Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2021, Az. NotSt (Brfg) 2/21

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2021, 1097

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Gegenstand

Dienstpflichtverletzungen eines Notars: Unterlassen der Streichung von in einem Formularentwurf enthaltenen Textteilen; Fristwahrung bei Übergabe der Vertragsentwürfe an Verbraucher durch die Vertriebsmitarbeiter; Handeln aus Gewinnsicht bei fahrlässigen Dienstpflichtverletzungen


Leitsatz

1. Unterlässt es der Notar, in einem Formularentwurf enthaltene Textteile zu streichen, die nicht Gegenstand der Erklärung der Urkundsbeteiligten waren, stellt dies einen Verstoß gegen § 44a Abs. 1 BeurkG i.V.m. § 17 Abs. 1 BeurkG dar.

2. Ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Notar glaubte, die Übergabe der Vertragsunterlagen durch die Vertriebsmitarbeiter reiche zur Fristwahrung aus.

3. Der Umstand allein, dass der Notar, veranlasst durch ein hohes Urkundenaufkommen, fahrlässige Dienstpflichtverletzungen begangen hat, vermag nicht die Annahme zu begründen, er habe dies im Gewinninteresse bewusst in Kauf genommen und damit aus Gewinnsucht gehandelt.

Tenor

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts - Disziplinargericht für Notare - vom 25. Januar 2021 wird auf seine Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der [X.] in drei Fällen anstatt eines Verstoßes gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG eines Verstoßes gegen § 44a Abs. 1 BeurkG schuldig ist.

Tatbestand

1

Der Kläger führt gegen den beklagten Notar ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel seiner Entfernung aus dem Amt.

2

Der [X.] wurde 1992 zum Notar auf Lebenszeit ernannt. Er ist disziplinarisch nicht vorbelastet. Nachdem es auf der Grundlage eines 2016 erstellten Amtsprüfungsberichts und verschiedener Beschwerden zu einer umfangreich begründeten Beanstandung der [X.]notarkammer gekommen war, leitete der Präsident des [X.] 2017 gegen den [X.] ein Disziplinarverfahren ein, das im gleichen Jahr von dem Präsidenten des [X.] und - nach Erweiterung einerseits und Beschränkung andererseits der Vorwürfe, Anhörung und Stellungnahme des [X.] - 2018 von der Generalstaatsanwaltschaft übernommen wurde. Nach erneuter Anhörung und Stellungnahme des [X.] sowie weiterer Beschränkung der Vorwürfe erhob das klagende Land 2019 [X.] gegen den [X.] mit dem Ziel seiner Entfernung aus dem Amt, die es durch eine Nachtragsdisziplinarklage 2020 erweiterte. Es legt dem [X.] in [X.] und Nachtragsdisziplinarklage folgendes zur Last:

3

Der [X.] habe spätestens seit August 2014 in seinem Notariat den Zeugen [X.] als juristischen Mitarbeiter mit Befähigung zum Richteramt beschäftigt, obwohl er gewusst habe, dass die erforderliche Genehmigung nicht vorgelegen habe und ihm bewusst gewesen sei, dass [X.] als Rechtsanwalt zugelassen gewesen sei. Erst mit Schreiben vom 9. Januar 2015 habe der [X.] beantragt, ihm die Beschäftigung des Zeugen [X.] zu genehmigen. In dem Antrag habe der [X.] erklärt, dass [X.] keinen weiteren juristischen Beruf ausübe. [X.] habe er angegeben, dass ein Beschäftigungsverhältnis erst zukünftig beabsichtigt sei. Auch nach Beantragung und Erteilung der Genehmigung sei es zu weiteren [X.] dahin gekommen, dass der [X.] es pflichtwidrig unterlassen habe zu prüfen, ob der Zeuge [X.] seine Zulassung zurückgegeben habe (Verstöße gegen § 25 Abs. 2, 14 Abs. 3 [X.]; dieser Vorwurf nachfolgend: Dienstpflichtverletzung 1 - Beschäftigung eines zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Mitarbeiters).

4

Der [X.] habe in der Niederschrift einer am 25. Mai 2015 begonnenen und am 29. Oktober 2015 fortgesetzten Beurkundung unter Außerachtlassung der notwendigen Sorgfalt nur den 29. Oktober 2015 als [X.] aufgenommen (Verstoß gegen § 9 Abs. 2 [X.]; dieser Vorwurf nachfolgend Dienstpflichtverletzung 2 - unrichtige Angabe des Tags der Niederschrift).

5

Der [X.] habe im Zeitraum von 29. Oktober 2015 bis 30. Juni 2017 in 119 von ihm beurkundeten Kaufverträgen zwischen dem Bauträger F. und verschiedenen Käufern die Erklärung der Käufer, die Grundlagenurkunde sei ihnen bekannt, unter Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt nicht in die Niederschrift aufgenommen (Verstoß gegen § 13a Abs. 1 Satz 2 [X.]; dieser Vorwurf nachfolgend Dienstpflichtverletzung 3 - fehlende Bekanntheitserklärung).

6

Der [X.] habe es im Dezember 2015 und am 26. Oktober 2016 in mindestens 29 Fällen unterlassen, in [X.] entweder Zustimmungserklärungen der Ehegatten/Lebenspartner oder andere nicht anwendbare Textteile zu streichen. Betroffen seien die Urkunden-Nummern 7513/2015, 7569/2015, 7576/2015, 7638/2015, 7702/2015, 7816/2015, 7973/2015, 8057/2015, 8058/2015, 8134/2015, 8191/2015, 8294/2015, 8340/2015, 8379/2015, 8404/2015, 7512/2016, 7514/2016, 7516/2016 - nicht gestrichene Zustimmungserklärungen von Ehegatten, Angaben zum Personen- oder Güterstand; 7510/2015 - unterschiedliche Formulierungen zur Verjährung; 7585/2015, 7593/2015, 7972/2015, 8196/2015, 8354/2015 - unterschiedliche Bestimmungen zur Sicherungsabrede; 8338/2015 - nicht gestrichene Zustimmung des Ehegatten und eine doppelte Zweckbestimmung; 8137/2015 - nicht ausgefülltes Formular; sowie 7020/2015 und 7562/2015 - unrichtiger Plural statt Singular oder umgekehrt (Verstoß gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.]; dieser Vorwurf nachfolgend Dienstpflichtverletzung 4 - unterlassene Verlesung).

7

Der [X.] habe in zwei Fällen ([X.] 7559/2015 und 8132/2015) aus mangelnder Sorgfalt nicht jede Seite, sondern nur die letzte Seite der Urkunde unterzeichnen lassen (Verstoß gegen § 14 Abs. 2 Satz 1 HS 2 [X.]; dieser Vorwurf nachfolgend Dienstpflichtverletzung 5 - unterlassene Paraphierung).

8

Der [X.] habe im Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis 6. November 2016 bei der Beurkundung von Verbraucherverträgen mit den Unternehmen [X.], [X.] und [X.] aus mangelnder Sorgfalt in 23 Fällen die zwingende Vorschrift des § 475 BGB aF und in 11 Fällen die zwingende Vorschrift des § 309 Nr. 7 BGB nicht beachtet und daher unwirksame Gewährleistungsausschlüsse und Haftungsausschlüsse beurkundet (Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] in Verbindung mit § 309 Nr. 7, § 475a aF BGB; nachfolgend: Dienstpflichtverletzung 6 - Beurkundung unwirksamer Gewährleistungs- und Haftungsausschlüsse).

9

Der [X.] habe in insgesamt 81 Fällen, nämlich am 5. Februar 2014 bei dem Kauf einer Eigentumswohnung durch Verbraucher von der [X.], am 10. Januar 2014 und 29. Juli 2014 bei Verkäufen von Eigentumswohnungen durch Verbraucher an die [X.] sowie im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2015 bei 78 Käufen von Eigentumswohnungen durch Verbraucher von der P.-Gruppe vorsätzlich gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 [X.] verstoßen, indem entweder ein Versand des beabsichtigten Kaufvertrags durch den Notar an die Verbraucher gar nicht oder nicht rechtzeitig erfolgt sei oder der versandte Entwurf nicht alle wesentlichen Angaben enthalten habe (nachfolgend: Dienstpflichtverletzung 7 - unterbliebener Versand des beabsichtigten Textes des Rechtsgeschäfts an Verbraucher).

Im Zeitraum von Januar 2018 bis August 2019 hätten zwei Mitarbeiterinnen des [X.] in 9 Vorgängen Zwischenverfügungen des Amtsgerichts        - Registergericht - nicht (fristgerecht) beantwortet und Empfangsbekenntnisse nicht oder erst nach Aufforderung zurückgesandt. Das hätte vermieden werden können, wenn der [X.] seine Mitarbeiter ausreichend überwacht und ihnen ausreichende Vorgaben gemacht hätte (Verstoß gegen § 14 Abs. 1 und 3, § 31 [X.]; nachfolgend: Dienstpflichtverletzung 8 - unterbliebene Rücksendung von Empfangsbekenntnissen).

Vom Erlass vorläufiger Maßnahmen wurde abgesehen. Während des gesamten Verfahrens verhielt sich der [X.] kooperativ, stellte die angeforderten Unterlagen zur Verfügung und wirkte an der Aufklärung mit.

Das [X.] Oberste [X.]gericht - [X.] für Notare - (nachfolgend: [X.]) hat die Klage des [X.] gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1, § 98 Abs. 1 Satz 2 [X.] in Verbindung mit § 52 Abs. 1 [X.] für zulässig und teilweise begründet erachtet. Es hat den beklagten Notar eines einheitlichen Dienstvergehens wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 25 Abs. 2, § 14 Abs. 3 [X.], der darin bestehe, dass er [X.] beschäftigt habe, obwohl die erforderliche Genehmigung nicht vorgelegen habe, sowie wegen der im Übrigen fahrlässig begangenen [X.] 2, 3, 5 und 6 und fahrlässiger Verstöße gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] in 3 Fällen (Dienstpflichtverletzung 4) und gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 [X.] in 54 Fällen (Dienstpflichtverletzung 7) schuldig gesprochen sowie gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 50.000 € und einen Verweis verhängt. Dabei hat es die Dienstpflichtverletzung 6 - vom Kläger unangegriffen - nicht in 34, sondern in 30 Fällen verwirklicht gesehen, weil die Verstöße gegen § 475 BGB aF und § 309 Nr. 7 BGB in vier Fällen in der gleichen Urkunde begangen worden sind.

Von den weiteren vom klagenden Land behaupteten Verstößen gegen § 25 Abs. 2, § 14 Abs. 3 [X.] hat es sich nicht überzeugen können. Gemäß § 56 Satz 1 [X.] ausgeschieden hat es Verstöße gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] in 26 Fällen und gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 [X.] in 27 Fällen sowie die in der Nachtragsdisziplinarklage enthaltene Dienstpflichtverletzung 8 (unterbliebene Rücksendung von Empfangsbekenntnissen).

Hiergegen hat das klagende Land Berufung eingelegt. Es meint, die [X.] 4 (unterlassene Verlesung), 5 (unterlassene Paraphierung) und 7 (unterbliebener Versand des beabsichtigten Textes des Rechtsgeschäfts an Verbraucher) seien nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich begangen. Das [X.] habe ferner die Verstöße gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] und § 17 Abs. 2a [X.] in den weiteren 26 und 27 Fällen sowie die Dienstpflichtverletzung 8 zu Unrecht und unter Verstoß gegen das rechtliche Gehör des Klägers ausgeschieden. Auch sei die getroffene Disziplinarmaßnahme nicht ausreichend. Das [X.] hätte den [X.] aus dem Amt entfernen müssen, weil er wegen der vorsätzlichen Pflichtverletzungen im Kernbereich notarieller Amtsführung für das Amt des Notars untragbar geworden sei. Der [X.] habe über einen längeren Zeitraum hinweg gezeigt, dass er die Erzielung höherer Einkünfte und die Vereinfachung des Arbeitsablaufs an der [X.] über das Erfordernis der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben gestellt habe. Er habe deshalb bei den vorsätzlichen Verstößen gegen § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 2 Satz 1 Hs 2 und § 17 Abs. 2a [X.] jedenfalls aus Gewinnsucht gehandelt, so dass der erweiterte [X.] des § 97 Abs. 4 Satz 2 [X.] eröffnet sei.

Das klagende Land beantragt,

das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der [X.] eines einheitlichen Dienstvergehens wegen Verletzung der in § 25 Abs. 2, 14 Abs. 3 [X.] normierten Dienstpflichten in einem Fall, der in § 9 Abs. 2 [X.] normierten Dienstpflicht in einem Fall, der in § 13a Abs. 1 Satz 2 [X.] normierten Dienstpflicht in 119 Fällen, der in § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] normierten Dienstpflicht in 29 Fällen, der in § 14 Abs. 2 Satz 1 Hs 2 [X.] normierten Dienstpflicht in 2 Fällen, der in § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] in Verbindung mit § 309 Nr. 7, § 475a aF BGB normierten Dienstpflicht in 30 Fällen, der in § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 [X.] normierten Dienstpflicht in 81 Fällen, sowie der in § 14 Abs. 1 und Abs. 3, § 31 [X.] normierten Dienstpflicht in 9 Fällen schuldig ist und ihn deshalb aus dem Amt zu entfernen.

Der [X.] beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er habe die [X.] 4 (unterlassene Verlesung), 5 (unterlassene Paraphierung) und 7 (unterbliebener Versand des beabsichtigten Textes des Rechtsgeschäfts an Verbraucher) nicht vorsätzlich begangen. Die erhobenen Vorwürfe könnten auch - selbst, wenn vorsätzliches Handeln unterstellt werde - seine Entfernung aus dem Amt nicht rechtfertigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, den Inhalt der Gerichtsakte nebst Beiakten, den Inhalt der Akten des disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahrens sowie den Inhalt der bei dem Kläger geführten Personalakten des Notars verwiesen. Die Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die [X.]erufung hat keinen Erfolg.

I.

Das [X.] hat zur [X.]egründung seiner Entscheidung ausgeführt, das Dienstvergehen erfordere nicht die dauerhafte Entfernung des [X.]n aus dem Amt oder vom bisherigen Amtssitz. Zwar habe der [X.] über einen Zeitraum von etwa fünf Jahren in zahlreichen Einzelfällen gegen verschiedene Dienstpflichten verstoßen, darunter auch solche, die für die unparteiische und unabhängige Ausübung des [X.] wesentlich seien. Der vorsätzliche Verstoß gegen § 25 Abs. 2 [X.] wiege schwer. Es sei aber auch zu berücksichtigen, dass der [X.] disziplinarisch nicht vorbelastet sei, während des gesamten Zeitraums kooperativ mitgewirkt habe und sich auch nach Ansicht des [X.] keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass durch seine Handlungen Verbraucher oder andere Urkundsbeteiligte geschädigt worden seien. Er habe seine [X.] und [X.] geändert, so dass es insoweit mindestens seit 2018 mit Ausnahme der weniger gewichtigen Verfehlungen, die der Nachtragsdisziplinarklage zugrunde lägen, zu keinen weiteren [X.]eanstandungen mehr gekommen sei. Der [X.] halte eine Geldbuße in Höhe von 50.000 € und einen Verweis für erforderlich, um das Dienstvergehen zu ahnden. Die Voraussetzungen des § 97 Abs. 4 Satz 2 [X.] lägen nicht vor. Gewinnsucht scheide angesichts der nur fahrlässig begangenen Verstöße aus und komme auch im Hinblick auf den vorsätzlich begangenen Verstoß gegen § 25 Abs. 2 [X.] nicht in [X.]etracht. Die ausgeschiedenen Vorwürfe fielen angesichts des Umstands, dass der [X.] den maximal möglichen Ahndungsrahmen ausgeschöpft habe, nicht ins Gewicht.

II.

Die zulässige [X.]erufung des [X.] ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Entfernung des Notars aus dem Amt gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 [X.] oder für seine Entfernung vom bisherigen Amtssitz gemäß § 97 Abs. 2 [X.] liegen nicht vor. [X.]ei der gebotenen Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände reichen die von dem [X.] verhängte Geldbuße und der von dem [X.] ausgesprochene Verweis zur Ahndung der [X.] aus.

1. Der [X.] hat - was von dem [X.] als weiterer Tatsacheninstanz im Rahmen der [X.] (§ 129 VwGO) ohne [X.]indung an den Vortrag der [X.]eteiligten grundsätzlich im selben Umfang wie durch das Gericht erster Instanz in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachzuprüfen ist, § 109 [X.], § 65 Abs. 1, § 3 [X.], § 128 VwGO ([X.], [X.]eschluss vom 28. August 2019 - [X.]([X.]) 1/18, [X.], 335, Rn. 38; Urteil vom 18. November 2019 - [X.]([X.]) 4/18, [X.], 615 Rn. 25) - die [X.] 1 ([X.]eschäftigung eines zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Mitarbeiters), 2 (unrichtige Angabe des Tags der Niederschrift), 3 (fehlende [X.]ekanntheitserklärung) und 6 ([X.]eurkundung unwirksamer Gewährleistungs- und Haftungsausschlüsse) begangen (§ 95 [X.]). Dabei ist ihm hinsichtlich der Dienstpflichtverletzung 1 Vorsatz, hinsichtlich der [X.] 2, 3 und 6 Fahrlässigkeit zur Last zu legen. Der [X.] folgt der zutreffenden, von den Parteien insoweit nicht in Frage gestellten Würdigung des [X.]s und macht sie sich zu Eigen.

2. Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Notar die Dienstpflichtverletzung 5 (unterlassene Paraphierung) fahrlässig verwirklicht hat. Eine disziplinarische Verurteilung wegen Vorsatzes kommt nicht in [X.]etracht, weil der Kläger dem [X.]n in der [X.] (lediglich) eine fahrlässige Verletzung von § 14 Abs. 2 Satz 1 Hs 2 [X.] zur Last gelegt hat, § 52 Abs. 1 Satz 2, § 60 Abs. 2 Satz 1, § 65 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.]VerwGE 133, 129 Rn. 13, 17 f. zu § 107 Abs. 1 [X.] und Urteil vom 28. März 2011 - 2 [X.]/10, juris Rn. 6). Der Kläger zeigt aber auch Anhaltspunkte dafür, dass der [X.] die Paraphierung der den [X.] 7559/2015 und 8132/2015 beigefügten Schriftstücke nicht lediglich übersehen oder vergessen, sondern bewusst unterlassen hat, nicht auf. Dafür ist auch nichts ersichtlich.

3. Hinsichtlich der Dienstpflichtverletzung 4 (unterlassene Verlesung) ist dem [X.]n in drei Fällen ([X.] vom 26. Oktober 2016 zur [X.] 7512/2016 und zur [X.] 7514/2016 sowie vom 16. Dezember 2015 zur [X.] 8058/2015) vorzuwerfen, dass er während der [X.]eurkundung unter Verstoß gegen § 44a Abs. 1 [X.] die nicht verlesene - weil nicht relevante - Zustimmungserklärung des Ehegatten aus mangelnder Sorgfalt nicht aus dem Formular gestrichen hat. Entgegen der Ansicht des [X.]s liegt darin aber kein fahrlässiger Verstoß gegen das [X.] des § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Auch vorsätzliches Handeln kommt entgegen der Ansicht des [X.] nicht in [X.]etracht. Die weiteren dem [X.]n mit der [X.] zu Last gelegten Verstöße gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] in 26 Fällen hat das [X.] gemäß § 56 Satz 1 [X.] zu Recht ausgeschieden.

a) Das Verlesen der Niederschrift bildet [X.] der notariellen [X.]eurkundungsverhandlung. Durch das Verlesen wird sichergestellt, dass der Vertrag wie verlesen gewollt und geschlossen ist, die [X.]eteiligten den Inhalt der Urkunde tatsächlich zur Kenntnis nehmen und auch der Notar die Urkunde nochmals auf ihre Richtigkeit überprüfen kann (vgl. [X.] in [X.], [X.], Neubearb. 2017‚ § 13 Rn. 358; [X.] in [X.]/Miermeister, [X.], 5. Aufl., § 13 [X.] Rn. 3; [X.], [X.], 18. Aufl., § 13 Rn. 2; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.] [X.], 8. Aufl., § 13 Rn. 2). Offensichtliche grobe Schreibfehler, Lücken, stehengebliebene Alternativen in Vordrucken und dergleichen sind daher Indizien dafür, dass die Niederschrift nicht ordnungsgemäß verlesen worden ist ([X.], aaO, Rn. 3).

b) Davon, dass der [X.] die Urkunden (gar) nicht verlesen hätte, hat sich das [X.] allerdings nicht überzeugen können. Es hat - was der [X.] in den genannten drei Fällen auch eingeräumt hat - festgestellt, dass er (nur) die zu streichenden Textteile nicht verlesen und dabei vergessen habe, die Streichungen vorzunehmen. Das stellt indes keinen Verstoß gegen § 13 Abs. 1 [X.] dar, sondern ist als fahrlässige Nichtbeachtung des § 44a Abs. 1 [X.] anzusehen, der das Gebot, die Erklärung klar und unzweideutig wiederzugeben (§ 17 Abs. 1 Satz 1 [X.]) konkretisiert (vgl. auch [X.], Urteil vom 10. März 2003 - [X.]([X.]) 3/02, NJW 2003, 2764 [juris Rn. 14]). Dem Notar kann nicht vorgeworfen werden, einen Textteil, der nicht [X.]estandteil der Erklärung der [X.] war, nicht verlesen zu haben. Ihm ist als verschuldete Auswirkung seiner gegen § 44a Abs. 1 [X.] verstoßenden Handlungsweise vielmehr vorzuwerfen, dass der Anschein erweckt wird, den [X.]eteiligten sei auch die Zustimmungserklärung vorgelesen, von ihnen genehmigt und unterschrieben worden, obwohl dies nicht der Fall war. Ein fahrlässiger Verstoß gegen § 44a Abs. 1 [X.] kann hier gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1, § 65 Abs. 1 [X.] nach dem in der mündlichen Verhandlung an die Parteien ergangenen Hinweis Gegenstand der Urteilsfindung sein. Aus dem Gesamtzusammenhang der [X.] ergibt sich mit ausreichender Deutlichkeit, dass der Kläger seine Anschuldigungen darauf (hilfsweise) erstrecken wollte. Eine [X.]eeinträchtigung der Verteidigungsmöglichkeiten des [X.]n ist nicht eingetreten, nachdem im vorliegenden Fall die Abgrenzung zwischen den Verstößen gegen § 13 Abs. 1 [X.] einerseits und § 44a Abs. 1 [X.] andererseits von den Parteien umfänglich diskutiert und die Verstöße gegen § 44a Abs. 1 [X.] von dem [X.]n eingeräumt worden sind (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 28. März 2011 - 2 [X.]/10, juris Rn. 5 ff.; vom 6. April 2011 - 2 [X.]/10, juris Rn. 11; NVwZ-RR 2015, 50 Rn. 14 f.; Urban/[X.], [X.], 2. Aufl., § 52 Rn. 17, § 60 Rn. 12; [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 60 Rn. 12).

c) Eine Überprüfung der von dem [X.] gemäß § 56 Satz 1 [X.] ausgeschiedenen weiteren 26 Handlungen durch den [X.] hat ergeben, dass Verstöße gegen § 13 Abs. 1 [X.] insoweit nicht festzustellen sind. Die im pflichtgemäßen Ermessen des [X.]s stehende Wiedereinbeziehung der ausgeschiedenen Tathandlungen hatte daher zu unterbleiben, weil ihnen keine [X.]edeutung für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme zukommt.

aa) Da der [X.] in der [X.]erufung - wie oben ausgeführt - eine eigene [X.]emessungsentscheidung zu treffen hat, ist er berechtigt und verpflichtet, nach den Kriterien des § 56 [X.] eigenständig über den Ausschluss von Tathandlungen und ihre erneute Einbeziehung in das Disziplinarverfahren zu entscheiden. Kommt einer vom [X.] ausgeschlossenen Handlung [X.]edeutung für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme zu, sind die Voraussetzungen für die vom [X.] ausgesprochene [X.]eschränkung daher nachträglich entfallen und die Tathandlungen nach pflichtgemäßem Ermessen wieder einzubeziehen (vgl. [X.]VerwG, NVwZ-RR 2013, 1009 Rn. 10, 12). Dabei ist insbesondere zu beachten, dass das Disziplinarverfahren weiterhin die gebotene Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des [X.]eamten (Notars) ermöglichen muss ([X.]VerwG, NVwZ-RR 2013, 926 Rn. 16; [X.]VerwGE 155, 6 Rn. 79).

bb) Die Überprüfung der ausgeschiedenen 26 Handlungen durch den [X.] hat indes ergeben, dass sie eine solche [X.]edeutung nicht aufweisen. Ein Verstoß gegen § 13 Abs. 1 [X.] ist schon nicht festzustellen. Im Einzelnen:

(1) Der Vorwurf, der Notar habe in 13 Fällen ([X.]n 7516/2016, 8404/2015, 8379/2015, 8340/2015, 8294/2015, 8134/2015, 8057/2015, 7816/2015, 7702/2015, 7638/2015, 7576/2015, 7569/2015, 7513/2015) zu streichende Zustimmungserklärungen des Ehegatten in [X.] nicht gestrichen, trifft nicht zu. Die [X.] enthalten - wovon sich der [X.] anhand der Urkunden überzeugt hat - die erforderlichen Streichungen in der Form eines sogenannten "[X.]s". Der Kläger hat, der Notarkammer folgend, eingeräumt, dass der "[X.]" eine übliche Form der Streichung sei. In [X.]ezug auf die [X.] 8191/2015 macht der Notar zu Recht geltend, dass eine Streichung nicht erforderlich gewesen sei, weil die Regelung nach ihrer Formulierung schon nicht anwendbar war und daher auch nicht gestrichen werden musste. Hinsichtlich der [X.] 8137/2015 hat der [X.] [X.] vorgetragen, die Leerseite beruhe auf einem Fehler beim Scannen und sei im Original nicht enthalten. Die in der [X.] genannte Urkunde 7020/2015 ist nicht [X.]estandteil der Akte. Der disziplinarische Vorwurf ist daher nicht belegt.

(2) Es trifft demgegenüber zu, dass in den [X.]n 7973/2015 und 8338/2015 die Zustimmungserklärung der Ehegatten nicht gestrichen ist. In der Urkunde [X.] 7562/2015 weist das darin aufgenommene Formular der [X.] an zahlreichen Stellen die Formulierung "der/die [X.](n)/der [X.]ne zu 2" auf, ohne dass Streichungen erfolgt sind. Es verbleiben zudem sieben weitere Fälle ([X.]n 7510/2015, 7585/2015, 7593/2015, 7972/2015, 8196/2015, 8338/2015, 8354/2015) in denen dem Notar vorgeworfen wird, in den Urkunden unterschiedliche Regelungen zur Verjährung oder zur Zweckbestimmung aufgenommen zu haben. In den genannten zehn Fällen hat der Notar aber - anders als in den drei Fällen, in denen das [X.] den Vorwurf für erwiesen angesehen hat - nicht eingeräumt, Teile der Urkunden nicht verlesen zu haben, sondern sich dahin verteidigt, die Urkunden seien - aus im Einzelnen von ihm vorgetragenen Gründen - gemäß den Vorschriften des [X.]eurkundungsrechts zutreffend gefasst und pflichtgemäß vollständig verlesen worden.

(3) Das [X.] hat eine weitere Aufklärung in [X.]ezug auf die unter (2) aufgeführten zehn Fälle zu Recht unterlassen. Die Überzeugung, dass der Notar - der dem Vorwurf entgegentritt - gegen § 13 Abs. 1 [X.] verstoßen hat, lässt sich aus dem Gesamtbild der unter (2) aufgeführten zehn Urkunden nicht gewinnen; Zeugen hat der Kläger insoweit nicht benannt. Es ist ohne weiteres möglich, dass dem Notar, der einen hohen Zeitdruck bei der [X.]eurkundung eingeräumt hat, die vom Kläger behaupteten inhaltlichen Fehler - deren Vorliegen hier dahinstehen kann - bei der Verlesung nicht aufgefallen sind. Zwar hätte der Notar mit einer solchen Form des Verlesens den Sinn und Zweck der [X.] nicht gewahrt (vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], [X.], § 13 Rn. 17). Tatsächlich verlesene Urkunden können aber nicht deshalb als "nicht verlesen" angesehen werden, weil dem Notar in den Urkunden enthaltene Fehler nicht aufgefallen sind. Das würde zu kaum noch beherrschbaren [X.] und im Hinblick darauf, dass ein Verstoß gegen § 13 Abs. 1 [X.] die Unwirksamkeit des [X.] nach sich zieht, auch zu nicht gerechtfertigten Ergebnissen führen. Etwaige Verstöße gegen § 17 Abs. 1 [X.], § 14 Abs. 1 und 2 [X.] - die der Kläger mit der [X.]erufung auch nicht geltend macht - sind nicht Gegenstand der [X.] und können daher gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1, § 65 Abs. 1 [X.] nicht Gegenstand der Urteilsfindung sein (vgl. [X.], Urteil vom 16. November 2020 - [X.]([X.]) 2/19, NJW-RR 2021, 784 Rn. 41; [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 28. März 2011 - 2 [X.]/10, juris Rn. 5 ff.; vom 6. April 2011 - 2 [X.]/10, juris Rn. 11; NVwZ-RR 2015, 50 Rn. 14 f.; Urban/[X.], [X.], 2. Aufl., § 52 Rn. 17, § 60 Rn. 12; [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 60 Rn. 12).

4. Überwiegend zu Recht greift der Kläger in [X.]ezug auf die Dienstpflichtverletzung 7 (unterbliebener Versand des beabsichtigten Textes des Rechtsgeschäfts an Verbraucher) indes die [X.]eurteilung des [X.]s an, der [X.] habe nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig gehandelt.

a) In 52 der 54 von dem Notar dem objektiven Sachverhalt nach eingeräumten, im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2015 begangenen Verstößen gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 [X.] handelte es sich nach den vom [X.] überprüften und von den Parteien nicht in Frage gestellten Feststellungen des [X.]s um [X.]eurkundungen von Grundstückskaufverträgen zwischen Unternehmen der P.-Gruppe und einzelnen Verbrauchern. Der Notar hat sich dazu nach den Feststellungen des [X.]s dahin eingelassen, den Verbrauchern sei von dem jeweiligen Vertriebsmitarbeiter ein sogenannter Vertragsordner mit den Objektunterlagen, einem Vertragsmuster, einem [X.]egleitschreiben des Notars und einem sogenannten Notardatenblatt übergeben worden. Er sei überzeugt gewesen, im Interesse der durch diesen Ordner bereits vorinformierten und in keinem Fall geschädigten Verbraucher zu handeln. Das [X.] hat daraus und aus den Angaben der Zeugin [X.] im Ermittlungsverfahren geschlossen, es habe keine gezielte Missachtung der gesetzlichen Vorschriften, schon gar nicht zum Nachteil der Verbraucher, sondern wie auch in den sonstigen Fällen, eine mangelhafte Organisation und Überwachung des Notariats durch den [X.]n vorgelegen. Das schließe vorsätzliches Handeln durch den [X.]n aus, ohne dass es darauf ankomme, ob seine rechtliche Einschätzung vertretbar gewesen sei.

Dem vermag der [X.] nicht zu folgen. Es kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass der beklagte Notar die von ihm eingeräumten Verstöße gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 [X.] durch nicht rechtzeitige Übersendung eines vollständigen Entwurfs in 32 Fällen und durch Übersendung eines Entwurfs des beabsichtigten Kaufvertrags ohne Angabe des Kaufpreises in 20 Fällen mit den von ihm vorgetragenen Überlegungen für gerechtfertigt gehalten hat. Er hat aber nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] entschieden, trotz der Fristunterschreitung zu beurkunden und damit vorsätzlich gehandelt. Der Vorsatz ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass er glaubte, die Übergabe des [X.] durch die Vertriebsmitarbeiter reiche zur Fristwahrung aus. Insoweit hätte sich der [X.] nicht in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum entsprechend § 17 StG[X.] befunden. Der Wortlaut des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 [X.] und sein Sinn und Zweck standen einer solchen Auslegung klar entgegen. Dass der Vertragsentwurf dem Verbraucher nicht mehr durch den [X.]auträger oder Vertriebsmitarbeiter, sondern durch den Notar zur Verfügung gestellt werden musste, war [X.] der mit Wirkung zum 1. Oktober 2013 erfolgten Neufassung durch das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen [X.]eurkundungsverfahren vom 15. Juli 2013 ([X.]). Sowohl aus der Gesetzesbegründung ([X.]T-Drucks. 17/12035, [X.]) als auch aus den Anwendungsempfehlungen der [X.] vom 2. Oktober 2013 (Rundschreiben Nr. 25/2013, Anwendungsempfehlungen zur praktischen Umsetzung der Neuregelung des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 [X.], [X.]) und der damals verfügbaren Literatur (Elsing, notar 2013, 20; [X.], notar 2013, 343, 345, [X.], [X.], 122, 125) ergab sich eindeutig, dass eine Übergabe des [X.] durch den [X.]auträger oder Vertrieb nicht mehr ausreichend war.

b) Vorsätzliches Handeln kann allerdings in den Fällen der [X.]n 327/2014 und 4481/2014 nicht festgestellt werden. Der Notar hat [X.] geltend gemacht, in diesen Fällen habe sich während der [X.]eurkundung herausgestellt, dass nicht - wie vorgesehen - als Verkäufer und Käufer jeweils ein Verbraucher habe auftreten wollen. Vielmehr habe nunmehr der Erwerber als Komplementär für eine Kommanditgesellschaft handeln wollen. In dieser für ihn überraschenden Situation habe er übersehen, dass nunmehr § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 [X.] anwendbar geworden sei, zumal der Verbraucher in diesen Fällen auf Verkäuferseite gestanden habe und sich zulasten der mit dem Vertragsinhalt vertrauten Verkäufer das [X.] nicht verändert habe. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass diese beiden Verstöße gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 [X.] lediglich aus mangelnder Sorgfalt erfolgt sind.

c) Eine nach den oben bereits angeführten Grundsätzen erfolgte Überprüfung der von dem [X.] gemäß § 56 [X.] ausgeschiedenen weiteren 27 Handlungen durch den [X.] hat ergeben, dass die in seinem pflichtgemäßen Ermessen stehende Wiedereinbeziehung der ausgeschiedenen Fälle zu unterbleiben hatte, weil ihnen keine [X.]edeutung für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme zukommt. Die vom [X.] ausgeschiedenen Handlungen treten teils in [X.]ezug auf ihren Unrechtsgehalt hinter die 54 Fälle zurück, die Gegenstand der disziplinarischen Verurteilung sind, und sind teilweise nicht zweifelsfrei belegt.

aa) Das [X.] hat 22 Fälle ausgeschieden, in denen den Verbrauchern der vollständige Kaufvertragsentwurf zwei Wochen vor der [X.]eurkundung übersandt worden war, wobei die Fristberechnung nicht - wie es zutreffend gewesen wäre (vgl. [X.], notar 2013, 343, 345; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], [X.], § 17 Rn. 243) - gemäß § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 [X.]G[X.], sondern gemäß § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 [X.]G[X.] erfolgt ist. Auch wenn in diesen Fällen objektiv eine Amtspflichtverletzung vorliegt ([X.], aaO Rn. 242) kommt ihnen angesichts der nur geringfügig verkürzten Frist gleichwohl ein geringerer Unrechtsgehalt zu. In einem weiteren Fall ([X.] 690/2014) hat der Notar [X.] vorgetragen, dass der (vollständige) Kaufvertragsentwurf dem Käufer in einer entsprechend berechneten Frist vor der [X.]eurkundung übersandt worden sei.

bb) Die von dem [X.] ausgeschiedenen Fälle zu den [X.]n 630/2014, 5440/2014, 6477/2014 und 3271/2015 hat der [X.] durch die der [X.] beigefügten Anlagen nicht oder nicht vollständig belegt gefunden. Unterlagen zu der [X.] 3271/2015 fehlen vollständig. Die Kaufverträge zu den [X.]n 630/2014, 5440/2014 und 6477/2014 sind in den Unterlagen nicht beziehungsweise nur unvollständig enthalten.

5. Auch die nach den obigen Grundsätzen erfolgte Überprüfung der von dem [X.] gemäß § 56 Satz 1 [X.] ausgeschiedenen weiteren Handlungen, die Gegenstand der Nachtragsdisziplinarklage sind (Dienstpflichtverletzung 8 - unterbliebene Rücksendung von [X.]) konnte nicht zu einer Wiedereinbeziehung führen. Ihnen kommt angesichts des Umstands, dass es sich um Fehler der Mitarbeiterinnen S. und N. des [X.]n gehandelt hat, die dieser unmittelbar nach deren [X.]ekanntwerden abgestellt hat, kein solches Gewicht zu, dass etwaige schuldhafte Versäumnisse des [X.]n bei der Überwachung seiner Mitarbeiter [X.]edeutung für die Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme haben könnten.

6. Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere der Amtspflichtverletzung unter angemessener [X.]erücksichtigung des Persönlichkeitsbilds des Notars und des Umfangs der [X.]eeinträchtigung des Vertrauens der Allgemeinheit zu bemessen ist, § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 13 Abs. 1 [X.]. In Anwendung dieser Grundsätze hat es zu Recht angenommen, dass eine Entfernung des [X.]n aus dem Amt nicht in [X.]etracht kommt.

a) Die dauerhafte Entfernung aus dem Amt kann im Disziplinarverfahren als schwerste Maßnahme lediglich dann verhängt werden, wenn der Notar in einer Weise gegen seine Pflichten verstoßen hat, die sein Verbleiben im Amt untragbar machen (st. Rspr., vgl. etwa [X.], [X.]eschluss vom 8. November 2013 - [X.]([X.]) 1/13, [X.], 434 Rn. 10; [X.], Urteil vom 24. November 2014 - [X.]([X.]) 1/14, [X.]Z 203, 280 Rn. 52; [X.]eschluss vom 28. August 2019 - [X.]([X.]) 1/18, [X.], 335 Rn. 115). Diese Voraussetzungen können regelmäßig dann vorliegen, wenn der Notar strafbare Handlungen, vor allem die Veruntreuung von ihm Anvertrautem oder Falschbeurkundungen, begangen oder in schwerwiegender Weise an unerlaubten oder unredlichen Geschäften mitgewirkt hat. Geringere Pflichtverletzungen genügen zumindest bei einschlägigen vorausgegangenen Disziplinarmaßnahmen ([X.], Urteil vom 24. November 2014 aaO; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 97 Rn. 48). Maßgeblich für die [X.]eurteilung, ob das Dienstvergehen einen die Entfernung gebietenden und zugleich rechtfertigenden Schweregrad aufweist, ist eine Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände. Die Entfernung vom bisherigen Amtssitz kommt in [X.]etracht, wenn der beschuldigte Notar durch erhebliche, in der Öffentlichkeit bekannt gewordene Verfehlungen sein Ansehen so sehr geschädigt hat, dass er am bisherigen Amtssitz nicht mehr tragbar erscheint, eine Entfernung aus dem Amt aber eine zu harte Maßnahme wäre ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 97 Rn. 12; [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl., § 97 Rn. 6).

b) Die nach diesem Maßstab vorgenommene [X.]ewertung führt dazu, dass das einheitliche Dienstvergehen des [X.]n eine Entfernung aus dem Amt oder auch eine Entfernung vom bisherigen Amtssitz nicht zu rechtfertigen vermag. Zwar hat der [X.] über einen Zeitraum von etwa fünf Jahren in zahlreichen Einzelfällen gegen seine Dienstpflichten verstoßen. Darunter waren auch vorsätzliche Verstöße gegen § 17 Abs. 2a [X.], denen - wie auch § 50 Abs. 1 Nr. 9 [X.]uchst. b [X.] zeigt - ein ganz erhebliches Gewicht zukommt. Auch der vorsätzliche Verstoß gegen § 25 Abs. 2 [X.] wiegt - wie das [X.] zu Recht angenommen hat - schwer.

Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass der [X.] über 20 Jahre ohne disziplinarische Vorbelastung tätig war. Das unterscheidet den hier vorliegenden Sachverhalt (ebenso wie den dem [X.]eschluss vom 28. August 2019, [X.], 335 ff. zugrundeliegenden) in erheblichem Maße von der Fallgestaltung des [X.]surteils vom 24. November 2014 ([X.]([X.]) 1/14, [X.]Z 203, 280 Rn. 2). Der Notar hat ferner während des gesamten Verfahrens bei der Aufklärung des Sachverhalts kooperativ mitgewirkt und sich einsichtig gezeigt. Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die [X.] zu einem Schaden geführt hätten oder es auch nur [X.]eschwerden oder [X.]eanstandungen der Rechtsuchenden gegeben hätte. Es gibt zudem keine Hinweise darauf, dass der Notar durch sein Verhalten Überrumpelungen oder Schädigungen von Verbrauchern bei Grundstückskaufverträgen begünstigt oder den Anschein mangelnder Unparteilichkeit und Unabhängigkeit erweckt hätte.

Die Dienstpflichtverletzung 1 wurde zwar vorsätzlich begangen, gleichwohl hat der [X.] die erforderliche Genehmigung nach einigen Monaten aus eigenem Antrieb eingeholt. Zudem liegen die festgestellten vorsätzlichen Verstöße des Notars gegen seine Dienstpflichten mittlerweile sechs Jahre zurück. Der Vorwurf, der [X.] habe unter Verstoß gegen § 13 Abs. 1 [X.] die [X.] verletzt, hat sich nicht bestätigt; insoweit ist lediglich der weniger schwerwiegende Vorwurf eines Verstoßes gegen § 44a [X.] gerechtfertigt. Den fahrlässig begangenen [X.] 2, 3 und 5 kommt kein besonders erhebliches Gewicht zu, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass die hohe Fallzahl im Hinblick auf die Dienstpflichtverletzung 3 durch Folgefehler eines einzelnen Fehlers verursacht war.

Der Notar hat zudem - wie das [X.] unangegriffen festgestellt hat - seine [X.] geändert. Er hat Maßnahmen zur Verbesserung der [X.] getroffen und seine Urkundszahlen verringert. Auch der Kläger macht nicht geltend, dass es - abgesehen von den in der Nachtragsdisziplinarklage bezeichneten Fehlern der Mitarbeiter des [X.]n und dem damit verbundenen Vorwurf deren fehlender Überwachung, den das [X.] zu Recht als weniger gewichtig angesehen hat - seit 2018 zu weiteren [X.]eanstandungen wegen der Amtsführung des Notars gekommen sei. Weiterhin konnte nicht unberücksichtigt bleiben, dass der [X.] und seine Familie durch das im Kollegenkreis weithin bekannt gewordene Disziplinarverfahren bereits erheblich belastet worden sind. Nach der gebotenen Gesamtwürdigung aller zu berücksichtigenden Umstände kommt eine Entfernung des Notars aus dem Amt oder von seinem Amtssitz nicht in [X.]etracht. Sie ist weder erforderlich noch verhältnismäßig, ohne dass es noch darauf ankommt, ob das [X.] - wie der Kläger meint - den Gesichtspunkt der Verfahrensdauer zu Unrecht zugunsten des [X.] gewertet habe.

c) [X.] zeigt keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür auf, dass der [X.] im Sinne von § 97 Abs. 4 Satz 2 [X.] aus Gewinnsucht gehandelt hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass der [X.] Vermögensvorteile erstrebt hätte, die gesetzwidrig oder nach dem Standesrecht unerlaubt und unangemessen waren (vgl. zum [X.]egriff der Gewinnsucht [X.], [X.]eschluss vom 28. August 2019 - [X.]([X.]) 1/18, [X.], 335 Rn. 120 mwN). Insbesondere liegen keine Hinweise darauf vor, dass der Notar gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 [X.] verstieß, um sich die jeweiligen [X.] zu erhalten. Allein der Umstand, dass der [X.] im Übrigen - wohl veranlasst durch sein hohes Urkundenaufkommen - fahrlässige [X.] begangen hat, vermag nicht die Annahme zu begründen, er habe dies im [X.] bewusst in Kauf genommen.

7. [X.] beruht auf § 109, § 96 Abs. 1 [X.], § 77 Abs. 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, § 78 [X.] ([X.] in Urban/[X.], [X.], 2. Aufl., § 78 Rn. 3).

[X.]     

      

Offenloch     

      

[X.]

      

Hahn     

      

Kuske     

      

Meta

NotSt (Brfg) 2/21

15.11.2021

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend Bayerisches Oberstes Landesgericht, 25. Januar 2021, Az: 501 DSNot 1/19

§ 13 Abs 1 BeurkG, § 17 Abs 1 BeurkG, § 17 Abs 2a S 2 Nr 2 BeurkG, § 44a Abs 1 BeurkG, § 97 Abs 4 S 2 BNotO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2021, Az. NotSt (Brfg) 2/21 (REWIS RS 2021, 1097)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1097

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