Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2012, Az. VI ZB 49/11

6. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7685

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Überprüfung der Faxnummer des Empfangsgerichts bei Telefax-Übermittlung fristgebundener Schriftsätze


Leitsatz

Bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax ist grundsätzlich durch einen Abgleich des Sendeberichts mit einem aktuellen Verzeichnis oder einer anderen geeigneten Quelle sicherzustellen, dass die angewählte Telefax-Nummer derjenigen des angeschriebenen Gerichts entspricht.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 22. Zivilsenats des [X.] vom 11. Juli 2011 wird auf Kosten des Klägers verworfen.

[X.]: 12.500 €

Gründe

I.

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Auskunft und Schadensersatz wegen möglicher Nebenwirkungen eines Arzneimittels in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des [X.] am 17. Januar 2011 zugestellte Urteil hat dieser die am 14. Februar 2011 beim [X.] eingegangene Berufung eingelegt. Auf Antrag des [X.] ist die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 18. April 2011 verlängert worden. Die an das [X.] adressierte [X.] ist am 18. April 2011 per Telefax beim [X.] Berlin und am 20. April 2011 per Post beim [X.] eingegangen. Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 20. April 2011 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die [X.] nicht innerhalb der Frist zur Begründung der Berufung beim [X.] eingegangen ist.

2

Daraufhin hat der Kläger mit einem am 27. April 2011 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Er hat geltend gemacht, sein Prozessbevollmächtigter habe seine Rechtsanwaltsfachangestellte, als diese ihm die [X.] zur Unterschrift vorgelegt habe, am späten Nachmittag des 18. April 2011 angewiesen, noch die [X.] des [X.]s in den Briefkopf auf der ersten Seite des Schriftsatzes einzutragen, diese Seite auszutauschen und die [X.] sodann per Telefax an das [X.] zu übermitteln. Die Bürokraft habe jedoch die Eintragung der korrekten [X.] auf dem Briefkopf der [X.] unterlassen und kurz vor Feierabend die [X.] versehentlich an das [X.] Berlin und nicht an das [X.] gefaxt. Zur Glaubhaftmachung dieses Vorbringens hat der Kläger eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten vorgelegt. Zusätzlich hat er vorgetragen, die Rechtsanwaltsfachangestellte sei auch durch allgemeine Anweisungen darauf hingewiesen worden, auf die richtige [X.] zu achten und nach der Übermittlung eines Schriftsatzes auf der Grundlage des Sendeberichtes die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen. Diesen Anweisungen sei die geschulte und zuverlässige Bürokraft stets nachgekommen.

3

Das Berufungsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des [X.] als unzulässig verworfen. Der verspätete Eingang der [X.] beim [X.] sei auf ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des [X.] zurückzuführen, das gemäß § 85 Abs. 2 ZPO einem Verschulden des [X.] gleichstehe.

II.

4

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, nicht erfüllt sind.

5

1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss verletzt den Kläger weder in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch dessen rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf einer [X.] die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. November 2002 - [X.], [X.], 437; vom 12. April 2011 - [X.], NJW 2011, 2051 Rn. 5 mwN).

6

2. Die angefochtene Entscheidung entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Übersendung fristgebundener Schriftsätze per Telefax nicht überspannt.

7

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] muss der Rechtsanwalt bei Versendung von Schriftsätzen per Telefax durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die [X.] des angeschriebenen Gerichts verwendet wird. Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen [X.] in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten [X.] überprüft wird, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bereits bei der Ermittlung der Fax-Nummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können. Dabei genügt der Vergleich der auf dem Sendebericht ausgedruckten Fax-Nummer mit der in den Schriftsatz eingesetzten nicht. Dieser Abgleich ist nur geeignet, einen Fehler bei der Eingabe der Nummer in das Faxgerät aufzudecken, nicht aber sicherzustellen, dass die im Schriftsatz angegebene Fax-Nummer zutreffend ermittelt wurde. Die Überprüfung der Richtigkeit der im Sendebericht ausgewiesenen [X.] ist deshalb anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle vorzunehmen, aus dem bzw. der die Fax-Nummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 4. Februar 2010 - [X.], [X.], 1543 Rn. 14; vom 12. Mai 2010 - [X.], [X.], 2811 Rn. 11; vom 24. Juni 2010 - [X.]/09, juris Rn. 11; vom 14. Oktober 2010 - [X.], NJW 2011, 312 Rn. 10, jeweils mwN). Nur so kann die bekannte - und sich hier verwirklichte - Gefahr beherrscht werden, dass fristgebundene Rechtsmittelschriften und [X.] per Fax trotz richtiger Gerichtsadressierung versehentlich an das Gericht der Vorinstanz geleitet werden ([X.], Beschluss vom 14. Oktober 2010 - [X.], aaO). Es reicht allerdings die generelle Anweisung aus, die im Sendebericht ausgedruckte Fax-Nummer mit der schriftlich niedergelegten Fax-Nummer zu vergleichen, die ihrerseits zuvor aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist; in solchen Fällen ist nicht erforderlich, diese Nummer nach Absenden des Schriftsatzes noch [X.] anhand eines zuverlässigen Verzeichnisses zu überprüfen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 4. Februar 2010 - [X.], aaO Rn. 18; vom 12. Mai 2010 - [X.], aaO Rn. 14).

8

b) Die nach dieser Rechtsprechung geforderten Sorgfaltspflichten hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] nicht erfüllt.

9

aa) Es trifft zwar zu, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] für den Ausschluss des einer [X.] zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§ 85 Abs. 2, § 233 ZPO) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei nicht mehr ankommt, wenn der Rechtsanwalt einer [X.], die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete [X.] erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. April 2008 - [X.], juris Rn. 7; vom 13. April 2010 - [X.], [X.], 2287 Rn. 5; vom 20. September 2011 - [X.], [X.], 1544 Rn. 8). Im Streitfall erfüllt die vom Kläger vorgetragene und durch die eidesstattliche Versicherung der [X.] glaubhaft gemachte [X.] die Anforderungen der Rechtsprechung aber nicht. Es ist nicht einmal vorgetragen, dass die Kanzleiangestellte angewiesen worden sei, nach Übersendung der [X.] den Sendebericht auszudrucken und diesen auf die Richtigkeit der verwendeten [X.] anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle zu überprüfen.

bb) Auch die vom Kläger vorgetragene - nicht glaubhaft gemachte - allgemeine Büroanweisung seines Prozessbevollmächtigten, auf die richtige [X.] zu achten und nach der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax auf der Grundlage des [X.] die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen, wird den Anforderungen der Rechtsprechung nicht gerecht. Sie enthält nicht die organisatorisch gebotene allgemeine Weisung an das [X.], im Falle der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax jeweils bei der [X.] anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle auch einen Abgleich des [X.] dahin vorzunehmen, dass die angewählte [X.] der des angeschriebenen Gerichts entspricht. Es wird auch nicht vorgetragen, dass eine allgemeine Anweisung bestanden habe, eine solche Quelle bei der Ermittlung der Fax-Nummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz zu verwenden, um Fehler bei der Ermittlung der Fax-Nummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufzudecken.

c) Ein Hinweis des Berufungsgerichts nach § 139 ZPO, dass es den Vortrag des Prozessbevollmächtigten des [X.] als unzureichend ansehe, war entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht erforderlich. Dem Wiedereinsetzungsantrag lässt sich auch nicht ansatzweise entnehmen, dass die Anforderungen der Rechtsprechung erfüllt worden sind, so dass ein Hinweis zur Präzisierung oder Klarstellung einer zuvor bereits vorgetragenen Tatsache nicht veranlasst war.

3. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Galke                                    Wellner                                    Pauge

                     [X.]                                      von [X.]

Meta

VI ZB 49/11

27.03.2012

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 11. Juli 2011, Az: 22 U 41/11

§ 233 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2012, Az. VI ZB 49/11 (REWIS RS 2012, 7685)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7685

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