Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2011, Az. VI ZR 332/09

6. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2054

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Gegenstand

Persönlichkeitsrechtsverletzung: Berichterstattung über die Mitwirkung als Darsteller in Pornofilmen


Leitsatz

Zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Berichterstattung über die Mitwirkung als Darsteller in kommerziell zu verwertenden Pornofilmen .

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des [X.] vom 24. September 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, der bei der Verleihung des [X.] im Mai 2007 von einer bekannten Schauspielerin öffentlich als deren neuer Lebenspartner vorgestellt wurde, nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Wortberichterstattung sowie auf Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Anspruch.

2

Der Kläger ist Bildhauer und wirkte [X.] als Darsteller in pornographischen Filmproduktionen mit. Sein Bild ist auf einem Cover für das entsprechende Filmmaterial abgebildet. Der Kläger ist in allen Filmen jeweils für kurze Zeit im Bild zu sehen; dabei ist sein Gesicht erkennbar. Sein bürgerlicher Name wird nicht genannt.

3

Die Beklagte ist Verlegerin der Zeitschrift "Auf einen Blick". In der Ausgabe Nr. 26/07 vom 21. Juni 2007 erschien auf S. 14 unter der Überschrift "Wenn Frauen zu sehr lieben" ein Artikel, in dem es unter voller Namensnennung u.a. heißt:

4

"Und Fernsehstar ...? Was mag sie gefühlt haben, als sie erfuhr, dass ihr neuer Freund … noch vor wenigen Monaten als Pornodarsteller brillierte - ohne Kondom natürlich. Kann es nach einem solchen Vertrauensbruch eine andere Lösung als Trennung geben?"

5

Der Kläger sieht sich durch die Berichterstattung in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Das [X.] hat die Beklagte verurteilt es zu unterlassen, die beanstandete Passage zu veröffentlichen oder zu verbreiten, und den Kläger von der Inanspruchnahme durch seine Rechtsanwältin in Höhe von 889,40 € freizustellen. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

6

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der angegriffenen Textpassage zu. Die Berichterstattung greife in rechtswidriger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des [X.] ein. Zwar sei seine Intimsphäre nicht betroffen. Der Kläger habe sich des absoluten Schutzes seiner Intimsphäre dadurch begeben, dass er aus freien Stücken an [X.] teilgenommen und diesen sexuellen Bereich selbst und bewusst der Öffentlichkeit preisgegeben habe. Die beanstandete Berichterstattung verletze aber seine Privatsphäre. Der Zuordnung der Berichterstattung zur Privatsphäre stehe nicht entgegen, dass der Kläger als Darsteller an pornographischen Filmen mitgewirkt habe. Denn die Mitwirkung in derartigen Filmen sei nicht mit sonstigen Auftritten in Filmen zu vergleichen, mit denen sich Darsteller bewusst an die Öffentlichkeit wendeten und im Vor- bzw. Abspann mit ihren Namen vorgestellt würden. Die Mitwirkenden an den von der Beklagten beispielhaft eingereichten Pornofilmen blieben anonym, auch wenn in einigen Szenen Gesichter zu erkennen seien. Darsteller in pornographischen Filmen seien der Öffentlichkeit abgesehen von einer kleinen Gruppe zumeist weiblicher Darsteller regelmäßig nicht namentlich bekannt. Nach dem Inhalt der eingereichten Filme trete der Kläger nicht als Person, sondern lediglich als anonymer austauschbarer Körper auf. Ein pornographischer Film sei ein personell anonymes Geschehen. Dies gelte auch in Anbetracht des Umstands, dass der Kläger nicht lediglich in Massenszenen gleich einem Statisten aufgetreten sei, sondern auch Szenen mit ihm und einer oder bis zu drei weiteren Personen zu sehen seien. Die Mitwirkung in den Pornofilmen könne auch nicht unter dem Aspekt der Berufstätigkeit der Öffentlichkeitssphäre zugeordnet werden. Denn es handle sich lediglich um eine Nebentätigkeit des [X.], der hauptberuflich als Bildhauer tätig sei. Auch wenn die Berichterstattung wahre Tatsachen betreffe, überwiege das Recht des [X.] auf Schutz seiner Privatsphäre dasjenige der Beklagten auf Meinungsfreiheit. Im Schutzbereich der Privatsphäre sei die Verbreitung wahrer Tatsachen nämlich nur zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an der Information bestehe. Ein berechtigtes Informationsinteresse an der Nebentätigkeit des [X.] als Pornodarsteller sei aber nicht ersichtlich.

II.

7

Diese Beurteilung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

8

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 [X.] analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der Behauptung zu, der Kläger habe in pornographischen Filmen mitgewirkt und hierbei kein Kondom verwendet.

9

a) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis allerdings zu Recht angenommen, dass die Veröffentlichung der angegriffenen Textpassage in dem Artikel der Beklagten vom 21. Juni 2007 das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht des [X.] beeinträchtigt.

aa) Wie das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen des [X.] zutreffend ausgeführt hat, scheidet eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des [X.] unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in seine absolut geschützte Intimsphäre aus.

(1) Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] gewährt das Grundgesetz dem Einzelnen im Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung einen unantastbaren Bereich zur Entfaltung der Persönlichkeit, der wegen seiner besonderen Nähe zur Menschenwürde absolut geschützt und einer Einschränkung durch Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zugänglich ist (vgl. [X.] 34, 238, 245; 80, 367, 373; 109, 279, 313 f.; [X.], [X.], 365 Rn. 25). Diesem Kernbereich gehören grundsätzlich Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. [X.] 119, 1, 29 f.; [X.], [X.], 365 Rn. 25 f.). Im Übrigen hängt die Beurteilung, ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zuzuordnen ist, davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der [X.] berührt (vgl. [X.] 80, 367, 374; 109, 279, 314; [X.], [X.], 365 Rn. 25 f.).

Indes gehört der Bereich der Sexualität nicht zwangsläufig und in jedem Fall zu diesem Kernbereich (vgl. [X.]surteile vom 24. November 1987 - [X.], [X.], 497; vom 26. Mai 2009 - [X.], [X.], 1085 Rn. 25; [X.], [X.], 365 Rn. 25). Absolut geschützt ist die Freiheit, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem Zugriff anderer entzogenen Freiraum zu erleben ([X.], [X.], 365 Rn. 26). Der Schutz entfällt aber, wenn der Grundrechtsträger den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung von sich aus öffnet, bestimmte, an sich dem unantastbaren Kernbereich zuzurechnende Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit zugleich die Sphäre anderer oder die Belange der [X.] berührt (vgl. [X.] 80, 367, 374; 101, 361, 385; [X.], [X.], 365 Rn. 25; vgl. auch [X.]/Klass, [X.], 13. Auflage, Anhang § 12, Rn. 121). Er kann sich dann nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Schutz seiner Intim- oder Privatsphäre berufen (vgl. [X.]surteile vom 24. November 1987 - [X.], aaO; vom 26. Mai 2009 - [X.], aaO Rn. 26 mwN; [X.] 101, 361, 385).

(2) Wie das Berufungsgericht - unter Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen des [X.] - zutreffend angenommen hat, hat der Kläger sich des absoluten Schutzes seiner Intimsphäre dadurch begeben, dass er freiwillig an der Produktion professionell hergestellter und kommerziell zu verwertender Pornofilme in für den Zuschauer erkennbarer Weise mitgewirkt und diesen Bereich seiner Sexualität damit bewusst der interessierten Öffentlichkeit preisgegeben hat. Dies gilt umso mehr, als sich der Kläger in diesem Zusammenhang werblich hat vereinnahmen lassen, indem er sich auf dem Cover eines der Filme erkennbar hat abbilden lassen (vgl. Anlage [X.]). Wer sich als Darsteller in kommerziell zu verwertenden Pornofilmen dem Publikum präsentiert, kann sich gegenüber einer Berichterstattung über diesen Teil seines Wirkens nicht auf den Schutz seiner Intimsphäre berufen (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 2008 - 9 U 131/07, [X.], 21531 unter [X.]) aa) (3); Soehring, Presserecht, 4. Aufl., § 19 Rn. 8; vgl. auch [X.], [X.], 532, 533). Derartige Filme sind gerade dazu bestimmt, von der interessierten Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden, so dass die Mitwirkung an ihrer Produktion nicht als Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit des [X.] im Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung angesehen werden kann.

bb) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber angenommen, die angegriffene Textpassage beeinträchtige den Kläger in seiner Privatsphäre.

(1) Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] und des erkennenden [X.]s umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen (vgl. [X.] 34, 238, 245; 35, 202, 220; [X.], [X.], 562; [X.]surteile vom 19. Dezember 1995 - [X.], [X.], 332, 337; vom 9. Dezember 2003 - [X.], [X.], 522; vom 26. Oktober 2010 - [X.]/08, [X.], 200 Rn. 10, 13, jeweils mwN). Der Schutz der Privatsphäre ist thematisch und räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres [X.] typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern ([X.] 80, 367), bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten ([X.] 27, 344), im Bereich der Sexualität ([X.] 47, 46; 49, 286), bei sozial abweichendem Verhalten ([X.] 44, 353) oder bei Krankheiten ([X.] 32, 373) der Fall ist. Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung anderer, wären die Auseinandersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation unter Nahestehenden, die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe beeinträchtigt oder unmöglich, obwohl es sich um grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen handelt (vgl. [X.] 101, 361, 382).

Auch hier entfällt der Schutz aber, wenn der Grundrechtsträger seine Privatsphäre nach außen öffnet und bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten der Öffentlichkeit preisgibt (vgl. [X.] 80, 367, 374; 101, 361, 385; [X.], [X.], 365 Rn. 25; vgl. auch [X.]/Klass, aaO). Er kann sich dann nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Schutz seiner Privatsphäre berufen (vgl. [X.]surteile vom 24. November 1987 - [X.], [X.], 497, 498; vom 26. Mai 2009 - [X.], aaO, Rn. 26 mwN; [X.] 101, 361, 385).

(2) Nach diesen Grundsätzen beeinträchtigt die angegriffene Textpassage die Privatsphäre des [X.] nicht. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trägt die angegriffene Textpassage nicht eine private Nebenbeschäftigung des [X.] in die Öffentlichkeit. Die in dem Artikel beschriebene Mitwirkung des [X.] an der Produktion professionell hergestellter und kommerziell zu verwertender Pornofilme ist nicht der privaten Lebensgestaltung, also dem der Öffentlichkeit abgewandten Bereich, sondern der Sozialsphäre zuzurechnen. Die beanstandeten Äußerungen befassen sich zwar mit der Lebensführung des [X.], allerdings nur im Hinblick auf Verhaltensweisen, die erkennbar an die Öffentlichkeit gerichtet waren und in diese ausstrahlten und nur insoweit, als er sie durch sein eigenes Verhalten zurechenbar in einen die Privatsphäre überschreitenden Rahmen gerückt hat.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Kläger in allen Pornofilmen, in denen er mitgewirkt hat, jeweils für kurze Zeit im Bild zu sehen und mit dem Gesicht erkennbar. Er hat nicht nur an Massenszenen gleich einem Statisten mitgewirkt, sondern ist auch in Szenen mit nur einer oder bis zu drei weiteren Personen zu sehen. Dies wird anschaulich durch den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Screenshot dokumentiert, der den Kläger - gut erkennbar, ohne Gesichtsmaske oder in sonstiger Weise anonymisiert - aktiv im [X.] und im Mittelpunkt des Bildes zeigt (so bereits [X.], Urteil vom 18. Juli 2008 - 9 U 131/07, aaO). Darüber hinaus ist der Kläger auf dem Cover eines der Filme abgebildet. Bei dieser Sachlage ist der Wertung des Berufungsgerichts, der Kläger sei in den Filmen nicht als Person, sondern lediglich als anonymer austauschbarer Körper aufgetreten, nicht zu folgen. Hiervon könnte man allenfalls dann ausgehen, wenn der Kläger Maßnahmen zum Schutz vor seiner Identifizierung getroffen, d.h. beispielsweise eine Gesichtsmaske getragen hätte. Dies ist vorliegend aber gerade nicht der Fall. Ein Darsteller in einem Pornofilm, der sich dem Publikum ohne jede Einschränkung präsentiert und sein Gesicht erkennen lässt, kann aber nicht auf einen namen- und identitätslosen Körper reduziert werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Filmen namentlich nicht benannt wird. Denn durch die Abbildung seiner Person, vor allem seines Gesichts ist er identifizierbar (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 2008 - 9 U 131/07, aaO unter [X.]) aa) (4)).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Mitwirkung des [X.] in den Pornofilmen auch nicht deshalb der Privatsphäre zuzuordnen, weil es sich hierbei um eine bloße Nebentätigkeit des hauptberuflich als Bildhauer tätigen [X.] handle. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Tätigkeit des [X.] nicht in dem öffentlichkeitsabgewandten Bereich privater Lebensgestaltung vollzog, sondern erkennbar an die Öffentlichkeit gerichtet war. Der Kläger hat sich bewusst und gewollt der Öffentlichkeit als Pornodarsteller präsentiert. Professionell hergestellte und kommerziell zu verwertende Pornofilme wie diejenigen, an denen der Kläger mitgewirkt hat, sind gerade dazu bestimmt, von der interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen zu werden. Darüber hinaus hat sich der Kläger in diesem Zusammenhang werblich vereinnahmen lassen, indem er sich auf dem Cover eines der Filme hat abbilden lassen.

cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beeinträchtigt die angegriffene Berichterstattung den Kläger auch nicht in seinem Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person. Zwar gehört zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht die Befugnis des Einzelnen, selbst zu entscheiden, wie er sich [X.] oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen will und inwieweit von [X.] über seine Persönlichkeit verfügt werden kann (vgl. [X.] 54, 148, 155; [X.], [X.], 562 Rn. 56). Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG vermittelt seinem Träger aber keinen Anspruch darauf, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es seinem Selbstbild entspricht oder ihm selbst genehm ist (vgl. [X.]surteil vom 26. Oktober 2010 - [X.]/08, aaO, Rn. 14; [X.] 82, 236, 269; 97, 125, 149; 97, 391, 403; 99, 185; [X.], [X.], 145 Rn. 24; [X.], 365 Rn. 33; vgl. ferner etwa [X.] 101, 361, 380; 120, 180, 198, Rn. 46; [X.], [X.], 2191, 2192; [X.], 2193). Es gewährleistet insbesondere keine umfassende Verfügungsbefugnis über die Darstellung der eigenen Person im Sinne einer ausschließlichen Herrschaft des Grundrechtsträgers über den Umgang der Öffentlichkeit mit denjenigen Aussagen oder Verhaltensweisen, deren er sich - wie im Streitfall - öffentlich entäußert hat ([X.], [X.], 562 Rn. 56).

dd) Die öffentliche Bekanntgabe des Umstands, dass der Kläger in pornographischen Filmen mitgewirkt und hierbei kein Kondom verwendet hat, beeinträchtigt den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aber deshalb, weil sie geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit negativ zu beeinflussen. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG schützt Elemente der Persönlichkeit, die nicht Gegenstand besonderer Freiheitsgarantien sind, aber diesen in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen. Dazu gehört auch die [X.] Anerkennung des Einzelnen. Aus diesem Grund umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Schutz vor Äußerungen, die - wie die angegriffene Berichterstattung - geeignet sind, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. [X.]surteile vom 26. Mai 2009 - [X.], [X.], 1085 Rn. 11; vom 26. Oktober 2010 - [X.]/08, [X.], 200; vom 22. Februar 2011 - [X.], [X.], 586 Rn. 11, 14, - [X.]/09, juris Rn. 11, 14 und - [X.]/09 - [X.], 180 Rn. 10, 13, jeweils mwN; [X.] 54, 148, 153; 99, 185, 193).

b) Diese Beeinträchtigung hat der Kläger aber hinzunehmen.

aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der [X.] interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. [X.]surteile vom 9. Dezember 2003 - [X.], [X.], 522, 523; vom 11. März 2008 - [X.], [X.], 695 Rn. 13 und - [X.], [X.], 793 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - [X.], [X.], 555 Rn. 17; vom 22. September 2009 - [X.], [X.], 1545 Rn. 16; vom 20. April 2010 - [X.], [X.], 2728 Rn. 12; [X.] 114, 339, 348 mwN; 120, 180, 200 f.; [X.], [X.], 365 Rn. 17; [X.], 480 Rn. 61). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. [X.]surteile vom 21. Juni 2005 - [X.], [X.], 1403, 1404; vom 17. November 2009 - [X.], [X.], 220 Rn. 21 f. mwN; vom 15. Dezember 2009 - [X.], [X.], 353 Rn. 11 - Onlinearchiv I; vom 9. Februar 2010 - [X.], [X.], 673 Rn. 14 - Onlinearchiv II; vom 20. April 2010 - [X.], aaO).

bb) Im Streitfall sind das Interesse des [X.] am Schutz seiner Persönlichkeit einerseits und die durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 [X.] geschützten Äußerungsinteressen der Beklagten andererseits abzuwägen. Denn der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf die Äußerung von Tatsachen, soweit sie [X.] zur Meinungsbildung dienen können (vgl. [X.]surteile vom 5. Dezember 2006 - [X.], [X.], 249 Rn. 15; vom 11. März 2008 - [X.], [X.], 695 Rn. 12; vom 22. April 2008 - [X.], [X.], 175 Rn. 16; vom 2. Dezember 2008 - [X.], [X.], 365 Rn. 14; vom 3. Februar 2009 - [X.], [X.], 555 Rn. 11 jeweils mwN; [X.] 61, 1, 8; 71, 162, 179; 99, 185, 197). Dies ist bei der streitgegenständlichen Äußerung ersichtlich der Fall.

cc) In der Rechtsprechung des [X.] sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. [X.], [X.], 365 Rn. 17; [X.], 480 Rn. 61 f., jeweils mwN). Danach müssen wahre Tatsachenbehauptungen, insbesondere solche aus dem Bereich der Sozialsphäre, in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine [X.] Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. [X.] 97, 391, 404 f.; [X.], [X.], 365 Rn. 17; [X.], 145 Rn. 25).

dd) Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des [X.] am Schutz seiner Persönlichkeit hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung jedenfalls insoweit zurückzutreten, als die Mitteilung der Tatsache betroffen ist, der Kläger habe in pornographischen Filmen mitgewirkt und hierbei kein Kondom verwendet. Diese die Sozialsphäre des [X.] betreffenden Tatsachen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wahr. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass ihre Bekanntgabe ein schwerwiegendes Unwerturteil des Durchschnittspublikums oder eine besondere Stigmatisierung des [X.] nach sich ziehen könnte. Der Kläger wird durch die öffentliche Erwähnung seiner Tätigkeit nicht stärker diskreditiert als er dies durch die Mitwirkung an den kommerziell zu vertreibenden Pornofilmen in Kauf genommen hat.

Auf das Gewicht des öffentlichen Informationsinteresses kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr entscheidend an. Denn die Meinungsfreiheit ist nicht nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt, sondern sie garantiert primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in eine Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann (vgl. [X.], [X.], 145 Rn. 28; [X.], 365 Rn. 29). Unabhängig davon bestand vorliegend aber auch ein nicht unerhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung über den Kläger als neuen Lebenspartner einer in [X.] sehr bekannten und im Licht der Öffentlichkeit stehenden Schauspielerin, nachdem diese ihn mit seinem Einverständnis anlässlich der Verleihung des [X.] öffentlich als ihren neuen Lebenspartner vorgestellt hatte. Dies gilt umso mehr, als der Umgang mit Pornografie und "safer sex" in der Gesellschaft kontrovers diskutiert und eine Berichterstattung hierüber durchaus zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen geeignet ist (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 2008 - 9 U 131/07, aaO; [X.], [X.], 532, 533).

2. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der [X.] kann mangels der erforderlichen Feststellungen nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Revisionserwiderung weist zu Recht darauf hin, dass der Kläger die angegriffene Textpassage auch unter einem weiteren Gesichtspunkt angegriffen hat. Er hat auch geltend gemacht, dass die Textpassage die unwahren Tatsachenbehauptungen enthalte, der Kläger habe seiner Partnerin bei Eingehen der Beziehung verschwiegen, dass er als Pornodarsteller tätig gewesen sei, und sie habe von diesem Umstand erst später Kenntnis erlangt. Dieser Aussagegehalt ist der angegriffenen Berichterstattung in der Tat, insbesondere aufgrund der Verwendung der Worte " …, als sie erfuhr, dass ihr neuer Freund …" und des Begriffs "Vertrauensbruch" beizumessen. Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - zur Wahrheit dieser das allgemeine Persönlichkeitsrecht des [X.] beeinträchtigenden Behauptung keine Feststellungen getroffen.

[X.]                                               Zoll                                      Wellner

                      Diederichsen                                von [X.]

Meta

VI ZR 332/09

25.10.2011

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 24. September 2009, Az: 10 U 20/09, Urteil

Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 5 Abs 1 GG, § 823 Abs 1 BGB, § 1004 Abs 1 S 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2011, Az. VI ZR 332/09 (REWIS RS 2011, 2054)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2054

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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