Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.04.2011, Az. VIII ZB 81/10

8. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7953

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Beginn der Wiedereinsetzungsfrist bei krankheitsbedingter Hinderung an der Einhaltung der bereits verlängerten Berufungsbegründungsfrist


Leitsatz

Ist der Prozessbevollmächtigte einer Partei erkrankungsbedingt an der Einhaltung der bereits um einen Monat verlängerten Berufungsbegründungsfrist gehindert, ist für den Beginn der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1, 2 ZPO der Wegfall der Erkrankung und nicht der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Gegenseite ihre Zustimmung zu einer erneuten Fristverlängerung verweigert (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 4. März 2004, IX ZB 121/03, NJW 2004, 1742 und vom 6. Juli 2009, II ZB 1/09, NJW 2009, 3037) .

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des [X.] - 14. Zivilkammer - vom 29. September 2010 aufgehoben.

Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des [X.] vom 10. Juli 2009 gewährt.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 35.366,03 €.

Gründe

I.

1

Die Klägerin hat den [X.]n auf Räumung einer angemieteten Doppelhaushälfte und auf Zahlung rückständiger Miete in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat den [X.]n zur Zahlung von 27.389,61 € verurteilt und hinsichtlich des [X.] sowie eines weiteren [X.] die Erledigung in der Hauptsache festgestellt. Das Urteil des Amtsgerichts ist dem Prozessbevollmächtigten des [X.]n am 28. Juli 2009 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.]n ist am 28. August 2009 beim [X.] eingegangen. Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des [X.]n hat der Vorsitzende der Berufungskammer die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat bis zum 28. Oktober 2009 verlängert. Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2009, eingegangen beim [X.] am selben Tag, hat der Prozessbevollmächtigte des [X.]n "unabhängig von einer Zustimmung der Gegenseite" um eine weitere Fristverlängerung für zwei Tage nachgesucht. Diesen Antrag hat er unter anwaltlicher Versicherung der Richtigkeit seiner Angaben damit begründet, dass er am 24. Oktober 2009 erkrankt aus dem Urlaub zurückgekehrt und außerdem seine Mitarbeiterin aufgrund einer schmerzhaften Verletzung am rechten Arm in ihrer Schreibfähigkeit eingeschränkt sei.

2

Der Vorsitzende der Berufungskammer hat die Klägerin mit Verfügung vom 28. Oktober 2009 zur Stellungnahme binnen dreier Tage aufgefordert. Am 30. Oktober 2009 ist die vom Prozessbevollmächtigten des [X.]n zwischenzeitlich gefertigte Berufungsbegründung beim [X.] eingegangen. Die Klägerin hat mit [X.] vom 13. November 2009 ihre Einwilligung zur beantragten Fristverlängerung verweigert. Mit einem am 1. Dezember 2009 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz hat der [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und hierbei unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nähere Ausführungen zur Art und Schwere seiner Erkrankung gemacht und die bereits beschriebene Verletzung seiner Mitarbeiterin durch ein ärztliches Attest belegt.

3

Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des [X.]n als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2009 gestellte Wiedereinsetzungsantrag sei verfristet, weil die Erkrankung als Hindernis für die Fertigung der Berufungsbegründung am 30. Oktober 2009 geendet habe und hierdurch die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Gang gesetzt worden sei. Den vor Fristablauf eingereichten Schriftsätzen könne kein konkludent gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entnommen werden, weil die dortigen Ausführungen nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Wiedereinsetzungsgrundes genügten. Dagegen wendet sich der [X.] mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

5

1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des [X.]n ist zulässig, weil eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die angegriffene Entscheidung verletzt die verfassungsrechtlich verbürgten Ansprüche des [X.]n auf Gewährleistung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Darlegung eines Wiedereinsetzungsgrundes überspannt und dadurch dem [X.]n den Zugang zur Rechtsmittelinstanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (st. Rspr., vgl. nur [X.], 225, 228; [X.], Beschlüsse vom 4. Juli 2002 - [X.], [X.]Z 151, 221, 227; vom 24. Juni 2010 - [X.]/09, [X.], 592 Rn. 4; jeweils mwN).

6

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Dem [X.]n ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, weil er ohne Verschulden an einer fristgerechten Begründung der eingelegten Berufung gehindert war und rechtzeitig (§ 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO) einen ausreichend begründeten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt hat.

7

a) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der [X.] die - bis zum 28. Oktober 2009 verlängerte - Frist zur Begründung der Berufung versäumt hat. Die Berufungsbegründung ist erst am Freitag, dem 30. Oktober 2009, und damit nach Ablauf der nicht erneut verlängerten Frist beim Berufungsgericht eingegangen.

8

b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch dem [X.]n eine Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist versagt. Der [X.] war infolge einer unvorhergesehenen Erkrankung seines als Einzelanwalt tätigen Prozessbevollmächtigten schuldlos daran gehindert, diese Frist zu wahren. [X.] hat das Berufungsgericht angenommen, der [X.] habe diesen Hinderungsgrund nicht rechtzeitig in einer den Anforderungen an ein Wiedereinsetzungsgesuch genügenden Weise geltend gemacht.

9

aa) Dem Berufungsgericht ist allerdings darin beizupflichten, dass die [X.] von einem Monat (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) mit dem Wegfall der eine Erstellung der Berufungsbegründung hindernden Erkrankung des Prozessbevollmächtigten des [X.]n, also mit Ablauf des 30. Oktober 2009, in Gang gesetzt wurde. Die [X.] beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO an dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist. Das ist nicht erst dann der Fall, wenn das Hindernis nicht mehr besteht; die Frist beginnt vielmehr schon dann zu laufen, wenn das Weiterbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 19. Juni 2008 - [X.], juris Rn. 5; vom 25. Oktober 2005 - [X.], [X.]Report 2006, 255 unter [X.]; vom 13. Juli 2004 - [X.], NJW-RR 2005, 76 unter [II] 1 a; jeweils mwN).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Beginn der [X.] nicht bis zum Zugang des Schriftsatzes der Klägerin vom 13. November 2009 hinausgeschoben, mit dem diese ihre Zustimmung zu der vom [X.]n am 28. Oktober 2009 beantragten erneuten Verlängerung der Begründungsfrist verweigert hat. Denn der [X.] konnte im Hinblick auf die Bestimmung des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO von vornherein nicht darauf vertrauen, dass ihm ohne Einwilligung der Gegenseite eine zweite Fristverlängerung gewährt würde (vgl. [X.], Beschluss vom 4. März 2004 - [X.] 121/03, NJW 2004, 1742 unter 2). Nach dieser Vorschrift kann ohne Einverständnis des Gegners die Berufungsbegründungsfrist nur um bis zu einem Monat verlängert werden. Der ohne Einwilligung der Klägerin mögliche Verlängerungszeitraum war bereits durch die erste Fristverlängerung ausgeschöpft. Die somit erforderliche Zustimmung der Klägerin zu der am 28. Oktober 2009 erbetenen weiteren Verlängerung der Begründungsfrist um zwei Tage hat der Prozessbevollmächtigte des [X.]n nicht eingeholt. In Anbetracht dieser Umstände war der [X.], dem das Verschulden seines Prozessvertreters nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, nicht bis zu dem [X.]punkt, in dem er von der Zustimmungsverweigerung der Gegenseite Mitteilung erhielt, schuldlos an einer fristgerechten Einreichung der Berufungsbegründungsfrist gehindert.

An der Wahrung der bis 28. Oktober 2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist war er nur deswegen ohne Verschulden gehindert, weil sein als Einzelanwalt tätiger Prozessbevollmächtigter infolge einer unvorhergesehenen kurzfristigen Erkrankung an einer fristgerechten Fertigung der [X.] gehindert war und diese daher erst am 30. Oktober 2009 bei Gericht einreichen konnte (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Juli 2009 - [X.], [X.], 3037 Rn. 7, 10). Da die [X.] von einem Monat (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) bereits mit Ablauf des 30. Oktober 2009 in Gang gesetzt wurde, war sie bereits vor Eingang des am 1. Dezember 2009 gestellten Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verstrichen.

bb) Diese Fristversäumung ist jedoch unschädlich, weil der [X.] bereits vor Ablauf der [X.] konkludent ein Wiedereinsetzungsgesuch gestellt hat.

(1) Ein Wiedereinsetzungsantrag muss nicht ausdrücklich gestellt werden, er kann auch stillschweigend in einem Schriftsatz enthalten sein ([X.], Beschlüsse vom 5. Februar 1975 - [X.] 52/74, [X.]Z 63, 389, 392 f.; vom 17. Januar 2006 - [X.], [X.], 1518 Rn. 13). Hierzu reicht aus, dass die [X.] konkludent zum Ausdruck bringt, dass sie das Verfahren trotz verspäteter Einreichung der Rechtsmittel- oder Begründungsschrift fortsetzen will (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Juli 2010 - [X.], juris Rn. 10; vom 5. Februar 1975 - [X.] 52/74, aaO; jeweils mwN). Diese Voraussetzungen erfüllt der am 30. Oktober 2009 bei Gericht eingegangene [X.]satz, was auch das Berufungsgericht nicht verkennt. Dem Prozessbevollmächtigten des [X.]n war bewusst, dass am 30. Oktober 2009 die bis zum 28. Oktober 2009 verlängerte Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen und eine weitere Fristverlängerung nicht erfolgt war. Gleichwohl erstrebte er - wie der Inhalt der Berufungsbegründung zeigt - eine Fortsetzung des Berufungsverfahrens mit dem Ziel der Aufhebung des angefochtenen Urteils.

(2) Die ergänzende Deutung der Berufungsbegründung als konkludent gestelltes Wiedereinsetzungsgesuch scheitert auch nicht daran, dass dieser Schriftsatz keine Angaben zu den [X.] enthält. Einer Darlegung der Wiedereinsetzungsgründe bedarf es nicht, wenn diese bereits aktenkundig sind (vgl. [X.], Beschlüsse vom 5. Februar 1975 - [X.] 52/74, aaO; vom 17. Januar 2006 - [X.], aaO Rn. 14). Diese Voraussetzungen sind - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - im Streitfall erfüllt. Denn der Prozessbevollmächtigte des [X.]n hat bereits in seinem Fristverlängerungsantrag vom 28. Oktober 2009 die maßgeblichen Hinderungsgründe für eine rechtzeitige Fertigstellung der Berufungsbegründung aufgeführt. Der in seinem Briefkopf als Inhaber einer [X.] ausgewiesene Prozessbevollmächtigte des [X.]n hat vorgetragen, dass er am 24. Oktober 2010 erkrankt aus dem Urlaub zurückgekehrt und seine Mitarbeiterin zeitgleich wegen einer schmerzhaften Verletzung am rechten Arm in ihrer Schreibfähigkeit eingeschränkt sei, weswegen eine Verlängerung der Begründungsfrist um zwei Tage notwendig werde. Dies genügt den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich die Gründe für die Fristversäumnis ergeben (vgl. [X.], Beschlüsse vom 14. März 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 793 unter [X.]; vom 3. Juli 2008 - [X.] 169/07, [X.], 3501 Rn. 15; vom 21. Oktober 2010 - [X.] 73/10, NJW 2011, 458 Rn. 17; jeweils mwN). Zwar sind die Angaben etwas allgemein gehalten, insbesondere ist die Art und Schwere der Erkrankung des Prozessbevollmächtigten nicht näher beschrieben worden. Diese Lücken sind jedoch unschädlich. Der Antragsteller hat sich zur Begründung der Fristversäumnis auf einen bestimmten Sachverhalt (eigene Erkrankung und Verletzung seiner Mitarbeiterin) festgelegt (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Juli 2008 - [X.] 169/07, aaO mwN). Anders als das Berufungsgericht meint, war der [X.] nicht daran gehindert, nähere Einzelheiten zu diesem Sachverhalt auch noch nach Ablauf der [X.] vorzutragen.

(3) Zwar sind nach § 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 ZPO an sich alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der Antragsfrist vorzutragen. Jedoch dürfen erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 12. Juni 2001 - [X.], [X.]Report 2001, 982; vom 29. Januar 2002 - [X.], [X.]Report 2002, 434; vom 13. Juni 2007 - [X.] 232/06, NJW 2007, 3212 Rn. 8; vom 21. Oktober 2010 - [X.] 73/10, aaO; jeweils mwN). Um solche Angaben handelt es sich bei den im Schriftsatz vom 1. Dezember 2009 geschilderten Einzelheiten der krankheitsbedingten Verhinderung des Prozessbevollmächtigten des [X.]n und dessen Mitarbeiterin. Das Berufungsgericht hätte im Hinblick auf die erkennbar fehlende Konkretisierung der beim Prozessbevollmächtigten der [X.]n aufgetretenen Krankheitssymptome vor einer Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch auf eine entsprechende Ergänzung des bisherigen Vorbringens hinwirken müssen. Ein unzulässiges Nachschieben neuer Tatsachen ist mit diesen ergänzenden Angaben nicht verbunden (vgl. auch [X.], Beschluss vom 6. Mai 1999 - [X.], NJW 1999, 2284 unter 3 [X.]). Auch eine Glaubhaftmachung der vorgetragenen Tatsachen ist rechtzeitig erfolgt, denn sie braucht nach § 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO nicht im Antrag enthalten zu sein, sondern kann auch noch im Verfahren selbst nachgeholt werden (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 20. März 1996 - [X.], [X.], 1682 unter [X.] a).

cc) Auf sein rechtzeitig gestelltes und ordnungsgemäß begründetes Gesuch ist dem [X.]n Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren (§ 233 ZPO). Er war ohne eigenes oder ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden seines Prozessbevollmächtigten daran gehindert, die Berufungsbegründung vor Ablauf der bis 28. Oktober 2009 verlängerten Frist einzureichen. Der [X.] hat vorgetragen und durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung glaubhaft gemacht, dass sein Prozessbevollmächtigter im Hinblick auf dessen plötzliche Erkrankung unverschuldet daran gehindert war, die bis zum 28. Oktober 2009 verlängerte Begründungsfrist einzuhalten.

(1) Den Ausführungen im Schriftsatz vom 1. Dezember 2009 ist zu entnehmen, dass sein Prozessbevollmächtigter unmittelbar nach dessen Urlaubsrückkehr am Abend des 24. Oktober 2009 an einer Magen-Darmgrippe, begleitet von starken Schwindelattacken, erkrankte und sich deswegen am Montag, dem 26. Oktober 2009, in ärztliche Behandlung begab. Ausweislich der ärztlichen Bescheinigung vom 27. November 2009 war er aufgrund dieser Beschwerden im [X.]raum vom 26. Oktober 2009 bis 30. Oktober 2009 arbeitsunfähig erkrankt. Weiter hat der [X.] dargelegt, dass seinem Prozessbevollmächtigten im Hinblick auf dessen Erkrankung eine rechtzeitige und ordnungsgemäße Erstellung der Berufungsbegründung trotz entsprechender [X.] nicht möglich war und die Einschaltung eines Vertreters in Anbetracht der Kürze der zur Verfügung stehenden [X.] und des Umfangs des zu bearbeitenden [X.] nicht in Betracht kam. Erschwerend kam hinzu, dass nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des [X.]n auch die Mitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten aufgrund einer am 27. Oktober 2009 erlittenen Verletzung am rechten Arm an diesem Tag und an den darauf folgenden Tagen in ihrer Schreibfähigkeit stark eingeschränkt war.

(2) In Anbetracht dieser unvorhersehbar aufgetretenen und akuten Erkrankung des Prozessbevollmächtigten des [X.]n bestand auch keine Verpflichtung zur Beauftragung eines Vertreters. Ein Rechtsanwalt hat zwar im Rahmen seiner Organisationspflichten grundsätzlich auch dafür Vorkehrungen zu treffen, dass im Falle seiner Erkrankung ein Vertreter die notwendigen [X.]en vornimmt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. Februar 1996 - [X.], [X.], 1540 unter [X.] b; vom 17. März 2005 - [X.] 74/04, juris Rn. 5; vom 18. September 2008 - [X.], [X.], 3571 Rn. 9; jeweils mwN). Auf einen krankheitsbedingten Ausfall muss sich der Rechtsanwalt aber nur dann durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, wenn er eine solche Situation vorhersehen kann ([X.], Beschlüsse vom 18. September 2008 - [X.], aaO; vom 6. Juli 2009 - [X.], aaO Rn. 10). Wird er dagegen unvorhergesehen krank, gereicht ihm eine unterbleibende Einschaltung eines Vertreters nicht zum Verschulden, wenn ihm diese weder möglich noch zumutbar war (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. Februar 2000 - [X.], juris Rn. 12; vom 18. September 2008 - [X.], aaO Rn. 9, 12; vom 6. Juli 2009 - [X.], aaO; jeweils mwN).

So liegen die Dinge hier. Der Prozessbevollmächtigte des [X.]n ist am Abend seiner Urlaubsrückkehr plötzlich an einer schweren Magen-Darmgrippe erkrankt, die bei ihm auch Schwindelattacken auslöste. Die Einschaltung eines Vertreters war im Hinblick auf die erst kurz vor Fristablauf eingetretene Erkrankung des Prozessbevollmächtigten des [X.]n und in Anbetracht des Umfangs der Sache nicht zumutbar. Der Vertreter hätte sich binnen zweier Tage (vom 26. Oktober bis 28. Oktober 2009) mit einem ihm bislang nicht bekannten [X.] - gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem [X.]n - vertraut machen und eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung erstellen müssen, wobei er zudem wegen der eingeschränkten Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten des [X.]n auf eine eigene Schreibkraft hätte zurückgreifen müssen. Bei dieser Sachlage durfte der Prozessbevollmächtigte des [X.]n von der Beauftragung eines Vertreters absehen.

Damit beruht die Fristversäumung nicht auf einem vorwerfbaren Verhalten des Prozessbevollmächtigten des [X.]n. Da er die versäumte [X.] auch rechtzeitig - mit am 30. August 2009 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz - nachgeholt hat, steht einer Wiedereinsetzung nichts im Wege.

Ball     

        

Dr. Milger     

        

Dr. Hessel

        

Dr. Achilles     

        

Dr. Fetzer     

        

Meta

VIII ZB 81/10

05.04.2011

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG München I, 29. September 2010, Az: 14 S 16479/09, Beschluss

§ 234 Abs 1 ZPO, § 234 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.04.2011, Az. VIII ZB 81/10 (REWIS RS 2011, 7953)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7953

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZB 81/10 (Bundesgerichtshof)


VII ZB 35/17 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist: Nichterteilung der Einwilligung in die Fristverlängerung …


I ZB 16/22, I ZB 17/22 (Bundesgerichtshof)


VIII ZB 69/16 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist: Vertrauen in die Gewährung der wegen Arbeitsüberlastung beantragten Fristverlängerung


VIII ZB 70/17 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Zusätzliche Fristensicherung des Prozessbevollmächtigten bei Stellung eines Fristverlängerungsantrags; Gewährleistung der …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.