Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.05.2018, Az. II R 37/14

2. Senat | REWIS RS 2018, 9051

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Gegenstand

Maßgebliche Mieten im Ertragswertverfahren


Leitsatz

Eine Zurückrechnung der bei der Bewertung im Ertragswertverfahren zugrunde zu legenden Mieten aus aktuellen Mietspiegeln ist nicht zulässig .

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 29. April 2014  3 K 3370/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) kaufte im Jahr 2007 im ehemaligen Westteil von [X.] ein mit einem 1981 errichteten Wohnhaus bebautes Grundstück. [X.] teilte er das Objekt in fünf Wohnungseigentumseinheiten und zwei [X.] (Garagen) auf.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) stellte für diese Einheiten im Wege der [X.] Einheitswerte auf den 1. Januar 2009 fest. Die Wohnungen bewertete das [X.] als Einfamilienhäuser --Wohnungs-/Teileigentum-- im Ertragswertverfahren ausgehend von einem monatlichen Mietwert von 3,90 DM/qm (gute Ausstattung, [X.]) und einem Vervielfältiger von 9,1 (Bauausführung A, Nachkriegsbau nach dem 20. Juni 1948). Für die Garagen als sonstige bebaute Grundstücke --Wohnungs-/Teileigentum-- wurde der Wert im Sachwertverfahren ermittelt. Die festgestellten Einheitswerte betragen je 16.105 € für die Wohnungen Nr. 1 und 3, 20.451 € für die Wohnung Nr. 2, 19.582 € für die Wohnung Nr. 4, 16.974 € für die Wohnung Nr. 5 und je 1.636 € für die beiden Garagen.

3

Die Einsprüche und die auf Aufhebung der [X.] und der [X.] gerichtete Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) war der Auffassung, die Vorschriften über die Einheitsbewertung seien trotz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken auf den 1. Januar 2009 noch als verfassungsgemäß anzusehen. Es sei auch nicht zulässig, aus einem aktuellen Mietspiegel unter Berücksichtigung von [X.] auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 zurückzurechnen. Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2014, 1460 veröffentlicht.

4

Mit der Revision macht der Kläger geltend, die Vorschriften über die Einheitsbewertung seien zum Stichtag 1. Januar 2009 nicht mehr verfassungsgemäß gewesen. Es sei zu nicht mehr hinnehmbaren Wertverzerrungen gekommen. § 79 des Bewertungsgesetzes ([X.]) müsse verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass die der Einheitsbewertung zugrunde zu legende Miete aus aktuellen [X.] durch Zurückrechnung auf den 1. Januar 1964 zu ermitteln sei.

5

Auf den Vorlagebeschluss des [X.] ([X.]) vom 22. Oktober 2014 II R 37/14 ([X.]/NV 2015, 309) entschied das [X.] ([X.]) mit Urteil vom 10. April 2018  1 BvL 11/14 u.a. ([X.] --DStR-- 2018, 791), dass die §§ 19, 20, 21, 22, 23, 27, 76, 79 Abs. 5, § 93 Abs. 1 Satz 2 [X.] i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes vom 22. Juli 1970 ([X.], 1118), soweit sie bebaute Grundstücke außerhalb des Bereichs der Land- und Forstwirtschaft und außerhalb des in Art. 3 des [X.] genannten Gebiets betreffen, jedenfalls seit dem 1. Januar 2002 unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sind. Der Gesetzgeber ist nach dem Urteil verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. Dezember 2019 zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG festgestellten Regeln über die Einheitsbewertung weiter angewandt werden. Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen die beanstandeten Regelungen für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31. Dezember 2024 angewandt werden. Den Verfassungsbeschwerden 1 BvR 639/11 und 1 BvR 889/12, über die das [X.] mit dem Urteil in DStR 2018, 791, ebenfalls entschied, gab das Gericht daher nur insoweit statt, als es feststellte, dass die angegriffenen [X.]-Beschlüsse vom 18. Januar 2011 II B 74/10 und vom 24. Februar 2012 II B 110/11 sowie die vorangegangenen finanzgerichtlichen Urteile und Verwaltungsakte die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Aufgehoben wurden die Entscheidungen nicht. Es blieb daher auch bei den finanzgerichtlichen Kostenentscheidungen zulasten der Beschwerdeführer.

6

Der Kläger äußerte sich nicht zu diesem Urteil.

7

Er beantragt, die Vorentscheidung, die [X.] vom 18. November 2010 und die [X.] vom 25. Juni 2010 aufzuheben.

8

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Die im Streitfall anwendbaren Vorschriften über die Einheitsbewertung waren zwar entgegen der Ansicht des [X.] im [X.] Januar 2009 nicht mehr verfassungsgemäß. Sie dürfen aber nach dem [X.] in DStR 2018, 791 auf diesen Zeitpunkt angewandt werden.

2. Die vom [X.] festgestellten Einheitswerte sind nicht zu beanstanden. Sie stehen in Einklang mit den maßgebenden Vorschriften.

a) Die Bewertung bebauter Grundstücke erfolgt abhängig von der Grundstücksart (§ 75 [X.]) nach Maßgabe des § 76 [X.] im Regelfall im Ertragswertverfahren, in Ausnahmefällen im Sachwertverfahren.

b) Das Ertragswertverfahren gilt nach § 76 Abs. 1 [X.] für [X.], [X.], gemischtgenutzte Grundstücke, Einfamilien- und Zweifamilienhäuser. Die Höhe des [X.] basiert gemäß § 78 Satz 1 [X.] auf dem Grundstückswert, der den Bodenwert, den Gebäudewert und den Wert der Außenanlagen umfasst. Der Grundstückswert ergibt sich nach § 78 Satz 2 [X.] durch Anwendung eines im Anhang zum [X.] enthaltenen Vervielfältigers auf die zu erzielende [X.], die nach den [X.] von 1964 bestimmt wird, unter Berücksichtigung gewisser pauschaler Ermäßigungen und Erhöhungen (§§ 81 und 82 [X.]). Durch diese Bewertungsmethode soll in einem vereinfachten, typisierten Verfahren der Bodenwert wie auch der Gebäudewert in einem Rechenschritt ermittelt und so der gemeine Wert, also der Verkehrswert, des jeweiligen Grundstücks annähernd abgebildet werden ([X.] in DStR 2018, 791, Rz 11).

Die maßgebliche [X.] richtet sich gemäß § 79 Abs. 1 [X.] vorrangig nach der für das Grundstück aufgrund vertraglicher Vereinbarungen im Hauptfeststellungszeitpunkt gezahlten tatsächlichen Miete. Unmittelbar anwendbar ist diese Vorgabe nur für Grundstücke, die im [X.] Januar 1964 bereits vermietet waren. Andernfalls bestimmt sich die [X.] gemäß § 79 Abs. 2 [X.] nach der üblichen Miete ([X.] in DStR 2018, 791, Rz 112).

Die übliche Miete ist nach § 79 Abs. 2 Satz 2 [X.] in Anlehnung an die [X.] zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Maßgeblich bleiben für die Höhe der Miete auch bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen immer die Wertverhältnisse im [X.] Januar 1964 (§§ 27, 79 Abs. 5 [X.]).

c) Zur Ermittlung der üblichen Miete ziehen die Finanzbehörden überwiegend Mietspiegel heran, die regelmäßig nach Baujahren, mietpreisrechtlichen Gegebenheiten, [X.] und Gemeindegrößen gegliederte [X.] zum Stand vom 1. Januar 1964 ausweisen. Im Hinblick auf die [X.] unterteilen die Mietspiegel meist in einfache, mittlere, gute und sehr gute Ausstattung und legen hierfür Rahmen-sätze für die anzuwendenden Mietwerte fest ([X.] in DStR 2018, 791, Rz 12, 113).

Die Heranziehung dieser auf den [X.] Januar 1964 aufgestellten Mietspiegel für die Schätzung der üblichen Miete gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 [X.] auf diesen Zeitpunkt ist zulässig, wenn eine Schätzung der üblichen Miete im unmittelbaren Vergleich daran scheitert, dass nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare vermietete Objekte am 1. Januar 1964 nicht oder nicht in hinreichender Zahl vorhanden waren und die Mietspiegel in ihren Aufgliederungen nach Mietpreisregelungen und den anderen gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 [X.] maßgebenden Kriterien (insbesondere Baujahr und Ausstattung) den vom Gesetz gestellten Anforderungen für die Schätzung der üblichen Miete entsprechen (BFH-Urteil vom 4. März 1999 II R 106/97, [X.], 425, [X.] 1999, 519, m.w.N.).

d) Die vom Kläger begehrte Zurückrechnung der der Einheitsbewertung zugrunde zu legenden Mieten aus aktuellen [X.] ist mit §§ 27, 79 Abs. 2, 5 [X.] nicht vereinbar. Dies ergibt sich daraus, dass die im Ertragswertverfahren gemäß § 80 [X.] auf die [X.] anzuwendenden und aus den Anlagen 3 bis ​8 zum Bewertungsgesetz ersichtlichen Vervielfältiger ebenfalls nach den Verhältnissen des Jahres 1964 ermittelt wurden. Der Konzeption der Vervielfältiger liegen [X.] zugrunde, die unter Berücksichtigung pauschalierter Bewirtschaftungskosten und Bodenertragsanteile, aufgegliedert nach [X.], [X.] und [X.], ermittelt worden sind. Die Vervielfältiger können dementsprechend unmittelbar auf die Roherträge angewandt werden und sollen dabei zugleich die altersbedingten Unterschiede zwischen Grund und Boden und Gebäude miterfassen ([X.] in DStR 2018, 791, Rz 120).

e) Dass die festgestellten Einheitswerte aus anderen Gründen fehlerhaft seien, hat weder der Kläger konkret vorgetragen noch ist dies ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O. Danach fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Dies gilt auch dann, wenn wie im Streitfall das [X.] die dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Vorschriften zwar rückwirkend für verfassungswidrig erklärt, aber zugleich deren weitere Anwendung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zugelassen hat und der Verwaltungsakt deshalb nicht aufzuheben oder zu ändern ist ([X.] vom 18. März 1994 III B 543/90, [X.], 506, [X.] 1994, 473). Diese Beurteilung steht im Einklang mit dem Urteil des [X.] in DStR 2018, 791, das die mit den Verfassungsbeschwerden 1 BvR 639/11 und 1 BvR 889/12 angegriffenen [X.] vom 18. Januar 2011 II B 74/10 und vom 24. Februar 2012 II B 110/11 sowie die vorangegangenen finanzgerichtlichen Urteile einschließlich der getroffenen Kostenentscheidungen zulasten der Beschwerdeführer trotz des festgestellten Verfassungsverstoßes unverändert bestehen ließ.

Meta

II R 37/14

16.05.2018

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 29. April 2014, Az: 3 K 3370/10, Urteil

§ 27 BewG 1991, § 76 Abs 1 BewG 1991, § 79 BewG 1991, § 80 BewG 1991

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.05.2018, Az. II R 37/14 (REWIS RS 2018, 9051)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9051

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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