz     

      

[X.]     

      

Meta

NotSt (Brfg) 4/18

18.11.2019

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 14. November 2019, Az: NotSt (Brfg) 4/18, Beschluss

§ 17 Abs 1 S 1 BNotO, § 96 Abs 1 S 1 BNotO, § 97 Abs 1 S 1 BNotO, § 13 Abs 1 BDG, § 57 Abs 1 S 1 BDG, § 57 Abs 1 S 2 BDG, § 352 Abs 1 StGB, § 54a Abs 2 Nr 2 BeurkG, § 54a Abs 2 Nr 3 BeurkG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.11.2019, Az. NotSt (Brfg) 4/18 (REWIS RS 2019, 1481)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1481

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 27/11

2 BvL 13/07

2 B 43/10

III ZR 140/15

VII ZR 36/14

V ZR 8/10

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