Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.05.2018, Az. II R 16/13

2. Senat | REWIS RS 2018, 9097

VERFASSUNG BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) VERWALTUNGSRECHT WOHNEIGENTUM EIGENTUM GRUNDSTEUER GRUNDBESITZ

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Gegenstand

Kostenentscheidung bei Weitergeltungsanordnung des BVerfG


Leitsatz

Der Kläger, dessen Revision zurückgewiesen wird, hat die Kosten des Revisionsverfahrens auch zu tragen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt auf Vorschriften beruht, die zwar verfassungswidrig sind, deren Anwendung im Streitfall aber aufgrund einer entsprechenden Anordnung des BVerfG zulässig ist.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 20. Februar 2013  3 K 3190/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahr 2008 ein Teileigentum in einem im ehemaligen Westteil von [X.] gelegenen Mehrfamilienhaus, das im Jahr 1983 in Teil- und Wohnungseigentum aufgeteilt worden war.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) rechnete ihm das Objekt durch Bescheid vom 13. Februar 2009 zum 1. Januar 2009 zu und wies darauf hin, dass der Einheitswert wie bisher 21.576 € (42.200 DM) betrage. Diesen Einheitswert hatte das [X.] gemäß § 122 Abs. 5 i.V.m. § 124 Abs. 8 des Bewertungsgesetzes ([X.]) i.d.F. des Art. 14 Nr. 10 Buchst. c und Nr. 11 Buchst. b des [X.] vom 21. Dezember 1993 ([X.] 1993, 2310) durch Bescheid vom 25. Mai 1994 auf den 1. Januar 1994 festgestellt. Zur Berechnung des [X.] hatte das [X.] in diesem Bescheid auf den [X.] auf den 1. Januar 1984 vom 24. September 1984 verwiesen, in dem es für das neu gebildete Teileigentum eine Nachfeststellung durchgeführt hatte. Es war dabei von einer [X.] von 6.218 DM und einem Vervielfältiger von 6,8 ausgegangen.

3

Den auf Neufeststellung des [X.] zum 1. Januar 2009 gerichteten Antrag des [X.] lehnte das [X.] durch Bescheid vom 25. März 2009 ab. Der Einspruch blieb erfolglos.

4

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage, mit der der Kläger die ersatzlose Aufhebung des [X.] für das ihm gehörende Teileigentum begehrte, mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung nach § 22 Abs. 3 [X.] seien nicht erfüllt. Die der Bewertung zugrunde liegenden Vorschriften des Bewertungsgesetzes seien am Stichtag 1. Januar 2009 noch verfassungsgemäß gewesen. Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2013, 914, veröffentlicht.

5

Mit der Revision verfolgte der Kläger sein Begehren zunächst weiter. Er rügte eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--). Aufgrund der lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkte (1. Januar 1964, im Beitrittsgebiet 1. Januar 1935) komme es bei der Einheitsbewertung zu ganz erheblichen Wertverzerrungen, die zum Stichtag 1. Januar 2009 aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht mehr gerechtfertigt werden könnten.

6

Auf den Vorlagebeschluss des [X.] ([X.]) vom 22. Oktober 2014 II R 16/13 ([X.]E 247, 150, [X.], 957) entschied das [X.] ([X.]) mit Urteil vom 10. April 2018  1 BvL 11/14 u.a. ([X.] --DStR-- 2018, 791), dass die §§ 19, 20, 21, 22, 23, 27, 76, 79 Abs. 5, § 93 Abs. 1 Satz 2 [X.] i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes vom 22. Juli 1970 ([X.], 1118), soweit sie bebaute Grundstücke außerhalb des Bereichs der Land- und Forstwirtschaft und außerhalb des in Art. 3 des [X.] genannten Gebiets betreffen, jedenfalls seit dem 1. Januar 2002 unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG sind. Der Gesetzgeber ist nach dem Urteil verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. Dezember 2019 zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG festgestellten Regeln über die Einheitsbewertung weiter angewandt werden. Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen die beanstandeten Regelungen für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31. Dezember 2024 angewandt werden. Den Verfassungsbeschwerden 1 BvR 639/11 und 1 BvR 889/12, über die das [X.] mit dem Urteil in DStR 2018, 791, ebenfalls entschied, gab das Gericht daher nur insoweit statt, als es feststellte, dass die angegriffenen [X.]-Beschlüsse vom 18. Januar 2011 II B 74/10 und vom 24. Februar 2012 II B 110/11 sowie die vorangegangenen finanzgerichtlichen Urteile und Verwaltungsakte die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Aufgehoben wurden die Entscheidungen nicht. Es blieb daher auch bei den finanzgerichtlichen Kostenentscheidungen zulasten der Beschwerdeführer.

7

Der Kläger ist nunmehr der Ansicht, der Einheitswert müsse im Wege der griffweisen Schätzung auf 10.000 € herabgesetzt werden.

8

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 16. September 2009 und den Bescheid vom 25. März 2009 aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, den Einheitswert für das ihm gehörende Teileigentum auf 10.000 € herabzusetzen.

9

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das [X.] ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) beigetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 [X.]O). Das [X.] hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Die im Streitfall anwendbaren Vorschriften über die Einheitsbewertung waren zwar entgegen der Ansicht des [X.] im [X.] Januar 2009 nicht mehr verfassungsgemäß. Sie dürfen aber nach dem [X.] in DStR 2018, 791 auf diesen Zeitpunkt angewandt werden.

2. Der Kläger ist gemäß § 182 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung als Rechtsnachfolger an den vom [X.] durch Bescheid vom 25. Mai 1994 auf den 1. Januar 1994 festgestellten Einheitswert gebunden. Den Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) lässt sich nicht entnehmen, dass im [X.] Januar 2009 die Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung nach unten gemäß § 22 Abs. 1 oder 3 [X.] erfüllt waren. Der Kläger hat die Feststellungen nicht mit einer Verfahrensrüge gemäß § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b [X.]O angegriffen. Eine bloße griffweise Schätzung ist nicht möglich.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O. Danach fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Dies gilt auch dann, wenn wie im Streitfall das [X.] die dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Vorschriften zwar rückwirkend für verfassungswidrig erklärt, aber zugleich deren weitere Anwendung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zugelassen hat und der Verwaltungsakt deshalb nicht aufzuheben oder zu ändern ist ([X.] vom 18. März 1994 III B 543/90, [X.], 506, [X.] 1994, 473). Diese Beurteilung steht im Einklang mit dem Urteil des [X.] in DStR 2018, 791, das die mit den Verfassungsbeschwerden 1 BvR 639/11 und 1 BvR 889/12 angegriffenen [X.] vom 18. Januar 2011 II B 74/10 und vom 24. Februar 2012 II B 110/11 sowie die vorangegangenen finanzgerichtlichen Urteile einschließlich der getroffenen Kostenentscheidungen zulasten der Beschwerdeführer trotz des festgestellten Verfassungsverstoßes unverändert bestehen ließ.

Für die vom Kläger begehrte Anordnung, dass dem [X.] die ihm für das Verfahren vor dem [X.] entstandenen Auslagen auferlegt werden, gibt es im vorliegenden Revisionsverfahren keine Grundlage. Die volle oder teilweise Erstattung der Auslagen im Verfahren vor dem [X.] kann nach § 34a Abs. 3 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes ([X.]G) nur von diesem Gericht und damit nicht vom [X.] im Rahmen des Revisionsverfahrens angeordnet werden. § 34a Abs. 3 [X.]G benennt als anordnungsbefugtes Gericht ausschließlich das [X.].

Meta

II R 16/13

16.05.2018

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 20. Februar 2013, Az: 3 K 3190/09, Urteil

§ 135 Abs 2 FGO, § 182 Abs 2 S 1 AO, § 34a Abs 3 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.05.2018, Az. II R 16/13 (REWIS RS 2018, 9097)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9097


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvL 11/14

Bundesverfassungsgericht, 1 BvL 11/14, 11.02.2020.


Az. II R 16/13

Bundesfinanzhof, II R 16/13, 16.05.2018.

Bundesfinanzhof, II R 16/13, 22.10.2014.


Az. 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12

Bundesverfassungsgericht, 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12, 10.04.2018.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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