Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.03.2014, Az. NotSt (Brfg) 1/13

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2014, 7060

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Gegenstand

Disziplinarverfahren gegen einen Notar: Missbilligung bei Verstoß gegen Treuhandauflagen


Leitsatz

Unter außergewöhnlichen Umständen kann auch bei einem Verstoß des Notars gegen § 54b Abs. 2 Satz 3 BeurkG und gegen Treuhandauflagen eine Missbilligung gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 BNotO als Sanktion ausreichen.

Tenor

Der Antrag des Beklagten, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des 1. Senats für Notarsachen des [X.] vom 30. Juni 2013 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Streitwert: 3.000 €.

Gründe

1

Der zulässige Antrag, die Berufung gegen den eingangs bezeichneten Gerichtsbescheid zuzulassen, ist unbegründet. Entgegen der Ansicht des Beklagten bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der anzufechtenden Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 3, § 64 Abs. 2 [X.] und § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]) nicht.

2

Die Entscheidung des [X.], die angefochtene Disziplinarverfügung aufzuheben und stattdessen dem disziplinarisch nicht vorbelasteten Kläger lediglich eine Missbilligung (§ 94 Abs. 1 Satz 1 [X.]) auszusprechen, ist bei der im Rahmen der Entscheidung über die Zulassung der Berufung gebotenen summarischen Prüfung (vgl. hierzu [X.]/[X.], VwGO, 19. Aufl., § 124 Rn. 7) nicht zu beanstanden.

3

Nach § 60 Abs. 3 [X.] i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat das Gericht bei einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Disziplinarentscheidung zu überprüfen. Es ist nicht auf die Prüfung beschränkt, ob die dem Kläger zum Vorwurf gemachte Verhaltensweise (Lebenssachverhalt) tatsächlich gegeben und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern hat - [X.] - unter Beachtung des Verschlechterungsverbotes (vgl. § 88 VwGO i.V.m. § 3 [X.], § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]) im Interesse der Verfahrensbeschleunigung (§ 4 [X.] i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]) auch darüber zu entscheiden, welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Gericht danach nicht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben; es trifft in Anwendung der in § 13 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.] niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmenobergrenze vielmehr eine eigene "Ermessensentscheidung". Es kann die angefochtene Disziplinarverfügung zu Gunsten des [X.] abändern und an Stelle der verhängten eine mildere Disziplinarmaßnahme aussprechen (Senatsbeschluss vom 23. Juli 2012 - [X.]([X.]) 5/11, [X.], 359 Rn. 3 m.umfangr.w.[X.]). Dies umfasst auch die Befugnis, statt einer Disziplinarmaßnahme eine bloße Missbilligung gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 [X.] auszusprechen, die zwar einen Tadel beinhaltet, jedoch disziplinarischen Charakter nicht hat ([X.] in [X.]/Vaasen, [X.]/BeurkG, 3. Aufl., § 94 Rn. 2; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 94 Rn. 1; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 94 Rn. 2). Da sie aber ebenso wie eine Disziplinarmaßnahme die Reaktion der Aufsichtsbehörde auf ein Dienstvergehen des Notars ist ([X.], [X.] jew. aaO), ist auch das Disziplinargericht befugt, die Disziplinarverfügung durch eine Missbilligung zu ersetzen. Von dieser Möglichkeit hat das [X.] in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.

4

Die Missbilligung kann bei ordnungswidrigem Verhalten und Pflichtverletzungen leichterer Art ausgesprochen werden (§ 94 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Dies kommt unter anderem in Betracht, wenn der Notar innerdienstlichen Vorschriften nicht Rechnung trug, ohne dass bleibende Schäden eingetreten sind oder eine Außenwirkung eingetreten ist ([X.] aaO Rn. 5; [X.] aaO Rn. 2; [X.] aaO Rn. 4). Aber auch bei einem Verhalten mit Außenwirkung kann eine Missbilligung ausgesprochen werden, wenn das Verschulden besonders leicht wiegt ([X.]; [X.] jew. aaO). Eine Maßnahme nach § 94 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann dann insbesondere ausreichen, wenn zu erwarten ist, dass der Notar den betreffenden Fall zum Anlass nehmen wird, künftige Verstöße gleicher oder ähnlicher Art nicht mehr zu begehen und in der Vergangenheit nicht schon schärfere Maßnahmen verhängt werden mussten ([X.] aaO).

5

Nach diesen Maßstäben und unter der gebotenen Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls ist die anzufechtende Entscheidung nicht in zulassungsrelevanter Weise zu beanstanden.

6

Der Beklagte meint, das [X.] habe verkannt, dass der Kläger hinsichtlich des Verstoßes gegen § 54b Abs. 2 BeurkG zumindest grob fahrlässig gehandelt habe, da er sich über die eindeutige Regelung des Satzes 3

hinweg gesetzt habe. Es sei offensichtlich, dass diese Mussvorschrift nicht aus Praktikabilitätsgründen außer [X.] gelassen werden dürfe. Im Übrigen zeige das Klagevorbringen, dass der Kläger uneinsichtig sei und einen Pflichtverstoß immer noch in Abrede stelle. Diese [X.] sind unbegründet. Aufgrund der vom [X.] herausgestellten außergewöhnlichen Umstände, die den Kläger in dem vereinzelt gebliebenen Sonderfall zur Führung eines unzulässigen Sammelkontos veranlasst hatten, und der Tatsache, dass selbst die Notarkammer die Vorgehensweise des [X.] für vertretbar hielt, ist nur von einem geringfügigen Verschulden auszugehen. [X.] ist, dass sich der Kläger uneinsichtig gezeigt hat. In der Klageschrift hat er ausdrücklich hervorgehoben, ein Sammelkonto in Zukunft nicht mehr zu führen. Die von ihm herausgestellten besonderen Umstände dienten nicht dazu, sein Verhalten zu rechtfertigen. Vielmehr hatten die Ausführungen den Zweck zu erklären, wie es zu dem Pflichtverstoß kam, und dass ihn aufgrund dessen nur ein leichter Schuldvorwurf trifft.

7

Unbegründet ist weiter die Rüge des Beklagten, der Kläger habe entgegen der Ansicht der Vorinstanz grob leichtfertig gehandelt, indem er eine Auszahlung aus dem [X.] vornahm, obgleich die vertraglichen Fälligkeitsvoraussetzungen nicht vorlagen. Zwar stellt ein solches Vorgehen in der Regel einen schwerwiegenden und groben Verstoß gegen die notariellen Amtspflichten dar, da peinliche Genauigkeit bei der Erfüllung von [X.] für einen Notar eine grundlegende Pflicht ist (z.B. Senatsbeschluss vom 26. März 2007 - [X.] 37/06, juris Rn. 6; zu einseitigen Verwahrungsanweisungen siehe auch [X.], Urteil vom 10. Juli 2008 - [X.], [X.], 1662 Rn. 8 mwN). Dies hat das [X.] jedoch beachtet und wiederum unter Berücksichtigung der ungewöhnlichen Besonderheiten des Einzelfalls eine disziplinarische Ahndung des Pflichtverstoßes des [X.] ausnahmsweise nicht für erforderlich gehalten. Diese Würdigung lässt einen Grund zur Zulassung der Berufung nicht erkennen.

8

Soweit der Beklagte beanstandet, das [X.] habe eine Gesamtwürdigung aller der Disziplinarverfügung zugrunde liegenden Dienstvergehen unterlassen, vermag sich der Senat dem ebenfalls nicht anzuschließen. Der anzufechtende Gerichtsbescheid enthält eine umfassende Würdigung aller Umstände. Insbesondere weil Schäden nicht entstanden sind und zu erwarten ist, dass der Kläger auch ohne eine disziplinarische Ahndung die ihm unterlaufenen, weitgehend kleinere formale Nachlässigkeiten beinhaltenden und im Übrigen durch außergewöhnliche Umstände veranlassten, vom Regelfall abweichenden [X.] nicht wieder begehen wird, begegnet es nicht ernstlichen Zweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 [X.]), lediglich eine Missbilligung auszusprechen.

9

Auch vermag der Senat dem Beklagten nicht zu folgen, soweit er schließlich meint, selbst wenn der Verstoß gegen § 54b Abs. 2 Satz 3 BeurkG lediglich eine Missbilligung rechtfertigte, sei nicht einsichtig, weshalb die Hinzunahme der weiteren [X.], insbesondere die Abweichung von den vertraglichen Auszahlungsvoraussetzungen, demgegenüber nicht ins Gewicht fielen. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist hieraus nicht zu schließen, dass nach Auffassung des [X.] für den letztgenannten Vorgang noch nicht einmal eine Missbilligung zu erteilen gewesen wäre. Auch mehrere [X.], die jeweils für sich genommen bereits ein Vorgehen nach § 94 Abs. 1 Satz 1 [X.] gebieten, führen nicht notwendig dazu, dass eine Disziplinarmaßnahme angezeigt ist. Bei der gebotenen Würdigung aller Umstände kann gleichwohl insgesamt lediglich eine Missbilligung gerechtfertigt sein.

Galke                      [X.]                      Wöstmann

             Doyé                             Strzyz

Meta

NotSt (Brfg) 1/13

17.03.2014

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Frankfurt, 30. Juni 2013, Az: 1 Not 2/12

§ 94 Abs 1 S 1 BNotO, § 54b Abs 2 S 3 BeurkG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.03.2014, Az. NotSt (Brfg) 1/13 (REWIS RS 2014, 7060)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7060

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