Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.02.2012, Az. XII ZB 198/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8691

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 198/11

vom

29. Februar 2012

in der
Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] Art.
111 Abs.
1
a)
Entscheidet das Familiengericht nicht nach dem anwendbaren neuen Verfah-rensrecht durch Beschluss, sondern fehlerhaft nach dem alten Verfahrensrecht durch Urteil, wird auch durch die Einlegung einer Beschwerde beim [X.] die Rechtsmittelfrist gewahrt (Grundsatz der "Meistbegünstigung", im [X.] an [X.]sbeschluss vom 6.
April 2011
XII
[X.]
553/10
-
FamRZ 2011, 966).
b)
Allein die Einreichung einer Antragsschrift zur Bewilligung von Prozess-
oder
Verfahrenskostenhilfe führt nicht zu einer Verfahrenseinleitung im Sinne
von Art.
111 Abs.
1 [X.].
[X.], Beschluss vom 29. Februar 2012 -
XII [X.] 198/11 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 29.
Februar 2012
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.]
und [X.], Dr.
Klinkhammer, Dr.
Günter
und Dr.
Nedden-Boeger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Streithelfers
des Antragsgegners wird der Beschluss des
16.
Zivilsenats -
[X.] für Familiensa-chen
-
des [X.]s [X.]
vom 14.
März
2011
auf-gehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Streitwert:
bis 2.500

Gründe:
I.
Die [X.]en sind rechtskräftig geschiedene Eheleute.
Die Antragstellerin hat am 9.
Juli 2009 beim [X.] für eine beabsichtigte Klage auf Zugewinnausgleich
beantragt. Auf ihren [X.] wurde das Verfahren im September 2009 an das Amtsgericht -
Familien-gericht
-
verwiesen. Das Amtsgericht hat der Antragstellerin Prozesskostenhilfe bewilligt, die Klage zugestellt
und den Antragsgegner zur Zahlung von
Zuge-winnausgleich verurteilt.
1
2
-
3
-
Gegen das ihm am 9.
November 2010 zugestellte Urteil hat der Antrags-gegner
am 9.
Dezember 2010 beim Amtsgericht "Beschwerde"
eingelegt. Das Rechtsmittel wurde
vom Amtsgericht mit
Verfügung vom 13.
Dezember 2010 an das [X.] zur Entscheidung über die "Beschwerde"
weitergeleitet,
wo es am 16.
Dezember 2010
eingegangen ist.
Das [X.] hat den Antragsgegner mit Beschluss vom
17.
Februar 2011
darauf hingewiesen, dass auf den Rechtsstreit das bis zum 31.
August
2009
geltende Verfahrensrecht Anwendung finde
und die Berufung unzulässig sei, weil der Antragsgegner schuldhaft die Frist zur Einlegung der [X.] versäumt habe. Auf diesen Hinweis hat der Antragsgegner Wiedereinset-zung in den vorigen Stand beantragt.
Das [X.] hat das als Berufung umgedeutete Rechtsmittel des Antragsgegners
als unzulässig verworfen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt. Dagegen richtet sich die von dem Verfahrensbevoll-mächtigten des Antragsgegners, der im Rechtsbeschwerdeverfahren dem Streit auf Seiten des Antragsgegners beigetreten ist,
eingelegte Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß §
117 Abs.
1
und 2
FamFG, §§
238 Abs.
2 Satz
1, 522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthaft und auch im Üb-rigen zulässig

574 Abs.
2 ZPO). Der [X.] ist in der [X.] wirksam dem Streit auf Seiten des Antragsgegners beigetreten und daher berechtigt, selbständig Rechtsmittel einzulegen, §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG iVm
§
66 Abs.
2 ZPO.
3
4
5
6
7
-
4
-
Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entschei-dung des [X.]. Das [X.] hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragsgegners
auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1
GG iVm dem Rechtsst[X.]tsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgrün-den nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren ([X.]sbeschlüsse
vom 23.
März 2011 -
XII
[X.]
51/11
-
FamRZ 2011, 881 Rn. 7 und vom 2.
April 2008 -
XII
[X.]
189/07
-
[X.], 1338 Rn.
8 mwN).
2. Das [X.] hat die Auffassung vertreten, auf das Rechtsmit-tel sei nach Art.
111 Abs.
1 [X.] das bis zum 31.
August 2009 geltende [X.] anzuwenden, weil das Verfahren durch den von der "Klägerin"
am 9.
Juli 2009 eingereichten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) am 1.
September 2009 eingeleitet worden sei. Das richtige Rechtsmittel sei daher die Berufung gewesen, die beim [X.] habe eingelegt werden müssen. Da das Amtsgericht nicht durch Beschluss gemäß §
38 FamFG, sondern nach altem Verfahrensrecht durch Urteil entschieden habe, sei die Beschwerde auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Meistbegünstigungsgrundsatzes zulässig. Eine Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungs-einlegungsfrist komme
nicht in Betracht, weil die Fristversäumung durch den "Beklagten"
verschuldet gewesen sei.
Denn dieser
habe sich zur Zulässigkeit seiner Beschwerde nur auf Rechtsprechung berufen, die für die Frage des nach Art.
111 [X.] anwendbaren Rechts auf den Zeitpunkt des Eingangs des [X.] abstelle. Diese Rechtsprechung stütze aber gerade nicht die Auffassung des "Beklagten", dass im vorliegenden Fall das neue [X.] anwendbar sei. Das Beschwerdegericht habe bereits in seinem 8
9
-
5
-
Hinweisbeschluss ausgeführt, dass der "Prozessbevollmächtigte des Beklagten"
aufgrund der geänderten Gesetzeslage besonderen Anlass zur sorgfältigen Prü-fung des statthaften Rechtsmittels gegen die amtsgerichtliche Entscheidung [X.] habe. Er
habe
daher -
zumindest auch
-
eine fristwahrende Berufung zum [X.] einlegen müssen.
3. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Entgegen der Auffassung des [X.]s kommt es auf die -
von ihm verneinte
-
Frage nicht an, ob dem Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Denn vorliegend hätte das [X.] nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung das Rechtsmittel des [X.] als zulässig erachten müssen.
a) Nach allgemeiner Auffassung dürfen die Prozessparteien dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlässt, keinen [X.] erleiden. Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das [X.], das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre (Grundsatz der "Meistbegünstigung", st. Rspr. vgl. [X.]sbeschlüsse vom 6.
April 2011 -
XII
[X.]
553/10
-
FamRZ 2011, 966 Rn.
12 und vom 17.
Dezember 2008 -
XII
[X.]
125/06
-
MDR 2009, 1000 Rn.
17 mwN). Der Schutzgedanke der Meistbegünstigung soll die beschwerte [X.] vor Nachteilen schützen, die auf der unrichtigen Entscheidungsform beruhen. Der Grundsatz der [X.] führt allerdings nicht dazu, dass das Rechtsmittel auf dem vom erstinstanz-lichen Gericht eingeschlagenen falschen Weg weitergehen müsste; vielmehr hat das Rechtsmittelgericht das Verfahren so weiter zu betreiben, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und dem danach gege-benen Rechtsmittel geschehen wäre ([X.]sbeschlüsse vom 6.
April 2011 10
11
12
-
6
-
-
XII
[X.]
553/10
-
FamRZ 2011, 966 Rn.
12 und vom 17.
Dezember 2008 -
XII
[X.]
125/06
-
MDR 2009, 1000 Rn.
28).
Der Grundsatz der Meistbegünstigung findet ebenso Anwendung, wenn -
wie hier
-
das Gericht nach dem von ihm angewandten Verfahrensrecht die [X.] zwar zutreffend gewählt hat, der Fehler jedoch auf der Anwendung falschen Verfahrensrechts beruht ([X.]sbeschluss vom 6.
April 2011 -
XII
[X.]
553/10
-
FamRZ 2011, 966 Rn.
13; vgl. auch [X.] Be-schluss vom 21.
Oktober 2010 -
6
UF
77/10
-
juris Rn.
2 für den umgekehrten Fall, dass das Familiengericht noch nach altem Recht durch Urteil statt nach dem FamFG durch Beschluss entschieden hat).
b) Gemessen an diesen Anforderungen hätte das [X.] das Rechtsmittel des Antragsgegners nicht als unzulässig verwerfen dürfen.
Denn im vorliegenden Fall findet das ab 1.
September 2009 geltende Verfahrensrecht Anwendung, weil das Verfahren erst nach diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (Art.
111 Abs.
1 [X.]). Das Rechtsmittel des Antragsgegners war daher als Beschwerde nach §
58 Abs.
1 FamFG statthaft und ist rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des §
63 Abs.
1 FamFG beim zuständigen Amtsgericht (§
64 Abs.
1 FamFG) eingelegt worden.
[X.]) In Rechtsprechung und im Schrifttum ist umstritten, welches Verfah-rensrecht zur Anwendung kommt, wenn eine [X.] vor dem 1.
September
2009 zunächst nur einen
Antrag auf
Bewilligung von
Prozesskostenhilfe gestellt hat
und über
diesen Antrag erst nach diesem Zeitpunkt entschieden
wurde.
(1) Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass bereits die Stellung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe als
verfahrenseinleitende Hand-lung
iSv
Art.
111 Abs.
1 [X.] ausreiche
(vgl. [X.] FamRZ 2010, 1003 Rn.
6; OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 325 Rn.
8
f.; [X.]/[X.] in [X.]/13
14
15
16
-
7
-
[X.] FamFG 2.
Aufl. Einl. Rn.
95; [X.]/Weinreich FamFG 2.
Aufl. Art.
111 [X.] Rn.
11; differenzierend [X.] in [X.] [X.] [Stand: 1.
Januar 2012] Art.
111 Rn.
3; [X.] in [X.]/[X.] Familienrecht 5.
Aufl. Art.
111 [X.] Rn.
4; [X.] [X.] 2010, 42; [X.]. [X.] 2009, 548, 549; [X.] [X.] 2009, 167; [X.] FamRZ 2009, 1884, 1885; [X.]. [X.], 2168, 2170). Aus den [X.] ergebe sich, dass auf das Hauptsacheverfahren und ein vorgeschaltetes Prozess-
bzw. [X.] grundsätzlich das gleiche Verfahrensrecht anzuwenden sei. [X.] komme es für die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf den Zeitpunkt des Antrags auf Bewilligung von Prozess-
bzw. Verfahrenskostenhilfe an ([X.] FamRZ 2010, 1003 Rn.
3
ff.). Eine andere Betrachtungsweise würde zu-dem zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Ungleichbehandlung von [X.] und unbemittelten Personen führen.
Erstere hätten es durch den Zeitpunkt, zu dem sie eine Klage einreichen,
bis zu einem gewissen Grad in der Hand, für das alte Verfahrensrecht zu optieren und damit zumindest in Familiensachen, die nach altem Recht den Zivilgerichten zugewiesen waren, ein zusätzliches Rechtsmittel in Form der Nichtzulassungsbeschwerde zu erhalten (ähnlich [X.]/[X.] in [X.]/[X.] FamFG 2.
Aufl. Einl. Rn.
93; [X.] [X.] 2009, 548, 549; [X.]/Weinreich FamFG 2.
Aufl. Art.
111 [X.] Rn.
11).
Außerdem sei
sonst der häufig von der Arbeitsbelastung des Gerichts abhängende Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag maßgeblich dafür, welches Verfahrensrecht zur Anwendung komme.
(2) Nach anderer Auffassung genügt die Stellung eines Prozess-
bzw. [X.] noch nicht, um das Verfahren iSv Art.
111 [X.] einzuleiten ([X.], 1101 Rn.
11
ff.; OLG Stuttgart FamRZ 2010, 1686 Rn.
8
f.; [X.]/Papst 3.
Aufl. Art.
111 [X.] Rn.
5;
Frederici/[X.] FamFG Einl. Rn.
20; [X.]/Har[X.] FamFG -
Frei-willige Gerichtsbarkeit 10.
Aufl. Art.
111
[X.] Rn.
1; [X.] FPR 2010, 69, 17
-
8
-
70; [X.] 2009, 313, 316; Vogel FPR
2009, 381; [X.] 2009, 317, 318).

bb) Der [X.] schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
(1) Bereits der Wortlaut der Überleitungsvorschrift spricht dafür,
dass ein Antrag auf Bewilligung von Prozess-
bzw. Verfahrenskostenhilfe noch nicht als eine Verfahrenseinleitung iSv Art.
111 Abs.
1 [X.] betrachtet werden kann.
Nach Art.
111 Abs.
1 Satz
1 [X.] sind auf Verfahren, die bis zum In-krafttreten des [X.] und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind, [X.] die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Vorschriften anzuwen-den. Nach Art.
111 Abs.
2 [X.] ist jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ein selbständiges Verfahren im Sinne des Art.
111 Abs.
1 [X.].

Nach ihrem Wortlaut stellt die Überleitungsvorschrift daher allein auf den Zeitpunkt der Einleitung solcher Verfahren ab, in denen der eigentliche [X.] durch eine Endentscheidung gemäß §
38 Abs.
1 Satz
1 FamFG ganz oder teilweise erledigt wird. Diese Voraussetzung erfüllt ein
Prozess-
bzw. [X.] nicht, weil über den eigentlichen Verfahrensge-genstand keine Entscheidung ergeht. Das
Verfahren
dient der Vorbereitung
eines
beabsichtigten gerichtlichen Verfahrens, mit dem der Antragsteller ein Recht oder einen Anspruch durchsetzen will und hat
damit allein eine kostenrechtliche Be-deutung für den Antragsteller. Deshalb wird die abschließende Entscheidung über einen Prozess-
bzw. [X.] auch nicht von §
38 Abs.
1 Satz
1 FamFG erfasst, selbst
wenn sie in Form eines Beschlusses ergeht (vgl. dazu [X.]/[X.] FamFG 17.
Aufl. §
38 Rn.
6).
18
19
20
21
-
9
-
Dementsprechend entstehen durch die Anhängigmachung der [X.] (§
6 GKG, §
9 [X.]), was durch die vorgeschaltete [X.] eines alleinigen Prozess-
oder [X.]s vermieden wird.

(2) Entgegen der Auffassung des [X.]s lässt sich auch [X.], dass die [X.] für Hauptsacheverfahren und Nebenverfah-ren die Anwendung einheitlichen Rechts festlegen, nicht ableiten, welches ein-heitliche Recht dies ist. Denn dies ist gerade davon abhängig, wann ein Verfah-ren eingeleitet wird und nicht davon, dass zu einem Zeitpunkt vor dem Stichtag eine Nebenentscheidung auch noch nach altem Recht hätte ergehen können, die Nebenentscheidung aber tatsächlich erst nach dem Stichtag getroffen wurde. Vielmehr ist für [X.] mangels für sie bestehender Übergangs-vorschriften dasjenige Recht anzuwenden, das zum Zeitpunkt der Entscheidung in [X.] war.
Deutlich wird dies am Fall des bis zum
31.
August 2009 abgelehnten [X.]. In diesem Fall ist das Nebenverfahren nach altem Recht abgeschlossen. Stellt der Rechtssuchende nun einen unbedingten Antrag, kann aus dem abgeschlossenen Prozesskostenhilfeverfahren die Einlei-tung eines Verfahrens vor dem Stichtag gerade nicht abgeleitet werden, da das Nebenverfahren abgeschlossen ist. Dann kann aber auch der Zeitpunkt des [X.] des erfolgreichen [X.], über das nach dem Stichtag entschieden wird, ebenso wenig maßgeblich für die Einleitung des Verfahrens sein. Denn andernfalls hinge die Anwendung des jeweiligen Rechts davon ab, ob der Antrag auf Prozesskostenhilfe positiv oder negativ verbeschieden wird.

22
23
24
-
10
-
(3) Schließlich
ist es auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ge-boten, bereits die Stellung eines Prozess-
bzw.
[X.]s als Verfahrenseinleitung iSv Art.
111 Abs.
1 [X.] genügen zu
lassen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
gebietet zwar der allgemeine Gleichheitssatz (Art.
3 Abs.
1 GG) in Verbindung mit dem Sozial-st[X.]tsprinzip (Art.
20 Abs.
1 GG), die prozessuale Stellung von [X.] und Unbemittelten weitgehend anzugleichen (vgl. [X.] 9, 124,
131; 10, 264,
270; 22, 83,
86; 63, 380, 394). Einer
unbemittelten [X.] darf die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung im Vergleich zur bemittelten nicht unverhältnismäßig er-schwert werden (vgl. [X.] 22, 83,
86) und
der Unbemittelte muss
grundsätz-lich ebenso wirksamen Rechtsschutz in
Anspruch nehmen können wie eine ver-mögende [X.] (vgl. [X.] 9, 124, 130
f.). Eine völlige Gleichstellung bemit-telter und unbemittelter [X.]en ist indes von [X.] wegen nicht geboten und oft auch tatsächlich nicht zu erreichen.
Es
ist zwar zutreffend, dass eine bemittelte [X.] in vermögensrechtlichen Streitigkeiten von
Eheleuten, für die nach altem
Verfahrensrecht die allgemeinen
Zivilgerichte zuständig waren
(vgl. jetzt §
266 Abs.
1 Nr.
3 FamFG), durch eine
Klageerhebung
vor dem 1.
September 2009 sich diese Zuständigkeit erhalten und
sich damit auch die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde als zu-sätzliche Rechtsschutzmöglichkeiten verschaffen
konnte.
Diese Einflussnahme auf das anzuwendende Verfahrensrecht
war einer unbemittelten [X.] jedoch auch nicht völlig
verschlossen. Durch einen frühzeitigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe konnte auch sie es erreichen, dass über ihren Antrag noch vor dem Stichtag entschieden wurde und das alte Verfahrensrecht zur An-wendung gelangte. Nur in den Fällen, in denen die [X.] den [X.] erst kurz vor dem Stichtag stellen konnte oder das Gericht verspätet über einen frühzeitig gestellten Prozesskostenhilfeantrag entschieden hat, hätte 25
26
27
-
11
-
die bemittelte [X.] tatsächlich mehr Einfluss auf das anwendbare Verfahrens-recht erlangt als die unbemittelte. Die sich daraus ergebende Ungleichbehand-lung in einer Fallkonstellation, die nur beim Zusammentreffen gleich mehrerer Umstände überhaupt relevant geworden ist, ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht hinzunehmen.
Letztlich
würde
auch durch die Annahme, dass bereits der Antrag auf Prozess-
oder Verfahrenskostenhilfe als Verfahrenseinleitung gemäß Art.
111 Abs.
1 [X.] genügt, keine völlige Gleichstellung bemittelter und unbemittel-ter [X.]en erreicht. So hätte
nämlich in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit zwischen Eheleuten, für die nach altem Recht die Zuständigkeit des Landge-richts begründet war,
ein Antragsteller, dessen
Prozesskostenhilfegesuch nach dem 1.
September 2009 mit der Begründung abgewiesen worden wäre, dass der geltend gemachte Anspruch nicht bestehe, vor dem jetzt nach neuem Recht zuständigen Familiengericht erneut einen Antrag auf Bewilligung von Verfah-renskostenhilfe stellen
können. Damit hätte
sich ihm
eine zweite Möglichkeit
eröffnet, mit seiner Rechtsauffassung durchzudringen, die einer bemittelten Person nicht zur Verfügung gestanden hätte
(OLG
Stuttgart FamRZ 2010, 1686 Rn.
9).
4. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben. Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil das Ober-

28
29
-
12
-
landesgericht nur über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entschieden hat. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache an das Oberlan-desgericht zurückzuverweisen.

[X.]

Dose

Klinkhammer

Günter

Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.11.2010 -
4 F 301/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 14.03.2011 -
16 UF 235/10 -

Meta

XII ZB 198/11

29.02.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.02.2012, Az. XII ZB 198/11 (REWIS RS 2012, 8691)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8691

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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