Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.02.2012, Az. XII ZB 198/11

12. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8677

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Gegenstand

Familiensache in Übergangsfällen nach Gesetzesänderung: Meistbegünstigungsgrundsatz bei fehlerhafter Entscheidung nach altem Verfahrensrecht; Verfahrenseinleitung durch Einreichung eines Prozesskostenhilfeantrags


Leitsatz

1. Entscheidet das Familiengericht nicht nach dem anwendbaren neuen Verfahrensrecht durch Beschluss, sondern fehlerhaft nach dem alten Verfahrensrecht durch Urteil, wird auch durch die Einlegung einer Beschwerde beim Ausgangsgericht die Rechtsmittelfrist gewahrt (Grundsatz der "Meistbegünstigung", im Anschluss an Senatsbeschluss vom 6. April 2011, XII ZB 553/10, FamRZ 2011, 966).

2. Allein die Einreichung einer Antragsschrift zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe führt nicht zu einer Verfahrenseinleitung im Sinne von Art. 111 Abs. 1 FGG-RG.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Streithelfers des Antragsgegners wird der Beschluss des 16. Zivilsenats - [X.] - des [X.] vom 14. März 2011 aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Streitwert: bis 2.500 €

Gründe

I.

1

Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute.

2

Die Antragstellerin hat am 9. Juli 2009 beim [X.] für eine beabsichtigte Klage auf Zugewinnausgleich beantragt. Auf ihren Antrag wurde das Verfahren im September 2009 an das Amtsgericht - Familiengericht - verwiesen. Das Amtsgericht hat der Antragstellerin Prozesskostenhilfe bewilligt, die Klage zugestellt und den Antragsgegner zur Zahlung von Zugewinnausgleich verurteilt.

3

Gegen das ihm am 9. November 2010 zugestellte Urteil hat der Antragsgegner am 9. Dezember 2010 beim Amtsgericht "Beschwerde" eingelegt. Das Rechtsmittel wurde vom Amtsgericht mit Verfügung vom 13. Dezember 2010 an das [X.] zur Entscheidung über die "Beschwerde" weitergeleitet, wo es am 16. Dezember 2010 eingegangen ist.

4

Das [X.] hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 17. Februar 2011 darauf hingewiesen, dass auf den Rechtsstreit das bis zum 31. August 2009 geltende Verfahrensrecht Anwendung finde und die Berufung unzulässig sei, weil der Antragsgegner schuldhaft die Frist zur [X.]egung der Berufung versäumt habe. Auf diesen Hinweis hat der Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

5

Das [X.] hat das als Berufung umgedeutete Rechtsmittel des Antragsgegners als unzulässig verworfen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt. Dagegen richtet sich die von dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners, der im Rechtsbeschwerdeverfahren dem Streit auf Seiten des Antragsgegners beigetreten ist, eingelegte Rechtsbeschwerde.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

7

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 117 Abs. 1 und 2 FamFG, §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Der [X.] ist in der [X.] wirksam dem Streit auf Seiten des Antragsgegners beigetreten und daher berechtigt, selbständig Rechtsmittel einzulegen, § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 66 Abs. 2 ZPO.

8

Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des [X.]. Das [X.] hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragsgegners auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren ([X.]sbeschlüsse vom 23. März 2011 - [X.]/11 - FamRZ 2011, 881 Rn. 7 und vom 2. April 2008 - [X.] 189/07 - [X.], 1338 Rn. 8 mwN).

9

2. Das [X.] hat die Auffassung vertreten, auf das Rechtsmittel sei nach Art. 111 Abs. 1 [X.] das bis zum 31. August 2009 geltende Verfahrensrecht anzuwenden, weil das Verfahren durch den von der "Klägerin" am 9. Juli 2009 eingereichten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) am 1. September 2009 eingeleitet worden sei. Das richtige Rechtsmittel sei daher die Berufung gewesen, die beim [X.] habe eingelegt werden müssen. Da das Amtsgericht nicht durch Beschluss gemäß § 38 FamFG, sondern nach altem Verfahrensrecht durch Urteil entschieden habe, sei die Beschwerde auch nicht unter dem Gesichtspunkt des [X.]sgrundsatzes zulässig. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist komme nicht in Betracht, weil die Fristversäumung durch den "Beklagten" verschuldet gewesen sei. Denn dieser habe sich zur Zulässigkeit seiner Beschwerde nur auf Rechtsprechung berufen, die für die Frage des nach Art. 111 [X.] anwendbaren Rechts auf den Zeitpunkt des Eingangs des [X.] abstelle. Diese Rechtsprechung stütze aber gerade nicht die Auffassung des "Beklagten", dass im vorliegenden Fall das neue Verfahrensrecht anwendbar sei. Das Beschwerdegericht habe bereits in seinem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass der "Prozessbevollmächtigte des Beklagten" aufgrund der geänderten Gesetzeslage besonderen Anlass zur sorgfältigen Prüfung des statthaften Rechtsmittels gegen die amtsgerichtliche Entscheidung gehabt habe. Er habe daher - zumindest auch - eine fristwahrende Berufung zum [X.] einlegen müssen.

3. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Entgegen der Auffassung des [X.]s kommt es auf die - von ihm verneinte - Frage nicht an, ob dem Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Denn vorliegend hätte das [X.] nach dem Grundsatz der [X.] das Rechtsmittel des Antragsgegners als zulässig erachten müssen.

a) Nach allgemeiner Auffassung dürfen die Prozessparteien dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlässt, keinen Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre (Grundsatz der "[X.]", st. Rspr. vgl. [X.]sbeschlüsse vom 6. April 2011 - [X.] 553/10 - FamRZ 2011, 966 Rn. 12 und vom 17. Dezember 2008 - [X.] 125/06 - [X.], 1000 Rn. 17 mwN). Der Schutzgedanke der [X.] soll die beschwerte Partei vor Nachteilen schützen, die auf der unrichtigen Entscheidungsform beruhen. Der Grundsatz der [X.] führt allerdings nicht dazu, dass das Rechtsmittel auf dem vom erstinstanzlichen Gericht eingeschlagenen falschen Weg weitergehen müsste; vielmehr hat das Rechtsmittelgericht das Verfahren so weiter zu betreiben, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel geschehen wäre ([X.]sbeschlüsse vom 6. April 2011 - [X.] 553/10 - FamRZ 2011, 966 Rn. 12 und vom 17. Dezember 2008 - [X.] 125/06 - [X.], 1000 Rn. 28).

Der Grundsatz der [X.] findet ebenso Anwendung, wenn - wie hier - das Gericht nach dem von ihm angewandten Verfahrensrecht die Entscheidungsart zwar zutreffend gewählt hat, der Fehler jedoch auf der Anwendung falschen Verfahrensrechts beruht ([X.]sbeschluss vom 6. April 2011 - [X.] 553/10 - FamRZ 2011, 966 Rn. 13; vgl. auch [X.] Beschluss vom 21. Oktober 2010 - 6 UF 77/10 - juris Rn. 2 für den umgekehrten Fall, dass das Familiengericht noch nach altem Recht durch Urteil statt nach dem FamFG durch Beschluss entschieden hat).

b) Gemessen an diesen Anforderungen hätte das [X.] das Rechtsmittel des Antragsgegners nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Denn im vorliegenden Fall findet das ab 1. September 2009 geltende Verfahrensrecht Anwendung, weil das Verfahren erst nach diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (Art. 111 Abs. 1 [X.]). Das Rechtsmittel des Antragsgegners war daher als Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und ist rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG beim zuständigen Amtsgericht (§ 64 Abs. 1 FamFG) eingelegt worden.

aa) In Rechtsprechung und im Schrifttum ist umstritten, welches Verfahrensrecht zur Anwendung kommt, wenn eine Partei vor dem 1. September 2009 zunächst nur einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt hat und über diesen Antrag erst nach diesem Zeitpunkt entschieden wurde.

(1) Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass bereits die Stellung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe als verfahrenseinleitende Handlung iSv Art. 111 Abs. 1 [X.] ausreiche (vgl. [X.] FamRZ 2010, 1003 Rn. 6; OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 325 Rn. 8 f.; [X.]/[X.] in [X.]/[X.] FamFG 2. Aufl. [X.]. Rn. 95; [X.]/[X.] FamFG 2. Aufl. Art. 111 [X.] Rn. 11; differenzierend [X.] in [X.] [X.] [Stand: 1. Januar 2012] Art. 111 Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.] Familienrecht 5. Aufl. Art. 111 [X.] Rn. 4; [X.] [X.] 2010, 42; [X.]. [X.] 2009, 548, 549; [X.] [X.] 2009, 167; [X.] FamRZ 2009, 1884, 1885; [X.]. [X.], 2168, 2170). Aus den [X.] ergebe sich, dass auf das Hauptsacheverfahren und ein vorgeschaltetes Prozess- bzw. [X.] grundsätzlich das gleiche Verfahrensrecht anzuwenden sei. Deshalb komme es für die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf den Zeitpunkt des Antrags auf Bewilligung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe an ([X.] FamRZ 2010, 1003 Rn. 3 ff.). Eine andere Betrachtungsweise würde zudem zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Ungleichbehandlung von bemittelten und unbemittelten Personen führen. Erstere hätten es durch den Zeitpunkt, zu dem sie eine Klage einreichen, bis zu einem gewissen Grad in der Hand, für das alte Verfahrensrecht zu optieren und damit zumindest in Familiensachen, die nach altem Recht den Zivilgerichten zugewiesen waren, ein zusätzliches Rechtsmittel in Form der Nichtzulassungsbeschwerde zu erhalten (ähnlich [X.]/[X.] in [X.]/[X.] FamFG 2. Aufl. [X.]. Rn. 93; [X.] [X.] 2009, 548, 549; [X.]/[X.] FamFG 2. Aufl. Art. 111 [X.] Rn. 11). Außerdem sei sonst der häufig von der Arbeitsbelastung des Gerichts abhängende Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag maßgeblich dafür, welches Verfahrensrecht zur Anwendung komme.

(2) Nach anderer Auffassung genügt die Stellung eines Prozess- bzw. [X.]s noch nicht, um das Verfahren iSv Art. 111 [X.] einzuleiten ([X.], 1101 Rn. 11 ff.; [X.] FamRZ 2010, 1686 Rn. 8 f.; [X.]/Papst 3. Aufl. Art. 111 [X.] Rn. 5; [X.]/[X.] FamFG [X.]. Rn. 20; Bumüller/Har[X.] FamFG - Freiwillige Gerichtsbarkeit 10. Aufl. Art. 111 [X.] Rn. 1; [X.] FPR 2010, 69, 70; [X.] 2009, 313, 316; [X.] 2009, 381; [X.] 2009, 317, 318).

bb) Der [X.] schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

(1) Bereits der Wortlaut der Überleitungsvorschrift spricht dafür, dass ein Antrag auf Bewilligung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe noch nicht als eine Verfahrenseinleitung iSv Art. 111 Abs. 1 [X.] betrachtet werden kann.

Nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des [X.] und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind, weiter die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Vorschriften anzuwenden. Nach Art. 111 Abs. 2 [X.] ist jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ein selbständiges Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 1 [X.].

Nach ihrem Wortlaut stellt die Überleitungsvorschrift daher allein auf den Zeitpunkt der [X.]eitung solcher Verfahren ab, in denen der eigentliche Verfahrensgegenstand durch eine Endentscheidung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG ganz oder teilweise erledigt wird. Diese Voraussetzung erfüllt ein Prozess- bzw. [X.] nicht, weil über den eigentlichen Verfahrensgegenstand keine Entscheidung ergeht. Das Verfahren dient der Vorbereitung eines beabsichtigten gerichtlichen Verfahrens, mit dem der Antragsteller ein Recht oder einen Anspruch durchsetzen will und hat damit allein eine kostenrechtliche Bedeutung für den Antragsteller. Deshalb wird die abschließende Entscheidung über einen Prozess- bzw. [X.] auch nicht von § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG erfasst, selbst wenn sie in Form eines Beschlusses ergeht (vgl. dazu [X.]/[X.] FamFG 17. Aufl. § 38 Rn. 6).

Dementsprechend entstehen durch die Anhängigmachung der Hauptsache Gerichtskosten (§ 6 GKG, § 9 [X.]), was durch die vorgeschaltete Einreichung eines alleinigen Prozess- oder [X.]s vermieden wird.

(2) Entgegen der Auffassung des [X.]s lässt sich auch daraus, dass die [X.] für Hauptsacheverfahren und Nebenverfahren die Anwendung einheitlichen Rechts festlegen, nicht ableiten, welches einheitliche Recht dies ist. Denn dies ist gerade davon abhängig, wann ein Verfahren eingeleitet wird und nicht davon, dass zu einem Zeitpunkt vor dem Stichtag eine Nebenentscheidung auch noch nach altem Recht hätte ergehen können, die Nebenentscheidung aber tatsächlich erst nach dem Stichtag getroffen wurde. Vielmehr ist für [X.] mangels für sie bestehender [X.] dasjenige Recht anzuwenden, das zum Zeitpunkt der Entscheidung in [X.] war.

Deutlich wird dies am Fall des bis zum 31. August 2009 abgelehnten isolierten [X.]. In diesem Fall ist das Nebenverfahren nach altem Recht abgeschlossen. Stellt der Rechtssuchende nun einen unbedingten Antrag, kann aus dem abgeschlossenen Prozesskostenhilfeverfahren die [X.]eitung eines Verfahrens vor dem Stichtag gerade nicht abgeleitet werden, da das Nebenverfahren abgeschlossen ist. Dann kann aber auch der Zeitpunkt des Eingangs des erfolgreichen [X.], über das nach dem Stichtag entschieden wird, ebenso wenig maßgeblich für die [X.]eitung des Verfahrens sein. Denn andernfalls hinge die Anwendung des jeweiligen Rechts davon ab, ob der Antrag auf Prozesskostenhilfe positiv oder negativ verbeschieden wird.

(3) Schließlich ist es auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten, bereits die Stellung eines Prozess- bzw. [X.]s als Verfahrenseinleitung iSv Art. 111 Abs. 1 [X.] genügen zu lassen.

Nach der Rechtsprechung des [X.] gebietet zwar der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), die prozessuale Stellung von [X.] und [X.]n weitgehend anzugleichen (vgl. [X.] 9, 124, 131; 10, 264, 270; 22, 83, 86; 63, 380, 394). Einer unbemittelten Partei darf die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung im Vergleich zur bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden (vgl. [X.] 22, 83, 86) und der [X.] muss grundsätzlich ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können wie eine vermögende Partei (vgl. [X.] 9, 124, 130 f.). Eine völlige Gleichstellung bemittelter und unbemittelter Parteien ist indes von [X.] wegen nicht geboten und oft auch tatsächlich nicht zu erreichen.

Es ist zwar zutreffend, dass eine [X.] in vermögensrechtlichen Streitigkeiten von Eheleuten, für die nach altem Verfahrensrecht die allgemeinen Zivilgerichte zuständig waren (vgl. jetzt § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG), durch eine Klageerhebung vor dem 1. September 2009 sich diese Zuständigkeit erhalten und sich damit auch die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde als zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeiten verschaffen konnte. Diese Einflussnahme auf das anzuwendende Verfahrensrecht war einer unbemittelten Partei jedoch auch nicht völlig verschlossen. Durch einen frühzeitigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe konnte auch sie es erreichen, dass über ihren Antrag noch vor dem Stichtag entschieden wurde und das alte Verfahrensrecht zur Anwendung gelangte. Nur in den Fällen, in denen die Partei den Prozesskostenhilfeantrag erst kurz vor dem Stichtag stellen konnte oder das Gericht verspätet über einen frühzeitig gestellten Prozesskostenhilfeantrag entschieden hat, hätte die [X.] tatsächlich mehr Einfluss auf das anwendbare Verfahrensrecht erlangt als die unbemittelte. Die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung in einer Fallkonstellation, die nur beim Zusammentreffen gleich mehrerer Umstände überhaupt relevant geworden ist, ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht hinzunehmen.

Letztlich würde auch durch die Annahme, dass bereits der Antrag auf Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe als Verfahrenseinleitung gemäß Art. 111 Abs. 1 [X.] genügt, keine völlige Gleichstellung bemittelter und unbemittelter Parteien erreicht. So hätte nämlich in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit zwischen Eheleuten, für die nach altem Recht die Zuständigkeit des [X.] begründet war, ein Antragsteller, dessen Prozesskostenhilfegesuch nach dem 1. September 2009 mit der Begründung abgewiesen worden wäre, dass der geltend gemachte Anspruch nicht bestehe, vor dem jetzt nach neuem Recht zuständigen Familiengericht erneut einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe stellen können. Damit hätte sich ihm eine zweite Möglichkeit eröffnet, mit seiner Rechtsauffassung durchzudringen, die einer bemittelten Person nicht zur Verfügung gestanden hätte ([X.] FamRZ 2010, 1686 Rn. 9).

4. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben. Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil das [X.] nur über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entschieden hat. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen.

[X.]                               Dose                               [X.]

                   [X.]

Meta

XII ZB 198/11

29.02.2012

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Karlsruhe, 14. März 2011, Az: 16 UF 235/10

Art 111 Abs 1 FGG-RG, § 38 Abs 1 S 1 FamFG, § 58 Abs 1 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.02.2012, Az. XII ZB 198/11 (REWIS RS 2012, 8677)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8677

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