Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.05.2011, Az. XII ZB 69/11

12. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7110

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Gegenstand

Prozesskostenhilfebewilligung durch das Beschwerdegericht bei zweifelhafter Rechtsfrage; Begriff der Verfahrenseinleitung in Familiensache nach Übergangsrecht


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 8. Zivilsenats - 2. Senat für Familiensachen - des [X.] vom 16. September 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.  

[X.]: 4.425 Euro

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um Kindesunterhalt.

2

Am 30. März 2009 hat die Klägerin beim Amtsgericht Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Zahlung von Kindesunterhalt beantragt. Dem Antrag war eine Klageschrift mit der ausdrücklichen Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin beigefügt, die Klage solle nur unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhoben werden. Einen [X.] hat die Klägerin nicht geleistet. Mit Beschluss vom 31. März 2010 hat das Amtsgericht der Klägerin "Prozesskostenhilfe" bewilligt und die Zustellung der Klage veranlasst.

3

Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Urteil wurde der Beklagten am 2. August 2010 zugestellt.   

4

Mit beim [X.] am 2. September 2010 per Telefax eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten hat die Beklagte "Verfahrenskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts" beantragt.

5

Mit Beschluss vom 16. September 2010 hat das [X.] den "[X.]" der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass trotz des bereits am 30. März 2009 gestellten Antrags der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Klage erst mit der am 31. März 2010 erfolgten Zustellung anhängig im Sinne von Art. 111 Abs. 1 Satz 1 [X.] geworden sei. Deshalb sei das ab 1. September 2009 geltende Verfahrensrecht anzuwenden. Das "[X.]" der Beklagten habe daher innerhalb der 1-monatigen Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG beim Amtsgericht als dem nach § 64 Abs. 1 FamFG zuständigen Gericht und nicht beim [X.] eingehen müssen. Die Einreichung des "[X.]s" beim unzuständigen Gericht habe zur Folge, dass die Beschwerdefrist schuldhaft versäumt worden sei. Da somit auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht komme, wäre eine noch einzulegende Beschwerde der Beklagten gegen die amtsgerichtliche Entscheidung unzulässig. Mangels Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels könne der Beklagten daher "Verfahrenskostenhilfe" nicht gewährt werden.

6

Mit der vom [X.] im Hinblick auf die gegenteilige Auffassung des [X.]s Celle ([X.], 1101 f.) zur Frage der Verfahrenseinleitung im Sinne von Art. 111 Abs. 1 Satz 1 [X.] durch ein Prozess- oder [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter.

II.

7

Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

8

Nach der Rechtsprechung des [X.], auch des Senats, muss das Beschwerdegericht bei Vorliegen der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen einem Prozess- oder [X.] entsprechen, wenn es im Bewilligungsverfahren der Ansicht ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegeben sind (vgl. Senatsbeschluss vom 17. März 2004 - [X.]/02 - NJW 2004, 2022; [X.] Beschlüsse vom 21. November 2002 - [X.]/02 - NJW 2003, 1126, 1127 und vom 27. Februar 2003 - [X.] - [X.] 2003, 213). In diesem Fall gebietet nämlich die in Art. 3 Abs. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte [X.], die Erfolgsaussichten zu bejahen und dem Antragsteller Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Denn das Hauptverfahren eröffnet erheblich bessere Möglichkeiten der Entwicklung und Darstellung des eigenen Rechtsstandpunktes (Senatsbeschluss vom 17. März 2004 - [X.]/02 - NJW 2004, 2022). Das nur einer summarischen Prüfung unterliegende Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeverfahren hat demgegenüber nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden (vgl. [X.] FamRZ 2002, 665).

9

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass im vorliegenden Fall der Grundsatz der Meistbegünstigung zur Anwendung gelangen könnte (vgl. Senatsbeschluss vom 6. April 2011 - [X.] - zur Veröffentlichung bestimmt).

[X.]     

Weber-Monecke     

Ri[X.] Dose ist durch
Teilnahme an einer
Tagung verhindert zu
unterschreiben.

[X.]

Schilling     

Günter     

Meta

XII ZB 69/11

04.05.2011

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 16. September 2010, Az: 8 UF 167/10 (PKH), Beschluss

Art 111 Abs 1 FGG-RG, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.05.2011, Az. XII ZB 69/11 (REWIS RS 2011, 7110)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7110

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