Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2012, Az. VI ZB 49/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7728

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB
49/11

vom

27. März
2012

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 Fc, Fd
Bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax ist grundsätzlich durch einen Abgleich des [X.] mit einem aktuellen Verzeichnis oder einer ande-ren geeigneten Quelle sicherzustellen, dass die angewählte [X.] derje-nigen des angeschriebenen Gerichts entspricht.
[X.], Beschluss vom 27. März 2012 -
VI [X.]/11 -
KG Berlin

[X.]

-
2
-

Der
VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
27. März
2012
durch den Vorsitzenden [X.], die Richter
Wellner, Pauge und [X.] und die Rich-terin von Pentz
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den
Beschluss des 22.
Zivilsenats des [X.]s
vom 11.
Juli 2011 wird auf Kosten des [X.] verworfen.
[X.]: 12.500

Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Auskunft und Schadensersatz wegen möglicher Nebenwirkungen eines Arzneimittels in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des [X.] am 17.
Januar 2011 zugestellte Urteil hat dieser die
am 14.
Februar 2011 beim [X.] eingegangene Berufung eingelegt. Auf Antrag des [X.] ist die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 18.
April 2011 verlängert worden. Die an das [X.] adressierte [X.] ist am 18.
April 2011 per Telefax beim [X.] Berlin und am 20.
April 2011 per Post beim [X.] eingegangen. Mit Verfügung des Senatsvorsit-zenden vom 20.
April 2011 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die 1
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3
-

[X.] nicht innerhalb der Frist zur Begründung der [X.] beim [X.] eingegangen ist.
Daraufhin hat der Kläger mit einem am 27.
April 2011 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Er hat geltend gemacht, sein Prozessbevollmächtigter habe seine Rechtsanwaltsfachange-stellte, als diese ihm die [X.] zur Unterschrift vorgelegt habe, am späten Nachmittag des 18.
April 2011 angewiesen, noch die [X.]
des [X.]s in den Briefkopf auf der ersten Seite des Schrift-satzes einzutragen, diese
Seite auszutauschen und die Berufungsbegrün-dungsschrift sodann per Telefax an das [X.] zu übermitteln. Die
Bü-rokraft
habe jedoch die Eintragung der korrekten [X.]
auf dem Briefkopf der [X.] unterlassen und kurz vor [X.] die [X.] versehentlich an das [X.] Ber-lin und
nicht an das [X.] gefaxt. Zur Glaubhaftmachung dieses [X.] hat der Kläger eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin [X.] Prozessbevollmächtigten vorgelegt. Zusätzlich hat er vorgetragen, die Rechtsanwaltsfachangestellte
sei
auch durch allgemeine Anweisungen darauf hingewiesen worden, auf
die richtige Empfänger-Nummer zu achten und nach der Übermittlung eines Schriftsatzes auf der Grundlage des Sendeberichtes die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen. Diesen Anweisungen sei die geschulte und zuverlässige Bürokraft stets nachgekommen.
Das Berufungsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den [X.] zurückgewiesen und die Berufung des [X.] als unzu-lässig verworfen. Der verspätete Eingang der [X.] beim [X.] sei auf ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des 2
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4
-

[X.] zurückzuführen, das gemäß §
85 Abs.
2 ZPO einem Verschulden des [X.] gleichstehe.

II.
Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Vorausset-zungen des §
574 Abs.
2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müs-sen, nicht erfüllt sind.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss verletzt den Kläger weder in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten
Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit
dem Rechtsstaatsprinzip) noch dessen rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG). Danach darf einer [X.] die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den [X.]-en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in [X.], aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwe-ren (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5.
November 2002 -
VI
ZB 40/02, [X.], 437; vom 12.
April 2011 -
VI
ZB 6/10, NJW 2011, 2051 Rn.
5 mwN).
2. Die angefochtene Entscheidung entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die anwaltli-4
5
6
-
5
-

che Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Übersendung fristgebundener Schriftsätze per Telefax nicht überspannt.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] muss der Rechtsanwalt bei Versendung von Schriftsätzen per Telefax durch organi-satorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die [X.]
des ange-schriebenen Gerichts verwendet wird. Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen [X.] in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfänger-Nummer
überprüft wird, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bereits bei der Ermittlung der Fax-Nummer
oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können. Dabei genügt der Vergleich der auf dem Sendebericht ausgedruckten Fax-Nummer
mit der in den Schriftsatz eingesetzten nicht. Dieser Abgleich ist nur geeignet, einen Fehler bei der Eingabe der Nummer in das Faxgerät aufzudecken, nicht aber sicherzustellen, dass die im Schriftsatz angegebene Fax-Nummer
zutref-fend ermittelt wurde. Die Überprüfung der Richtigkeit der im Sendebericht aus-gewiesenen Empfänger-Nummer
ist deshalb anhand eines aktuellen Verzeich-nisses oder einer anderen geeigneten Quelle vorzunehmen, aus dem bzw. der die Fax-Nummer
des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 4.
Februar 2010 -
I
ZB 3/09, [X.], 1543 Rn.
14; vom 12.
Mai 2010 -
IV
ZB 18/08, [X.], 2811 Rn.
11; vom 24.
Juni 2010 -
III
ZB 63/09,
juris Rn.
11; vom 14.
Oktober 2010 -
IX
ZB 34/10, NJW 2011, 312 Rn.
10, jeweils mwN).
Nur so kann die bekannte -
und sich hier ver-wirklichte
-
Gefahr beherrscht werden, dass fristgebundene Rechtsmittelschrif-ten und [X.] per Fax trotz richtiger Gerichtsadressierung versehentlich an das Gericht der Vorinstanz geleitet werden ([X.], Beschluss vom 14.
Oktober 2010 -
IX
ZB 34/10, aaO). Es reicht allerdings die generelle Anweisung aus, die im Sendebericht ausgedruckte Fax-Nummer
mit der schrift-lich niedergelegten Fax-Nummer
zu vergleichen, die ihrerseits zuvor aus einer 7
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6
-

zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist; in solchen Fällen ist nicht erforderlich, diese Nummer nach Absenden des Schriftsatzes noch [X.] anhand eines zuverlässigen Verzeichnisses zu überprüfen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 4.
Februar 2010 -
I
ZB 3/09, aaO Rn.
18; vom 12.
Mai 2010 -
IV
ZB 18/08, aaO Rn.
14).
b) Die nach dieser Rechtsprechung geforderten Sorgfaltspflichten hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] nicht erfüllt.
aa) Es trifft zwar zu, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] für den Ausschluss des einer [X.] zuzurechnenden [X.] ihres Anwalts (§
85 Abs.
2, §
233 ZPO) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwah-rung in einer Anwaltskanzlei nicht mehr ankommt, wenn der Rechtsanwalt einer [X.], die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete [X.] erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15.
April 2008 -
VI
ZB 29/07, juris Rn.
7; vom 13.
April 2010 -
VI
ZB 65/08, [X.], 2287 Rn.
5; vom 20.
September 2011 -
VI
ZB 23/11, [X.], 1544 Rn.
8). Im Streitfall erfüllt die vom Kläger vor-getragene und durch die eidesstattliche Versicherung der [X.] glaubhaft gemachte [X.] die Anforderungen der Rechtsprechung aber nicht. Es
ist nicht einmal vorgetragen, dass die Kanzleiangestellte ange-wiesen worden sei, nach Übersendung der [X.] den Sendebericht auszudrucken und diesen auf die Richtigkeit der verwendeten Empfänger-Nummer
anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten
Quelle zu überprüfen.
bb) Auch die vom Kläger vorgetragene -
nicht glaubhaft gemachte
-
all-gemeine Büroanweisung seines Prozessbevollmächtigten, auf die richtige Emp-fänger-Nummer
zu achten und nach der Übermittlung eines Schriftsatzes per 8
9
10
-
7
-

Telefax auf der Grundlage des [X.] die Vollständigkeit der Übermitt-lung zu überprüfen, wird den Anforderungen der Rechtsprechung nicht gerecht. Sie enthält nicht die organisatorisch gebotene allgemeine Weisung an das [X.], im Falle der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Te-lefax jeweils bei der [X.] anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle auch einen Abgleich des [X.] dahin vorzunehmen, dass die angewählte [X.]
der des ange-schriebenen Gerichts entspricht. Es wird auch nicht vorgetragen, dass
eine all-gemeine Anweisung
bestanden habe, eine solche Quelle bei der Ermittlung der Fax-Nummer
oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz zu verwenden, um [X.] bei der Ermittlung der Fax-Nummer
oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufzudecken.
c) Ein Hinweis des Berufungsgerichts nach §
139 ZPO, dass es den Vor-trag des Prozessbevollmächtigten des [X.] als unzureichend ansehe, war entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht erforderlich. Dem [X.] lässt sich auch nicht ansatzweise entnehmen, dass die Anforderungen der Rechtsprechung erfüllt worden sind, so dass ein Hinweis zur Präzisierung oder Klarstellung einer zuvor bereits vorgetragenen Tatsache nicht veranlasst war.
11
-
8
-

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.
Galke
Wellner
Pauge

[X.]
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.01.2011 -
7 O 271/10 -

KG Berlin, Entscheidung vom 11.07.2011 -
22 [X.] -

12

Meta

VI ZB 49/11

27.03.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2012, Az. VI ZB 49/11 (REWIS RS 2012, 7728)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7728

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